Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN SPD - Von den noch besseren Deutschen
zurück Münchner Hochschulzeitung Nr. 20, 22.07.1981 WochenschauHERBERT WEHNER
ist neulich 75 geworden. In den Würdigungen dieses Ereignisses überwog der Respekt vor der "Leistung" des Grand Old Man der SPD, und dies ist nicht allein dem Umstand geschuldet, daß sich Lauda- tiones auf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in diesem vorgerrückten Alter immer ein wenig wie Nekrologe zu Lebzeiten lesen für die gilt: De mortuis nil nisi bene. Wehner wird mit vollem Recht als großer P o l i t i k e r geehrt, weil er d e r Architekt des E r f o l g s seiner Partei war, der die Sozialdemokratie aus der Opposition in die Regierung führte, und in der Politik gilt der Satz wie nirgends sonst, daß dem, der den Erfolg hat, auch Recht gegeben wird. Der Ertrag eines Politiker- lebens ist die Summe der Anteile an der M a c h t, die darin angesammelt wurden. Weil im Begriff der Macht enthalten ist, daß es auf den Erfolg für die ihr Unterworfenen n i c h t ankommt prägt sie den Charakter derer, die sie haben, durch die Eigen- schaften der A r r o g a n z und des Z y n i s m u s. Der Weg der Sozialdemokratie von ihrer Verfolgung durch den Faschismus über ihre Bannung in eine schier unaufhebbare Oppositionsrolle als "vaterlandlose Gesellen", deren Wege allesamt "nach Moskau führen" sollten, über die Rehabilitierung durch Teilnahme an der Macht (Große Koalition) hin zur Kanzlerpartei ist in der Vita Herbert Wehners personifiziert: Der ehemalige Kominternfunktio- när, im Exil konvertiert oder aus der KP ausgeschlossen (was zwar bis heute ungeklärt ist, aber für die Glaubwürdigkeit des Wehner- schen Antikommunismus keine Rolle spielt, wenngleich seine Gegner ganz unchristlich immer wieder einmal darauf herumbacken), diese Inkarnation des übelsten Sinnes, den der Terminus "Apparatschik" vorstellt, hat aus seiner kommunistischen Vergangenheit positiv die "marxistisch-leninistische" Trennung von Strategie und Taktik nicht nur übernommen, sondern dahingehend radikalisiert daß für ihn und seine SPD die P r a x i s der Machterlangung und Aus- übung bereits die Realisierung der I d e a l e ist, denen ver- pflichtet zu sein man proklamiert. Wehner hat nie Zweifel aufkom- men lassen, daß für ihn die Regierungsfähigkeit der SPD und ihre Anerkennung als demokratische und nationale Regierungsalternative das erfüllte Ziel des durch sie vertretenen Teils der Arbeiterbe- wegung i s t und daß darüberhinaus nichts mehr kommt. Daß er in d i e s e r Frage den gutbürgerlichen Parteien gegenüber u n v e r s ö h n l i c h aufgetreten ist und auftritt, ihn Zweifel an der nationalen Zuverlässigkeit der SPD zu polemischen Ausbrüchen provozieren, hat ihn für die linke SPD immer als einen der ihren akzeptabel gemacht und z u g l e i c h die jeweilige Regierungsmannschaft bewogen, sich die Dienste des "Onkels" für die Machterhaltung zu sichern. Weil Wehner weiß, daß die Basis der Sozialdemokratie das V e r t r a u e n der Arbeiter in "ihre" Partei - und die Einschätzung eines Teils der Intellektu- ellen, des "Mittelstands" bis hinein in die Kreise der herrschen- den Klasse die "Macher" der SPD machten es besser - ist, leistet er sich einen rüden Umgang mit den Medien, der fast schon wieder eindrucksvoll wäre, wenn man nicht wüßte, daß hinter der pfeifen- beißenden Arroganz der Zynismus des Politikers steckt, der die Impertinenz der Journaille auflaufen läßt, weil er sich des b l i n d e n Vertrauens der Massen sicher ist. Schaut man sich die "Leistungsbilanz" Wehners vom Standpunkt des objektiven In- teresses jener aus an so kommt dabei ein furchtbarer Staatsmann heraus: Er hat dem SPD-Programm mit Godesberg die letzten Partei- lichkeiten für die Arbeiterklasse ausgetrieben; er hat die Sozi- aldemokratie durch sein Ja zur Aufrüstung zu der Partei gemacht, die jetzt den NATO-"Nach"rüstungsbeschluß in der BRD durchsetzt und er hat seine P e r s o n immer dann in die Waagschale ge- worfen, wenn der Machterhalt der SPD eine Lumperei "notwendig" machte und darüber die E i n h e i t der Partei gefährdet wurde. Es ist jetzt im Alter Wehners "Tragik", daß seine Politik des eisernen Opportunismus der Macht aus P r i n z i p der ge- samten Partei so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß sie offen darüber räsonniert, ob man dazu ihn überhaupt noch braucht, oder ob man nicht besser die gleichen Resultate in netterer Form erzielen kann. D e s h a l b muß er jetzt auch mal M i ß e r f o l g e in der Fraktion einstecken, die ihn zuneh- mend nur noch mit der Pietät von Leichenfledderern an ihrer Spitze duldet. Das erfüllt seine alten Tage zunehmend mit Bitter- keit. Menschlich gesehen mag das ungerecht sein, s'ist aber so gerecht wie die Politik nun einmal ist. zurück