Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN WAHLEN - Wählen ist verkehrt!


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NRW-WAHLKAMPF RHEINAUFWÄRTS

Am letzten Wochenende ist ein Landtagswahlkampf in seine "heiße Phase" getreten, dessen allseits hervorgehobene "schicksalhafte Bedeutung" darauf beruht, der entscheidende Testfall dafür zu sein, wem im kommenden Oktober die Macht in Bonn gebührt: "Wahlkampf voll entbrannt. SPD will Strauß verhindern - CDU: Schmidt abwählen" (WAZ, 14.4.) Zwar weiß jeder, daß am 11. Mai weder Strauß verhindert noch Schmidt abgewählt wird. Trotzdem wird der Wahlkampf gerade darum geführt. Und zwar deswegen, weil allen Beteiligten klar ist, daß an der Frage, wer in NRW Ministerpräsident wird, allein das in- teressiert, was Strauß und Schmidt damit unter Beweis stellen. Der Sieg ihrer jeweiligen Figuren in NRW ist nämlich d a s Ar- gument, das ihnen beim Bürger zum Erfolg verhilft: man hat Erfolg bei ihm 1. Argument: "Wählen gehen." ---------------------------- "Dieser Wahlkampf ist hauptsächlich auf Mobilisierung und nicht so sehr darauf angelegt, mit Sachaussagen Wechselwähler von der einen zur anderen Seite herüberzuziehen." (WAZ) Im laufenden NRW-Wahlkampf gehen die Politiker nicht mehr mit Versprechungen wie "blauer Himmel über dem Ruhrgebiet" oder "Ein Radioapparat für jeden Rentner" hausieren, mit denen sie in frü- heren Wahlkämpfen versuchten, den Bürgern ihre jeweilige Alterna- tive der staatlichen Herrschaft schmackhaft zu machen. Heute lau- tet die Wahlparole der SPD kurz und bündig: "Wählen gehen." Denn der alleinige Grund, der den Bürgern dieser Tage zum Wählen an- empfohlen wird, besteht darin, sich als Wahlbürger zu betätigen. Die Tatsache, daß die SPD es ist, die mit dieser Parole den Bür- ger in NRW darauf hinweist, daß es für die Partei um die Ent- scheidung um die politische Macht geht, ist auch schon ihr Argu- ment, sie zu wählen. Illusionen, als ginge es bei der Ausübung der politischen Macht um das Erbringen irgendwelcher Wohltaten für die Bürger, kommen also gar nicht erst auf. Daher haben es auch kritische Vorhaltungen, die an Wahlkämpfen zu beklagen pfle- gen, sie seien nicht "ordentlich" geführt, weil es den Parteien doch "bloß" um Mehrheiten ginge, dieser Tage schwer: Die Politi- ker machen doch gerade ihre Punkte damit, daß sie darauf hinwei- sen, daß es b l o ß, um die Macht geht. Der ganze Landtagswahlkampf besteht also von Seiten der SPD darin, damit zu w e r b e n, daß sie diejenige Partei ist, die offen ausspricht, daß es einzig und allein darauf ankommt, in Düsseldorf an der Macht zu bleiben, damit man in Bonn an der Macht bleiben kann: "Am 11. Mai 1980 fällt in Nordrhein-Westfalen wieder eine wich- tige Entscheidung. Es geht um den weiteren weg Deutschlands... Johannes Rau muß Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen blei- ben. Dann kann Helmut Schmidt als Kanzler weiter erfolgreich re- gieren." (SPD-Wahlprogramm) Sowas gibt es auch nur in der Politik: man stelle sich einmal einen Geschäftsmann vor, der seine Kunden auffordert, deshalb bei ihm zu kaufen, weil er den Gewinn braucht...! 2. Argument: "Für die beste Regierung" -------------------------------------- Angesichts des offen ausgesprochenen Interesses aller großen Par- teien, sich den Erfolg im Wahlkampf dadurch zu verschaffen, daß man den Erfolg selbst zum Thema macht, ist ein Streit um die ehe- mals für "brisant" gehaltenen Themen wie Gesamtschule, Arbeitslo- sigkeit oder Kernkraftwerke derzeit nicht gefragt: "Alle Landespolitik muß sich unterordnen, wird von Bedeutung nur sein im Licht der großen Politik." (WAZ-Kommentar) Wenn die Opposition "landespolitische Themen" in die Debatte wirft, dann nur, um ihren einzigen Vorwurf an die SPD loszuwer- den, daß sie eine Partei ist, die von der Regierungsgewalt nicht souverän genug Gebrauch macht: "Hektische Einzelmaßnahmen", "unsolide Finanzen", "politischer Filz im Revier"... Die Opposition sichert sich ihren Stimmenanteil unter der Parole: "Die bessere Regierung wählen" mit dem Versprechen, eine Regie- rung zu bilden, die sich auch vom böswilligsten Kritiker nicht so leicht in den Ruch bringen läßt, irgendwie auf Bürgerinteressen Rücksicht zu nehmen: "Mit der CDU wird es wieder kraftvolle Politik in und für NRW ge- ben." (CDU-Wahlprogramm) Entsprechend werden die landespolitischen "Sachthemen" verhan- delt: "Wir waren der Meinung, daß das Zwischenlager dort in Ahaus ge- baut werden muß. Auch die örtliche CDU hat das Risiko in Kauf ge- nommen, deshalb Stimmen zu verlieren." (Biedenkopf) Das ist gekonnter Wahlkampf: mit dem Heraufbeschwören eines Kern- kraft-"Risikos", das wirklich nur einem Politiker einfallen kann (es könnten Stimmen vernichtet werden!), wirbt die CDU hier beim Bürger damit um seine Stimme, daß sie verspricht, gerade dann, wenn sich Bürgerprotest regt, die Staatsgeschäfte am rücksichts- losesten durchzusetzen. Die Alternativen, die sich dem Wähler stellen, sind lediglich solche der unterschiedlichen Betonung. Die Ankündigung der CDU, "ohne Zaudern" und mit "klaren und unzweideutigen Aussagen" den staatlichen Geboten Rechnung zu tragen, unterscheidet sich der Sache nach in nichts von dem Versprechen der SPD, den Gebrauch von Kernenergie "nur" im Rahmen der "wirtschaftlichen Notwendig- keiten" zu gestalten (wonach sonst richtet sich der Ausbau der Kernenergie?!) Biedenkopf liegt auch ganz korrekt auf der Linie dieses Wahl- kampfs, wenn er zur Propagierung seiner Politik an ruhmreiches Gedankengut aus der faschistischen Vergangenheit anknüpft, um dem Wähler zu veranschaulichen, was auf dem Spiel steht: "Das Ruhrgebiet muß die Kernkraftschmiede Europas werden. Dann haben wir alle eine Aufgabe und Arbeit." Die Angriffe der Opposition, zu "wankelmütig" und zu "schwach" im Gebrauch der Macht zu sein, kontert die Regierung lässig damit, daß sie ja schließlich die Macht h a t, was noch allemal das letzte Argument dafür ist, sie weiter zu behalten. Gebührend her- ausgestellt wird das so: "Wir müssen die Tatsache, schon 13 Jahre in NRW verantwortlich Politik gemacht zu haben, gebührend herausstellen." (Rau) Dieses Wahlkampfmuster beherrscht natürlich der am besten, der deswegen beim Volk so erfolgreich ist, weil er der Macher ist. Schmidt läßt uns deshalb ausrichten: "Das Ansehen, das der Kanzler genießt, soll voll in den Landtags- wahlkampf eingebracht werden, dennoch kommt Schmidt nur zu vier Großveranstaltungen." (SPD) Wobei das "dennoch" der ganze Trick ist, denn 1. macht der Kanz- ler dadurch Tag für Tag den besten Wahlkampf, daß er regiert und 2. macht es sich beim Wähler besonders gut, wenn man ihm gegen- über heraushängen läßt, daß man Wichtigeres zu tun hat als sich um seine Zustimmung zu kümmern: "Die Sorge um den Frieden läßt mir zum Wahlkämpfen wenig Zeit." (Schmidt) Wo der Modellmacher Deutschlands alle Hände voll damit zu tun hat, der Weltkugel den Frieden zu erhalten, wird er wohl damit rechnen dürfen, daß ihm nicht ausgerechnet die Bevölkerung NRWs dabei hinderlich ist. zurück