Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN PRAESIDENT - Vom Amt des Bürgerkönigs
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DER 100. GEBURTSTAG VON THEODOR HEUSS
wurde letzte Woche als überparteilicher Staatsakt im Deutschen
Bundestag feierlich begangen. Und wie immer, wenn die Republik
dessen gedenkt, was war, demonstriert sie ihren Stolz darauf, was
sie mittlerweile ist. Wo das erste Saatsoberhaupt der eben in die
BRD entlassenen alliierten Westzonen noch eine eben und auch nur
partiell souverän gewordene Macht repräsentieren durfte, dement-
sprechend noch jede Rede mit einem Rekurs auf die "unselige Ver-
gangenheit" einleiten mußte, blätterten die Festredner in Bonn in
der Erinnerung an ihn "nicht ohne innere Bewegung" die ersten
Seiten einer glorreichen Nachkriegsgeschichte der Nation auf.
Heuss habe "den Deutschen die Selbstachtung" wiedergegeben und
mit seiner "tiefverwurzelten Menschlichkeit" den Menschen der
jungen Republik ihren neuen Staat "zur Heimat" werden lassen. Da-
mit jeder weiß, wo er zuhaus' ist, hier ein Stück Originalton
Heuss:
"Die innerdeutschen politischen Opfer und an ihrer Seite die Hun-
derttausende, ja Millionen Fremder, die zu Tode gequält und, sie
sprechen von dem, was das geworden ist, die Ehre des deutschen
Namens, die in den Dreck sank. Indem wir das aussprechen, zornig,
bedrückt, beschämt, wehrlose Zeitgenossen, dieser trüben Periode
deutscher Geschichte gewesen zu sein, empfinden wir die Pflicht,
uns und den Namen unseres Volkes wieder zu reinigen."
Ein Mann von "hoher Bildung", dem bei faschistischen Greueltaten,
denen die meisten Deutschen keineswegs w e h r l o s, sondern
vorwiegend in der R e i c h s w e h r beiwohnten, die E h r e
d e r N a t i o n einfiel; den die Opfer nur als Beleg für das
eigentlich Schlimme, den Einsturz des Staates, interessierten;
der dies mit dem gehörigen Pathos eines altliberalen
Paulskirchenrepublikanismus vortragen konnte; und der so die
fraglose Richtigkeit des staatlichen Anspruchs verbürgte, den vom
Faschismus m i ß brauchten Opfergeist für den Aufbau eines neuen
Staates sinnvoll zu gebrauchen - ein solcher Mann mußte damals
einfach Bundespräsident werden! Das Dritte Reich ein
E h r e n delikt mit der N a t i o n als B e l e i d i g t e m
- hierfür gewährte gerade Heuss - als Vertreter der Sparte Dich-
ter und Denker im höchsten Staatsamt - der Nation und zunehmend
der Welt volle Satisfaktion. Zudem "Papa Heuss" noch "voller Hu-
mor" steckte:
"Ein Staat ist keine Kundmachung der Sentimentalität, keine Ver-
einigung wohlwollender Illusionäre, die nichts von der Erbsünde
wissen, er ist eine Veranstaltung. die auf Befehl und Gehorsam
beruht."
Ein gediegener "Ironiker" der Bourgeoisie, der schwäbelnd klar-
stellte, wo der Spaß aufhört. Über den damals besten "Witz" des
"eingefleischten Zivilisten" Heuss, gemacht bei einer Visite der
ersten Bundeswehrkompanie - "Nun siegt mal schön!" -, kann heute
im ersten Jahr der Raketenstationierung wahrscheinlich bei den
"lieben Landsleuten" keine übertriebene Heiterkeit mehr aufkom-
men. So lautet nämlich inzwischen ganz schnörkellos der Kampfauf-
trag der demokratischen Wehrmacht. Insofern ist schon was dran,
wenn der amtierende Nachfolger Karl Carstens nachruft: "Theodor
Heuss ist in die Geschichte eingegangen, weil er selbst Ge-
schichte gemacht hat." Zumindest m i t g e m a c h t...
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