Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN PRAESIDENT - Vom Amt des Bürgerkönigs


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 98, 03.07.1984
       

HERR VON WEIZSÄCKER!

Der "Bild am Sonntag" entnehmen wir, daß Sie "gerne Schokolade" essen, und dem "FAZ-Magazin" verraten Sie kokett Ihren "größten Fehler": "Zum Beispiel Hang zum Süßen". Sehr leutselig haben wir uns da mal wieder gegeben, was? 'Das dumme Volk hat ein Recht auf einen Präsidenten, mit dem jede Hausfrau ein süßes Geheimnis teilt' - So etwas Ähnliches haben Sie sich dabei doch gedacht, oder? Schließlich haben Sie als gewählter Präsident ja auch ein Recht auf ein Volk, das keine größere Sehnsucht kennt als die nach wohlwollenden Herrschern. Um gleich bei dem unsäglichen Fragebogen des "FAZ-Magazins" zu bleiben: "Was wäre für Sie das größte Unglück? Unglück der Kin- der. Was möchten Sie sein?" Nein, nicht 'Kinderarzt' oder 'Kinderschwester'. Man soll das Kokettieren mit dem guten Herzen auch nicht übertreiben; zumindest nicht in feinsinnigen Intellek- tuellenkreisen: Die rümpfen da womöglich über penetranten Mora- lismus die Nase. Die viel bessere Antwort: "Jeden Morgen gut aus- geschlafen." Das ist Leutseligkeit für Leute, die sich auf die Disziplin frühen Aufstehens wunder was zugute halten, weil sie ihr überhaupt nicht unterworfen sind. Die sollen da doch über Sie als einen der ihren schmunzeln, nicht wahr? Noch mehr der Tugenden! "Der Spiegel" ist Ihnen mit der Entdec- kung in den Arsch gekrochen, "wie hart seine braunen Augen zu blicken vermögen, wie schmal der meist milde lächelnde Mund wer- den kann, wie auch Resignation und Skepsis sich in das Gesicht eingegraben haben." Mal ehrlich: Das geht doch runter wie Butter! Das Image des leicht über den Wolken schwebenden, auf alle Fälle über dem Parteienstreit stehenden Schöngeistes, des 'Konsens der Demokraten' in Person, genießen Sie sowieso, seit Sie und Ihre Partei Ihre Karriere darauf abgestellt haben: Weg vom Kampfmit- telfabrikanten Boehringer, hin zum Kirchentagspräsidenten und in die allerchristlichste Grundwertekommission. Aber was ist ein Po- litiker wert, wenn man ihm nicht ansieht, wie schwer er es hat? Man müßte ja am Ende auf die Idee kommen, Ihre Jobs wären tatsächlich alle so erholsam, wie sie es tatsächlich sind! Dabei haben Sie schon früh "die schwere, aber wichtige Erfahrung als Soldat" hinter sich gebracht - lesen wir im "Spiegel" und in der "Welt am Sonntag". Wir hätten ja lieber nicht gewußt, was Sie aus 7 Jahren Dienst in Hitlers Wehrmacht gelernt haben. Aber Sie plaudern es aus: "... mich als politisch Verantwortlicher um die- ses Gemeinwesen zu kümmern." Ach Gott, wie selbstlos! Vom Oberbe- fehlshaber in einen vergeigten Krieg gehetzt, kam Ihnen nichts anderes in den Sinn, als selbst an ein paar Schalthebel der Macht zu gelangen. Jetzt reden Sie sich bloß nicht auf die Tradition ihrer Sippe hinaus, mit der auch Ihr Herr Bruder prunkt: "Man dient dem Ganzen! Früher nannte man das Nation oder Vater- land. Man kann es heute auch Frieden nennen." Uns kommt da eher ein anderer großer deutscher Politiker in den Sinn, der in ähnlicher Lage aus einer deutschen Niederlage die- selbe Schlußfolgerung gezogen hatte ("... beschloß ich, Politiker zu werden...") und dann einen ganzen Weltkrieg lang seinem Volk ein leuchtendes Vorbild war. Aber lassen wir das. Noch ist es ja gar nicht so weit. Einstwei- len erstellen Sie ja bloß höchst interessante Diagnosen zur Ar- beitslosigkeit, die Sie ebenfalls der "Welt am Sonntag" anver- traut haben: "In manchen Bereichen ist es ausgesprochen schwer, etwas rational Vernünftiges umzusetzen, weil wir uns vor lauter rechtlich gesi- cherten Besitzständen oder Ansprüchen zu wenig bewegen können." So 'unter uns Reichen und Gebildeten', eine ganze gesicherte Ei- gentumsordnung im Rücken und ausgestattet mit dem rechtlich gesi- cherten Anspruch, daß die eigenen Dummheiten zu Machtworten wer- den: Da plaudert man gern einmal über die Übel der Welt. Da weiß man vor allem, wo sie herkommen: Den Armen geht's so schlecht, weil's ihnen zu gut geht! Was brauchen sie also? "Eine Gesellschaft mit menschlichem Antlitz braucht nicht nur das soziale Netz, sondern auch das soziale Band. In unserer Republik haben wir uns die politischen Köpfe mehr über das Netz als über das Band zerbrochen." Ach wie geistreich! Das Ideal der völkischen Notgemeinschaft - gell, das sitzt tief?! - in ein solches Bild gefaßt, daß seine faschistischen Qualitäten genauso honorig aussehen wie Sie! Und dabei doch so unmißverständlich, so leicht faßlich sogar für die dem Analphabetismus nahe neue deutsche Elite! Nicht wahr: Mit diesem Sinnspruch wird jetzt die Amtszeit bestritten und Kohls Gleichschaltung der Nation mit allerhöchster Segensjauche berie- selt, was, Richard von? Zum Schluß doch noch mal das "FAZ-Magazin": "Wo möchten Sie le- ben? Im ungeteilten Berlin." 'Arg böse von der DDR, daß sie durch solche Kleinigkeiten wie ihre vom Westen angefeindete Existenz dem Herzenswunsch unseres Bundespräsidenten im Wege steht!' - verstehen wir Sie so richtig? Na, dann passen Sie ja endgültig aufs oberste Silbertablett unserer reizend den Raketenrepublik! Die BHZ-Redaktion zurück