Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN WAHLEN - Wählen ist verkehrt!


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BARSCHEL UND ENGHOLM KANN MAN NICHT VERWECHSELN

1. Der eine w a r Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, der andere wind am 31. Mai in dieses verantwortungsvolle Amt einge- setzt. 2. Der eine hat nach jahrzehntelanger sicherer CDU-Herrschaft im hohen Norden die Mehrheit für die C-ler vergeigt. Noch nicht ein- mal mit Hilfe der FDP konnte Barschel nach der Wahl im Herbst 87 seine Landesvater-Karriere fortsetzen. Den einen lächerlichen Ab- geordneten-Sitz, der dazu gefehlt hätte, konnte er dem Wahlvolk nicht abringen. Mit einer jämmerlichen Patt-Situation im Kieler Landtag stand der "junge Ministerpräsident" am Wahlabend da - und sah prompt alt aus, wie er war. Ganz anders dagegen der "ewig jugendliche Engholm". Der darf dem- nächst mit einer satten absoluten Mehrheit das Land regieren - so wie Barschel in glücklicheren Jahren, bloß ein bißchen satter und glücklicher. Mit einem 54%igen Wahlsieg im Rücken kann man sich nämlich als guter Demokrat bei aller Bescheidenheit nicht der Verantwortung entziehen, sich ein bißchen als "neuer Superstar der SPD" feiern zu lassen. 3. Barschel hat in seiner letzten Wahlkampfstrategie darauf ge- setzt, daß der Wähler mit seinem Wahlkreuz Denkzettel für men- schliche Sauereien des politischen Konkurrenten und Pluspunkte für die Ehrenhaftigkeit der eigenen werten Persönlichkeit ver- teilt. Er hat alles getan, Engholm schlecht zu machen und ausse- hen zu lassen. Für diese Sorte Wähler-Betörung hat er sich einen Pfeiffer an Land gezogen - der ihn verpfiffen hat. Engholm dage- gen hat es umgekehrt gemacht. Er hat sich voll darauf verlassen, daß der Wähler Denkzettel gegen die CDU-Konkurrenz verteilt wegen der menschlichen Sauereien eines Barschel, die er gar nicht erst bekanntzugeben brauchte, und hat seine eigene uneigennützige Eh- renhaftigkeit zur Schau gestellt. Gegen den neuen Spitzenkandida- ten der CDU Hofmann brauchte ihm erst gar nicht der geringste Einwand einzufallen. Und so konnte mit jedem lieben Wort für den Gegner von der CDU die menschliche Großartigkeit des Björn Eng- holm nur noch glanzvoller deutlich werden. Zugegeben - die neue demokratische Errungenschaft des "Schmusewahlkampfs" wäre ohne die Barschel-Affäre nicht möglich gewesen. Aber das sind halt die Unterschiede, auf die es ankommt in der großen Politik. Barschel hatte einen Pfeiffer. Engholm da- gegen hatte einen Pfeiffer-Skandal im Rücken. 4. Auch die Karrierewege des früheren und des künftigen Minister- präsidenten Schleswig-Holsteins sind unverwechselbar. Beide haben schon in frühen Jahren den Beschluß gefaßt, den auf- reibenden Beruf des Politikers zu ergreifen. Beide haben sich nicht vor der Verantwortung gescheut, das Kommando über die "lieben Mitbürger" zu ihrem Lebensinhalt zu machen. Das haben sie auch beide geschafft - aber jeder auf seine eigene unverwechsel- bare Art. Der eine hat sich in der harten Schule der Jungen Union gegen seinesgleichen durchsetzen müssen und einen "Ziehvater" namens Stoltenberg gebraucht, um es bis zum jüngsten "Ministerprä- sidenten der Republik" zu bringen. Der andere mußte sich bei der Sozi-Jugend und sonstigen SPD-Gre- mien in den Vordergrund spielen, bis er endlich mit 30 Jahren in den Bundestag gewählt wurde und dann von Helmut Schmidt zum Bil- dungsninister gemacht wurde. 5. Barschel hat sich für das Schicksal seines Landes für so wich- tig gehalten, daß er kein Mittel gescheut hat, sich Land und Leu- ten als amtierender Machthaber zu erhalten. Als das nicht ge- klappt hat, hat er auch kein Interesse mehr daran gehabt, sich als Mensch zu erhalten. Ganz anders Engholm. Der meint, es kommt alles darauf an und es könnte seinem Schleswig-Holstein nichts Besseres passieren, als daß er Ministerpräsident wird. Dafür hat er seit Jahren mit vollem Einsatz (wahl)gekämpft. 6. Unverwechselbar haben sich beide auch gleichermaßen um die De- mokratie verdient gemacht. Barschel in der undankbaren Rolle der tragischen Figur. An seinem dicken Badewannen-Ende konnte wunder- schön studiert werden, daß er - rein menschlich - den erbarmungs- losen Härten und Versuchungen seines hohen demokratischen Amtes nicht gewachsen war. Der gesamten Öffentlichkeit hat er das Mate- rial für die Klarstellung geliefert, daß die Demokratie und ihre hohen Ämter unbedingt von den Fehltritten und Sauereien demokra- tisch gewählter Amts i n h a b e r, die es ja auch furchtbar schwer haben mit ihrer Macht, zu unterscheiden sind. Engholm ist die Rolle des Retters der Demokratie zugefallen, weil der Wähler ihn mit überwältigender Mehrheit als neuen Machthaber ermächtigt hat. Das ist der letzte Beweis, daß die Demokratie die Affäre Barschel unbeschadet verkraftet hat. Und das läßt Engholm sich in aller Bescheidenheit als sein Verdienst anrechnen. Aus allen Knopflöchern in die Kamera strahlend, hat sich der neue Mi- nisterpräsident in der Wahlnacht x-mal bereiterklärt, seine schwere demokratische Aufgabe zu übernehmen. Und selbst Frau Eng- holm hatte man erfolgreich beigebracht, auf jede Frage wie aus der Pistole geschossen zu antworten, daß die Schleswig-Holstein- Wahl kein Erfolg ihres Mannes und seiner SPD sei, sondern einer der Demokratie. 7. Der neue Mann in der Kieler Staatskanzlei kann also loslegen. Und das trennt ihn endgültig meilenweit von seinem unglücklichen Vorgänger: Der hat ein für allemal ausregiert. zurück