Quelle: Archiv MG - BRD GEWERKSCHAFT ALLGEMEIN - Politik auf Kosten der Arbeiter


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       Manifest gegen den DGB
       

DGB - POLITIK AUF KOSTEN DER ARBEITER

Gewerkschaften wurden einmal aus der Einsicht heraus gegründet, daß Lohnarbeiter von ihren Diensten für das Kapital nicht leben können, wenn sie sich nicht organisiert zur Wehr setzen: gegen den rücksichtslosen Verschleiß ihrer Gesundheit am Arbeitsplatz; gegen die Techniken der Leistungssteigerung im Betrieb; gegen die Minderung ihres Lohnes, wie sie der "freie Markt" mit Preisstei- gerungen und Inflation, der Staat mit Steuern bewirken. Daß jemand, der vom Verkauf seiner Arbeitskraft leben muß, ganz auf die Kalkulation der Geschäftsleute angewiesen ist, bei denen er seine Arbeit abliefert; daß er sich mit seiner Brauchbarkeit ganz in die Abhängigkeit der Gewinnrechnungen des Unternehmens begibt, welches ihn möglichst ergiebig benutzen will und ihn nur so lange beschäftigt, wie es sich lohnt - daran hat sich auch heute, in den Tagen der "sozialen Marktwirtschaft", nichts geän- dert. Die Opfer der Rationalisierungswellen - die an den modernen Arbeitsplätzen wie jene, die vom Stempelgeld oder von der Ar- beitslosenhilfe leben - können ein Lied davon singen. Geändert hat sich allerdings die Zielsetzung der Gewerkschaften. Sie verstehen sich langst nicht mehr als der Zusammenschluß von Arbeitern und Angestellten, der die Ohnmacht des einzelnen Lohnabhängigen und die Macht der Kapitalisten über ihn bricht. Sie wollen auch keine Organisation sein, die den Unverschämthei- ten des Staates, der sich bei den Lohntüten seiner Untertanen großzügig bedient, entgegentritt. Dergleichen ist für den DGB und seine Einzelgewerkschaften eine schöne Tradition, auf die man sich beruft: Wie schlecht stünden Arbeiter o h n e die ge- schichtlichen Leistungen "der" Gewerkschaft da. Umgekehrt gilt alles, was den Leuten m i t ihrer Gewerkschaft zugemutet wird, als Nachweis dafür wie nötig auch heute noch die "Solidarität" im Rahmen des DGB ist, der über Arbeits- und Lebensbedingungen der von ihm vertretenen Klasse getreulich Klage führt. Ein Versäumnis will die Gewerkschaft damit allerdings nicht eingestehen. Diese Arbeitervertretung will sich nicht fragen lassen, was sie ihren Mitgliedern eigentlich n ü t z t, was sie f ü r s i e durch- setzt. Einige Mitglieder haben diese Frage allerdings gestellt. In ihrem Manifest das die MARXISTISCHE GRUPPE veröffentlicht, ge- langen sie zu einem vernichtenden Befund. Mit seiner ganzen Macht tritt dieser Einheitsverein für das Wohl der Wirtschaft und der Nation ein. Mit der schlichten Lüge "Was für Staat und Kapital gut ist, muß auch das Anliegen der Klasse sein, die von ihnen abhängt!" legt der DGB die Lohnabhängigen auf den bedingungslosen Einsatz ihrer Arbeit fest, die er weder er- leichtern will noch für zu schlecht bezahlt hält. Konsequent be- handelt er die Lohnabhängigen als die Manövriermasse der Konjunk- turen, die der Staat und die Geschäftswelt ins Werk setzen. Eine solche Gewerkschaft ist keine "Bedingung" die die Arbeiter je zu ihren Gunsten ausnutzen könnten. Sie ist nicht zu verbessern, sondern zu bekämpfen. 1. Der DGB will keine "Lohnmaschine" sein. Eine Lohnmaschine wäre aber bitter nötig. Was hat der DGB eigentlich gegen mehr Lohn? Wozu eine Gewerkschaft, die meint, den Arbeitern ginge es gut ge- nug? Ist dem DGB nicht bekannt, daß mit dem Lohn über die Lebenslage einer ganzen Klasse entschieden ist? Wissen Vorstandsmitglieder nicht, daß der Arbeitslohn die Lohnabhängigen unerbittlich darauf festlegt, was sie leisten müssen und sich leisten können; 20.000 DM mehr zum Verbrauchen im Jahr würden doch manches Problem lö- sen! Sie befreien eine nicht geringe Anzahl von Leuten - nämlich die, die der DGB vertritt - vom dauernden Zwang zum Sparen; das lebenslange Kunststück, sich einzuteilen, die eine Anschaffung bleiben zu lassen, weil die andere unerläßlich ist, läßt sich trotz Steigerung des Benzinpreises bewerkstelligen. Und nicht bei jedem Vergnügen stellt sich gleich die Frage, ob es sich nicht vielleicht um "Luxus" handelt, also um etwas Unnötiges. Und nicht nur das. Ein abgesicherter, anständiger Verdienst schafft auch Freiheit im Umgang mit den Zumutungen am Arbeits- platz. Dann wäre man nämlich nicht auf die "Angebote" angewiesen, die die Herren Arbeitgeber mit Überstunden, betrieblichen Sonder- zahlungen und Betriebstreue unterbreiten. Ohne Mangel funktio- nierten die alltäglichen Erpressungen, die Kalkulationen mit dem Wohlverhalten gar nicht mehr! Man würde arbeiten, um zu leben - und nicht umgekehrt! Beim DGB ist von solch einfachen Rechnungen nie die Rede. Wenn er mit dem L o h n rechnet, denkt er gleich an die "Wirtschaft" und fragt diese und sich, ob sie ihn verträgt. Wie sonst soll man es verstehen, wenn Gewerkschafter seit Jahren jeden Pfennig mehr Lohn unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, daß er "K a u f k r a f t" zum Gelingen der Konjunktur beisteuert? Wenn er auf die L e i s t u n g e n der Arbeiter eingeht, so fällt ihm außer Klagen über die "inhumane Arbeitswelt" dasselbe ein: daß eine Erleichterung und Verkürzung der Arbeit von der Ge- schäftswelt nicht zu verkraften sei. Q u a l i t a t i v e For- derungen nach Arbeitszeitverkürzung will keine Tarifkommission als Anspruch auf mehr Lohn bei weniger ruinöser Leistung verstan- den wissen. So etwas gilt als Alternative zur "bloß" q u a n t i t a t i v e n Lohnerhöhung. Allerdings als eine Al- ternative, die auch nicht gehen soll. Das kommt daher, daß es für den DGB Wichtigeres zu tun gibt als Lohn zu erkämpfen: Immerhin gibt es eine "Beschäftigungskrise", also Entlassene; und vor denen könnte der DGB eine Erhöhung des Lebensstandards der "Beschäftigten" nie rechtfertigen. Lieber wird er zum Fanatiker des Arbeitsplatzes, ohne kleinliche Bedenken bezüglich Lohn und Leistung. Für den DGB ist also der Lohn alles andere als für die, die er vertritt. Er bringt das Kunststück fertig, beim Lohn der Ar- beit n e h m e r an die Not der Arbeitslose zu denken, die noch nicht einmal Lohn kriegen; bei den Arbeits l o s e n denkt er an die Tugend der Arbeit g e b e r, die es nicht an Lohn, sondern an Arbeit fehlen lassen. 2. Jede Mark Übertarif, die ein Unternehmer zahlt, ist ein Fehler der Gewerkschaft. Diese Mark kriegt man nur für die bedingungs- lose Erfüllung sämtlicher Gebote, die der Betrieb mit einem Ar- beitsplatz erläßt, und nur, solange es ihm paßt. Wozu eine Ge- werkschaft, die den Unternehmern alle Freiheit sichert? Die Lüge zu widerlegen, daß mehr Lohn "für die Wirtschaft nicht drin" wäre, als die Gewerkschaften in der Tarifrunde aushandeln, das überläßt der DGB ausgerechnet dem Gegner: den Unternehmern. Für die ist seit jeher noch manche Mark über Tarif "drin". Dabei hat noch kein Kapitalist seiner Belegschaft je eine Mark umsonst gezahlt. Die "freiwilligen" Lohnteile wollen auch erst einmal verdient werden: durch Leistungen, die sich im Erfolg des Unter- nehmens sichtbar niederschlagen. Die Arbeitsplätze dementspre- chend auszugestalten und den Lohn als betriebliche Sonderleistung auszugeben, dafür gibt die Gewerkschaft mit ihren ausgehandelten Billigtarifen den Arbeitgebern freie Hand. Und den Arbeitern gibt sie allen Grund, sich auf jede Aufforderung des Betriebs für ein paar Pfennige über Tarif einzulassen: irgendwie müssen sie ja mit den niedrigen Löhnen zurechtkommen, die ihre Gewerkschaft für sie aushandelt. Die Freiheit, sich nach einer besseren, leichteren Arbeit umzuse- hen, einem Betrieb auch mal den Rücken zu kehren, und das ohne merkliche Lohneinbußen, diese Freiheit haben die vom DGB vertre- tenen deutschen Arbeiter deswegen noch nicht einmal in Zeiten der "Vollbeschäftigung" gekannt. Bei jeder Kündigung stehen ja we- sentliche Lohnteile auf dem Spiel, die für den Betrieb freiwil- lig, für den Arbeiter notwendig sind. Das gibt umgekehrt dem Un- ternehmen ein erstklassiges Druckmittel in die Hand: jede Kündi- gungsdrohung ist wirklich eine D r o h u n g. In "schweren Zei- ten" wie heute kann eine Firma sich außerdem an diesen Lohnteilen ohne jede Schwierigkeit schadlos halten; sie kann - und sogar das mit Zustimmung der Gewerkschaft - Tariferhöhungen gegen Extrazah- lungen aufrechnen. Die dafür verlangten L e i s t u n g e n entfallen deswegen noch lange nicht: sie sind längst zu einem fe- sten Stück "Betriebstreue" geworden, von "starken Betriebsräten" durchgesetzt und abgesegnet. S i c h e r h e i t stiftet diese Gewerkschaft mit ihren Ta- rifabschlüssen also bloß für eine Seite: Den Unternehmern sind "Betriebsfamilien" garantiert, die ebenso willig wie billig sind. Für die natürliche Fluktuation sorgt die Betriebsleitung. 3. Die Gewerkschaft will kein Feind des Kapitals sein. Deshalb macht sie aus Lohnverhandlungen ein umso größeres Theater. Ge- spielter Klassenkampf für Lohnsenkung. Staat und Kapital führen hierzulande ihren Klassenkampf von oben sehr unbefangen. Jedes I n t e r e s s e, das sie äußern - an mehr Leistung, weniger Lohn, größeren Gewinnen, gestärkter deut- scher Konkurrenzfähigkeit -; gilt dem DGB umstandslos als ehren- wertes A r g u m e n t. Jede Frechheit von Politikern und Un- ternehmern enthält für ihn ein ökonomisches "Sachgesetz", nach dem die Arbeiter sich ganz selbstverständlich zu richten haben. Mit dieser Voraussetzung gehen die DGB-Gewerkschaften Jahr für Jahr in die Tarifrunde - und die läuft entsprechend verrückt ab. Lohnforderungen werden aufgestellt, nur um sie auf das Ergebnis herunterzuhandeln, das die Wirtschaftspolitiker vorher als "wünschbar" bezeichnet haben. Wochenlange Streiks haben die Ge- werkschaften schon hingekriegt, die zu genau den Lohnprozenten - unterhalb der offiziellen Preissteigerungsrate! - geführt haben, die die Unternehmer vorher angeboten hatten, und das Ergebnis an- schließend als E r f o l g hingestellt. Mit der "neuen Beweg- lichkeit" hat diese Gewerkschaft eine Form gefunden zu "kämpfen", ohne dem Gegner im geringsten wehzutun. Und zur Lohnrunde '82 be- schwert IGM-Chef Loderer sich über die Metallarbeitgeber, weil sie sich über seine betont "maßvolle" 7,5%-Forderung nicht stär- ker aufregen: Das sei ein Trick, um der Gewerkschaft die Mobili- sierung ihrer Basis schwer zu machen! Leere Drohungen, markige Phrasen, der Schein von Radikalität, das alles hat beim DGB eine feste Heimat. Nach feststehenden Drehbü- chern wird so etwas Jahr für Jahr angezettelt - wozu? Damit die Tarifrunde gleich den "Beweis" erbringt, daß "trotz größter An- strengungen" der Gewerkschaft "mehr nicht drin" war als die ge- rade ausgehandelte Reallohnsenkung. Die staatstreue Öffentlichkeit macht sich inzwischen schon lustig und bezeichnet die Tarif"kämpfe" des DGB als "Show": als notwen- digen Trick der Führung, die sich ihrer Basis gegenüber kämpfe- risch geben müßte. Die Wahrheit ist schlimmer: Mit dieser Sorte Theater werden ganz reale O p f e r d u r c h g e s e t z t. 4. Was ist Tarifautonomie? Freiwillige Lohnsenkung im Namen der Arbeiter, gesetzlich geschützt. Man kennt das schon, seit die DGB-Gewerkschaften ihre "Tarifrun- den" abziehen: Kaum hat die zuständige "Tarifkommission" sich auf ihre bescheidene "Forderung" geeinigt, schon kümmert sie sich um ein ganz anderes Thema. Nicht die Durchsetzung von mehr Lohn für weniger Arbeit steht an, sondern die Rettung eines hohen und edlen Gutes: das Recht der Gewerkschaft, Tarifpartner zu sein. Ihren Gegner erblickt diese Gewerkschaft nicht im Kapital, das für mehr Leistung weniger Lohn zahlt, sondern in jedem, der dieses Recht nicht genügend respektiert. Die ganze Tarifrunde hindurch wimmelt - für den DGB! - die Welt von heimtückischen An- schlägen auf seine Tarifautonomie. Hier hat ein Journalist die Gewerkschaft an die nationale Pflicht zur Bescheidenheit erin- nert, da ein Politiker die staatlich erwünschte Lohnprozentzahl "prognostiziert", dort ein Arbeitgebervertreter auf die Pauke ge- hauen - das ganze normale Brimborium von Lohnverhandlungen wird vom DGB umgedeutet in lauter gewerkschafts- und demokratiefeind- liche Machenschaften, gegen die er steht wie ein Fels in der Brandung. Dieser ganze Unfug zahlt sich für die Gewerkschaft aus, wenn das Ergebnis der Tarifrunde auf dem Tisch liegt. Materiell mag es so beschissen sein, wie es will: Verglichen mit der eingebildeten Hauptkampflinie; die die Gewerkschaft aufgemacht hat, ist es ein E r f o l g. Denn todsicher ist irgendwie wieder einmal - zwar nicht der Lohn, umso glänzender aber - die T a r i f a u t o- n o m i e g e r e t t e t worden. Statt also die "Tarifautonomie" f ü r die Arbeiter zu b e- n u t z e n, s o r g t der DGB sich um sie. Und damit b e- n u t z t er sie genau so, wie der demokratische Gesetzgeber es sich gedacht hat und die kapitalistische Gegenseite es sich wünscht: für d i e s e F r e i h e i t opfert der DGB gerne jedes Anliegen seiner Mitglieder. 5. Die Gewerkschaft wahrt den Betriebsfrieden - die Unternehmer nützen ihn. Gründe für Abwehrkämpfe schafft der "Betriebsfrieden" immerzu. Welches Unternehmen läßt denn schon ein Jahr ins Land gehen, ohne sich Maßnahmen für eine intensivere Auslastung seiner Belegschaft auszudenken? Welcher Betrieb verzichtet denn darauf, durch groß- zügige Investitionen die Arbeit produktiver, die Lohnkosten nied- riger, also Lohnarbeiter überflüssig zu machen? Für die nötige Gegenwehr haben die DGB-Gewerkschaften sich längst für u n z u s t ä n d i g erklärt. Alle innerbetrieblichen An- gelegenheiten sind für sie eine Sache des B e t r i e b s- r a t s. Und was der zu tun hat, das wird nicht durch die Interessen der Belegschaft bestimmt; umgekehrt: diese Interessen, was der Belegschaft nottut, entnimmt er dem Betriebs- verfassungsgesetz. Darin steht: Für Kampfmaßnahmen ist er nicht gedacht; er ist eingesetzt für die Förderung von Einvernehmen und Vertrauen innerhalb der "Betriebsfamilie"; er hat dafür zu sor- gen, daß die Belegschaft sich alles gefallen läßt - d a f ü r hat er ein "R e c h t" a u f I n f o r m a t i o n über al- les, was sie sich als nächstes gefallen lassen soll. Ein Haufen Funktionäre, die bei jedem Fortschritt des innerbetrieblichen Klassenkampfes von oben Scheindebatten über das Versagen des "Managements" anzetteln und jede andere Kritik unterbinden - darin besteht die "Verankerung des DGB im Betrieb": Gewerkschaf- ter als Werkschutz für Betriebsfrieden! 6. "Starke Betriebsräte gibt es nur mit einer starken Gewerk- schaft". Denn: Arbeiten muß jeder - zustimmen darf nur der DGB. Preisfrage Nr. 1: Wann ist ein Betriebsrat "stark"? Antwort: 1. Wenn er gewählt ist. Dann darf er nämlich alles, was das Ge- setz ihm erlaubt. Auf seine Wähler ist er dann nicht mehr ange- wiesen. - Er muß also gewählt werden. Dafür sind gewerkschaftli- che Vertrauensleute nützlich. Um den Namen des DGB-Kandidaten be- kanntzumachen, dazu taugen sie. 2. Wenn die Betriebsleitung ihm wohlgesonnen ist. Dann läßt die ihn nämlich tatsächlich alles machen, was das Gesetz ihm erlaubt. Für die Belegschaft wird er dadurch so etwas wie die basisnahe Abteilung der Geschäftsleitung und auf alle Fälle eine Respekts- person. - Dafür ist die Gewerkschaft gut. Denn ein normaler, auf- geklärter Unternehmer weiß, was er am DGB hat: einen Garanten des Betriebsfriedens. Dafür ist er dessen Kandidaten gegenüber auch zu manchem "Entgegenkommen" bereit. Preisfrage Nr. 2: Was hat ein Arbeiter von einem "starken" Be- triebsrat? Antwort: Genauso viel wie von jedem andern: Er hat jemanden, der in seinem Namen alles mitverantwortet, was im Betrieb auf ihn zukommt. Meist kommt es sogar weniger schlimm, als es der Betriebsrat vor- her an die Wand gemalt hat. Das ist der Erfolg des Betriebsrats. Preisfrage Nr. 3: Warum ist der DGB auf solche Erfolge so scharf? Antwort: Weil der Betriebsrat von der Belegschaft gewählt ist, also die Basis vertritt - und das steht nur dem DGB zu! 7. Die Unternehmer lassen arbeiten und entlassen. Die Gewerk- schaft beschwert sich über Rationalisierung und Arbeitslosigkeit. So stört keiner den anderen. Das steht im Manteltarifvertrag. Im Betrieb wird gearbeitet. An Arbeitsplätzen, die die Gesundheit der Arbeiter und Angestellten für billigen Lohn ruinieren. Ak- kord, Wechselschichten, Überstunden, Kurzarbeit - alles findet die Gewerkschaft gut für alle Beteiligten. So gut, daß sie erst dann ein Geschrei erhebt, wenn wieder einmal Arbeitsplätze über- flüssig gemacht sind und die Entlassenen nicht sofort eine Gele- genheit kriegen, sich weiter verschleißen zu lassen. Im Betrieb wird rationalisiert. Nach dem Motto: Mehr Leistung spart Arbeiter, also Lohnkosten. Die Gewerkschaft hat dafür Ver- ständnis. Die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen ist ihr das oberste Anliegen. Bedenken äußert sie gegen "unnötige" Entlassun- gen. Den "nötigen" stimmen ihr Mann im Aufsichtsrat und ihr Be- triebsrat "schweren Herzens" zu. Wenn sie geschickt sind, setzen sie noch das Gerücht in die Welt, sie hätten die 1000 geplanten Entlassungen auf die schließlichen 800 herabgedrückt. Im Betrieb werden die Arbeitsplätze bewertet und einer bestimmten Lohnform zugeordnet. Und zwar so, daß die Lohnzahlung sich für den Kapitalisten lohnt. Für die Gewerkschaft ist das in Ordnung - unter zwei Bedingungen: Art und Umfang der Ausbeutung müssen im Manteltarifvertrag festgeschrieben sein, und der Betriebsrat muß gefragt worden sein. Nicht die Techniken der Ausbeutung an den Arbeitsplätzen sind dem DGB ein Problem, sondern daß sie den Man- teltarifvertrag "überholen". Deshalb kümmert sich die Gewerk- schaft in jahrelangen Verhandlungen darum, daß der MTV den neue- sten Fortschritten der Ausbeutung entspricht. 8. Wer für Arbeitsplätze ist wie der DGB, - dem ist jede Arbeit recht - der meint, den Arbeitslosen fehlte Arbeit und nicht Geld - der hält die Profitwirtschaft für ein Beschäftigungsprogramm und Arbeitslosigkeit für dessen Scheitern - der verhindert keine einzige Entlassung, sondern macht Vor- schläge für die Benutzung der Entlassenen. Ausgerechnet an der zunehmenden Zahl von Entlassungen hat der DGB in den letzten Jahren eine Entdeckung gemacht. Und die hat nichts mit der schlichten Wahrheit zu tun: Das Kapital zahlt Lohnarbei- ter nur so lange, wie sie sich für seinen Geschäftserfolg lohnen - wer sich nicht lohnt, kann sehen, wo er bleibt. Diese Wahrheit ist dem DGB entschieden zu "einfach". Zunächst hat er von vorn- herein viel V e r s t ä n d n i s für die Geschäftskalkulation der anderen Seite. Die Beschäftigung von Leuten, aus deren Arbeit kein Profit zu ziehen ist, will er dem Kapital ganz gewiß nicht zumuten. Diese Gewerkschaft t e i l t also das harte kapitali- stische Urteil, daß ein Arbeiter, dessen Benutzung sich für sei- nen Benutzer nicht auszahlt, auch kein Geld v e r d i e n t. Trotzdem hält sie daneben an ihrem frommen Kinderglauben fest, e i g e n t l i c h wäre es doch der Beruf des Kapitals, den Leuten Brot und d a f ü r Arbeit zu geben. Wo Unternehmer klar- machen, wie knapp sie mit Arbeitern kalkulieren, da glaubt der DGB unerschütterlich an die Lüge vom "Arbeitgeber", der, wie der Name sagt, für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen da wäre. So bombenfest vertritt er diesen Schwindel, daß er vom Staat G e s c h e n k e a n d i e U n t e r n e h m e r fordert, damit v i e l l e i c h t doch noch ein paar mehr Lohnarbeiter in deren kapitalistischer Kalkulation Platz finden. Er fordert das, obwohl er weiß, daß die Unternehmer solche staatliche Ge- schenke- für Investitionen zu nutzen pflegen, die die Ar- beitsplätze nicht zahlreicher, sondern effektiver und härter ma- chen - und dadurch Lohnarbeiter e i n s p a r e n. Und der DGB fordert dieses Programm nicht bloß; er bietet dem Staat sogar die Lohntüten der Arbeiter an, damit er sich - per "Arbeits- marktabgabe" oder per Mehrwertsteuererhöhung - für die verlangte Unternehmerbeschenkung daraus bedient. Die Opfer, die er dem Staat zugunsten des nationalen Kapitals an- dient, setzt der DGB gleichzeitig mit seiner "autonomen" Tarifpo- litik selber schon in die Tat um: "Lohnpolitik im Zeichen der Be- schäftigungskrise" heißt die Gewerkschaftsparole - und das ist nichts als ein L o h n s e n k u n g s p r o g r a m m, ge- rechtfertigt durch eine vorgestellte günstige Wirkung auf den Ar- beitsmarkt, die todsicher nicht eintritt. Selbst der DGB sagt das! 9. Die Opfer der Lohnarbeit - Arbeitslose, Kranke, Invalide, die verbrauchten Alten, - sieht der DGB im Sozialen Netz gut aufgeho- ben. So gut, daß er jede Mark befürwortet, die der Staat dafür mehr einnimmt und weniger ausgibt. Der DGB weiß eben, was soziale Gerechtigkeit ist: Verteilung des Schadens! Der Staat zwingt jeden Lohnabhängigen, für den sicher absehbaren Fall seiner Unbrauchbarkeit an ihn Versicherungsbeiträge zu zah- len. Das findet der DGB gleich in zweierlei Hinsicht gut: Einmal lobt er die auf dem Lohnstreifen sorgfältig notierten Ab- züge als eine einzige Wohltat. Für ihn beweisen sie nicht die Un- sicherheit des Arbeiterlebens, sondern machen dem Staat alle Ehre - ganz unabhängig davon, wie Arbeitslose, Kranke, Rentner im Be- darfsfall behandelt werden. Nicht diesen Umständen widmet der DGB seine Aufmerksamkeit, sondern den Lebensbedingungen vor 100 Jah- ren, als die Ausgemusterten noch viel umstandsloser genauso arm waren. Und er versäumt es nie, seinen Anteil an dieser Gnade der neuen deutschen Republik gebührend herauszustreichen. Zum anderen hat der DGB viel Verständnis für die Sorge des Staa- tes mit der Verwendung der angesammelten Versicherungsgelder. Daß der Nation Kranke, Alte und vor allem Arbeitslose Kosten berei- ten; daß die Finanzwünsche des Staates dem Bürger wichtiger zu sein haben als die eigenen Finanznöte - das leuchtet jedem deut- schen Gewerkschafter ein. Er fügt sich der "Einsicht", daß g e s p a r t werden "muß". Nicht so sehr die Leute: das "System der sozialen Sicherheit" sieht der DGB für "notleidend" an und "enormen Belastungen ausgesetzt", wenn die "Wirtschaft" vermehrt menschlichen Ausschuß produziert. Folglich will der DGB dem So- zialen Netz auf der einen Seite mit zusätzlichen Beiträgen auf- helfen. Der andere Beitrag zur Erhaltung des "Netzes" lautet: es muß g e s c h o n t werden. Daß einer, der fürs A r b e i t e n vorgesehen ist, keine Stunde länger krankge- schrieben wird, als sein muß, sieht diese Gewerkschaft ein. Ebenso, daß Arbeitslose sofort wieder an einem Arbeitsplatz - egal was für einen - zur Verfügung stehen müssen. Ein M e n s c h e n r e c h t gibt es für den DGB nur a u f F l e i ß. Dafür will er seinem Staat auch Ordnungsdienste ab- nehmen: "Der DGB hat unmißverständlich seine Bereitschaft erklärt, an der Beseitigung tatsächlicher Mißbräuche bei der Verwendung öffentli- cher Mittel konstruktiv mitzuwirken." 10. Was ist Mitbestimmung? Wenn die Gewerkschaft nicht Partei sein will, sondern Mittler. Wenn sie nicht für die Interessen ih- rer Mitglieder eintritt, sondern mit Staat und Kapital über die rentabelste Benutzung der nationalen Arbeitskraft berät. Wenn der soziale Friede das höchste gewerkschaftliche Gut ist. Man sollte sich zum Stichwort "Mitbestimmung" einmal nicht gleich bloß den blöden linientreuen Gedanken machen: ein Recht für die Arbeiter - a l s o gut. Man sollte sich nicht gleich über die b i l l i g e E h r e freuen, die den Lohnabhängigen mit diesem heißen Zugeständnis zuteil geworden ist. Man sollte sich statt- dessen einmal unvoreingenommen und ohne idealistischen Schwulst fragen: Was hat Mitbestimmung gebracht? Die Gewerkschaft selbst, die sich die Mitbestimmung als ihren schönsten und größten Erfolg anrechnet, gibt auf diese Frage - ungewollt ehrlich! - die vernichtende Antwort: "Vom Arbeiter verlangen wir (!), daß er die betriebswirtschaftli- chen Notwendigkeiten einsieht, die vielleicht seinen Arbeitsplatz kosten. Dann können wir (!) ihn (!) aber nicht von der Entschei- dung ausschließen." (Pfeiffer, Vorstandsmitglied des DGB in "Bild am Sonntag") Das Kapital will, daß die Arbeiter sich den "betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten" fügen. Der DGB will, daß sie das außerdem auch noch "einsehen". Weil er für diese "Einsicht" geradesteht, will er auch an allen Entscheidungen mitwirken. 11. Die Deutsche GB-Führung reist gerne durch die ganze Welt. Ge- meinsam mit den Deutschen Politikern wacht sie darüber, daß die gute Deutsche Wertarbeit im Ausland einschlägt. Mit den Erfolgen des Deutschen Kapitals gibt sie an, weil sie auf Kosten der Deut- schen Arbeiter zustandekommen, die sie vertritt. Deutsche Gewerkschaftsfunktionäre sind für Streiks und für durch- greifende Verbesserungen von Lohn und Arbeitsbedingungen - wenn sie in Japan oder Südostasien stattfinden und die Konkurrenzfä- higkeit der deutschen Industrie stärken. Sie sind für Handelsbe- schränkungen, wo deutsche Textilfabrikanten mit ihren ausländi- schen Niederlassungen den heimatlichen Billiglohn-Klitschen das Wasser abgraben, und für Freihandel, wenn das für die deutschen Stahlhersteller mit ihren "gesundgeschrumpften" Hochleistungsbe- legschaften von Vorteil ist. Sie sorgen sich um den Wechselkurs der Deutschen Mark, fordern nachdrücklich eine Senkung der ameri- kanischen Kreditzinsen und lassen sich ins Europaparlament wäh- len. Wozu das alles? Kriegen DGB-Mitglieder ihren Lohn in Dollar oder Franken ausgezahlt? Machen die deutschen Arbeiter Exportgeschäfte in aller Welt? Ist es für sie von Vorteil, wenn der Konkurrenz- kampf ihrer "Arbeitgeber" innerhalb Europas noch "freizügiger" vonstatten geht? Für deutsche Gewerkschaftsführer lauter unsin- nige Fragen. Sie sind bedingungslös für sämtliche Geschäftsvor- teile deutscher Kapitalisten. Wo sie schon daheim alles für die lohnende Benützung der Arbeiter tun, kümmern sie sich auch darum, daß die Weltklasseleistungen deutscher Belegschaften weltweit durchschlagen. Daß ein Lohnarbeiter von dem Geschäftsgang "seines" Unternehmens abhängig ist, das ist für deutsche Gewerk- schafter ein guter Grund, nicht gegen diese Abhängigkeit, sondern für den geschäftlichen Erfolg der Unternehmer zu sein. Und das umso mehr, je harter deren Erfolge von den Arbeitern Extralei- stungen und Lohnverzicht verlangen. Diese Opfer darf die DGB-Führung in aller Welt repräsentieren. Mitzuwirken am Wohlverhalten des geschädigten Auslands, fremden Staatsmännern, aber auch ausländischen Kollegen vorzurechnen, was ihnen aus deutscher Sicht zusteht und was nicht: d a s ist für die DGB-Führung ihre liebste nationale Pflicht. Imperialismus im Namen der geschädigten einheimischen "Basis"! 12. Der DGB kennt die Feinde der deutschen Arbeiter in der Welt. Es sind die, die Bonn zu seinen Feinden erklärt: Die Russen wegen Afghanistan; die Sowjets wegen Polen; die Sowjetrussen überhaupt. Der DGB ist ein Meister der Heuchelei in internationalen Fragen. Liebevoll schildert er seinem Publikum das Elend in der "Dritten Welt", bloß damit der deutsche Lohnarbeiter aus diesem Vergleich den falschen Schluß zieht: Wir haben hier schon einen feinen Rechtsstaat erwischt! Davon, daß die geschätzten eigenen Herren Politiker zu den "brutalen Obristen" in Afrika, Asien und Südame- rika die besten Beziehungen unterhalten, kein Wort! Eine Opposi- tion gegen diese sauberen Freunde des Bonner Kanzlers und seiner Mannschaft will der DGB weder hierzulande wecken noch dortzulande unterstützen. Wo bundesdeutsche Interessen mitberührt sind, da setzt er ganz einfach auf das Versprechen einer "demokratischen Öffnung", das noch jedem westlichen Militärdiktator leicht von den Lippen geht. Und daß ein Boykott gegen Südafrika wegen der Rassenpolitik nur den Negern schaden würde, weiß ein Vetter ganz genau: weil Bonn so was nicht will, ist er dagegen. Umgekehrt überall dort, wo der Hauptfeind des Westens seine Fin- ger im Spiel hat. Aus Afghanistan war zwar noch nie eine Gewerk- schaftsdelegation in der BRD. Aber daß die NATO dort der Roten Armee entgegentreten muß und die kämpfenden Moslems dort genau so knackige Freiheitskämpfer sind wie ein deutscher Gewerkschafter, das vertritt der DGB, seit der Westen den Krieg dort zum Prüf- stein sowjetischer Nachgiebigkeit gemacht hat und deswegen mit allen Mitteln schürt. In Sachen Polen steht diese Gewerkschaft erst recht mit Nachdruck auf der richtigen Seite. Nämlich auf der Seite des NATO-Ultimatums, dort schleunigst einen neuen, antiso- wjetischen Katholikenstaat aufzumachen. Dafür scheint es deut- schen Gewerkschaftern auch durchaus angebracht, den Boykott der Regierung zu unterstützen und das Elend des Volkes zweckdienlich zu pflegen: "Solange noch eine Hoffnung besteht, daß die Machthaber in diesem Lande die Verhältnisse nicht wieder auf Null zurückdrehen, so- lange sollten wir es nicht an Hilfsbereitschaft fehlen lassen." (Spendenaufruf der IG Metall) Die Friedenspolitik der BRD hat der DGB schon immer richtig ver- standen: Den Frieden richtig fordern heißt, den Gegner zur Ent- waffnung auffordern, damit die eigene Regierung nicht immer den Krieg gegen ihn vorzubereiten braucht; also die eigene Regierung zur Aufrüstung aufrufen, solange der Feind noch Waffen hat. In diesem Sinne sammelt der DGB Unterschriften unter seinen Frie- densappell gegen jede pazifistische "Unvernunft" und "Einseitigkeit" und für den NATO-"Doppel"-Beschluß zur strategi- schen Aufrüstung der BRD. 13. Der DGB schätzt die Bundeswehr. Denn die stärkt die NATO, macht also die Arbeit rentabel, den Russen Angst und die Opfer fürs Vaterland todsicher. Der DGB vermißt nur noch ein Recht auf gewerkschaftliche Truppenbetreuung. Für die neue deutsche Wehrmacht ist dem DGB nichts zu teuer. We- der die zwei bis drei durch schnittlichen Monatslöhne, mit denen ein Arbeiter jährlich die militärischen Bedürfnisse seiner Nation finanziert: gegen den Wehretat hat der DGB noch nie protestiert, seit Sozialdemokraten ihn erhöhen. Noch das Leben derer, die er vertritt: der DGB weiß so gut wie jedermann, daß im Ernstfall nicht "der Staat" seine Bürger verteidigt, sondern die Bürger mit ihrem Leben die Staatsgewalt schützen. Denn dann, und nur so, stimmt der blöde Spruch: Der Staat sind doch wir alle! Der DGB k e n n t den lebensgefährlichen Preis des Friedens, den der We- sten zur immer härteren Erpressung der Sowjetunion ausgestaltet, und er b e f ü r w o r t e t ihn: "Frieden muß erst möglich gemacht werden durch Selbstbehauptungs- willen und Verteidigungsfähigkeit." Welches "Selbst" will sich da eigentlich "behaupten" - und w o g e g e n? Für den DGB ist das keine Frage. Für ihn steht fest: Arbeit wird durch Freiheit schön! Im Innern steht er selbst für diese Lüge ein: Ohne Mitbestimmung wäre Lohnarbeit menschenunwürdige Ausbeu- tung; mit Mitbestimmung ist dieselbe Lohnarbeit eine Sternstunde der Menschenwürde. Mit derselben Lüge ist er für NATO und Bundes- wehr: Ohne das westliche Kriegsbündnis, das seine Freiheit so gern in den Ostblock exportieren möchte, wären Lohnarbeit und Geldentwertung, Arbeitshetze und Steuererhöhungen, körperlicher Verschleiß und Schulden ein enormes Unglück, eine einzige Unter- drückung. Dank der NATO findet das alles aber im Reich der Frei- heit statt; und damit geht es in Ordnung. Für die Freiheit kann man sich zwar nichts kaufen; aber Sich-Einteilen heißt hierzu- lande eben "Freiheit" und ist deswegen gut. Das ist die moderne Heimatliebe des DGB. Kritik kennt dieser patriotische Verein nur in einer Hinsicht: Seine Liebe zur militärischen Gewalt und Stärke seiner Nation wird noch viel zu wenig eingesetzt. Am liebsten möchte er dem deutschen Soldaten seine Mitglieder als Schutzstaffel und Sturm- abteilung zur Seite stellen: "Hat irgendjemand daran, gedacht, Arbeiter einzuladen? Ist nie- mand auf die Idee gekommen, die Werftarbeiter der Weser AG, der Vulkan-Werft, die Arbeiter von Klöckner oder die Hafenarbeiter mit ihren Kollegen der Städtischen Verkehrsbetriebe und der Müllabfuhr einzuladen?... Hat niemand daran gedacht, den Bundes- präsidenten in Begleitung von vielen hundert Arbeitnehmern zum Stadion gehen zu lassen?... Denken Politiker in Erwartung von Störungen durch Unruhestifter und Chaoten nur noch an Polizei? Ist es nicht unsere Demokratie? Wird nicht immer betont, die Ge- meinschaft der Demokraten sei in der Lage, mit dem Spuk einer kleinen, radikalen verwirrten Minderheit fertigzuwerden? War das Gelöbnis in Bremen nicht geeignet, diesen Beweis zu führen?" Sehr konsequent, das muß man sagen: Wenn eine Gewerkschaft schon nichts weiter sein will als eine freiwillige nationale Arbeits- front, dann möchte sie den Arbeitern auch noch die Ehre antun und sie als Betriebskampfgruppen für die Nation kommandieren. Natio- nale Disziplin bis zum letzten - das ist die Wahrheit des DGB- Ideals von Solidarität! 14. Der DGB besitzt auch eine Basis. Diese darf Beiträge zahlen, die Klappe halten, auf Befehl Solidarität demonstrieren, auf Be- fehl wieder aufhören. Und die ganze Zeit arbeiten. Dafür besitzt die Basis auch einen DGB. DGB-Führer sind - im Unterschied zu Gewerkschaftern früher und anderswo - angesehene Figuren: in allerlei Parlamenten tätig, auf jeder demokratischen Feier zu Hause usw. Die Anstrengung, ein Le- ben lang tiefste Sorge um die ihnen "anvertrauten" Schafe zu heu- cheln, prägt diese Ehrenmänner wie ihre Kollegen Pfaffen. Dafür verlangen sie Respekt - und bekommen Bundesverdienstkreuze. Mit- glieder braucht der DGB deswegen natürlich auch. Er braucht eine Basis, auf die er verweisen kann als Beweis dafür, daß er poli- tisch unentbehrlich ist und immer mit dem Gewicht der gesamten deutschen Arbeiterklasse seinen Senf zu allem und jedem dazugibt. Ihre Mitglieder wünscht diese Gewerkschaft sich daher als Kartei- leichen, die keine eigenen Interessen geltend machen, sondern sich von ihrer Führung sagen lassen, wieviel Lohn sie gerade brauchen, was ihnen an der "Arbeitswelt" nicht paßt und welche Meinung sie zur Weltlage haben. Wenn die Führung es wünscht, müs- sen ein paar tausend Karteileichen "aktiv" werden und ein öffent- liches Spektakel abziehen helfen, damit Staatsmänner, Kapitali- sten und Öffentlichkeit sich wieder an die Unentbehrlichkeit staatstreuer Gewerkschaften erinnern. Druck zu machen, wo die Ge- genseite ihn spürt, nämlich im Betrieb, und zwar so, daß sie nachgeben muß, wird von ihnen nicht verlangt. Einen Streik einmal so zu führen, daß er sich lohnt - das hat die DGB-Führung ihrer Basis abgewöhnt. Kampfhereitschaft wird gar nicht erst herge- stellt - dafür wird sie ab und zu auf Straßen und Plätzen demon- striert, wenn es der Führung wichtig erscheint. Der DGB führt sich auf wie eine nationale Arbeitsverwaltungsbe- hörde. Daß er sich seine Mitglieder werben muß wie ein Buchklub, ist ihm ein Ärgernis. Am liebsten hätte er eine Zwangsmit- gliedschaft aller Lohnempfänger bei ihm wie in der Rentenversi- cherung. Den fehlenden Zwang ersetzt er, so gut es geht, durch eine moralische Pflicht. Nicht um materieller Vorteile willen soll man ihm beitreten, sondern weil sich das so gehört und weil man sonst "Trittbrettfahrer" ist; außerdem aus Respekt vor der ruhmreichen Geschichte der Gewerkschaft und ihren genauso ruhm- reichen Führern. Versprochen wird dem Mitglied nur ein materiel- ler "Nutzen": Nicht-Mitgliedern können Gewerkschaftsaktionen böse schaden - sie kriegen weder Streikgeld noch Unterstützung bei ei- ner Aussperrung. Kein Wunder, daß die Beitragsmoral zu den größten Sorgen der DGB- Gewerkschaften zählt. Verwunderlich schon eher, daß sie überhaupt noch Beitragszahler haben. 15. Wer ist ein Feind der Gewerkschaft? Jeder, der sie verdäch- tigt, ein Feind von Staat und Kapital zu sein. Also vor allem die, die das von ihr verlangen. Es gibt Leute, die halten Strauß und den DGB für Gegner, oder den DGB und "die Bosse", die Kölner Arbeitgeberzentrale, Springer und sein Presseimperium, den "Wirtschaftsgrafen" Lambsdorff... Diese Leute lassen sich von den offiziellen Beschwerden täuschen, die der DGB gegen jeden vorbringt, der seine Leistungen nicht gebüh- rend würdigt. DGB-Führer schreiben gerne Artikelchen für "Bild" oder geben Springer-Journalisten Interviews, treffen sich "in an- genehmer Atmosphäre" mit Lambsdorff, Strauß und Konsorten, einpfinden ein gemeinsames Auftreten mit gewissen "Bossen" als Ehre... überhaupt ist jeder bei dieser Gewerkschaft beliebt, der ihr ein Alleinvertretungsrecht für die deutschen Arbeiter zuge- steht; ganz gleichgültig, was der mit den so glänzend repräsen- tierten deutschen Arbeitern sonst alles vorhat. Jedem Herrn und Meister aus Politik und Wirtschaft gegenüber; der den DGB-respek- tiert, ist diese Arbeiterorganisation ein zu friedener untertäni- ger Sprecher seiner Diener! Unvereinbar mit seiner Politik findet der DGB ganz andere Leute: Kritiker seiner Strategie des sozialen Friedens; sogar ganz treue Aktivisten, die einmal die vorgeschriebenen Parolen nicht auf Be- fehl wieder einpacken; überhaupt jeden, der irgendwie das Monopol des DGB in Frage stellt, als einziger im Namen deutscher Arbeits- kraft sprechen zu dürfen. Solche Leute versucht die Gewerkschaft nicht zu überzeugen. Sie verfolgt sie, so gut es geht, ohne ei- gene Polizei und Gefängnisse: mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Ausschlußverfahren, mit einer kleinen Wahlfälschung und Denunzia- tion an höherer Stelle, auch schon mal handgreiflich. Und immer mit dem Vorwurf, der ebenso dumm wie moralisch ist: "Spalter"! Was, bitte schön, soll denn an E i n i g k e i t an und für sich g u t sein? Geht es denn nicht immer noch darum, w o f ü r man einig sein soll? Und l o h n e n d e K ä m p f e, für die Einigkeit nötig wäre - und dafür wäre Ei- nigkeit auch kein Problem! -, führen die DGB-Gewerkschaften doch ohnehin nicht. Im Gegenteil! Einigkeit heißt für diesen Verein: Alle Mann ins Glied, Applaus für den Vorsitzenden, Jubel für je- den regierenden gewerkschaftsfreundlichen Machthaber, sozialer Friede über alles; ein Schuft, wer sich nicht ein- und unterord- net! Daß dieser Verein d i e Organisation der deutschen Arbeiter ist, spricht nicht im geringsten f ü r den DGB. Das beweist nur, was für schlimme Fehler die deutschen Arbeiter sich bei der gewerkschaftlichen Vertretung ihrer Interessen leisten. Und daß diese Fehler schon wieder eine 30-jährige Tradition haben, spricht erst recht nicht für sie. Wir meinen: 3 Jahrzehnte DGB sind genug! zurück