Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN PRAESIDENT - Vom Amt des Bürgerkönigs


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EIN BÜRGERKÖNIG

Wir haben ihn, den sechsten Bundespräsidenten, "ein besonders nobles und besonders gescheites Staatsoberhaupt" (tz), gewählt mit einer der überwältigendsten Mehrheiten in unserer Geschichte nach 33, im vollen Besitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte, einer durch Haarausfall noch überhöhten Stirn und einem unendlich blauen Blick. Ein Mann des V o l k e s: Noch am Abend seiner Wahl begab er sich hinab zu Bonner Bürgern auf den Marktplatz, verzehrte einen Berliner und wischte sich auch noch höchstpersönlich die klebri- gen Finger am Taschentuch ab! Ein Mann des Geistes: Auf Bürger- fragen schüttelte er lässig drei komplette Besinnungsaufsätze aus dem Ärmel - Ist die Toleranz grenzenlos oder hat sie auch Gren- zen? Was ist die Ursache der Staatsverdrossenheit und wie wird man sie los? Erläutere den Unterschied von Jugend und Alter! Ein Mann der E i n h e i t d e r D e u t s c h e n, denn er weiß, was alle Deutschen brauchen. Auf dem Bonner Marktplatz zu Theodor Heuß, dem er sich in dieser unserer historischen Stunde besonders nahe weiß: "Die Deutschen waren einfach froh, wieder einen Bundespräsiden- ten, ein Staatsoberhaupt zu haben nach all den schrecklichen Er- eignissen der jüngsten Vergangenheit." (Geschlagene drei Jahre hatten sie ohne ein Staatsoberhaupt den Müll zusammenklauben müs- sen!) "Und in Theodor Heuß konzentrierte sich der Wille der Deut- schen zu einem neuen Anfang und die Bereitschaft aller Deutschen, ihn dabei zu unterstützen." Und eben einer solchen Dreifaltigkeit in, mit und um Richard herum gibt er in all seinen goldenen Worten goldenen Ausdruck: "Berlin ist hier in Bonn voll im Bewußtsein gegenwärtig, und das ist in bezug auf Gegenwart und Zukunft der Deutschen auch gut so!" Wenn sich auch die Chronisten nicht ganz einig sind, wozu wir ihn brauchen - "Die geheime Macht der Machtlosigkeit. Der Mann, der heute zum Bundespräsidenten gewählt wird, kann mit seiner Autorität ein Ge- gengewicht zu den Regierenden bilden." (Süddeutsche Zeitung); "Fast schwebt Richard von Weizsäcker über den Parteien." (Frankfurter Rundschau); "Das Amt des Bundespräsidenten hat aber ein besonderes Gewicht durch das Wort, das dem Inhaber gleichsam aufgegeben ist. Es steht zwar nicht im Grundgesetz, daß der Präsident bedeutende Re- den zu halten habe. Doch hat sich gezeigt, daß wichtige Reden des Staatsoberhaupts eine hohe und integrierende Funktion haben..." (SZ); "In einer Situation, in der man verschärfte soziale Konflikte er- wartet, ist ein Bundespräsident notwendig, der als Mann des Aus- gleichs gelten kann..." (Die Begründung der SPD für Weizsäcker) - das öffentlich gepflegte Bedürfnis scheint unwiderstehlich zu sein, im obersten Repräsentationsorgan, ohne das ein Staat nun einmal nicht fertig ist, eine allerhöchste Staatsaufgabe zu ver- ehren, die Einheit aller Deutschen über und jenseits aller klein- lichen Parteien-, Interessen- und anderen "sozialen Konflikte" zu schmieden. Selbstverständlich bis über die Mauer hinweg. Das hat Richard im Urin, was die "schwieriger werdende innen- und außen- politische Lage" von ihm verlangt, bzw. weshalb sie so "schwierig" ist: "Für meine Amtsführung fühle ich mich verpflichtet, die Verant- wortung auch im Interesse derer zu tragen und auszuführen, die mir ihre Stimme heute nicht gegeben haben. In diesem Sinne möchte ich von hier aus alle unsere deutschen Landsleute grüßen..." Für das Menschenrecht unserer Brüder und Schwestern, einen Richard an ihrer Spitze genießen zu dürfen, sind noch einige "hohe und integrierende Funktionen" fällig. Und ein Oberhaupt zum V e r e h r e n. So kommt auch ein altkluger Macht-Ministrant im verklärten Blick der Untertanen zu Geist, Charakter und Würde, obwohl er - nach einem altmodischen Handbuch des Regierens - ei- gentlich bloß für die Unterschrift unter die Gesetze gebraucht wird: "...und wenn die Konstitution fest ist, so hat er oft nicht mehr zu tun, als seinen Namen zu unterschreiben. Aber dieser Name ist wichtig: Es ist die Spitze, über die nicht hinausgegangen werden kann... Die Monarchen zeichnen sich nicht gerade durch körperli- che Kräfte oder durch Geist aus, und doch lassen sich Millionen von ihnen beherrschen." (Hegel, Rechtsphilosophie Paragraphen 279/281) P.S. Eines wollen wir jetzt aber wirklich mal wissen: Warum will Weizsäcker nicht wandern? "Daß Carstens gewandert ist, war eine großartige Idee. Aber das kann ich ja nicht einfach weiterma- chen." Kann er nicht, will er nicht oder hat er einen zu großen Kopf dafür? *** Die Republik hat sich immer die passenden Präsidenten zugelegt. Angefangen von der personifizierten Zivilcourage, erstmal wieder ganz kleine Brötchen backen zu müssen, über den Zwergschulauf- steiger, der schon nach Afrika durfte, bis zum Saubermann für das blütenreine Gewissen der sozialliberal reformierten Republik. Von da zur Lebensart, weil wir wieder wer sind und das zu repräsen- tieren haben, zur preußischen Pflichterfüllung und nationalen Frohnatur, weil es nun schier gar nichts mehr einzuwenden gibt gegen dieses saubere und starke Gemeinwesen, und nunmehr haben wir wieder Glanz und Gloria, geistig natürlich: "Ein Herr". "Der präsidiale Stil ist dem neuen Herrn der Villa Hammerschmidt auf den Leib geschrieben." zurück