Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN WAHLEN - Wählen ist verkehrt!


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WÄHLEN IST VERKEHRT!

Denn Wählen heißt ... --------------------- 1. Politiker bedingungslos ermächtigen -------------------------------------- Am 18. März dürfen die DDR-Bürger erstmals f r e i wählen. Was dürfen sie da eigentlich? Eine Mannschaft auswählen, die darüber bestimmt, wie es mit der DDR weitergeht. Mit dem Kreuzchen auf dem Wahlzettel verzichten die Wähler also freiwillig darauf, selbst zu bestimmen, wie in ihrem Land die nächsten Jahre gelebt, studiert und gearbeitet wird. Dafür wird die gewählte neue Herr- schaft dazu e r m ä c h t i g t, Gesetze zu beschließen, denen die Wähler dann zu gehorchen haben. Und zwar bedingungslos; denn einschränkende Bedingungen stehen nicht auf dem Wahlzettel. Darin haben die DDR-Bürger Übung; gehorchen mußten sie ja die letzten 40 Jahre schon. Die jetzige Wahl bringt genau einen Un- terschied zu früher: W e l c h e Partei sie beherrscht, das be- stimmen diesmal die Wähler selbst. W a s die herrschende Partei beschließt, das bleibt auch in Zukunft deren Sache. Genau dafür hat sie ja die Mehrheit. 2. "Deutschland" seufzen und Kapitalisten ----------------------------------------- und Parteien machen lassen -------------------------- Soweit sie ihren Wählern jetzt bereits sagen, was sie vorhaben, bieten die Konkurrenten um die künftige Macht in der DDR hochin- teressante Alternativen: - Die "Allianz für Deutschland" ist, wie ihr Name schon sagt, "für ein vereinigtes Deutschland" und außerdem für eine "Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber". - Die Konkurrenz von der SPD will "die Einheit der Nation wieder unter einem gemeinsamen staatlichen Dach" und eine "Marktwirtschaft", die sie ganz vorsichtig "sozial- nicht sozia- listisch" nennt. - Die FDP steht, wie auch im Westen, zwischen diesen beiden Posi- tionen und "tritt ein für die Einheit beider deutscher Staaten im Rahmen der europäischen Vereinigung", außerdem natürlich für eine freie "Marktwirtschaft". - Für eine menschenfreundliche Marktwirtschaft und ein ganzes Deutschland steht das Neue Forum zur Wahl. - Und die verhaßte SED/PDS läßt sich auch nicht lumpen und will "den historischen Prozeß der deutschen Einigung" bescheiden mit- unterstützen. Die "Marktwirtschaft", die sie befürwortet, heißt auch wieder "sozial(istisch)". - Usw. Der Wähler kann also viel falsch machen bei der Wahl: mindestens vier von fünf Parteien nehmen ihm auf alle Fälle seine Stimmab- gabe übel. Nur in der H a u p t s a c h e kann er nichts falsch machen; denn da wird ihm erst gar k e i n e A u s w a h l ge- lassen - ungefähr so ähnlich wie früher bei der SED. "Deutschland" wird auf alle Fälle gewählt, wie auch immer die Wähler sich entscheiden. Mit ihrer Stimme helfen sie also den westdeutschen Politikern dabei, sich die DDR zu erobern. Gleich- zeitig spenden sie ihren Beifall dazu, daß die westdeutschen Un- ternehmer sich die DDR-Wirtschaft zur großen, effektiven Profit- Maschine herrichten - zur "Marktwirtschaft" nämlich. Und das schaffen die DDR-Wähler, ohne erst irgendwelche Unterschiede zwi- schen den Parteien herausfinden zu müssen. Sie schaffen das sogar ganz ohne zu wissen, was sie tun. Wenn das nicht Freiheit ist! 3. den größten Heuchlern und Angebern blindes Vertrauen schenken ---------------------------------------------------------------- Seit Jahrzehnten haben DDRler diesen Genuß entbehren müssen - jetzt haben sie ihn: den Wahlkampf. Da machen demokratische Poli- tiker sich wechselseitig so schlecht, daß man nur alle beim Wort nehmen müßte, und man könnte vor keinem mehr Respekt haben. Aber dann wäre man ja kein W ä h l e r mehr. Ein Wähler nimmt Politiker nämlich grundsätzlich nicht beim Wort, weil Wahlkampf und Wahl ja sowieso keiner mit einer Beratung und Festlegung dessen verwechselt, was im Staat gemacht werden soll. Ein mündiger Wähler ist so frei, die wahlkämpfenden Politiker auf sich und seinen schlechten Geschmack wirken zu lassen und dement- sprechend seine "Gunst" zu verschenken. Am Ende hat er nämlich sowieso nichts anderes zu tun, als dem Kandidaten seiner Wahl per Stimmzettel einen Blankoscheck auszustellen - und welches Argu- ment könnte es für einen solchen vertrauensvollen Un- terwerfungsakt schon geben! Im Wahlkampf werden daher Phrasen zum Schlager, die man der SED früher niemals abgenommen hätte: "Endlich wieder eine Zukunft!"; "Für die Zukunft Deutschlands!"... F ü r w e n diese Zukunft sonst noch gut ist und w i e sie aussehen soll, braucht keiner mehr dazuzusagen. Viel wichtiger ist, w e r die dummen Sprüche von sich gibt. Ist es ein w i c h t i g e r Mann? Ein Mensch mit M a c h t? Dann müssen auch seine Sprüche wichtig sein. Die meiste Macht haben die Politiker-West; also sind sie die ei- gentlich wichtigen Figuren im DDR-Wahlkampf und lassen sich beju- beln wie Erich Honecker zu seinen besten Zeiten. Die Politiker- Ost machen sich ausgerechnet damit wichtig, daß sie jede DDR- Macht und DDR-Politik zugunsten eines größeren Deutschland ab- schaffen wollen. Deswegen können sie am besten und glaubwürdig- sten mit ihren bundesdeutschen Paten angeben; denn denen ver- schaffen sie ja die Macht über die DDR. Das scheint unter DDR-Bürgern bombiges Vertrauen zu stiften. 4. Nur noch mit den Selbstdarstellungskünsten --------------------------------------------- der Politiker unzufrieden sein ------------------------------ So wie die vielen Erstwähler in der DDR, die laut Umfrage "Orientierung" vermissen im Wahlkampf. Kaum dürfen sie wählen, wollen sie gesagt kriegen, was. Sehnen sich diese Leute eigent- lich nach noch mehr Bevormundung? Nach geistigen Führern an den Schalthebeln der Macht? Auf jeden Fall sind solche Wähler r e i f für die Demokratie. Denn sie mäkeln ja nur an den Selbstdarstellungskünsten ihrer Politiker herum. Ihre Verplanung als Mnavöriermasse des neuen Staates aber ist ihnen scheißegal. Mit solchen Leuten haben die Machthaber leichtes Spiel. *** Was gar nicht zur Wahl steht, weil es längst beschlossen ist, und in der DDR so nicht ausgesprochen wird, wenn sich Leute davor fürchten, läßt sich auf einer Veranstaltung der Marxistischen Gruppe diskutieren: Der Anschluß - Die Einführung echten Geldes - Die Schaffung des freien Lohnarbeiters - Der Import der sozialen Frage Ein Volk - eine Führung - eine deutsche Weltmacht zurück