Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT ALLGEMEIN - Politik auf Kosten der Arbeiter
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Der DGB wird aktiv
ALS STREIKBRECHER IN GROSSBRITANNIEN
Wenn in der BRD ganze Branchen nach dem Beispiel der britischen
Kohleförderung saniert werden, wenn in der deutschen Industrie
Arbeitsplätze "wegrationalisiert" werden, dann wissen deutsche
Gewerkschaftler ganz genau, was da zu machen ist:
1. gar nichts
2. nachzählen
3. jammern
4. Sozialplan unterschreiben, damit alles glatt über die Bühne
geht.
Klar, Profit muß sein, denn an Arbeitsplätzen, die nur Lohn, aber
keinen Profit abwerfen, würden deutsche Gewerkschaftler ihren
Lohn nicht verdienen wollen! Dann lieber gar nicht!
Wenn aber irgendwo - und sei es im Ausland - irgendwelche Leute
sich einmal gegen Rationalisierung zur Wehr setzen, und das noch
nicht einmal im Namen der besseren Wirtschaftspolitik, sondern
einfach wegen ihres Lebensunterhalts, dann wissen deutsche Natio-
nalgewerkschafter: Das darf erstens nicht sein, und zweitens
schon gleich nicht Schule machen! Und da reicht die Verantwortung
der Arbeiterverwaltung der EG-Vormacht BRD weit, wenigstens bis
nach England. Schon 1983 hatte man
Die radikale britische Bergarbeitergewerkschaft NUM
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aus dem westlichen "Internationalen Bergarbeiterverband" ge-
drängt, weil diese sich nicht in die NATO-Feindschaft gegen den
Osten einspannen lassen wollte und Kooperation mit Gewerkschaften
des Ostblocks nicht wegen der nationalen Front gegen die soziali-
stischen Staaten aufgeben wollte.
Jetzt verurteilt die IG Bergbau Scargills Kampf gegen die totale
Verarmung seiner halben Mitgliedschaft als "destruktiven energie-
politischen Kurs, der sich allen notwendigen Anpassungen ver-
schließt", wodurch die NUM "aus der internationalen Solidarität
der demokratischen Arbeiterbewegung ausgeschert sei" (in der kla-
ren Ausdrucksweise der FAZ, 10.1.84).
Eben darin besteht die internationale Solidarität demokratischer
Gewerkschaften, daß sie genau wissen, welche "Anpassungen" not-
wendig sind: alle nämlich, die dem Geschäft nützen und den Lohn
schädigen. Wer sich an diese Einsicht nationalistischer Energie-
politiker im Arbeiterauftrag nicht hält, wird nicht nur von der
konservativen Klassenkämpferin Margaret Thatcher, sondern auch
noch von den anderen Gewerkschaften niedergekämpft. Die IG Berg-
bau unterstützt finanziell und politisch die britische Steigerge-
werkschaft, die sich als Streikbrecher betätigt. Der DGB als gan-
zer unterstützt den britischen Gewerkschaftsdachverband TUC, der
ebenfalls die kämpferische NUM kleingemacht sehen und kleinmachen
möchte, weil sie dem Arrangement der eben auch nationalistischen
englischen Gewerkschaften mit Thatchers: "Make Britain Great
Again!", im Wege steht.
Nun kann eine Gewerkschaft, auch eine deutsche, angesichts eines
so erbittert ausgetragenen Klassenkampfes nicht einfach den
Standpunkt der britischen Regierung, des Klassengegners, vertre-
ten und auch nicht verhindern, daß sich bei einigen deutschen Ar-
beitern der Wille regt, den Streikenden zu helfen. Also organi-
siert der DGB alles, was an Hilfe für die britischen Bergarbeiter
aufkommt, in eindeutiger Weise: Helfen darf man nach dem Willen
des DGB "den in Not geratenen Bergarbeiterfamilien, insbesondere
den Frauen und Kindern". Daß das mit den Familien, Frauen und
Kindern
Ein Angriff auf den Streik
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der Väter sein soll, ist schon so gemeint; man hatte extra getüf-
telt, wie man das hinkriegt: "Humanitäre Hilfe für die notleiden-
den Familien der streikenden Bergleute - ja, aber keine Unter-
stützung für Arthur Scargill und die Politik der kommunistisch
unterlaufenen Gewerkschaft."
Also hat man Mitleid mit den Familien, ja sogar mit den Bergleu-
ten selbst - aber als bedauernswerte Opfer eines Streiks, den sie
doch gerade selber machen. Nicht als Streikende sollen sie Hilfe
bekommen, damit sie ihren Streik lange durchstehen und siegreich
beenden, sondern als Opfer einer Sache, die sie nichts angeht und
die auf ihrem Rücken ausgetragen wird.
Die "metall" (Zeitung der IG Metall) kommt im November mit einer
herzzerreißenden Titelgeschichte heraus, in der sie, sich vor Lob
über den geradezu faschistischen Idealcharakter der britischen
Bergarbeiter überschlägt: In den Augen einer deutschen Arbeiter-
zeitung sind diese Leute arm, aber total anständig, und sie wären
in ihrer Armut glücklich, würden sie nicht von Frau Thatcher als
Pöbel beleidigt. Es bricht ihnen - ganz wörtlich: Herzinfarkt -
das Herz, wenn sie einmal, selbstverständlich nur wegen frieren-
der Kinder daheim, bei ihren Ausbeutern ein paar Brocken Kohle
stehlen müssen usw. Daß dieselben Idealbilder anständiger Armer
gleichzeitig Streikbrecher verprügeln und Kohletransporte zu den
Elektrizitätswerken mit brennenden Barrikaden stoppen, will da so
wenig ins falsche Anstandsgemälde passen, daß die "metall" Ent-
schuldigungen, Provokationen der Regierung und einfache Umdeutun-
gen der Aufgaben der "picket lines" (Streikpostenketten) erfinden
muß - sie hält das für "Mahnwachen", wie die IG Metall sie bei
Streiks macht.
So trennt man, im Ton größter Anteilnahme, zwischen den armen,
anständigen, der Solidarität würdigen Opfern von unsozialer Poli-
tik und Klassenkampf - und eben denselben Leuten, sofern sie
diese tätigen Klassenkämpfer sind.
Diese Hilfe, die zugleich
Kritik an den Streikenden
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sein soll, ist nicht nur theoretisch ein Angriff auf den Kampf
der Bergleute. Der DGB schickt seine Hilfsgelder nicht an die
Bergarbeitergewerkschaft, die damit ihre Durchhaltefähigkeit
steigern würde, sondern an den TUC, der "humanitär hilft" und das
heißt Streikenden wie Streikunwilligen, vor allem aber Frauen und
Kindern, damit die armen Unschuldigen nicht in die schlimme Sache
- den Kampf ihrer Väter - "hineingezogen" werden. Und mit jedem
Care-Paket wird, wie bei den seinerzeitigen Polenpäckchen, die
Botschaft mitüberreicht: "Seht her, das geben wir euch, die wir
arbeiten und nicht streiken, um eure Not zu lindern, die eure Ge-
werkschaft euch beschert, weil sie eure Männer streiken und nicht
arbeiten läßt."
Den härtesten Schritt in seinem Beitrag bei der Isolierung und
Ruinierung der "marxistischen" Bergarbeitergewerkschaft NUM hat
der DGB Mitte Januar getan.
Hatte der Chef der IG Bergbau Adolf Schmidt einem Repräsentanten
der NUM schon im Herbst 20.000 Mark Bestechungssumme dafür gebo-
ten, daß der in Deutschland nicht "herumagitiert", so hat der DGB
diese Schweinerei in großem Stil wiederholt:
Am Samstag, dem 12. Januar 1985, war in Essen eine Sympathiekund-
gebung für den britischen Bergarbeiterstreik geplant, auf der
auch Arthur Scargill reden wollte. Der DGB, der in der BRD noch
nicht einmal eine theoretische Befassung mit den Auffassungen ei-
ner kämpfenden Gewerkschaft haben möchte, hatte die Organisatoren
und die NUM erpreßt: Entweder die Veranstaltung findet im
Deutschland des DGB nicht statt, oder der DGB unterbindet ab so-
fort alle Spendenaktionen, die er über den TUC zuläßt.
Die Veranstalter sagten ab.
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Solidarität politisch sauber
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"Gewerkschaftsmitglieder aus dem mittelfränkischen Großraum haben
in sechs Wochen 30000 Mark gesammelt. Elf Tonnen Hilfsgüter für
die britischen Kumpels. Abschied einer Lastwagenbesatzung vor dem
DGB-Haus am Kornmarkt - Solidarität im Kampf um Arbeitsplätze
gefordert."
Einen Lebensmitteltransport auf die Reise nach England zu schic-
ken, ist schon eine ziemlich eigenartige Unterstützung der briti-
schen Bergarbeiter.
- Da werden erst 30.000 Mark in der Nürnberger Gewerkschaft ge-
sammelt, dann davon Grundnahrungsmittel und Winterkleidung gek-
auft - als ob es all das in England nicht g ä b e.
- Da wird ein teurer, die Gesamthilfe mindernder LKW-Transport
organisiert - wo doch eine Beförderung im Portemonnaie oder ein
Scheck für den NUM-Funktionär so einfach und viel effektiver
wäre.
- Da wird ein weiterer Transporter angekündigt, "der vor allem
auf die Bedürfnisse der Kinder zusammengestellt" ist - als ob
streikende Bergarbeiter nichts dringender benötigen als Spielsa-
chen für ihre Kinder.
Die Absicht, den dortigen S t r e i k zu unterstützen, hat also
bei der Nürnberger Gewerkschaftsaktion offenbar nicht Pate ge-
standen. Eher schon die gegenteilige Absicht: Wie können wir
"Solidarität üben", ohne uns hinter die Ziele und die Mittel des
Streiks und die Härte, mit der er geführt wird, zu stellen?
D a f ü r ist freilich der auf den ersten Blick so umständlich
und ineffektiv anmutende Lebensmitteltransport genau das Pas-
sende: garantiert politisch sauber! Eine Lebensmittelspende - un-
ter Aufsicht eines bundesdeutschen IG-Metallers verteilt - macht
keine Unterschiede zwischen streikwilligen und -unwilligen - bri-
tischen Arbeitern; sie kann also nicht "falsch" verwendet werden.
Genau wie im Fall äthiopischer Hungerleider oder Nürnberger Sozi-
alhilfeempfänger handelt es sich um "Hilfe für in Not geratene
M e n s c h e n", die - so die "Nürnberger Nachrichten" vom
31.12. - nicht in einem Kampf g e g e n d a s K a p i t a l
stehen und d e s w e g e n Unterstützung verdienen, sondern "im
Kampf gegen Hunger, Entbehrung und Not".
Aller G e g n e r s c h a f t zum Kapital entkleidet, kann dann
eine Ute Melzig von der IG Druck und Papier verkünden, "warum ge-
rade Nürnberg in diesem Arbeitskampf Flagge zeigen muß. Auch hier
seien in der Metallindustrie von 1974 bis 1983 rund 21.000 Ar-
beitsplätze vernichtet worden."
Es scheint, ihr großherzigen Angeber könntet selber ganz gut ein
paar Care-Pakete gebrauchen.
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