Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT ALLGEMEIN - Politik auf Kosten der Arbeiter


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       Die Reichsbahn wird zur Umschlagsagentur des Kapitals gemacht
       

DIE DEUTSCHE ARBEITERBEHÖRDE LÄSST IHR MITWIRKUNGSRECHT ERKÄMPFEN

1. Die Forderungen ------------------ waren b r a v. Sie nahmen nicht Maß am Bedarf und wirklichen Ar- beitsaufwand der Bahnler, der ja auf alten Anlagen nicht geringer ist, sondern an der offiziellen politischen Definition von Lohn- arbeit in der Ostzone und der Ideologie "Angleichung".: a) 50-60% des DB-Tarifs statt 40-45%. 100,- bis 150,- DM mehr im Monat sind das schon. b) Übernahme des Kündigungsschutzes der DB, wo Modrows Kündi- gungschutz qua Staatsvertrag am Jahresende gestrichen. D.h. Schutz für über 40jährige und über 15-Jahre-Dienstleister. Und das ist nicht Schutz aller. 2. Die Gegenseite Bonn ---------------------- hat die K o n f r o n t a t i o n aufgemacht. a) gegen Lohn: - Die RB kann ihn nicht zahlen. Dieser "Sachzwang" kommt so zu- stande: Wohlweislich ist die RB nicht der DB angegliedert worden, sondern Sondervermögen Bund auf e i g e n e Rechnung. Sie ver- bucht als Verluste, was 1. die Folge der Ruinierung der Ex-DDR- Wirtschaft (rapider Rückgang des Transportvolumens) und 2. Sozi- alleistung für die Kapitalisierung der Zone ist: Niedrigtarife. Immerhin 500 Mill. allein 1990. - Bonn legt der Lohnarbeit der Bahnler zur Last - als ob die we- nig(er) zu schuften hätten-, daß die RB noch nicht für die pro- jektierten Umschlagsbedürfnisse zugerichtet ist: "zu langsam", "marode", "zu viele" bzw. die falschen Strecken und Kapazitäten, und "zu viele Beschäftigte". - Für die Zurichtung, nicht für die Bahnler, sind Mrd.-Investi- tionen geplant. Das aber wird den Bahnlern vorgerechnet, als gäbs was für sie! Dabei war Bonn vor allem b) gegen Kündigungsschutz: - ganz offen hieß das Argument: ums "Rationalisieren" als S t r e i c h e n alter RB-Abteilungen (Privatisierung von Wag- gon- und Streckenbau = Übergabe an die Konkurrenz der da schon engagierten Kapitale) und um den R a u s s c h m i ß der "zu vielen" pro "Streckennetz" (das seinerseits "zu viel") gehts doch grad. - "Rationalisierung", "Modernisierung" sind Ideologie. Das be- kannten die Macher mit der Ablehnung des DB-Kündigungsschutzes für die Reichsbahn. Für die DB war der grad passend und zwar für Rationalisierung, da wurden damit Massen ausgemustert - aber die DB war eben immer schon auf die Bedürfnisse des kapitalistischen Umschlags und auf die private Transportkapitalkonkurrenz ausge- richtet, so daß es da tatsächlich bloß um Rationalisierung der staatlichen faux frais ging und geht. Für die RB war er unerträg- lich, weils da um totale Umstellung geht u n d die kapitalisti- schen Bedürfnisse noch gar nicht recht feststehen. Da will die Verkehrspolitik der Anschlußpolitiker freie Hand! (z.B: 70% des Güterverkehr liefen in der DDR über Schiene, 22% sind es in der BRD - ob das so bleiben kann?) - Der "Angleichungs"-Vergleich verschleiert also wieder das We- sentliche. - Erhellend die FAZ: "Die gewünschte Arbeitsplatzgarantie... überholt die wohlbedachte Verzögerung, die für die Übernahme von Staats-Arbeitnehmern der alten DDR ins Beamtenverhältnis verein- bart worden ist." (28.11) Dies die andere Seite der Trennung von RB und DB. c) Dieser Argumentation entsprach die p r a k t i s c h e Kon- frontation. Die Bahnler wurden mit der Wucht der privaten Trans- portkapitalkonkurrenz konfrontiert. Als Streikbrecher wurde der neue M a ß s t a b eingeführt: "Ziel der Eisenbahner sollte sein, die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens zu sichern. Die Marktanteile, die diese Woche verloren gingen, könnten nur schwer zurückerobert werden." (Zimmermann; Tagesspiegel 27.11.) Andererseits wurde den zukünftig ö f f e n t l i c h Bediensten mit der Bundeswehr als Streikbrecher gedroht, also klargemacht, das der Status "öffentlicher Dienst" mit besonderem Treueverhält- nis verbunden ist. 3. Ideologien, die auf Besonderheit des --------------------------------------- (staatlichen) Transportwesens beruhen: -------------------------------------- a) die Bahnler gehen von der Unverzichtbarkeit ihres Dienstes aus, bekennen sich zum Willen zur "Modernisierung" - und haben keine Ahnung von deren Kriterium. Sie meinen deshalb da gäbe es viel z u t u n, also bräuchte es doch v i e l e A r b e i t e r - schon gleich "erfahrene". b) Das genau wirft die Gegenseite ihnen als Erpressung und Egois- mus vor. - "Egoismus", denn "ihr" Betrieb habe doch eine sichere Zukunft, als ob das = sichere Zukunft der RBahnler, wo doch das Gegenteil angekündigt. Sie seien die letzten die streiken dürften - als hätte man bei anderen Verständnis. Bzw: Bei Konkursbetrieben, wo also mit Streik nichts mehr zu machen ist, findet man ihn "verständlich"! - "Erpressung", weil die Bahnler ein M i t t e l h a b e n. - Operiert wird ferner mit einer Lüge, die auf den Dienstwillen von Bahnlern und Zonis berechnet ist: S i e ruinierten die Ost- zonen-Wirtschaft und deren Neuaufbau! - Übergänge zur Volksverhetzung: Menschen als "Geiseln", Tiere, verhungernde Russen; Wie "Krieg", "Berlinblockade" = SED 4. Die Gewerkschaft ------------------- hat den Streik -möglicherweise gar nicht in diesem Umfang ge- plant- für ein g e w e r k s c h a f t s m e t h o d i s c h e s Ziel angezettelt. Sie will die gesamtdeutsche Behörde auch für die Bahnarbeiter sein. und da hat sie einen kleinen Widerspruch zu bewältigen: a) als gesamt d e u t s c h e Behörde ist sie für die Son- derbehandlung der Ostzonen-Bahnler b) als g e s a m t deutsche Arbeiterbehörde muß sie sich aber auch als Interessensvertreter der Zonis etablieren. c) Auflösung: die Gewerkschaft macht die Ideologie "Angleichung" zur Gewerkschaftssache in der Zone, also gleich die von Bonn po- lit-ökonomisch definierte Problemlage statt die Bahnlerlage! d) dazu paßt dann doch die Streikdramaturgie: die b e- s c h r ä n k t e Kampfkraft der Ost-Bahnler wird mobilisiert - bei der DB rollt alles weiter. Und die Ostler werden lehrstückhaft an die Schranken der Bonner RB-Konstruktion ge- führt. Die öffentliche Hetze assistiert: "Jeder Streik tut jemandem weh. Das gehört zum Wesen dieser Waffe im rechtsstaatlich geregelten Arbeitskampf. Und je stärker Unbe- teiligte betroffen sind, desto größer ist in der Öffentlichkeit die Aversion. Diese Erfahrung kann auch den neuen Mitbürgern öst- lich der Elbe nicht erspart bleiben, die Streiks bisher weder ak- tiv noch passiv kennengelernt haben." (Tagesspiegel-Kommentar 27.11) f) Dann bläst die Gewerkschaft den Streik ab, und der "Kompromiß" heißt: Noch ein halbes Jahr Gnadenfrist bei den Kündigungen! (Dann sind die Bonner Pläne weiter!) Die Gewerkschaft bekennt sich zur Notwendigkeit von "Rationalisierung" - aber "sozial"! Auch da hat sie vorgebaut: Sie hat die Zahl von 125000 Entlassun- gen ins Gerede gebracht, während die Gegenseite bloß 68000 in Aussicht stellt! Da wird also viel "verhindert"! Fazit: So hat die Gewerkschaft i h r e r s e i t s die Um- stellung der RB auf eine kapitalistische Umschlagsagentur auf die Tagesordnung gesetzt. D a b e i mischt s i e jetzt mit. 5. Am Ende wird eine allgemeine Lehre für die Zonis draus, wie die neue Gewerkschaftsfreiheit gemeint ist, die ihnen anläßlich der 1:1-Umstellung noch von so ausgewiesenen Gewerkschaftfreunden wie Lambsdorf als Korrekturmittel angepriesen wurde. Wenn schon die Bahnler nicht mehr durchsetzen "können",... Zitate: "Der Präsident der Reichsbahndirektion Berlin, Günther, vertei- digte gestern die Verhandlungsführung der Arbeitgeberseite in der vergangenen Woche. Die Reichsbahn sei mit der Vereinigung Deutschlands Teil des öffentlichen Dienstes. Einer so weitrei- chenden Forderung wie der nach einem umfassenden Kündigungsschutz könne daher ohne eine Zustimmung durch die Bonner Minister für Verkehr, Finanzen und Inneres nicht nachgekommen werden. Günther verwies darauf, daß die Reichsbahn im laufenden Jahr mit einem Defizit in der Größenordnung von 500 Millionen DM rechnen müsse. Dies sei zum einen auf den dramatischen Rückgang der Gütertrans- porte, aber auch auf die gegenüber dem Vorjahr sinkende Zahl von Zugreisenden zurückzuführen. Auf Grund der wirtschaftlichen Ent- wicklung rechnet Günther noch bis zum zweiten Halbjahr 1991 mit einem weiteren Rückgang des Güterverkehrs." (TS 27.11) A propos Zugreisende: "Daß das erste Erleben dieses Teils der sozialen Wirklichkeit ein Jahr nach der Erlangung der Reisefreiheit ausgerechnet in einer Beschränkung dieser Bewegungsfreiheit besteht, ist allerdings nicht nur ein zeitgeschichtliches Kuriosum. Der erste große Streik im geeinten Deutschland findet auf dem falschen Felde statt." (TS-Kommentar 27.11.) "Nach den "Grobkonzept" der Reichsbahn zur Sanierung solle zwar das Personal bis 1995 um rund 68000 auf 186000 abgebaut werden. Allein 45 Prozent dieses Rückgangs werde aber schon dadurch er- reicht, daß Reichsbahner in Rente oder in Vorruhestand gehen. Ferner reduziere sich das Reichsbahnpersonal durch die Ausgliede- rung betriebsfremder Unternehmensteile wie etwa den Waggon- und Bahnschwellenbau. Bis auf weiteres werde es bei der Reichsbahn aber einen fast vollständigen Einstellungsstopp geben.." (TS 27.11) "Eine Schrumpfung von jetzt 14000 auf rund 10000 Kilometer ist im Gespräch." (TS 28.11) "Und dies sind unsere Forderungen: - Keine Massenentlassungen - Weitgehender Rationalisierungsschutz wie bei der DB - Weitgehende Übernahme der Regelungen der Tarifverträge für Ar- beiter und Angestellte der DB - Stufenweise Angleichung an die bei der DB gezahlten Löhne und Vergütungen, beginnend bei 50 bis 60 Prozent. Doch Reichsbahn und Bundesregierung lehnen unsere berechtigten Forderungen ab. Sie wollen demgegenüber - Arbeitsplätze bei der Reichsbahn massenhaft - 125000 insgesamt - abbauen und damit unsere schwierigen Arbeitsmarktproblemne noch weiter verschärfen. - Sie wollen große Bereiche der Reichsbahn voll privatisieren, auf Kosten der Allgemeinheit. - Sie wollen die Kaufkraft der Reichsbahner nicht erhöhen, son- dern trotz erheblicher finanzieller Belastungen der Arbeitnehmer auf dem derzeitigen Niveau einfrieren. Das können und werden die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner nicht hinnehmen. Deshalb haben wir uns zum Arbeitskampf entschlossen." (Information der GdED) "Der Reichsbahnvorstand hingegen ließ wissen, daß er unter an- derem die 40-Stundenwoche ab April 1991, volle Übernahme der Er- holungs- und Zusatzurlaubsregelungen der Bundesbahn sowie eine Urlaubs- und Weihnachtsgeld-Regelung anbietet." (Tribüne 26.11) "Die Bereitschaft für den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen ist sehr hoch. Derzeit ist es sogar so, daß wir viele Kollegen brem- sen müssen, die an Stellen arbeiten, die aus den genannten Grün- den nicht bestreikt werden." (Hans Gass, Zentrale Streikleitung) "Bahnhofsleiter Eberhard Fuchs... akzeptiert nicht, daß sich bei- spielsweise das Personal der Wartung einfach dem Streik ange- schlossen hat, obwohl konkret festgelegt war, daß nur der Fern- verkehr betroffen ist. Kommentar: "Tja, wir müssen lernen, mit der neuen Demokratie ordentlich umzugehen."" (Tribüne 27.11) "Der jährliche Investitionsbedarf wird auf etwa zehn Milliarden DM geschätzt. Trotz dieser gewaltigen Aufgaben ist von einem be- vorstehenden Gesunddschrumpfen durch Personalabbau die Rede." (Tribüne-Kommentar 27.11.) "Kommt der heiße Herbst mit Verspätung? ...Bereits jetzt allerdings sollte bei einem Erfolg der Gewerk- schaft vor der Nachahmung im Schema-F-Verfahren gewarnt werden. Schließlich sind die Besonderheiten in diesem Fall nicht zu über- sehen. Das gilt vor allem für ein vernünftiges Verhältnis von Personalkosten und Produktivität, das bei der Eisenbahn so gar nicht existiert. Außerdem gibt es hier z.B. auch keinen spürbaren Abfall gegenüber Leistungsanforderungen und Arbeitsbedingungen westdeutscher Kollegen. ... Ein völlig anderes Problem ist das grundsätzliche Ziel, nämlich die Schaffung einheitlicher Lebensbedingungen in der ganzen Bundesrepublik. Das kann letzt- lich nicht Aufgabe dieser oder jener Tarifpolitik sein. Dabei geht es selbstverständlich um möglichst gleichgroße Schritte für alle." (Tribüne 27.11.) zurück