Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN PARTEIEN - Vom Beruf des Politikers


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DIE "MEHRHEIT LINKS VON DER UNION"

- von SPD-Chef Willy Brandt bereits nach der Hessenwahl von 1982 beschworen - nimmt allmählich Gestalt an, nämlich als hessische Regierung unter Holger Börner, dem die Grünen im Landtag zu einer ordentlichen Wahl verhelfen. Richtig: genau jenen Börner, der noch vor anderthalb Jahren zu Protokoll gab, daß nur sein hohes Staatsamt ihn hindere, mit Dachlatten auf grüne und sonstige Pro- testler loszugehen - wofür ist er schließlich Chef der hessischen Polizeitruppen! -, und das Ganze kurz nach dem 2. Jahrestag der gewaltsamen Räumung des Hüttendorfes im Startbahnwald, nach der angeblich "eine ganze Region" ihr "Vertrauen in den Staat verlo- ren" haben soll. Zwei Parteitage haben's möglich gemacht: Die hessischen Grünen entschieden sich gleich nach der Landtagswahl mit großer Mehrheit für eine Wende zu Börner - Kommentar der SPD: aha, vielleicht doch "eine Wende hin zur Realpolitik" - und jetzt hat auch der SPD-Parteitag in Baunatal beschlossen, das Angebot der Grünen nicht auszuschlagen - Kommentar der Grünen: "erstaunliche Wende zu realpolitischer Einschätzung der Situa- tion". Zweimal realpolitische Wende? Und wer hat jetzt dabei was gewonnen? Politischen Beobachtern zufolge die Grünen, nämlich (wenigstens vorläufig) "P o l i t i k fähigkeit", und auch die SPD, nämlich (vom Landtag besiegelte) "R e g i e r u n g s fähigkeit", soll heißen: Die Grünen schlüpfen allmählich in die ihnen einzig ge- stattete Rolle eines Mehrheitsbeschaffers für die SPD. Und im Un- terschied zur FDP verlangen sie dafür keine Regierungsbeteiligung (höchstens informell; Zeitungsmeldungen zufolge soll der baden- württembergische Spitzenmann der Grünen Hasenclever sein Inter- esse am Posten des Umwelt-Staatssekretärs in Wiesbaden bekundet haben); das sind sie ihrer protestlerischen Vergangenheit schul- dig. Ansonsten kommt ihnen in Sachen "grüne Identität" der Zug der Zeit zu Hilfe. Die Affäre Startbahn West hat sich mit deren Fertigstellung erledigt (Grünen-Motto: Zwar noch nicht ganz ver- gessen, aber vergeben), die westdeutsche Plutonium-Großfabrik kommt ins niedersächsische oder bayerische Zonenrandgebiet und die Betreiber der Atomkraftwerksblöcke A und B in Biblis sehen derzeit selber keinen dringenden Bedarf an einem Block C mehr. Und da ein Holger Börner ja seiner Bevölkerung wirklich keine un- nötigen Zumutungen auferlegen will, sehen die Grünen keinen Grund, ihm nicht zur E r m ä c h t i g u n g zu verhelfen - am wenigsten den Tatbestand, daß er dann zur Ausübung der Staats- macht, Abteilung Hessen, ermächtigt ist. Börner für seinen Teil "verbürgt sich" mit seiner Person dafür, "daß die Identität unserer Partei nicht in Frage gestellt wird". Wer wollte ihm das nicht glauben. Und das bißchen "Flexibilität", um nach der Wende in Bonn die Rolle der Opposition "anzunehmen" und die SPD "von den Kommunen und Ländern her zu erneuern", bringt auch ein gestandener SPD-Rechter noch lässig zuwege: "Uns muß es gelingen, die junge Generation und die neuen Wählerschich- ten an unseren demokratischen Staat heranzuführen", teilt Börner mit, also seine Absicht, den Protest, der partout ins Parlament wollte, für die SPD auszunutzen und dabei dem geschenkten Gaul trotzdem ins Maul zu schauen ("Wir werden ausloten, ob die Grünen zum reformerischen Block in der Gesellschaft zu rechnen sind.") Der beglückte reformerisch gesonnene bundesdeutsche Wähler der 80er Jahre hat also künftig die Gelegenheit, auf zwei Arten SPD zu wählen. Offenbar haben es die Grünen haargenau so gewollt. zurück