Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN SPD - Von den noch besseren Deutschen
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 32, 16.02.1981 Parteien:"RUINIERT" DIE SPD DEN KANZLER?
Was ist los mit der SPD: Jeden Tag eine neue Krisenmeldung auf Seite 1 der Zeitungen. Vermutungen über ein baldiges Zerbrechen der Koalition werden angestellt. Ganz Gewiefte entdecken bei den Auseinandersetzungen und Querelen in der Partei der Sozis unter- schwellig eine "Sehnsucht nach der Opposition". Andere kommen in ihrer politischen Tiefenforschung zu dem Ergeb- nis, der "Außenseiter" Hansen habe "rüde gesagt, was viele in der Partei heimlich beklagen", so daß ein "Irrer" auch etwas von ei- nem "Helden" an sich habe. Überhaupt wüßten die Sozialdemokraten nicht mehr, was sie seien: "... die Sozialdemokraten haben derzeit Schwierigkeiten mit der Definition, was sozialdemokratische Politik ist." (ZEIT) Gerät am Ende die ganze Bonner Politik durcheinander? Um die Krise in der SPD wenigstens für ein wenig rationelle Staatsbür- gerkunde zu nutzen sonst hat man von ihr und ihrer so oder so ge- arteten Lösung ja sowieso nichts -, soll der Versuch unternommen werden, dieser Parteikrise auf den Grund zu gehen. Und da die Spekulationen an dieser Materie wie Oberhaupt bei der Beurteilung der Zwecke und Absichten der Politiker ziemlich ins Kraut schie- ßen, sei zuerst beantwortet, Was sicher nicht zur "SPD-Krise" geführt hat. --------------------------------------------- 1. Mit dem Bürger, weder mit den Wählern der SPD noch mit allen anderen, die auch von der Regierungskoalition regiert werden, hat die ganze Angelegenheit absolut nichts zu tun. Die haben sich ja nicht beschwert, als sie feststellten, welche Konsequenzen der Kurs der Regierung für sie hat. Auch haben keine SPD-Wähler Zwei- fel daran bekommen, ob gewisse Regierungsbeschlüsse, die die SPD trägt, noch sozialdemokratisch wären. Und wenn sich jemand be- schwert hätte, wäre ihm bedeutet worden, daß die Regierung nicht anders könne. Der Wille einer Partei wird doch nicht vom Bürger gebildet - umgekehrt bildet die Partei deren Willen entsprechend den politischen Vorhaben und zum Wohle des Ansehens der Partei. Schließlich haben auch nicht die lieben Leute bemerkt, daß die SPD in Schwierigkeiten sei - sie haben in der Zeitung gelesen, daß sich die SPD in einer Krise befindet. 2. Etwa die Angst der SPD vor dem Verlust zukünftiger Wählerstim- men? Gewählt wurde gerade, jetzt wird regiert. Aber davon abgese- hen würde diese Rücksicht auf den Wähler ja unterstellen, daß Spar- und Nachrüstungsbeschlüsse, Waffenexport, Arbeitslosenquo- ten und ungesunde Atomkraft, also das Mehr oder Weniger an großen Taten gegen den Bürger das Vertrauen in eine Partei bestimmten. Wenn dem so wäre, wäre die SPD tatsächlich ziemlich "handlungsunfähig", weil von dem Interesse der Bürger abhängig. Nicht "Selbstbedienungsläden" haben die letzte Wahl entschieden, sondern Helmut gegen Franz Josef. 3. Es ist ein Gerücht, in der SPD gäbe es so gestandene Leute, die einen tiefsitzenden Haß gegen Militarismus, Wettrüsten, Waf- fenschieberei und Atomstrahlung haben; die deshalb jetzt, wo die Friedenspolitik der Bundesregierung im Bündnis der NATO so an- schaulich ihren Zweck enthüllt, nicht mehr mitmachen wollen und die Einheit der SPD gefährden. Selbst der gute Hansen hat erst jetzt einmal die Schnauze aufgemacht. Solange die Leos und U- Boote sich in deutschen Landen und Meeren aufhielten, ist ihm dazu nichts eingefallen. Als Idealist der SPD hat er moralische Bedenken bekommen und von seiner Partei mitsamt den linken Reali- sten der SPD die Antwort: z.B. "Tod bei Glatteis" oder: "Seid nicht zu feige, offen den Rücktritt von Schmidt zu fordern, wenn Ihr das wollt; dann werdet Ihr sehen, was die Partei davon hält." (Wolfgang Roth). Hansen will auf jeden Fall in der SPD bleiben und keinen Kampf gegen die Kriegsvorbereitungen der Bundesregie- rung führen. Es ist halt ein Unterschied, ob man die Aufgabe so- zialdemokratischer Positionen bemäkelt oder gegen den demokrati- schen Militarismus eintritt. Also an ehrlichen Gegnern der Aufrü- stung der Nation und anderswo liegt es auch nicht, daß es bei den Sozis kriselt. 4. Ebensowenig daran, daß Parlamentsabgeordnete der SPD das 'S' in der 'PD' flöten gehen sehen und eine gefährliche Nähe zur kon- servativen Opposition feststellen. Das Präsidiumsmitglied Eppler macht sich ganz andere Sorgen: "Das Problem heute ist, daß es kein einziges großes Thema gibt, das die Partei integrieren und von des CDU absetzen könnte. Wir haben fast nur Themen, bei denen die Union die Regierung unter- stützt, während beträchtliche Teile der SPD wachsende Zweifel ha- ben. Das gilt für den Nachrüstungsbeschluß, für die Waffenex- porte, aber auch für Brokdorf. Ich weiß nicht, wie lange eine Partei mit desintegrierenden Themen leben kann." Offensichtlich fehlt Eppler nur ein großes Thema, an dem sich seine Partei so richtig rausstreichen kann; offensichtlich ist nicht der eigene Standpunkt das Problem, sondern einer, der die SPD besonders eigenständig und stark erscheinen läßt. Aber wo hätte denn die SPD in den letzten Jahren in eindeutiger Absetzung von der CDU/CSU ein großes sozialdemokratisches Thema diskutiert, beschlossen und durchgesetzt? Die "Krise" des Kanzlers und ihre --------------------------------- konstruktive Bewältigung durch die "Krise" der SPD -------------------------------------------------- Schluß mit dem Rätsel. Worin bestehen denn wirklich "Stärke" und "Schwäche" der SPD? Mit einem glanzvollen Helmut Schmidt, dem "Macher" der Nation und des Gipfels von Jamaika, dem Krisenmana- ger und Friedenskanzler, war der "Vorrat" sozialdemokratischer Positionen; und Ideale doch nie ein Problem. Im Gegenteil: noch die gläubigsten Vertreter der Ideale sozialdemokratischer Selbst- darstellung der Staatsmacht - "Bürgernähe", "mehr Demokratie", "soziales Netz", "Solidarität" etc. - bekamen immer dann glän- zende Augen, wenn sie sich in der A r r o g a n z d e r M a c h t sonnen durften, die ihr Kanzler verströmte, weil die tatkräftige Führung der Nation leicht vonstatten ging und deswe- gen ihn, so als wäre das seine Leistung, gut aussehen ließ. Denn daß Ideale nur etwas taugen in der Demokratie, wenn es die Ideale des Erfolgs sind, weil man sich andernfalls mit ihnen bloß bla- miert, das hat auch die SPD-Linke bis zu den Jusos einschließlich schon immer begriffen. Es ist also nur die halbe Wahrheit, daß die Bundesregierung 1981, die das Ende der Entspannung zur Kenntnis nimmt, die Forderungen der neuen Offensive der USA erfüllt und sehr eigennützig die In- teressen des westlichen Bündnisses exekutiert, für die sozialde- mokratischen Ideale von Frieden, Entspannung, Eierkuchen und der- gleichen keine Verwendung mehr hätte. Der Platz dieser Ideale war auch bisher schon nur gesichert im Schatten des souveränen Ma- chers Schmidt. "...wird an der Regierung Schmidt gerade das vert, was als ihre Stärke gepriesen wurde: geschickte Administration, kühles Manage- ment, technokratischer Umgang mit der Macht und (!) das Festhal- ten an sozialdemokratischen Grundpositionen.", bemerkt eine Zeitung und hat also zumindest gemerkt, an welche Stelle das "genuin Sozialdemokratische" hingehört und woran es hängt. Wenn nun trotzdem ausgerechnet heute 5 bis 13 halbwegs prominente Sozialdemokraten mit ziemlichem Getöse ihren parteieigenen Idea- lismus wiederentdecken, dann liegt das nicht etwa daran, daß sie gemerkt hätten und sich darüber ärgern würden, wie wenig heutzu- tage ihre Phantasie in Sachen Verschönerung der Republik gefragt ist. Genau umgekehrt - schließlich gehen mit Eppler, Hansen, Klose, Matthiesen und Genossen, auch wenn sie allesamt noch so pfäffische Naturen sind, keine Phantasten, sondern karrierebe- wußte Politiker ans Werk. Und wenn die sich darauf besinnen, daß ihnen als Sozialdemokraten noch außer ihrem Kanzler ein paar liebliche I d e a l e zur Verfügung stehen, um sich und ihre Partei als die berufenen Inhaber der staatlichen Gewalt hinzu- stellen; wenn sie sogar darauf spekulieren, mit einer Kanz- ler k r i t i k im Namen des sozialdemokratischen Parteiidealis- mus den Parteierfolg zu befördern; und wenn sie sich damit nicht gleich öffentlich blamieren (sonst hätten sie es wohl auch schnell unterlassen!), sondern in den tonangebenden Zirkeln von Partei und staatsfrommer Öffentlichkeit eine Krisendebatte auslö- sen; dann zeigt das nichts anderes als die aktuelle Konjunktur in der Selbstdarstellung des sozialdemokratischen Kanzlers als un- zweifelhafter Personifizierung der nationalen Macht und Größe. Helmut Schmidt verstrahlt nicht mehr jenen Glanz ungeschmälerter Souveränität, der es bisher jedem SPDler zur Selbstverständlich- keit gemacht hat, daß die schönste, ja die einzig glaubwürdige Rechtfertigung des Willens der Partei zur Führung der Nation in ihrer öffentlich demonstrierten Dienstbarkeit für Helmut Schmidt liege. Daß der Kanzler derzeit so glänzend nicht mehr aussieht, liegt ganz sicher - um es nochmals zu sagen - weder an ihm (sowenig wie sein bisheriger Erfolg) noch an den Härten, die er auf sein Volk zukommen läßt, noch erst recht daran, daß letzteres in Bonn eine Beschwerde eingereicht, geschweige denn seinerseits die Souverä- nität des Kanzlers eingeschränkt hätte. Die Sache ist viel bana- ler. Neben einem amerikanischen Präsidenten, der den Schein von Gleichrangigkeit zwischen seiner Souveränität und der seiner NATO-Vasallen lässig zerstört; der nicht bloß mit harten Direkti- ven für die europäischen Verbündeten auftritt, sondern dabei kei- nerlei Rücksicht auf "europäische Empfindlichkeiten" nimmt, also nicht mehr wenigstens diplomatisch so tut, als wurde er sich in reinen Entscheidungen von der abendländischen Weisheit seiner cisatlantischen Kollegen abhängig machen; der den Partnern im Ge- genteil die Einzelheiten seiner neuen "Vorwärtsverteidigung" über Stegreifinterviews seines Verteidigungsministers ankündigen läßt; neben Ronald Reagan also sieht der bundesdeutsche Friedens-, Weltwirtschafts- und heimliche Europakanzler auf einmal ein paar Köpfe kleiner aus. Er erscheint jetzt auch als das, was er ist: ein M i t macher des westlichen Imperialismus, der die Souverä- nität seines Mitmachens immer mal wieder zu beweisen nötig hat. Anders ausgedrückt: Gerade weil Schmidts E r f o l g darauf be- ruht hat, in seiner Person den Übergang der BR von der alten Gleichung 'ökonomischer Riese - politischer Zwerg' zu neuem welt- politischern Aktivismus zu einer für jeden Nationalisten gefälli- gen Darstellung zu bringen, eben deswegen ist er, sein erster be- deutender M i ß erfolg, wenn dem bundesdeutschen Imperialismus derzeit reine subalterne Rolle innerhalb der amerikanischen Weit- herrschaft angewiesen wird. D a s und sonst nichts verschafft ehrgeizigen Sozialdemokraten derzeit "Spielräume" für eine "politische Profilierung" außerhalb des Strahlenglanzes ihres obersten Machthabers. Und selbstver- ständlich ist es auch mit diesen "Spielräumen" nicht weit her. Denn dar. ist auch den Kanzler"kritikern" in der SPD klar, daß die Macht, die die Partei hat, allemal der beste Beweis für deren Macht w ü r d i g k e i t ist ("Handlungsfähigkeit" heißt das in den Sprachregelungen unserer devoten Öffentlichkeit!), und daß ein paar aktuell aufgemöbelte sozialdemokratische Idealismen für diesen erzdemokratischen Beweis nur taugen, soweit sie der V e r z i e r u n g der Herrschaft mit dem Schein tieferer Be- denklichkeit dienen. Und genau in diesem Sinne wird die "Krise der Partei" von der SPD-Führung mit gewohnter Könnerschaft durch- gezogen: Willy Brandt würdigt die "Schelte" als irgendwie letzt- lich konstruktiv gemeinten Beitrag und will damit darauf hinge- wiesen haben, daß der Kanzler Schmidt - wer weiß, wie dumm der demnächst noch aussieht! - doch nicht das einzige "Argument" für sozialdemokratischen Machtbesitz ist; Herbert Wehner beschwört theatralisch eine Parteispaltung und macht damit klar, daß d a s e i n z i g s t i c h h a l t i g e "Argument" für sozialdemo- kratischen Machtbesitz immer noch dieser selbst ist; Helmut Schmidt findet Gelegenheit kundzutun, daß ihn als Kanzler das al- les im Grunde gar nichts angeht, also seine Machtausübung nach wie vor d a s b e s t e "Argument" für sozialdemokratischen Machtbesitz ist. So sammelt die Partei sich hinter ihrem um ein paar Häupter verkürzten Kanzler - und bewerkstelligt auf diese Weise den reibungslosen demokratisch-parlamentarischen Übergang der BRD in die anstehende neue, härtere Phase des westlichen Im- perialismus. Denn das Volk durfte ja miterleben, wie schwer seine Regierenden es haben und es sich machen. S o e i n f a c h geht das Regieren in der BRD 1981, weswegen an eine andere "Alternative" als an die der C-Parteien auch keine Sau denkt! zurück