Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN WAHLEN - Wählen ist verkehrt!


       zurück

       

BLOSS KEINE WAHLGESCHENKE

Fast wichtiger als die paar Mark Rentenerhöhung für DDR-Rentner war der politische Streit darüber und die Botschaft, die den neuen demokratischen Wahlbürgern im Osten dabei mitgeteilt wurde. Bloß keine Wahlgeschenke! Sie verderben Demokratie und Volk! "Was zu befürchten war, trifft nun ein. Die Renten in der bishe- rigen DDR werden zum Jahreswechsel um 15 Prozent erhöht. Dies ist das Ergebnis des Wettstreits der Parteien um die Gunst der ost- deutschen Wähler. Rentenpolitik wird zur Wahlpolitik degradiert." (Frankfurter Allgemeine, 12.10.90) Die FAZ klagt an. Nur, warum? Was wäre denn eigentlich so schlimm daran, wenn eine Regierung dem Volk einmal etwas schenken würde? Wenn die Parteien schon gewählt werden wollen, warum sollten sie nicht um die Gunst des Wählers wetteifern? Warum sonst sollte man denn die eine Partei wählen und die andere nicht? Sollte der Wettstreit um die Wählergunst nicht gerade der Vorzug der Demokratie sein?! Die FAZ beharrt auf der Klarstellung, daß das so natürlich nie gemeint war. "Geschenke" kommen gar nicht in die Tüte - und selbst der S c h e i n gehört sich nicht. Wenn sich die Regie- rung dem Wähler als Wohltäterin präsentiert, indem sie ihm ein paar Mark in die Taschen zurücküberweist, die sie ihm zuvor leer- geräumt hat - dann fängt sie sich sogleich den Vorwurf des schwächlichen Opportunismus ein. Wenn Blüm die von ihm herge- stellte Abhängigkeit der Rentner von der Politik in An- hänglichkeit zu seiner Partei umzumünzen versucht - dann liegt ein klarer Fall von Landesverrat vor. Statt seine Politik rein nach Staatsgesichtspunkten und Staatsvorteilen zu präsentieren, hat sich der Minister beim Verkauf der Rentenerhöhung doch glatt der Sünde schuldig gemacht, auch nur den Schein einer Konzession an den Materialismus der Bürger aufkommen zu lassen. Und das ge- hört sich ganz einfach nicht in einer Demokratie. Die nämlich setzt ohne Einschränkung auf den reifen Bürger, also auf den bedingungslosen Nationalismus des Wahlvolks, das sich vom Wählen nichts anderes zu versprechen hat als das Regiertwerden. Den Vorwurf der Nachgiebigkeit gegenüber dem Wahlvolk mag Mini- ster Blüm keinesfalls auf sich sitzen lassen. Er belehrt die an staatliche Versorgung gewöhnten Ex-DDRler über die Schönheiten des freiheitlichen Rentenwesens: "Die Rentenerhöhung ist kein Geschenk, sondern gutes Recht." "Die Renten bei uns sind dynamisiert! Sie verändern sich mit den Löhnen. Die Rentner brauchen keinem Parlament und keinem Polit- büro danke zu sagen, und sie brauchen auch nicht zu betteln: Wenn die Löhne und damit die Beiträge in die Rentenkasse steigen, dann auch die Renten." Rentner, Ihr braucht nicht zu betteln - es nützt nichts! Mit Eu- rer Armut und Euren Erwartungen an Versorgung braucht Ihr uns nie mehr zu kommen. Ihr kriegt ausbezahlt, was im Rententopf ist. Was da reinkommt entscheiden einerseits die Unternehmer mit ihren Belegschaftszahlen und gezahlten Lohnhöhen, andererseits wir Po- litiker mit dem Rentenbeitragsformel. Steuern geben wir für Euch nicht aus - sonst bräuchten wir sie schließlich von Euch gar nicht erst einzusammeln! Die Rentenerhöhung, so Blüm, geht in Ordnung, weil sie kein Ge- schenk, und nicht an Versorgungsgesichtspunkten, sondern nur an den staatlichen Rentenfinanzen orientiert ist. Das sollten sich die neuen Fans des effizienten Regierens im Osten mal merken. zurück