Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN CDU/CSU - Von den C-Parteien


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       Bonner Charaktere
       
       "Die Propaganda  ist gut,  die zum  Erfolg  führt,  und  die  ist
       schlecht, die am gewünschten Erfolg vorbeigeht, selbst dann, wenn
       sie noch  so geeignet  ist; denn  es ist  nicht die Aufgabe einer
       Propaganda, geistreich  zu sein;  ihre Aufgabe ist, zum Erfolg zu
       führen. Es kann also keiner sagen, eine Propaganda ist zu roh, zu
       gemein. Das sind keine charakterisierenden Merkmale für ihre Ver-
       schiedenartigkeit. Sie  soll gar  nicht anständig  sein, sie soll
       nicht sanft  oder weich  oder demütig sein; sie soll zu einem Er-
       folg führen.  Wenn einer  mir sagt:  'Eure Propaganda hat ja kein
       gesittetes Niveau',  dann brauche ich mich mit ihm gar nicht erst
       zu unterhalten.  Es kommt  nicht darauf  an, daß eine Propaganda.
       Niveau hat,  sondern darauf, daß sie zum Ziele führt. Eiskalt dem
       Gegner auf  den Pelz  rücken, ihn  abtasten, auskundschaften,  wo
       seine verwundbare Stelle ist, überlegsam und berechnend den Speer
       schärfen, ihn  wohlgezielt in die lecke Blöße des Feindes hinein-
       jagen und  dann -  vielleicht noch  freundlich lächelnd zu sagen:
       Verzeihen Sie,  Herr Nachbar, aber ich kann nicht anders! Das ist
       jenes Rachegericht, das kalt genossen wird."
       
       PERSON: HEINER GEISSLER
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       ABTEILUNG: DEMOKRATISCHE STAATSPROPAGANDA
       =========================================
       RUF: "ETHISCH FUNDIERTE DRECKSCHLEUDER"
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       Seit 1977  ist Heiner  Geißler Chef  der Propagandaabteilung  der
       Christlich Demokratischen  Union (bürgerliche  Berufsbezeichnung:
       Generalsekretär). Er hat sich in der Ausübung dieses Amtes großes
       Auf- und Ansehen erworben.
       Wenn Geißler  die Giftspritze gegen politische Gegner in Anschlag
       bringt, so  ist inzwischen  bekannt, kommt  kaum einer  unter dem
       Verdikt "Russenfreund" und/oder "Staatszersetzer" weg. Das Niveau
       der Auseinandersetzung ist hoch angesetzt: Stets geht es dem CDU-
       General  um   die  letzten   Gehorsamspflichten   gegenüber   der
       Staatsgewalt, um  Werte, deren Grundsätzlichkeit das Beharren auf
       "Geist" und  "Stil"  schwachbrüstig  und  mimosenhaft  erscheinen
       läßt. Wie  sehr dieser  Herr in  den letzten  Jahren  "nur  seine
       Pflicht für die Partei erfüllt" hat (Kohl), zeigen der Erfolg der
       wieder an  die Macht  gelangten Christdemokraten  ebenso wie  die
       breite   Palette    von   Ehrentiteln:    "Tiefschlagspezialist",
       "Brunnenvergifter",    "Diffamierungskünstler"     oder    jüngst
       "schlimmster Hetzer  seit Goebbels",  die Geißler  wohlkalkuliert
       auf das Konto seines Politikerimages verbucht. Solche Anwürfe ha-
       ben seinen Ruf als "Moralist und gnadenloser Kämpfer" gemacht.
       
       Warner vor staatsgefährdender Armut
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       So war  es auch  mehr als  gerecht, daß er wenn es denn schon die
       Staatspropaganda aus  nationalmoralischen Gründen nur noch in der
       erbmäßig unbelasteten  Form eines Parteisekretariats geben sollte
       - nach der "Wende" mit einem Ministeramt im Kohl-Kabinett doppel-
       belastet wurde.  Da mochte  zwar manch  einer den traditionsgemäß
       befrauten Sessel des Familienministeriums durch einen Männerarsch
       verunziert glauben, Heiner Geißler belehrte ihn eines Besseren:
       
       "Es ist  für die  Familienpolitik und die Frauenpolitik gut gewe-
       sen, daß der Generalsekretär der CDU diese Aufgabe in den letzten
       zwei Jahren  übernommen hat. Es kommt dieser Politik zugute, wenn
       sie mit mehr Pep vertreten wird."
       
       Zu Recht läßt Geißler hier keinen Widerspruch zwischen seinem ho-
       hen Staatsamt  und dem  Posten des  professionellen Parteihetzers
       zu. Der  "Pep" bestand für ihn schon immer darin, die von der Po-
       litik in die Welt gesetzten Härten fürs einfache Arbeitsvolk pro-
       pagandistisch zur Feindbekämpfung auszuschlachten: Von daher übte
       das Metier  des Sozialpolitikers schon früh seinen Reiz auf Geiß-
       ler aus.
       Mit 33 Jahren saß der promovierte Jurist in leitender Funktion im
       Büro des  Arbeits- und Sozialministers von Baden-Württemberg. Von
       dort aus  gelang ihm 1965 der direkte Start in den deutschen Bun-
       destag wo  er nur  2 Jahre auf den Ruf aus Rheinland-Pfalz warten
       mußte, um  dort seine gesammelten Erfahrungen mit der staatlichen
       Armutsverwaltung auf dem Posten des Sozialministers zur Anwendung
       zu bringen.
       H Geißler  wußte also, wovon er redete, als er den Buchmarkt 1976
       mit einem bescheiden dimensionierten, aber brisant betitelten Ta-
       schenbuch aufschreckte: "Die Neue Soziale Frage". (Daraus, soweit
       nicht anders vermerkt, die folgenden Zitate.)
       Fragen werden  hier keine  gestellt; dafür  greift  der  damalige
       Pfalzminister auf  ihm zur  Verfügung stehendes reiches statisti-
       sches Material  zurück, um  die gewagte These zu belegen, daß die
       von ihm  mitverantwortete Staatsgewalt  doch glatt  einen  Haufen
       Elend organisiert:
       
       "In der  Bundesrepublik Deutschland  gibt es  wieder (?)  bittere
       private Armut. 5,8 Millionen Menschen in 1,1 Millionen Haushalten
       verfügen nur  über ein Einkommen, das unter dem Sozialhilfeniveau
       liegt. Es  handelt sich  dabei nicht um 'Gammler, Penner und Tip-
       pelbrüder',...",
       
       sondern um  wertvolleres Menschenmaterial wie "Arbeiterfamilien",
       "Angestellten- und Rentnerhaushalte". (27)
       
       Das Schöne  (Geißler nennt  es wissenschaftlicher  "das Neue") an
       dieser Armut liegt für den Sozialminister nun nicht darin, daß er
       ihr  immerhin   seinen  Posten  mit  einem  Einkommen  weit  über
       "Sozialhilfeniveau" verdankt,  sondern daß sich anhand der Tatsa-
       che, "daß  der Arbeitnehmer...  vom Lohn,  und zwar von dem Lohn,
       den er  am Arbeitsplatz aufgrund (?) seiner Leistung erzielt, al-
       lein nicht leben kann. Er ist auf Sozialeinkommen angewiesen...",
       der seinerzeit  regierenden SPD  als "Arbeitnehmerpartei"  schwer
       eins reinwürgen läßt. Versagt haben sie - wie erwartet -, die So-
       zis, und zwar nicht bei der Versorgung breiter Volksschichten mit
       dem Lebensnotwendigen,  sondern bei der Sicherung der Grundfesten
       staatlicher Ordnung.  "Bedroht" soll  viel was Höheres sein: "die
       Legitimität" -  d a f ü r  hat Geißler die ganz normale Armut der
       Lohnarbeiter  aus   der  Schublade   geholt  und   läßt  sie  als
       "Unruhepotential" noch (!) "schlummern".
       
       "Zwar gibt  es Menschen,  die dazu  neigen, die Tatsache, daß sie
       'unten' stehen  und von  den Glücksgütern (!) des Daseins weitge-
       hend ausgeschlossen sind, als Teil einer notwendigen 'Ordnung' zu
       interpretieren. Doch die Fähigkeit zur Abschirmung ist keine dau-
       ernde Garantie für Ruhe." (30)
       
       Ja, das schwebt einem Heiner Geißler vor, eine "dauernde Garantie
       für Ruhe".  Um seinem  praktisch verfolgten  Ideal einer gänzlich
       unbehelligten Herrschaft  Ausdruck zu geben, schürt er Zweifel in
       die   Zuverlässigkeit    des   Nationalismus   (Geißlerisch   als
       "Interpretationsneigung" gefaßt,  die in Ordnung geht) der gebeu-
       telten Untertanen.
       Betrachtet man  nämlich die vorhandene Armut differenziert sozio-
       logisch als  Ordnungsproblem, so  stößt man auf eine Reihe "neuer
       Konfliktfelder", die  allesamt keinen Grund zur Aufregumg von un-
       ten mehr  bieten. Um  so mehr taugen sie als Beleg dafür, daß die
       legitime Gewalt des Staates zur Entschärfung ihrer vermeintlichen
       Störpotentiale gefordert  ist. Daß "die ökonomisch begründete Un-
       terteilung unserer  Gesellschaft in  Klassen von Arbeit und Kapi-
       tal, wie  sie uns die Marxisten und Neomarxisten anbieten,... zur
       Erklärung unserer  gesellschaftlichen Wirklichkeit  nicht taugt",
       liegt für Geißler äußerst platt auf der Hand:
       
       "Zum anderen  ist die  Schablone Kapital/Arbeit  nicht  deckungs-
       gleich mit  dem vielschichtigeren  und auch breiteren Interessen-
       spektrum der  Verbände. Der  Deutsche Sportbund  als  mitglieder-
       stärkster Verband ist mit seinen sozial- und gesellschaftspoliti-
       schen Aufgaben  sinnvoll in  ein Spannungsverhältnis  von Kapital
       und Arbeit nicht einzuordnen." (18)
       
       Und wenn  auch die national organisierten Körperertüchtiger nicht
       unbedingt unter die Geißlersche Verelendungstheorie fallen, eines
       beweisen sie  zusammen mit den weniger sportlichen, ausrangierten
       Rentnern und für unbrauchbar erklärten Krüppeln allemal: "Der So-
       zialismus" mit seinem überkommenen Klassenkampfdenken "gehört auf
       den Prüfstand". Denn worunter leidet heutzutage ein "Taubstummer,
       Gehirngeschädigter und  Querschnittsgelähmter mit Mastdarmkompli-
       kationen"? -  an seinen  gesetzgeberisch festgelegten  miesen Le-
       bensumständen? -  mitnichten! An der "Macht der Verbände" und de-
       ren gemeinwohlschädlichem  "inflationären Verteilungskampf",  der
       eigentlich ins 19. Jahrhundert, aber nicht in unsere schöne Repu-
       blik gehört:
       
       "Zu den  Mächtigen unserer  Gesellschaft gehören heute nicht mehr
       allein die  Kapitaleigner, mächtig sind Kapitaleigner und Arbeit-
       nehmer zusammen."
       
       Und wofür  ist die  "materielle Not  vieler alter  Menschen"  ein
       "wichtiges Indiz"? Für den sehr freien staatlichen Umgang mit den
       zwangseingezogenen Rentengeldern,  die offensichtlich  für  alles
       andere als  die Existenzsicherung im Alter da sind? Abwegig! Laut
       Geißler verbirgt  sich dahinter  nicht nur  eine unmoralische Le-
       benseinstellung, sondern  mehr noch - typisch egoistisches sozia-
       listisches Gedankengut:
       
       "Nicht länger  kann davon  ausgegangen werden, daß die erwerbstä-
       tige Generation  wie früher selbstverständlich bereit ist, zugun-
       sten der Kinder und der alten Menschen Verzicht zu leisten. (...)
       Diese Entwicklung  ist so  ausgeprägt, daß  man fast den Eindruck
       gewinnen könnte,  als ob  von der  heutigen Generation deshalb so
       anklagend auf  die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital hinge-
       wiesen würde, um so unbehelligter die künftigen Generationen aus-
       beuten zu können." (22)
       
       Viel ehrlicher  dagegen der  Sozialpolitiker Geißler! Wenn er von
       oben der "Entdeckung" frönt, daß es in unserer blühenden Republik
       bei  relevanten  Teilen  des  Volkskörpers  am  Lebensnotwendigen
       fehlt, dann  hat er  keine systemschädlichen Hintergedanken, son-
       dern nur  ein Angriffsziel: "Der Kampf um die Interpretation des-
       sen, was  sozial ist, muß offensiv geführt werden." Das sozialde-
       mokratische Deuten auf ein paar Millionen Sozialfälle als Staats-
       versehen beherrscht  ein Unionschrist  wie Geißler  längst.  Hier
       holt er lässig den "Kompetenzvorsprung bei Fragen der Sozialpoli-
       tik" auf  Seiten der  SPD ein.  Damit haben  die guten Armen aber
       noch nicht  ihren eigentlichen propagandistischen Dienst erfüllt.
       Hier gehören sich falsche "Feindbilder" mit richtigen außer Kraft
       gesetzt. Falsch  ist es  auf jeden Fall, nach dem Grund der Armut
       zu fragen  und sich  keinen ideologischen Reim aus ihr zu machen,
       der die unterwürfige Hinwendung an ihre Macher ermöglicht. Warum?
       Ganz einfach  - laut  Geißler: Da kommt noch immer "Kapitalismus-
       kritik" dabei  raus! Und wozu führt Kapitalismuskritik ? Richtig:
       zum  Klassenkampf.  Weil  der  aber  stört,  hat  man  hier  auch
       eindeutig das  falsche "Feindbild"  erwischt. Solche Fehlschlüsse
       haben sich aufzuhören:
       
       "Diese politische  Zementierung eines Feindbildes wird allerdings
       in Zukunft  ohne die  Gefährdung des  sozialen Friedens  und  der
       Grundlagen unseres  Gemeinwesens   n i c h t   m e h r   t o l e-
       r i e r b a r  sein." (35)
       
       Absolut  "tolerierbar"  ist  dagegen  das  national  verbindliche
       "Feindbild", mit  dessen abstoßender  Fratze Geißler  so gern den
       inneren Feind  behängt. Es  heißt "Sozialismus"  oder schlagender
       noch "Sowjetunion".  Die Armut hierzulande ist nämlich schon des-
       halb kein Grund zur Aufregung, weil ihre Verursacher keine Russen
       sind.
       
       "Es wäre  völlig verfehlt,  die neuen sozialen Konflikte zu inte-
       gralen Bestandteilen  der Wirtschafts-  und  Gesellschaftssysteme
       der westlichen  Länder zu  erklären. So  ist etwa  die  Lage  der
       Nichterwerbstätigen  in  den  sozialistischen  Ländern  bedeutend
       ungünstiger als in den westlichen Demokratien." (33)
       
       Welche  deutsche   beruftstätige  Frau   ist  nicht   bei   allen
       "Geschlechter- und  Rollenkonflikten",  die  ihr  Heiner  Geißler
       wohlwollend bestätigt,  froh, diese  in Freiheit haben zu dürfen,
       wenn sie  solch abgrundtiefe Schweinereien aus dem diktatorischen
       Osten erfährt:
       
       "Weit über  die Hälfte der Frauen in der Sowjetunion arbeiten nur
       deshalb,  weil  der  geringe  Verdienst  ihres  Mannes  sie  dazu
       zwingt." (33)
       
       Propagandist der größten Keimzelle
       ----------------------------------
       
       "Wir wollen  einen Staat mit Autorität, der die Ziele unserer Ge-
       meinschaft durchsetzt,  sie nach  den gemeinsamen Grundsätzen von
       Freiheit und  sozialer Gerechtigkeit  gestaltet und weiterentwic-
       kelt. Wir  werden geschlossen  jeder Ansicht  entgegentreten, die
       unseren Staat  so begreift,  als ob  er ein Selbstbedienungsladen
       sei."
       
       Seit 1982 kann Geißler dieses - übrigens nie in Vergessenheit ge-
       ratene -  Konzept in der Regierung der "Wende" praktisch verwirk-
       lichen. Wie  es sein  Amt befiehlt,  hat sich  der Bundesminister
       über Jugend,  Familie und Gesundheit hergemacht und in den bisher
       2 1/2 Jahren alle drei reichlich mit der Autorität des Staats be-
       dient.
       Heiner Geißler  hält den   "G e s u n d h e i t s zustand der Be-
       völkerung insgesamt  für gut". Als Beleg dient ihm das freche und
       bodenlose Argument:  "Anstieg der  Lebenserwartung". Das muß wohl
       an den  bekannten Mittelchen  liegen, die  er zur "Bekämpfung der
       Volkskrankheiten" einsetzt:  Da  die  eigentliche  Volkskrankheit
       darin besteht, daß die zimperlichen Bürger das staatliche Gesund-
       heitswesen zu  teuer machen,  spricht Geißler sich sogar für Frü-
       herkennung und Bekämpfung der Ursachen der Krankheiten aus, frei-
       lich ohne  seinen Haushalt  damit besonders  zu belasten. Größere
       kurierende  Wirkung   verspricht   aber   seine   kontinuierliche
       "Kostendämpfung", die  er einfach  mit  dem  Kosten a n s t i e g
       begründet. Denn  Geißler weiß ja ganz genau, daß die Leute in der
       ambulanten wie  in der stationären Behandlung mit Gesundheitsmit-
       teln versorgt  werden, die  "über das medizinisch Notwendige hin-
       ausgehen". Und gegen die langen Bettgelage im Krankenhaus, die er
       auch dämpft, fällt dem Mann ein Argument ein, das er sicher nicht
       für zynisch hält:
       
       "Die Pflege (von Kranken/Alten) in der häuslichen Umgebung ist in
       der Regel  menschlicher und sinnvoller, weil der Pflegebedürftige
       weiter in  der gewohnten Umgebung leben kann und seine bisherigen
       sozialen Bindungen  erhalten bleiben." (Leitantrag "für eine neue
       Partnerschaft zwischen Mann und Frau")
       
       Die Jugend hat der Minister mit der Klarstellung des verfassungs-
       rechtlichen Vorrangs  des Militärdiensts  vor dem Zivildienst be-
       dient: Verlängerung  des Zivildienstes  und prinzipielle Erschwe-
       rung des  Anerkennungsverfahrens als Kriegsdienstverweigerer. Die
       Achtung des  Gewissens des  einzelnen bleibt  dabei natürlich ge-
       wahrt - solange es das richtige ist:
       
       "Die Gewissensentscheidung  richtet sich  dagegen, einen  anderen
       töten zu müssen; das eigene Leben einsetzen zu müssen für den an-
       deren oder  für die  Gemeinschaft, kann  mit dem eigenen Gewissen
       nicht in Widerspruch stehen."
       
       Vor allem  aber hat  sich Geißler  in  Sachen    F r a u    u n d
       F a m i l i e   in kurzer  Zeit einen  Namen gemacht.  Und  nicht
       etwa, weil  er als  ehemaliger Jesuitenzögling  gelernt hat,  daß
       Fruchtbarkeit zum  gottgewollten Wesen der Ehe gehört. Nein, weil
       die Produktion  des Nachwuchses  für den Staatsladen stimmen muß,
       ist er,  der ja  bei der  Abtreibung von Erwachsenen kein Problem
       hat (s.o.),  für den "Schutz des ungeborenen Lebens" aktiv gewor-
       den, oder  für die "Renaissance der Familie", was dasselbe meint.
       Das ist  sein Feld,  wo der  Minister den Schutz der Privatsphäre
       dadurch gewährleistet, daß er im Intimbereich der Familie rumfum-
       melt und  das Kinderkriegen  gleich mitplanen  will. Damit  diese
       seine Planungsvorhaben bei deutschen Frauen auf fruchtbaren Boden
       fallen, ist er gegen "pro familia " angetreten, deren Rechtsbera-
       tung schwangerer Frauen in Not dem Geißler zu kinderfeindlich er-
       scheint, zu  sehr Hilfe, zu wenig Nachhilfe, und hat dagegen eine
       moralische Propagandainstitution  zur kinderfreundlichen Bearbei-
       tung werdender  Mütter gegründet: "Bundesstiftung Mutter und Kind
       - Schutz  des ungeborenen  Lebens". Diese Stiftung sorgt nach dem
       Willen Geißlers dafür, daß höchstens noch sichere Mißgeburten mit
       ihrer armen  Seele den  Abgang machen dürfen, weil für die Nation
       zwar jeder Embryo eine Seele hat, verkrüppelt aber ein schlechtes
       Menschenmaterial abgibt.
       Heiner Geißler  verwechselt selbstverständlich  seine  Anstiftung
       zum verantwortungslosen Kind, trotz seines Wissens um die materi-
       ellen Schwierigkeiten,  die so  ein Kind  für sehr viele Familien
       bedeutet, nicht  mit dem Versprechen, solche materiellen Probleme
       aus der  Welt zu schaffen. Die Gleichungen: Mutter = Opfer; Fami-
       lie =  Opfergemeinschaft, bereiten  diesem Mann,  der  moralische
       Grundsätze zielsicher einsetzt, kein schlechtes Gewissen.
       
       "Wenn die Leute an nichts mehr glauben und wenn sie sich auf rein
       materialistische Ziele konzentrieren, dann gehen eben auch Grund-
       sätze flöten  im menschlichen  Zusammenleben innerhalb  der Fami-
       lie."
       
       Welche 'sind das?
       
       "Die Familie kann nur funktionieren, wenn klar wird für alle, daß
       nicht  nur   Rechte  vorhanden  sind,  sondern  auch  Pflichten."
       (Spiegel, 15. Okt. 1984)
       
       In diesem  Sinne hat  der Geißler seiner Propaganda gegen Abtrei-
       bung und  für gebärfreudiges  Verhalten noch  eins  draufgesetzt.
       Weil er  findet, es sei "in einem so reichen Land wie der Bundes-
       republik ungeheuerlich,  daß unter  Verweis auf  soziale Notlagen
       abgetrieben wird",  soll unter  seiner "mutigen  Initiative"  das
       "Erziehungsgeld" (8  Monate 600  DM pro  Monat für  Frau  o d e r
       Mann) Gesetz werden, damit die Mütter ihr Opfer nicht sofort mer-
       ken. Ja, gegen schweren Protest der Unternehmerschaft will er so-
       gar eine  "Arbeitsplatzgarantie" (für  10 Monate nach der Nieder-
       kunft) durchsetzen.  Um alle  Zweifel an  der moralischen  Durch-
       schlagkraft der  Veranstaltung auszuräumen, hat der ehemalige Je-
       suit doch glatt noch eine Kosten-Nutzen-Rechnung nachgeschoben.
       
       "Es ist  nicht nur humaner, sondern auch ökonomischer, einer Mut-
       ter oder  einem Vater  die Möglichkeit  zu geben, das eigene Kind
       selbst zu  erziehen.... es  geht nicht an, aus sozialen und wirt-
       schaftlichen Gründen  beide zur  Berufstätigkeit zu  zwingen  und
       dann das eigene Kind von Sozialmüttern möglicherweise mit Univer-
       sitätsabschluß (Geißler?)  - in  gesellschaftlichen Einrichtungen
       unter hohen  Personalkosten erziehen zu lassen und dann hinterher
       die schweren  seelischen Schäden,  die sogenannten  Deprivations-
       schäden, ...mit noch höheren Kosten - meist vergeblich - in ande-
       ren gesellschaftlichen  Einrichtungen - Kinderheimen, Sonderschu-
       len bis hin zu den Jugendgefängnissen - wieder reparieren zu müs-
       sen. Das  ist nicht  nur unmenschlich gegenüber der Familie, son-
       dern auch ökonomisch ein Unsinn ersten Rangs." (Rede vom 21.3.85)
       
       Seinen bisher  größten "Coup" soll dieser Mann aber auf dem letz-
       ten CDU-Parteitag  gelandet haben,  auf dem  er das Thema Frau in
       den Mittelpunkt  stellte: "Für  eine neue  Partnerschaft zwischen
       Mann und Frau" (Leitantrag). Da hat sich doch ernsthaft die linke
       und die  rechte Welt  gewundert, welcher "Wandlungen" dieser Mann
       fähig ist: "Ist Geißler ein Feminist?" So ziemlich aller Welt ist
       der Parteitag  von 1979  eingefallen, zu  dem der Generalsekretär
       noch barbusige Tänzerinnen geladen hatte. Man kann sich das Grin-
       sen Geißlers ob dieser Reaktion vorstellen. Was hat er denn gema-
       naged: Damals  hat er die nackten Weiber rangeholt, um zu zeigen,
       daß auch  christliche Konservative  mal zu  einem Spaß  aufgelegt
       sind (Ha!). Heute hat er sich gedacht, daß es gut wäre, das Image
       der CDU bei den Frauen demonstrativ aufzupolieren. Also, hat sich
       der Generalsekretär  gesagt,  machen  wir  einen  auf  Frau,  auf
       Gleichberechtigung, auf  Partnerschaft und  so'n Zeug.  Dem Typen
       ist es  nicht schwergefallen,  sich faltig-ernst "als gewandelter
       Mann" hinzustellen  oder grinsend-verschmitzt  die  Forderung  zu
       vertreten, "daß  der Mann von seinem Paschathron heruntersteigt";
       oder ernst-grinsend  zu erzählen:  "Ich mache mein Frühstück sel-
       ber!" Die Pflaume traut sich was!
       
       Der demokratische Hetzer
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       Ist er  nun der  "begabteste Demagoge seit Goebbels"? Diesen Ver-
       gleich mag  die Öffentlichkeit:  Zwei Bilder  zu  entdecken,  auf
       denen sich  Geißler und  Goebbels in  der Pose  sehr nahe kommen;
       Geißlers Stil  zu untersuchen und daran auch ungeschminkte Belei-
       digungen und  Diffamierungen des  politischen Gegners  und lauter
       Lügen aufzufinden. Der langweiligste Vergleich, den man sich vor-
       stellen kann! Seit wann sind denn in der Demokratie Lügen, Belei-
       digungen und  Diffamierungen kein  Mittel der  Politik? Seit wann
       muß man  denn, um  den jeweiligen  Gegner  als  Verräter  an  den
       höchsten und  gemeinsamen Anliegen  der Nation  hinzustellen, ein
       geistreicher Kopf  sein ?  Klar bedient  sich der  Geißler dieser
       Mittel, weil  er sich  von ihrer  Anwendung etwas  verspricht. So
       bleibt es  bei der  Stilkritik, von  der der  "Demokrat"  Geißler
       nicht berührt  wird. Im  Gegenteil, was  den Inhalt seiner Propa-
       ganda anbetrifft,  will man  den Vergleich mit Goebbels ausdrück-
       lich nicht gemacht haben.
       
       "Inhalt und  Zweck Goebbelscher  Propaganda - die Vernichtung des
       politischen Gegners, die gewaltsame Gleichschaltung einer Gesell-
       schaft, die  psychologische Vorbereitung  des totalen  Kriegs und
       des Völkermords  - verbieten in der Tat jeden Vergleich mit Geiß-
       ler." (Spiegel, 10. Mai 1985)
       
       Ein inhaltlicher Vergleich hat also nie stattgefunden. Gerade der
       wäre aber lohnend!
       Denn wo ist da der Unterschied,
       - wenn Geißler das Sterben für das Vaterland und den "Schutz" des
       Lebens für den Dienst an der Nation für einen unumstößlichen Wert
       hält?
       - wenn Geißler die Autorität des Staates über alles setzt? - wenn
       Geißler selbst harmlose Kritiker der laufenden (Aufrüstungs-) Po-
       litik als "undeutsch" und "antinational" hinstellt?
       - wenn  Geißler die Grünen zu kommunistischen Verbrechern abstem-
       pelt, die  abserviert gehören,  weil sie  nur "der Sowjetunion in
       die Hände" arbeiten?
       - wenn  Geißler selbst  der staatstreuen Konkurrenzpartei SPD be-
       scheinigt, daß  ihr Verbrechertum  darin besteht, "Fünfte Kolonne
       Moskaus " zu sein?
       Den Feind im Staate stellen, ihn verteufeln, weil er mit dem Bol-
       schewismus identisch  sei -  dieses Verfahren beherzigt der Demo-
       krat Geißler,  ganz ohne  aus der  Geschichte lernen  zu  müssen.
       Freilich taugt  für diesen  souveränen deutschen  Standpunkt  die
       Vergangenheit dann  doch wieder.  Auf "Staatsfeind", "Kommunist",
       "Freund Moskaus"  kann der Generalsekretär noch "Faschist" drauf-
       setzen, weil  wegen der bekannten Mißerfolge der Nazis diese fast
       genauso böse  gewesen sind  wie  die  Bolschewisten  heute,  eben
       "typisch totalitär". Die frage, ob Geißler der "schlimmste Hetzer
       seit Goebbels"  ist, wäre  damit eigentlich  beantwortet. Sie ist
       unwichtig. Es reicht doch wohl, was - der Mann tut und sagt. Wenn
       dieser Typ  übrigens noch  theoretischer wird  als sonst und sich
       locker zum  Ideal der  Manipulation bekennt,  verblüfft das wahr-
       scheinlich keinen  aufrechten Demokraten,  der  gerade  über  die
       "Methode Geißler" die Nase rümpft.
       
       "Man muß es tun. Denn wie ein großer Philosoph einmal gesagt hat:
       Nicht die  Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die
       Taten. Derjenige,  der die  Ideen hat  und der  auf die  auch die
       richtigen Begriffe  wählt, hat die Macht auch über das Denken der
       Menschen. Dies  dürfen wir nicht den Sozialisten überlassen, auch
       nicht den Kommunisten oder den radikalen Parteien. Wir müssen uns
       der Auseinandersetzung  stellen. Und  in dem internationalen Bür-
       gerkrieg, in dem man sich im Grunde genommen ja bereits befindet,
       weltweit in allen Kontinenten, wird eben die Frage, wer in dieser
       Auseinandersetzung gewinnt, letztendlich auch über die Geschichte
       des Erdballs entscheiden. Ich bin nicht bereit, in dieser Ausein-
       andersetzung das Feld den anderen zu überlassen, sondern wir müs-
       sen klar  und deutlich  sagen, was wir wollen. Und dies ist nicht
       zu machen ohne Ja zur geistigen Auseinandersetzung."
       
       Um alle Mißverständnisse auszuschalten: Das erste Zitat des Arti-
       kels ist von Goebbels, das letzte von Geißler.
       

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