Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN WAHLEN - Wählen ist verkehrt!


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       Niedersachsen-Wahl
       

4,178 MIO. NÜTZLICHE IDIOTEN FÜR DEUTSCHLAND

Zum Frühlingsanfang haben sich die Niedersachsen zweierlei einge- handelt: eine neue Herrschaft aus 87 CDU-, 63 SPD-, 10 FDP- und 11 grünen Parlamentshängern und das zweifelhafte Verdienst, mit ihren Stimmen bundesweit als "politisches Barometer" fungiert zu haben. Wer hat davon eigentlich einen Nutzen? -------------------------------------- Weder alle noch keiner, denn von der Wahl profitieren: 1. Die Gewählten ---------------- Sie sind jetzt, 171 Mann hoch, im Parlament. Und nichts anderes haben sie schließlich gewollt. Warum? Stellvertretend für alle gibt Ernst Albrecht die Antwort: "Niedersachsens Beitrag zur deutschen Politik ist größer gewor- den." (Flächengewinne?) "Wir möchten, weil unser Land nun auf gutem Wege ist, auch künftig die Regierungsmehrheit haben." Im Klartext: Ich will eure Stimmen haben 1. als Ministerpräsi- dent, 2. als Bundesratsmitglied, 3. als Führungskraft der Bonner CDU-Opposition, 4. als einer, dessen Beitrag zur deutschen Poli- tik noch lange nicht erschöpft ist. Politiker sind hierzulande die einzigen, die die Parole "Wir wollen alles!" auch praktizie- ren. Jetzt tragen Albrecht und seine 170 Kollegen vier Jahre lang "die Verantwortung" mit sich herum; der einzige Beruf, für den sie Qualifikationen aufzuweisen haben. Albrecht - s.o.; Ravens, weil er als Politik-Azubi angefangen hat ("Dieser Mann ist nicht ein- fach so hereingeschneit. Karl Ravens hat in der Politik unten an- gefangen und von der Pike auf gelernt. Ein solider Politiker und ein guter Fachmann."); die FDP, weil sie auch in mandatslosen Jahren immer nur dem einen Ziel gedient hat ("Wie wenig die F.D.P. außerhalb des Landtags resignierte sie hat sich in keinem der politischen Räume aus der Verantwortung gestohlen - sei mit dieser Schrift dokumentiert."); die Grünen schließlich, weil ih- nen die Wähler nach eigener Aussage nicht nur zu einem krisensi- cheren Beruf, sondern auch zu einer Berufung verholfen haben: "Dieser Rang, das fehlende Neue zu verkörpern, verpflichtet die Grünen, auch im Parlament Alternative zu sein und zu bleiben." Sechzehn dieser Verantwortungsträger hat das niedersächsische Wahlvolk auch noch den Gefallen getan, sie ganz außerplanmäßig in den Landtag zu hieven. So verwirklicht man mittels Überhangmanda- ten ein Beschäftigungsprogramm für Niedersachsen! 2. Die Staatsgewalt ------------------- Sie hat, so und so, die Wahl angenommen. Es kann also nach dem 21. März weitergehen mit der vorschriftsmäßigen Verblödung und Sortierung der Kinder in der Schule unter Anleitung eines Herrn Remmers; mit der regionalen Wirtschaftsförderung zur Einsparung von Arbeitskräften, mit der Drangsalierung der Arbeitslosen und der haushälterischen Verwaltung ihrer Armut unter der Federfüh- rung einer Frau Breuel; mit der Aufrüstung der Landespolizei des Herrn Möcklinghoff, die demnächst schließlich außer Atomkraftwer- ken auch Atomraketen zu schützen haben wird... Vielleicht heißen die verantwortlichen Figuren ab Juni auch anders, aber was soll's. Für alle diese und noch viel mehr schöne Dinge ist es völlig gleichgültig, ob sie von einem Kabinett Albrecht oder ei- ner Regierung Ravens gemacht werden: Was gemacht wird, steht n i c h t zur Wahl! - Wie auch, wo jeder Politiker im Wahlkampf dreißigmal am Tage die Arbeitslosen im Munde führt - um ihnen zu erklären, daß sie für die Politik da sind: "(CDU-Sekretär Haassengier) stellte es als gelungene List dar, den Wahltermin auf den 21. März gelegt zu haben; man habe gewußt, daß im ersten Vierteljahr die Arbeitslosigkeit das beherrschende Thema sein wird." (Süddeutsche Zeitung; 16.3.82) - Wie auch, wenn im Wahlkampf Oppositionschef Ravens Punkte mit der Entdeckung machen will, mitten in Niedersachsen liege ein un- gehobener Schatz im Werte von 500 Millionen DM in Form der unaus- geschöpften Förderzinsabgaben der Öl- und Erdgaskonzerne. Dabei hatte er nicht im Sinn, daß man mit dem Geld ganz Niedersachsen für einige Zeit mit Freibier und Würstchen versorgen könnte. Und die Moneten einfach in Tüten an die Arbeitslosen weiterreichen, schickt sich wohl auch nicht für einen Politiker, der für die Mehrwertsteuererhöhung und die Erhöhung der Landessteuern ist. Was also haben die Arbeitslosen von dem Schatz: 1. das Wissen, daß Albrecht ein Versager ist, weil er sich nicht traut, statt 32% gleich 40% für seinen Haushalt in Form der Förderzinsen abzu- sahnen; 2. das Wissen, daß Ravens diese Laschheit entdeckt hat; 3. ein eigenständiges sozialdemokratisch-niedersächsisches Haus- haltsbeschaffungsprogramm, als ob das eine in Bonn nicht schon ausreichte. - Wie auch, um bei der Nützlichkeit der Arbeitslosen für die Par- teienkonkurrenz zu bleiben, wenn Albrecht die "Herausforderung" seines Opponenten annimmt und dem Wahlvolk noch rechtzeitig vor Schluß der Wahlurnen sein Beschäftigungsprogramm serviert: "Die CDU sah sich gezwungen, ihr Wahlkampfkonzept zu ändern, weil die Argumentation der Sozialdemokraten merklich an der Selbstsi- cherheit nagte, mit der die Regierungspartei dem Wahltermin ent- gegenmarschierte. Ohne die eigentlich erforderlichen parlamenta- rischen Vorberatungen schnürte die Regierung schnell ein Investi- tionspaket im Umfang von 227 Millionen Mark, rechnete andere längst beschlossene Ausgaben des Landes hinzu, die auf 480 Mil- lionen Mark veranschlagt sind, und konnte nun auf neuen Plakaten das 500-Millionen-Programm der SPD mit einem 700-Millionen-Pro- gramm übertrumpfen. Die Sozialdemokraten mußten daraufhin einen großen Teil ihrer eigenen Plakate, Flugblätter, Redemanuskripte aus dem Verkehr ziehen." (Frankfurter Rundschau, 13.3.1982) Es gilt also als überparteiliche Selbstverständlichkeit, daß das Wählervolk als Manövriermasse der Politik gehandhabt wird. So we- nig die Manöver zur Disposition stehen, so wichtig und nützlich ist es, wenn die davon betroffenen Bürger ganz frei, gleich und geheim entschieden haben: Der und der soll es machen. "Es" wird dann nämlich auf alle Fälle gemacht - und d e m hat der Wähler auf alle Fälle zugestimmt. Wo sollte bei diesem Geschäft noch Raum für eine "Legitimationskrise" der Politik sein? 3. Ernst Albrecht ----------------- "Wenn es gelingt, überdurchschnittliche Menschen an die Herr- schaft zu bringen, so vermögen Alleinherrschaft und Wenigenherr- schaft eine bessere Ordnung zu errichten als die Volksherrschaft, aber auch nur dann." (Ernst Albrecht, staatsphilosophisch) Als Staatsphilosoph hat er es nicht weit gebracht. Als Praktiker des Staatsgeschäfts immerhin so weit, daß das ganze journalisti- sche Pack seine Qualitäten als Reserveführer der Nation begutach- tet - und ihn für gut befindet. Insofern hat er schon vor dem 21. März die Wahl gewonnen. Daran, daß Albrecht wie ein König, eben nicht von Gottes Gnaden, sondern mit Mehrheit gewählt, über sein Volk regiert und ihm die Gnade seiner Politik schenkt, daß er also mit seinem philosophischen Schmus ganz demokratisch ernst macht, daran finden die Hofberichterstatter aller Couleur Gefal- len. Sollte etwa die Karriere eines Mannes in Hannover zu Ende gehen, über den seine Untertanen folgendes lesen dürfen: "Albrecht zögert nicht, sagt man über ihn, er handelt lieber. Er robbt sich nicht auf Umwegen an Konsens und Kompromiß heran. Er führt." (Die Zeit, 19.3.82) "Seit sechs Jahren regiert er an der Leine, seit vier Jahren mit absoluter Mehrheit, und vieles deutet darauf hin, daß er am 21. März für weitere vier Jahre gewählt wird: Ernst Albrecht strahlt nicht mehr so viel wie früher, aber er schaut allemal gesünder drein als alle anderen Spitzenpolitiker. Obwohl Alleinherrscher, tut er weniger als andere - obwohl mit all seinen Großprojekten gescheitert, haftet ihm der Ruf des Erfolgs an." (taz, 18.3.1982 - Jetzt wird er Euch wohl bald an seinem Hof akkreditieren, ihr alternativen Schranzen!) Seiner Karriere tun der Wahlkampf und seine Besprechung, tut der Wahlsieg gut. Wenn schon die Öffentlichkeit seine Führungsquali- täten attestiert hat und seine Bundespartei dem Volk mitteilen kann, sie entnehme dem Wahlergebnis in Hannover, über kurz oder lang auch in Bonn zu regieren, dann darf natürlich erst recht der christdemokratische Fürst von Niedersachsen die Überzahl der Stimmen als Beweis dafür werten, daß er den Kurs nach Bonn steu- ert. Wie zielstrebig und schnell, dieser Frage können sich die professionellen Polit-Deuter ausgiebig widmen: Reicht das über- schreiten der 50%-Marge schon, wieviel erhält Strauß in Bayern usw. Vorläufig bleibt Albrecht noch in Niedersachsen, woran man studieren kann, welchen Risiken heutzutage ein deutscher Politi- ker ausgesetzt ist. "Der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht, von dem bekannt ist, daß er die Kanzlerkandidatur anstrebt, muß (!!) zunächst dem überzeugenden Vertrauensbeweis seiner Wähler gerecht werden; in kühler (!) Erkenntnis dieser Notwendigkeit soll er denn auch vorerst abgewunken haben." (Weserkurier, 26.3.82) Auf d e m Arbeitsmarkt geht's zu! 4. Die Opposition in Bonn ------------------------- Sie will bekanntlich seit dem 6. Oktober 1980 die Regierungsko- alition kippen. Was das mit der Wahl in Niedersachsen zu tun hat? Nun, ganz bestimmt n i c h t, daß die regierungsgeilen Christen mit einem parlamentarischen Regierungssturz in Bonn den Haus- frauen und Bauern zwischen Wilhelmshaven und Bückeburg einen Her- zenswunsch erfüllen wollten, weil denen die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl zu lang geworden wäre. Im Gegenteil: Kohl, Strauß und Konsorten haben schon vorher angekündigt, wie sie das nieder- sächsische Wahlergebnis zu d e u t e n gedenken. Als Beweis da- für, daß ein Regierungswechsel überfällig ist, wenn schon Schmidt nicht von alleine abdankt. Jetzt haben die Bürger ihre Stimme ab- geliefert und die Parteien dürfen sich, neben dem ganz ordinären Geschäft des Regierens und unbehelligt von ihren Wählern, darum streiten, was 'der Wähler' denn nun eigentlich g e m e i n t hätte. Im Fernsehstudio und auf Parteitagen gewinnt der "Wählerwille" in der Urne seinen ganzen vollen Gehalt, den zu würdigen ins Belie- ben der Politik gestellt ist. Kaum einen "Auftrag", den die nie- dersächsischen Wähler nicht gegeben hätten: daß die CDU ans Ruder kommt, daß sich die SPD-Linken zusammenreißen, daß Genscher kein Bier mehr mit Strauß trinkt, daß er erst recht eins trinken soll, daß die SPD die Grünen bekämpfen und/oder integrieren soll... Das bisherige Fazit der Auswertung des niedersächsischen Wählerwil- lens: Die Niedersachsen haben den Hessen den Auftrag erteilt, endgültig ein, Signal für den Regierungswechsel zu setzen. Und die Idioten werden den Auftrag sogar noch annehmen. 5. Die Grünen im Lande ---------------------- Sie sind jetzt, was sie sein wollten: ein "politischer Faktor". Oder haben sie etwas anderes gefeiert am Abend des 21. März als die Tatsache, daß sie jetzt schon im 3 1/2. Landtag sitzen? Ihr Wahlkampf war ein einziger Feldzug für Politik, nicht weniger me- thodisch als bei den anderen, nur etwas sauberer. Was gibt es denn zu feiern, wenn der grüne Mombaur einem ZDF- Fernsehmenschen am Wahlabend ins Mikrofon sagt, wie sehr er die- ses Land als seine demokratische Heimat schätzt: "Solange der Mensch noch die Möglichkeit hat, seinen Protest auf der Straße friedlich zum Ausdruck zu bringen, so lange sind wir überhaupt noch demokratisch in diesem Land." Was gibt es wohl zu feiern, wenn die Zeitung der Grünen eine mit 6,5% ins Werk gesetzte Revolution in der BRD entdeckt hat: "Es ist, als zöge ein neuer Menschheits-Frühling herauf - und dies vor dem Hintergrund einer immer bedrohlicher werdenden Welt- krise, die sich in Massenarbeitslosigkeit ebenso ausdrückt wie in einem schizophren gewordenen atomaren Wettrüsten. (... ) Diese stille, diese innere Revolution ist auf deutschem Boden in Gang gekommen. Die Wahl in Niedersachsen hat es aufs neue bewiesen." Und welche Perspektive steckt in den Vorschlägen, mit denen sich die 11 Grünen in Hannover am Tag nach der Wahl vorstellten: Ein- richtung eines Ministeriums für Umweltschütz und Lüftung des "Schleiers von Geheimnissen der Wirtschafts- und Geschenkpolitik der Landesregierung." So geht heute Opposition: Man bittet Albrecht, noch einen Kabi- nettsposten zu schaffen, Personal wird er wohl haben - auch eine schöne Einlösung der zentralen Wahlkampfparole der Grünen: "Sinnvolle Arbeit für alle." 6. Die Journaille ----------------- Denn deren Lieblingsgeschäft besteht darin, sich mit ihrem Gerede und Geschreibe zum Sprachrohr für die konkurrierenden Politiker und deren Ansprüche an den Wählerwillen zu machen. Irgendwie muß das Volk in einer Demokratie ja auch mitkriegen, was es eigent- lich gewollt und wofür es sich überhaupt entschieden hat. So wer- den denn wohl die Berichte und Kommentare der ersten drei Monate dieses Jahres auf Hamburg, Hessen und Bayern umgetrimmt - dazwi- schen noch ein bißchen Jubel für den Staatsgast aus den USA -, und nach irgendeiner Hochrechnung wird der Wähler dann schon ein- mal erfahren, jetzt habe er den Regierungswechsel endgültig be- werkstelligt (oder verhindert). So lange können in den Pres- seclubs die Wetten laufen, ob der Schmidt schon wegen v. Dohnany oder erst wegen Börner... 7. Die NATO ----------- Sie hatte zur Niedersachsenwahl noch nicht einmal einen Beobach- ter geschickt. Beteiligt war das westliche Bündnis gegen den Osten an der Niedersachsenwahl nichtsdestotrotz. Denn daran lie- ßen die Parteien keinen Zweifel, daß sich ihre Interpretationen des Wahlergebnisses dem allerhöchsten Maßstab im Lande verdanken: Was ist gut für die westliche Freiheit? Gewonnen hat die Inter- pretation, mit der Strauß aus den USA zurückkehrte: die Sozialli- beralen wären zu lasch in Sachen Aufrüstung und Härte gegen die Russen, zu aktiv in Sachen Anti-Amerikanismus. Mit der Wirklich- keit hat diese Auffassung nichts zu tun, auch wenn der amtierende Kanzler den ihm zugeschobenen Schwarzen Peter aufgriff und ihn an die Hansens und Coppiks weitergab. Beide Lügen machen aber nichts. Denn sie bestätigen den Gesichtspunkt, unter dem die christlichen Reserveführer den Regierungswechsel in Bonn betrei- ben. Ob der Regierungswechsel nun schnell oder langsam passiert: Die Regierenden werden sich danach zu richten wissen. So werden die Niedersachsen dieses Jahr neben ihren alltäglichen Geschäften noch einiges zu tun haben. Denn im Geiste, sprich: mit ihrem Wäh- lerauftrag, sind sie dabei, wenn die Sozialdemokraten in München nicht den Doppelbeschluß, sondern ihre zukünftige Oppositions- rolle besprechen, wenn die CSU/CDU im Juni Reagan vorführen will, wo in der BRD die wahren Amerikaner sitzen usw. Mehr noch - jeder NATO-Panzer, jeder Erpressungsschritt gegen die Russen, die Schlächtereien in Mittelamerika - ein Wählerauftrag aus Nieder- sachsen! Dafür waren sich die niedersächsischen Wähler wieder einmal nicht zu schade. Dabei lag die Wahlbeteiligung in Ost- friesland nicht über dem Durchschnitt. zurück