Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN PRAESIDENT - Vom Amt des Bürgerkönigs


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 33, 28.04.1981
       
       Carstens im Bremer Dom
       

IN GOTTES NAMEN: KRIEGSVORBEREITUNG

Professor Karl Carstens, Christ, Demokrat und oberster Repräsen- tant der Nation, hat keine gute Meinung von Pazifisten. Darunter versteht er, in etwas freier Auslegung des Begriffs, alle Mitbür- ger, die sich der offiziellen Kriegsvorbereitung der BRD nicht umstandslos anzuschließen vermögen. Da er Amt und nicht bloß eine Meinung hat, läßt er nicht etwa seinen Gefühlen freien Lauf und sagt, daß er diese Brüder nicht ausstehen kann. Er erklärt sie ganz amtlich zu einer Gefahr für den Staat. Zur Jahreswende 1980/81 hat er seinen Festanzug angezogen, sich vor die Fernseh- kameras gestellt und allen erklärt, wo der Feind im Innern steht. Reaktionen auf diese Feinderklärung sind ausgeblieben. Ostern 1981 ist derselbe Mann nach Bremen geflogen, um den Dom einzuwei- hen und hat seine Lieblingsbotschaft wie folgt verkündet: "So lesen wir mit Sorge Äußerungen einzelner Amtsträger, die be- stimmte subjektive politische Auffassungen widerspiegeln, aber mit dem Anspruch auf christliche Wahrheit verkündet werden. Gewiß respektieren wir das Recht der Kirche, sich zu Fragen des gesell- schaftlichen und politischen Lebens zu äußern und, wo ihr dies nötig erscheint, Stellung zu nehmen, auch wenn dadurch Kontrover- sen entfacht werden. Wir lesen und hören mit großer Aufmerksam- keit die Verlautbarungen der obersten Organe unserer Kirche. Ich respektiere solche Verlautbarungen auch da, wo ich anderer Meinung bin als sie und auch da, wo ich sie für bedenklich halte. So zum Beispiel wenn von kirchlicher Seite Vorleistungen auf dem Gebiet der Abrüstung verlangt werden, oder wenn das Prinzip des politischen und militärischen Gleichgewichts verworfen wird, das nach meiner Überzeugung und nach historischer Erfahrung eine Ga- rantie für Sicherheit und Frieden darstellt. Ich halte diese The- sen für falsch, und ich halte es für besonders bedenklich, wenn zu ihrer Begründung auf die Bergpredigt verwiesen wird. Die Berg- predigt ist eine uns tief bewegende Mahnung zur Gewaltlosigkeit, und der Christ, der sich für seine Person entscheidet, Gewalt hinzunehmen und unrecht widerstandslos zu dulden, kann sich gewiß auf die Bergpredigt berufen. Aber eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob derjenige, der für andere Verantwortung trägt, diese anderen schutzlos der Gewalt überantworten darf oder ob es nicht vielmehr gerade seine christliche Pflicht ist, die ihm Anvertrau- ten vor Gefahr, vor Unrecht, vor Gewalt oder vor Aggression zu schützen. Oder sollte etwa ein Vater seine Familienangehörigen, ohne Wider- stand zu leisten, Gewalttätern ausliefern? Als Christen werden wir über diese Fragen noch intensiv sprechen müssen." Dieses Kanzelwort ist nun wirklich nicht so schwer zu verstehen, auch für Bibelunkundige (zumal der protestantische Mitbruder SCHMIDT einige Zeit vorher dieselbe Predigt gehalten hat). 1. dem einzelnen Christenmenschen gesteht der Prediger, die Bibel in der Hand, schon zu, sich zur Gewaltlosigkeit zu bekennen; 2. dann verhält sich der Christenbruder allerdings ganz verant- wortungslos, weil er allen anderen den Schutz versagt; weswegen es 3. gut und verantwortungsvoll ist, sich wieder mit der Bibel - hinter die Gewalt zu stellen, 4. heißt diese Gewalt 1981: Sicherheitspolitk der BRD. 5. Wer das nicht glaubt, soll als Christenmensch sein Maul hal- ten. Kurz: da stellt sich ein Politiker als Alt-Diakon in einen Dom und sagt den Brüdern, wie sie als Christen ihre politische Ver- antwortung wahrnehmen sollen: indem sie der Bonner Politik nach dem Munde reden - basta! Hinterher gab es ein großes Geschrei, es fragt sich nur, worüber. Auf dem Hamburger 'Forum gegen den Atomtod' beschwerte sich ein protestantischer Pastor und Friedenskämpfer bitter über Bruder Carstens, aber nicht etwa deswegen, weil dieser jetzt auch die Einweihung eines Domes für die ideologische Kriegsvorbereitung hernimmt. Er beschwerte sich darüber, daß Carstens ausgerechnet im Dom und ausgerechnet zu Ostern ("dem Fest des Friedens") der Chistenschar die verantwortungsvolle Zuständigkeit für den Frie- den abgesprochen habe. Das hat er gut hingekriegt, der Polit-Diakon Carstens: ab sofort gibt es, zumindest unter Protestanten, keine wie immer geartete Debatte über Kriegsvorbereitung und Kriegsverhinderung in der BRD mehr. Mit aller Leidenschaft wird ab sofort nur noch eine Frage verhandelt: w i e darf der Chistenmensch seine Verantwortung für die natio- nale Politik unter Beweis stellen? Davor verblaßt das letzte Veto gegen die Bonner RÜstungspolitik. Von seinen Politikern nimmt der Christenmensch 1981 jeden Auftrag hin, nur das Reden will er sich nicht verbieten lassen. Mit der Bibel in der Hand. Fortschritte innerhalb der "Friedensbewegung" sind also unüber- sehbar. Wo der keiner intellektuellen Nachprüfung standhaltende Text eines Verfassers, der nur in gläubigen Phantasie seiner An- hänger existiert, zum Maßstab einer Debatte über die Zulässigkeit von Äußerungen zur Aufrüstung genommen wird (die 'Bergpredigt' also); wo ein protestantischer Außenseiter namens EPPLER einem staatlichen Insider namens CARSTENS "innere Unsicherheit" vor- wirft und dies schon für seine Opposition gegen die herrschende Politik hält; wo ein SPD-Präsidiumsmitglied namens KOSCHNICK ei- nem anderen namens SCHMIDT vorhält: "Jesus hat auch nicht nach der Meinung der Herrschenden gefragt", um dann mit demselben Herrn Jesus für den Brüsseler NATO-Beschluß zu sein; wo sich also christliche Schafsnaturen von den weltli- chen Herrschern alles nehmen lassen nur nicht ihr nationales Pflichtsbewußtsein - da kann es um den Glauben nicht schlecht be- stellt sein. Das ist uns aber diesmal ausnahmsweise egal. Denn wo all das stattfindet, hat sich die Friedensbewegung in der Tat zu einem Haufen weltlicher Betbrüder gemausert, der den Politikern alle Freiheiten gewährt, ungestört den nächsten Krieg vorzuberei- ten: in Gottes Namen. zurück