Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN SPD - Von den noch besseren Deutschen
zurück
DIE SPD ZUM GOLFKRIEG UND ZUM BALTIKUM
Dienstag mittag, 15.1.91:
Friedensnobelpreisträger Willy Brandt antwortet im Bundestag auf
die Regierungserklärung zum Golf: Es gebe keine "Pflicht zur
militärischen Lösung", bevor nicht alle anderen Mittel ausge-
schöpft seien. Im Klartext: Das Kriegs z i e l der USA teilt der
Nobelpreisträger. Für sträflich hält er es allerdings, die wirt-
schaftlichen und politischen Machtmittel nicht auszureizen, die
dem Westen einschließlich Deutschland zu Gebote stehen. Aushun-
gern des irakischen Staates und Volkes durch einen militärisch
organisierten Belagerungszustand, so lautet sein Plädoyer.
*
Diese Strategie ist kein Nein zum Krieg. Wie auch. Wo mit einem
Embargo nicht zu erzwingen geht, was der SPD-Ehrenvorsitzende für
z w i n g e n d hält, die Räumung Kuwaits, da müssen eben an-
dere, die letzten Mittel in Anschlag gebracht werden. Brandt ver-
kündet mit S t o l z, daß sich der bisherige deutsche Beitrag
zum Golfkrieg sehen lassen kann. Er geht nach seinen eigenen Wor-
ten weit über das Maß "symbolischer Fregatten" anderer Nationen
hinaus. Der gesamte Nachschub des US-Kriegsgerätes wird über
deutsche Stützpunkte wie Frankfurt und Bremerhaven abgewickelt,
durch die Bundeswehr und die deutsche Kriegsmarine im Mittelmeer
gesichert. Desweiteren ist die deutsche Wehrmacht in der Türkei
im Einsatz, nicht nur mit 18 Alpha-Jets.
*
Dieser letzte Punkt allerdings trifft auf K r i t i k Brandts.
Für ihn stellt diese deutsche Antwort auf ein Hilfeersuchen der
Partner keinen Beitrag dar, mit dem die Bundesregierung über eine
"bloße Unterordnung und Reaktion" in der Golfkrise hinauskommt.
Die Alpha-Jets unterstehen dem NATO-General Galvin, der zufälli-
gerweise US-Befehlshaber im Golfkrieg ist, den die Amerikaner
ganz allein befehligen. Der Friedensnobelpreisträger hält es für
unerträglich, daß ein "gemeinsamer Oberbefehl" fehlt. Eine gehö-
rige Mit-Bestimmung über das Kriegsgeschehen am Golf ist schon
deswegen unverzichtbar, weil die Zeiten vorbei sind, in denen
Deutschland unter "alliierten Vorbehalten" zu leben hatte. Deswe-
gen ermahnt Willy Brandt die Kohl-Regierung, endlich eine EG-Si-
cherheitsstruktur zu schaffen. Die "Europäische Politische Zusam-
menarbeit (EPZ)" soll, dafür sei es höchste Zeit, zur gleichwer-
tigen Alternative zum amerikanischen Imperialismus werden. Ein
unmißverständlicher Aufruf.
*
Bei alldem bleibt der Sozialdemokrat Brandt natürlich ein
F r i e d e n s nobelpreisträger: Gewalt darf kein Mittel der Po-
litik sein - diesen Satz traut er sich öffentlich vorzutragen,
während die Freie Welt die letzten Stunden bis zum Kriegsbeginn
am Golf zählt. Und zwar als vernichtende Kritik an einer innenpo-
litischen Notstandsmaßnahme in der Sowjetunion, wie sie nun wirk-
lich in jedem Rechtsstaat verfassungsmäßig vorgesehen und gang
und gäbe ist. An seinen Kollegen Friedensnobelpreisträger Gor-
batschow richtet er die Warnung, er würde mit seinen Panzern in
Wilna die "Grundsubstanz seines politischen Kredits" aufs Spiel
setzen. Eine schöne Klarstellung, wofür der Westen diesen Russen
"Kredit" eingeräumt hat. Die "territoriale Integrität" ist ein
hoher Titel, in dessen Namen der Westen den irakischen Angriff
auf die Souveränität Kuwaits mit Krieg beantwortet. Ein
V e r b r e c h e n dagegen ist es, wenn Gorbatschow das sowje-
tische Territorium gegen Litauens Separatismus mit Panzern si-
chert. Denn das westliche Wohlwollen gegenüber dem Kremlchef gilt
einzig und allein der Z e r s e t z u n g der Sowjetunion, zu
der die Perestroika es gebracht hat. Willy Brandt mahnt als Frie-
densnobelpreisträger an, daß dieser Prozeß auf keinen Fall ge-
bremst werden darf. Notfalls muß der Westen dafür sorgen.
Dienstag abend, 15.1.91:
Die SPD organisiert Fackelzüge für den Frieden
In mehreren Städten dürfen Friedensdemonstranten Fackeln und Ker-
zen abbrennen - und i h r e Friedensliebe mit der SPD verwech-
seln.
Mittwoch nacht, Donnerstag mittag:
Kriegsbeginn. Die SPD ist "bestürzt" und fordert: Krieg - nicht
länger als n ö t i g!
Der sozialdemokratische Oppositionsführer gibt sich im Bundestag
"tief betroffen". Er "appelliert an die Bundesregierung", die in
der Golfregion engagierten Staaten aufzufordern, "schnellst-
möglich den Krieg zu beenden". Was heißt da "schnellstmöglich"?
Keine Frage: "Saddam Hussein muß raus aus Kuwait." Im Klartext:
Der Krieg soll keinen Augenblick länger dauern, als n ö t i g.
Also m u ß er geführt werden. Und zwar genau so lange, bis das
Ziel erreicht ist. Das ist keine Kritik, sondern eine
B e k r ä f t i g u n g des Krieges. Noch in der Nacht des
Kriegsbeginns erläutert SPD-Wischnewsky im Fernsehen, wie die
sozialdemokratische Verbindung von Krieg und Humanismus aussieht:
Er empfiehlt alle 24 Stunden eine Unterbrechung der
Bombardements, um nachzufragen, ob Hussein zur bedingungslosen
Kapitulation bereit ist.
So geht sozialdemokratische Friedensliebe: U n n ö t i g e Lei-
chen sind inhuman. Und die notwendigen kriegen ein "Leider" nach-
gerufen.
Samstag, 19.1.91:
Die SPD ruft nach dem Sanitätsdienst
Krieg mögen Sozialdemokraten irgendwie lieber nicht. Dabeisein
schon. Der smarte Engholm weiß die Lösung. Es gibt sie ja schon,
die Abteilung im Militär, die nach der Herstellung der Opfer ihre
Betreuung regelt. Also: "Deutsche Sanitäter an die Front!"
zurück