Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT ALLGEMEIN - Politik auf Kosten der Arbeiter


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       Der FDGB  hat schnell  gelernt, was  "freie"  Gewerkschaften  be-
       deuten:
       

WENIG LOHN, VIEL SOZIALER FRIEDE

Vor den neuen freien DM-Preisen für Wohnungen und Lebensmittel werden die DDR-Arbeiter mit ihren Löhnen recht arm aussehen. Das weiß Helga Mausch, neue Vorsitzende des FDGB, jetzt schon ganz genau. Und, sinnt die Gewerkschaft auf Abhilfe beim Lohn? MAUSCH: "Viele Betriebe haben in der Vergangenheit beim Staat ge- waltige Kredite aufgenommen. Dadurch entstehen Zahlungsverpflich- tungen. Zusammen mit den notwendigen Investitionen zur Mo- dernisierung der Betriebe entstehen Ausgabenzwänge, die notwen- dige Lohnsteigerungen beträchtlich erschweren." M e r k e: Wenn Banken Zinsen wollen, müssen die natürlich be- zahlt werden. Wenn Betriebe für Gewinn investieren, wird schon Geld da sein. Aber wenn Arbeiter bloß Lohn brauchen, das geht nicht! Da "kann" eine Gewerkschaft nicht, was sie in der "Freien Marktwirtschaft" nun mal nicht will. * Die neuen DM-Geschäftsleute werden die DDR-Arbeiter neu durchmu- stern und fürs Gewinnemachen nicht alle brauchen. Daß da etliche arbeitslos werden, weiß Helga Mausch schon ganz genau. Und, will die Gewerkschaft das unterbinden? SPIEGEL: "Viele DDR-Unternehmen werden die Wirtschaftseinheit nicht überleben. Mit wieviel Arbeitslosen rechnen Sie?" MAUSCH: "Experten sprechen von zwei bis drei Millionen. Ich fürchte, es werden noch mehr. Jedenfalls entsteht da eine Kon- fliktsituation, wie wir sie in diesem Land noch nie gehabt haben. Uns fehlen ja alle Erfahrungen im Umgang mit Arbeitslosigkeit. Vor allem aber fehlt immer noch das soziale Netz, um so etwas ab- zusichern." M e r k e: Die Produktion von Arbeitslosen unterbindet eine "freie Gewerkschaft" nicht, sie organisiert einen "Umgang" damit, der diese Konsequenz der Marktwirtschaft "absichert". Vor allem dagegen, daß am Ende Arbeiter eine "Konfliktsituation" anzetteln und den Gang der Geschäfte stören! * Daß Arbeiter in ihrer zukünftigen Armut und Existenzunsicherheit Grund genug haben, den "sozialen Frieden" zu brechen, das weiß Helga Mausch schon gleich. Gegen die Ursachen "kann" der FDGB nichts tun. Umso mehr kann er was tun als Ordnungskraft. MAUSCH: "Vielleicht gibt es einige, die versuchen werden, die Ge- werkschaften auszuschalten. Aber die Regierung und auch die Un- ternehmen sollten nicht vergessen, daß eine starke, geschlossene Gewerkschaft gerade in der jetzigen Zeit ein wichtiger Stabi- lisierungsfaktor ist." M e r k e: "Freie Gewerkschaften" sind "Transmissionsriemen" des Staates. Gab es das nicht schon? * Die FDGB-Vorsitzende beherrscht schon die gute alte westdeutsche Gewerkschaftstour: "MAUSCH: Alle haben die Marktwirtschaft gewollt. Zur Marktwirt- schaft gehören auch kämpferische Gewerkschaften." "SPIEGEL: Bekommt das nicht einen merkwürdigen politischen Beige- schmack, wenn der FDGB, der während der ganzen Umbruchszeit kei- nen Tag streikte, um den politischen Forderungen der Regime-Geg- ner Nachdruck zu verleihen, nun sofort gegen die erste frei ge- wählte Regierung den Streik ausruft?" M e r k e: Gegen ein Unrechtsregime, in dem es k e i n e freien Gewerkschaften gab und man nicht streiken d u r f t e, hätte man natürlich unbedingt streiken m ü s s e n. Zwar auch nicht, um irgendeinem Arbeiter-Anliegen "Nachdruck zu verleihen", sondern um eine "frei gewählte Regierung" Marke West durchzupau- ken. Aber wenn man die dann h a t, dann b r a u c h t man gar nicht mehr zu streiken. Das gehört sich nämlich nicht, wenn man frei genug ist. (Alle Zitate: SPIEGEL vom 9.4.9O) zurück