Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN FDP - Liberal zu sein bedarf es wenig


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       Möllemann war da!
       

WENN DIE ARROGANZ DER MACHT DISKUTIERT...

Ein Politiker aus dem Bundestag zu Besuch an der Uni, das ver- läuft normalerweise so: Die Einladenden empfinden es als große Ehre, einen so hohen Gast bei sich empfangen zu dürfen, und füh- ren sich entsprechend devot auf. Der geladene Teilhaber der Macht weiß dies zu würdigen und unterzieht sich nicht einmal der Mühe, die von ihm gemachte Politik speziell für Studenten intellektuell aufzumotzen. So auch am letzten Mittwoch, ab der FDP-Abgeordnete Jürgen Möllemann auf Einladung der Fachschaft Jura im Juridicum sprach: Der Politiker kürzte seine letzten 3 Bundestagsreden auf eine halbe Stunde zusammen, und die Veranstaltung wäre wahrscheinlich nach 35 Minuten zu Ende gewesen, da den anwesenden Fachschaften zu Möllemanns Rede nur einfiel, daß sie diese auch unbedingt gehört haben wollten. So blieb es jenen Teilnehmern aus dem Publikum, die in Möllemanns Ausführungen zur "aktuellen Sicherheitspolitik" eine einzige An- sammlung von Unverschämtheiten entdeckten und dies mehr oder we- niger vornehmlich äusserten, vorbehalten, durch ihre Kritik Möl- lemanns Kämpfernatur hervorzukitzeln, und dadurch den grauen Nachmittag zu retten. Von Dankbarkeit seitens der Juristen-Fach- schaft allerdings keine Spur! Dabei ist selten so deutlich geworden, aus welchem Holz die Argu- mente der Politiker geschnitzt sind, die viele Anwesende so be- stechend finden wollten. 1. Hier diskutiert nur einer! ----------------------------- Was ein demokratischer Politiker von seinen ihm Untergebenen hält, stellte Möllemann noch vor dem ersten Diskussionsbeitrag klar: Angesichts "der hochkomplexen Beschaffenheit der Waffengat- tungen" könne überhaupt nur der für sich in Anspruch nehmen, "fundiert" über das Kräfteverhältnis in Ost und West zu reden, "der die richtigen Zahlen kennt". Und das ist selbstverständlich exclusiv derjenige, der am Zustandekommen des Waffenarsenals der einen Seite nicht unerheblich beteiligt ist. Diese Arroganz des Entscheidungsträgers ist es, die Möllemann mit seinen intimen Be- ziehungen zur westlichen Spionageabteilung protzen läßt, deren Tätigkeit er als "äußerst beruhigend" bezeichnete; und wer kennt schon einen Spion, der einem permanent brandheiße Daten und Bewe- gungen des gegnerischen Militärpotentials ins Haus liefert? Eben. Genau darauf wollte Möllemann hinaus: Wer staatliche Politik nicht m a c h t, dessen Meinung über sie ist null und nichtig. 2. Atombombe sichert Frieden ---------------------------- Mit derart argumentativer Kompetenz ausgestattet, die kein an- deres Argument kennt und zuläßt als eben den Besitz der Macht, trat Möllemann den Beweis seiner Souveränität, also: wie wenig ihn die Meinung oder gar das Wohlergehen der Bürger kratzt, an dem Mittel staatlicher Gewalt an, das diese freie Verfügung als Entscheidung über Leben und Tod am vortrefflichsten zu bewerk- stelligen in der Lage ist: an der Atombombe. Die hält er für "unverzichtbar im westlichen Verteidigungskonzept, weil sie den Krieg nicht führbar macht". Möllemanns Begeisterung für dieses Ding, das binnen Nullkommanix Hunderttausende von Leuten umzu- bringen vermag, ist von solch verlogener Dreistigkeit, daß man sie sich nochmals erschauernd über den Rücken rieseln lassen sollte: - In der Hand der NATO hat die A-Bombe die wundersame Ei- genschaft, ihren eigenen Einsatz u n d den konventioneller Waf- fen zu verhindern. Warum es dann überhaupt noch solch "konventionelle" Mordinstrumente gibt, wollte der Möllemann eben- sowenig beantworten wie er auf sie verzichten will. Der gewählte Volksunterführer setzt also sehr auf den reellen Charakter der Abschreckung, daß nämlich die friedenssichernde Drohung mit Mas- senvernichtung und deren "niederen Stufen" ihre siegversprechende Verwirklichung miteinschließt. - In der Hand von Arabern, Indern und anderen Negern aber - so Möllemann 2 Minuten später - ist dasselbe - Wunderbonbon "höchst gefährlich". Widerspruch hin, Widerspruch her - diesen Kaffern gehören Messer, Schere, Feuer, Atomraketen nicht in die dreckigen Finger. So wollte es der abendländische Politiker zwar nicht gesagt haben, auf Nachfrage präsentierte die Unzivilisiertheit der inkriminierten Staaten mit ihrer "Nichtratifizierung des Atomwaffensperrvertrages". - Den Hinweis von den billigen Plätzen auf Hiroshima/Nagasaki wollte Möllemann überhaupt nicht verstehen. Schulterzuckend plau- derte er gelassen - "selbstverständlich nicht wertend" - die bru- tale Wahrheit aus, daß "der Abwurf der Atombomben den Krieg schneller beendet hat", daß die Produktion von Leichen also durchaus der Wiederherstellung des Friedens d i e n t. Dies freilich wollte der Sicherheitsexperte als Argument f ü r west- liche Friedenspolitik verstanden wissen. Genau so sind die endlo- sen Friedensbeteuerungen des Herrn Möllemann gemeint. Vorsicht, dieser Mann ist bewaffnet! 3. Unter den Ausgewogenen ist der Einäugige König ------------------------------------------------- Daß ausgerechnet der Häuptling der Bewegung "Freiheit für Afgha- nistan", der selbst kleine Kinder, die noch nicht mal wissen, wo Rußland liegt, in Plakat-Sandwiches mit der Aufschrift "Weg mit den SS20, Russen raus aus Afghanistan" verpackt und ihnen schwarz-rot-goldene Fähnchen in die Hand drückt, sein im Verlauf der Veranstaltung immer gequälter werdendes Grinsen im Parlamen- tariergesicht mit den stolzen Worten aufpolieren wollte, daß "ich 1973 meine erste Bundestagsrede gegen die Amerikaner gehalten habe", war in der Tat ein Hohn, eher dazu geeignet, die Stimmung im Saal hochbrodeln zu lassen. Denn so billig es ist, Kritiker der Aufrüstungskampagne der USA, die sich von Abrüstungsvorschlä- gen der SU nicht im geringsten beeindrucken läßt (weil stets zu wenig für Totverhandeln und Totrüsten), als verblendete Liebhaber russischer Raketen vor-, und d.h. in der BRD 1981 bloßzustellen, so schlecht steht es einem Freiheitskämpfer Möllemann zu Gesicht, sich als universeller Gerechtigkeitsmusketier zu genieren, der ohne Ansehen der Akteure für die Gebeutelten dieser Erde in die Bresche springt. Vielleicht mag der aufstrebende Jung-Parlamenta- rier es damals für schick gehalten haben, die Vietnamesenschläch- tereien der Yankees zu verurteilen (viel wahrscheinlicher aller- dings wird er etwas von wegen 'Bringt's nicht mehr' gesagt haben) - auf jeden Fall ist es immer noch ein gewaltiger Unterschied, ob man sich von einem B ü n d n i s partner distanziert und ihm weiterhin unverbrüchlich die Treue hält, oder ob man sich zum propagandistischen Vorreiter des Antikommunismus macht, der den Afghanen "die Freiheit" bescheren will, nur weil die von "unserem" Hauptfeind besetzt werden. Wie perfekt Möllemann das Metier weltpolitische Heuchelei be- herrscht, demonstrierte er mit der rhetorischen Frage: "Was wäre wohl los gewesen, wenn ein amerikanisches U-Boot in schwedischen Gewässern aufgekreuzt wäre?" Lüge Nr. 1: Das kleine Wörtchen 'wäre'. Die Amis s i n d bereits dort. Das führt zu Lüge Nr. 2: Ja, was "wäre" denn los gewesen? Genau d a s, was im Gefolge des "sowjetischen U-Boot- Zwischenfalls" passiert ist: Die herzliche Begrüßung westlicher Kriegsschiffe da oben, die als das Gegenteil eines "Zwischenfalls" gelten, und die Lehre, daß Schweden in der NATO eigentlich viel besser aufgehoben wäre. Die gekünstelte Leidensmiene des Jürgen Möllemann, der die Fik- tion, die Empörung des Publikums als typische Reaktion der Weltöffentlichkeit auszugeben, als Propagandatrick für sich ein- setzen wollte, machte schließlich augenfällig, daß jenes Flug- blatt, das die "MARXISTISCHE GRUPPE" am Anfang der Veranstaltung verteilte, diesen Menschen ganz a priori im Innersten seines po- litischen Wesens korrekt getroffen hatte: zurück