Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN CDU/CSU - Von den C-Parteien
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Bonner Charaktere
"Die Propaganda ist gut, die zum Erfolg führt, und die ist
schlecht, die am gewünschten Erfolg vorbeigeht, selbst dann, wenn
sie noch so geeignet ist; denn es ist nicht die Aufgabe einer
Propaganda, geistreich zu sein; ihre Aufgabe ist, zum Erfolg zu
führen. Es kann also keiner sagen, eine Propaganda ist zu roh, zu
gemein. Das sind keine charakterisierenden Merkmale für ihre Ver-
schiedenartigkeit. Sie soll gar nicht anständig sein, sie soll
nicht sanft oder weich oder demütig sein; sie soll zu einem Er-
folg führen. Wenn einer mir sagt: 'Eure Propaganda hat ja kein
gesittetes Niveau', dann brauche ich mich mit ihm gar nicht erst
zu unterhalten. Es kommt nicht darauf an, daß eine Propaganda.
Niveau hat, sondern darauf, daß sie zum Ziele führt. Eiskalt dem
Gegner auf den Pelz rücken, ihn abtasten, auskundschaften, wo
seine verwundbare Stelle ist, überlegsam und berechnend den Speer
schärfen, ihn wohlgezielt in die lecke Blöße des Feindes hinein-
jagen und dann - vielleicht noch freundlich lächelnd zu sagen:
Verzeihen Sie, Herr Nachbar, aber ich kann nicht anders! Das ist
jenes Rachegericht, das kalt genossen wird."
PERSON: HEINER GEISSLER
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ABTEILUNG: DEMOKRATISCHE STAATSPROPAGANDA
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RUF: "ETHISCH FUNDIERTE DRECKSCHLEUDER"
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Seit 1977 ist Heiner Geißler Chef der Propagandaabteilung der
Christlich Demokratischen Union (bürgerliche Berufsbezeichnung:
Generalsekretär). Er hat sich in der Ausübung dieses Amtes großes
Auf- und Ansehen erworben.
Wenn Geißler die Giftspritze gegen politische Gegner in Anschlag
bringt, so ist inzwischen bekannt, kommt kaum einer unter dem
Verdikt "Russenfreund" und/oder "Staatszersetzer" weg. Das Niveau
der Auseinandersetzung ist hoch angesetzt: Stets geht es dem CDU-
General um die letzten Gehorsamspflichten gegenüber der
Staatsgewalt, um Werte, deren Grundsätzlichkeit das Beharren auf
"Geist" und "Stil" schwachbrüstig und mimosenhaft erscheinen
läßt. Wie sehr dieser Herr in den letzten Jahren "nur seine
Pflicht für die Partei erfüllt" hat (Kohl), zeigen der Erfolg der
wieder an die Macht gelangten Christdemokraten ebenso wie die
breite Palette von Ehrentiteln: "Tiefschlagspezialist",
"Brunnenvergifter", "Diffamierungskünstler" oder jüngst
"schlimmster Hetzer seit Goebbels", die Geißler wohlkalkuliert
auf das Konto seines Politikerimages verbucht. Solche Anwürfe ha-
ben seinen Ruf als "Moralist und gnadenloser Kämpfer" gemacht.
Warner vor staatsgefährdender Armut
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So war es auch mehr als gerecht, daß er wenn es denn schon die
Staatspropaganda aus nationalmoralischen Gründen nur noch in der
erbmäßig unbelasteten Form eines Parteisekretariats geben sollte
- nach der "Wende" mit einem Ministeramt im Kohl-Kabinett doppel-
belastet wurde. Da mochte zwar manch einer den traditionsgemäß
befrauten Sessel des Familienministeriums durch einen Männerarsch
verunziert glauben, Heiner Geißler belehrte ihn eines Besseren:
"Es ist für die Familienpolitik und die Frauenpolitik gut gewe-
sen, daß der Generalsekretär der CDU diese Aufgabe in den letzten
zwei Jahren übernommen hat. Es kommt dieser Politik zugute, wenn
sie mit mehr Pep vertreten wird."
Zu Recht läßt Geißler hier keinen Widerspruch zwischen seinem ho-
hen Staatsamt und dem Posten des professionellen Parteihetzers
zu. Der "Pep" bestand für ihn schon immer darin, die von der Po-
litik in die Welt gesetzten Härten fürs einfache Arbeitsvolk pro-
pagandistisch zur Feindbekämpfung auszuschlachten: Von daher übte
das Metier des Sozialpolitikers schon früh seinen Reiz auf Geiß-
ler aus.
Mit 33 Jahren saß der promovierte Jurist in leitender Funktion im
Büro des Arbeits- und Sozialministers von Baden-Württemberg. Von
dort aus gelang ihm 1965 der direkte Start in den deutschen Bun-
destag wo er nur 2 Jahre auf den Ruf aus Rheinland-Pfalz warten
mußte, um dort seine gesammelten Erfahrungen mit der staatlichen
Armutsverwaltung auf dem Posten des Sozialministers zur Anwendung
zu bringen.
H Geißler wußte also, wovon er redete, als er den Buchmarkt 1976
mit einem bescheiden dimensionierten, aber brisant betitelten Ta-
schenbuch aufschreckte: "Die Neue Soziale Frage". (Daraus, soweit
nicht anders vermerkt, die folgenden Zitate.)
Fragen werden hier keine gestellt; dafür greift der damalige
Pfalzminister auf ihm zur Verfügung stehendes reiches statisti-
sches Material zurück, um die gewagte These zu belegen, daß die
von ihm mitverantwortete Staatsgewalt doch glatt einen Haufen
Elend organisiert:
"In der Bundesrepublik Deutschland gibt es wieder (?) bittere
private Armut. 5,8 Millionen Menschen in 1,1 Millionen Haushalten
verfügen nur über ein Einkommen, das unter dem Sozialhilfeniveau
liegt. Es handelt sich dabei nicht um 'Gammler, Penner und Tip-
pelbrüder',...",
sondern um wertvolleres Menschenmaterial wie "Arbeiterfamilien",
"Angestellten- und Rentnerhaushalte". (27)
Das Schöne (Geißler nennt es wissenschaftlicher "das Neue") an
dieser Armut liegt für den Sozialminister nun nicht darin, daß er
ihr immerhin seinen Posten mit einem Einkommen weit über
"Sozialhilfeniveau" verdankt, sondern daß sich anhand der Tatsa-
che, "daß der Arbeitnehmer... vom Lohn, und zwar von dem Lohn,
den er am Arbeitsplatz aufgrund (?) seiner Leistung erzielt, al-
lein nicht leben kann. Er ist auf Sozialeinkommen angewiesen...",
der seinerzeit regierenden SPD als "Arbeitnehmerpartei" schwer
eins reinwürgen läßt. Versagt haben sie - wie erwartet -, die So-
zis, und zwar nicht bei der Versorgung breiter Volksschichten mit
dem Lebensnotwendigen, sondern bei der Sicherung der Grundfesten
staatlicher Ordnung. "Bedroht" soll viel was Höheres sein: "die
Legitimität" - d a f ü r hat Geißler die ganz normale Armut der
Lohnarbeiter aus der Schublade geholt und läßt sie als
"Unruhepotential" noch (!) "schlummern".
"Zwar gibt es Menschen, die dazu neigen, die Tatsache, daß sie
'unten' stehen und von den Glücksgütern (!) des Daseins weitge-
hend ausgeschlossen sind, als Teil einer notwendigen 'Ordnung' zu
interpretieren. Doch die Fähigkeit zur Abschirmung ist keine dau-
ernde Garantie für Ruhe." (30)
Ja, das schwebt einem Heiner Geißler vor, eine "dauernde Garantie
für Ruhe". Um seinem praktisch verfolgten Ideal einer gänzlich
unbehelligten Herrschaft Ausdruck zu geben, schürt er Zweifel in
die Zuverlässigkeit des Nationalismus (Geißlerisch als
"Interpretationsneigung" gefaßt, die in Ordnung geht) der gebeu-
telten Untertanen.
Betrachtet man nämlich die vorhandene Armut differenziert sozio-
logisch als Ordnungsproblem, so stößt man auf eine Reihe "neuer
Konfliktfelder", die allesamt keinen Grund zur Aufregumg von un-
ten mehr bieten. Um so mehr taugen sie als Beleg dafür, daß die
legitime Gewalt des Staates zur Entschärfung ihrer vermeintlichen
Störpotentiale gefordert ist. Daß "die ökonomisch begründete Un-
terteilung unserer Gesellschaft in Klassen von Arbeit und Kapi-
tal, wie sie uns die Marxisten und Neomarxisten anbieten,... zur
Erklärung unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht taugt",
liegt für Geißler äußerst platt auf der Hand:
"Zum anderen ist die Schablone Kapital/Arbeit nicht deckungs-
gleich mit dem vielschichtigeren und auch breiteren Interessen-
spektrum der Verbände. Der Deutsche Sportbund als mitglieder-
stärkster Verband ist mit seinen sozial- und gesellschaftspoliti-
schen Aufgaben sinnvoll in ein Spannungsverhältnis von Kapital
und Arbeit nicht einzuordnen." (18)
Und wenn auch die national organisierten Körperertüchtiger nicht
unbedingt unter die Geißlersche Verelendungstheorie fallen, eines
beweisen sie zusammen mit den weniger sportlichen, ausrangierten
Rentnern und für unbrauchbar erklärten Krüppeln allemal: "Der So-
zialismus" mit seinem überkommenen Klassenkampfdenken "gehört auf
den Prüfstand". Denn worunter leidet heutzutage ein "Taubstummer,
Gehirngeschädigter und Querschnittsgelähmter mit Mastdarmkompli-
kationen"? - an seinen gesetzgeberisch festgelegten miesen Le-
bensumständen? - mitnichten! An der "Macht der Verbände" und de-
ren gemeinwohlschädlichem "inflationären Verteilungskampf", der
eigentlich ins 19. Jahrhundert, aber nicht in unsere schöne Repu-
blik gehört:
"Zu den Mächtigen unserer Gesellschaft gehören heute nicht mehr
allein die Kapitaleigner, mächtig sind Kapitaleigner und Arbeit-
nehmer zusammen."
Und wofür ist die "materielle Not vieler alter Menschen" ein
"wichtiges Indiz"? Für den sehr freien staatlichen Umgang mit den
zwangseingezogenen Rentengeldern, die offensichtlich für alles
andere als die Existenzsicherung im Alter da sind? Abwegig! Laut
Geißler verbirgt sich dahinter nicht nur eine unmoralische Le-
benseinstellung, sondern mehr noch - typisch egoistisches sozia-
listisches Gedankengut:
"Nicht länger kann davon ausgegangen werden, daß die erwerbstä-
tige Generation wie früher selbstverständlich bereit ist, zugun-
sten der Kinder und der alten Menschen Verzicht zu leisten. (...)
Diese Entwicklung ist so ausgeprägt, daß man fast den Eindruck
gewinnen könnte, als ob von der heutigen Generation deshalb so
anklagend auf die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital hinge-
wiesen würde, um so unbehelligter die künftigen Generationen aus-
beuten zu können." (22)
Viel ehrlicher dagegen der Sozialpolitiker Geißler! Wenn er von
oben der "Entdeckung" frönt, daß es in unserer blühenden Republik
bei relevanten Teilen des Volkskörpers am Lebensnotwendigen
fehlt, dann hat er keine systemschädlichen Hintergedanken, son-
dern nur ein Angriffsziel: "Der Kampf um die Interpretation des-
sen, was sozial ist, muß offensiv geführt werden." Das sozialde-
mokratische Deuten auf ein paar Millionen Sozialfälle als Staats-
versehen beherrscht ein Unionschrist wie Geißler längst. Hier
holt er lässig den "Kompetenzvorsprung bei Fragen der Sozialpoli-
tik" auf Seiten der SPD ein. Damit haben die guten Armen aber
noch nicht ihren eigentlichen propagandistischen Dienst erfüllt.
Hier gehören sich falsche "Feindbilder" mit richtigen außer Kraft
gesetzt. Falsch ist es auf jeden Fall, nach dem Grund der Armut
zu fragen und sich keinen ideologischen Reim aus ihr zu machen,
der die unterwürfige Hinwendung an ihre Macher ermöglicht. Warum?
Ganz einfach - laut Geißler: Da kommt noch immer "Kapitalismus-
kritik" dabei raus! Und wozu führt Kapitalismuskritik ? Richtig:
zum Klassenkampf. Weil der aber stört, hat man hier auch
eindeutig das falsche "Feindbild" erwischt. Solche Fehlschlüsse
haben sich aufzuhören:
"Diese politische Zementierung eines Feindbildes wird allerdings
in Zukunft ohne die Gefährdung des sozialen Friedens und der
Grundlagen unseres Gemeinwesens n i c h t m e h r t o l e-
r i e r b a r sein." (35)
Absolut "tolerierbar" ist dagegen das national verbindliche
"Feindbild", mit dessen abstoßender Fratze Geißler so gern den
inneren Feind behängt. Es heißt "Sozialismus" oder schlagender
noch "Sowjetunion". Die Armut hierzulande ist nämlich schon des-
halb kein Grund zur Aufregung, weil ihre Verursacher keine Russen
sind.
"Es wäre völlig verfehlt, die neuen sozialen Konflikte zu inte-
gralen Bestandteilen der Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme
der westlichen Länder zu erklären. So ist etwa die Lage der
Nichterwerbstätigen in den sozialistischen Ländern bedeutend
ungünstiger als in den westlichen Demokratien." (33)
Welche deutsche beruftstätige Frau ist nicht bei allen
"Geschlechter- und Rollenkonflikten", die ihr Heiner Geißler
wohlwollend bestätigt, froh, diese in Freiheit haben zu dürfen,
wenn sie solch abgrundtiefe Schweinereien aus dem diktatorischen
Osten erfährt:
"Weit über die Hälfte der Frauen in der Sowjetunion arbeiten nur
deshalb, weil der geringe Verdienst ihres Mannes sie dazu
zwingt." (33)
Propagandist der größten Keimzelle
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"Wir wollen einen Staat mit Autorität, der die Ziele unserer Ge-
meinschaft durchsetzt, sie nach den gemeinsamen Grundsätzen von
Freiheit und sozialer Gerechtigkeit gestaltet und weiterentwic-
kelt. Wir werden geschlossen jeder Ansicht entgegentreten, die
unseren Staat so begreift, als ob er ein Selbstbedienungsladen
sei."
Seit 1982 kann Geißler dieses - übrigens nie in Vergessenheit ge-
ratene - Konzept in der Regierung der "Wende" praktisch verwirk-
lichen. Wie es sein Amt befiehlt, hat sich der Bundesminister
über Jugend, Familie und Gesundheit hergemacht und in den bisher
2 1/2 Jahren alle drei reichlich mit der Autorität des Staats be-
dient.
Heiner Geißler hält den "G e s u n d h e i t s zustand der Be-
völkerung insgesamt für gut". Als Beleg dient ihm das freche und
bodenlose Argument: "Anstieg der Lebenserwartung". Das muß wohl
an den bekannten Mittelchen liegen, die er zur "Bekämpfung der
Volkskrankheiten" einsetzt: Da die eigentliche Volkskrankheit
darin besteht, daß die zimperlichen Bürger das staatliche Gesund-
heitswesen zu teuer machen, spricht Geißler sich sogar für Frü-
herkennung und Bekämpfung der Ursachen der Krankheiten aus, frei-
lich ohne seinen Haushalt damit besonders zu belasten. Größere
kurierende Wirkung verspricht aber seine kontinuierliche
"Kostendämpfung", die er einfach mit dem Kosten a n s t i e g
begründet. Denn Geißler weiß ja ganz genau, daß die Leute in der
ambulanten wie in der stationären Behandlung mit Gesundheitsmit-
teln versorgt werden, die "über das medizinisch Notwendige hin-
ausgehen". Und gegen die langen Bettgelage im Krankenhaus, die er
auch dämpft, fällt dem Mann ein Argument ein, das er sicher nicht
für zynisch hält:
"Die Pflege (von Kranken/Alten) in der häuslichen Umgebung ist in
der Regel menschlicher und sinnvoller, weil der Pflegebedürftige
weiter in der gewohnten Umgebung leben kann und seine bisherigen
sozialen Bindungen erhalten bleiben." (Leitantrag "für eine neue
Partnerschaft zwischen Mann und Frau")
Die Jugend hat der Minister mit der Klarstellung des verfassungs-
rechtlichen Vorrangs des Militärdiensts vor dem Zivildienst be-
dient: Verlängerung des Zivildienstes und prinzipielle Erschwe-
rung des Anerkennungsverfahrens als Kriegsdienstverweigerer. Die
Achtung des Gewissens des einzelnen bleibt dabei natürlich ge-
wahrt - solange es das richtige ist:
"Die Gewissensentscheidung richtet sich dagegen, einen anderen
töten zu müssen; das eigene Leben einsetzen zu müssen für den an-
deren oder für die Gemeinschaft, kann mit dem eigenen Gewissen
nicht in Widerspruch stehen."
Vor allem aber hat sich Geißler in Sachen F r a u u n d
F a m i l i e in kurzer Zeit einen Namen gemacht. Und nicht
etwa, weil er als ehemaliger Jesuitenzögling gelernt hat, daß
Fruchtbarkeit zum gottgewollten Wesen der Ehe gehört. Nein, weil
die Produktion des Nachwuchses für den Staatsladen stimmen muß,
ist er, der ja bei der Abtreibung von Erwachsenen kein Problem
hat (s.o.), für den "Schutz des ungeborenen Lebens" aktiv gewor-
den, oder für die "Renaissance der Familie", was dasselbe meint.
Das ist sein Feld, wo der Minister den Schutz der Privatsphäre
dadurch gewährleistet, daß er im Intimbereich der Familie rumfum-
melt und das Kinderkriegen gleich mitplanen will. Damit diese
seine Planungsvorhaben bei deutschen Frauen auf fruchtbaren Boden
fallen, ist er gegen "pro familia " angetreten, deren Rechtsbera-
tung schwangerer Frauen in Not dem Geißler zu kinderfeindlich er-
scheint, zu sehr Hilfe, zu wenig Nachhilfe, und hat dagegen eine
moralische Propagandainstitution zur kinderfreundlichen Bearbei-
tung werdender Mütter gegründet: "Bundesstiftung Mutter und Kind
- Schutz des ungeborenen Lebens". Diese Stiftung sorgt nach dem
Willen Geißlers dafür, daß höchstens noch sichere Mißgeburten mit
ihrer armen Seele den Abgang machen dürfen, weil für die Nation
zwar jeder Embryo eine Seele hat, verkrüppelt aber ein schlechtes
Menschenmaterial abgibt.
Heiner Geißler verwechselt selbstverständlich seine Anstiftung
zum verantwortungslosen Kind, trotz seines Wissens um die materi-
ellen Schwierigkeiten, die so ein Kind für sehr viele Familien
bedeutet, nicht mit dem Versprechen, solche materiellen Probleme
aus der Welt zu schaffen. Die Gleichungen: Mutter = Opfer; Fami-
lie = Opfergemeinschaft, bereiten diesem Mann, der moralische
Grundsätze zielsicher einsetzt, kein schlechtes Gewissen.
"Wenn die Leute an nichts mehr glauben und wenn sie sich auf rein
materialistische Ziele konzentrieren, dann gehen eben auch Grund-
sätze flöten im menschlichen Zusammenleben innerhalb der Fami-
lie."
Welche 'sind das?
"Die Familie kann nur funktionieren, wenn klar wird für alle, daß
nicht nur Rechte vorhanden sind, sondern auch Pflichten."
(Spiegel, 15. Okt. 1984)
In diesem Sinne hat der Geißler seiner Propaganda gegen Abtrei-
bung und für gebärfreudiges Verhalten noch eins draufgesetzt.
Weil er findet, es sei "in einem so reichen Land wie der Bundes-
republik ungeheuerlich, daß unter Verweis auf soziale Notlagen
abgetrieben wird", soll unter seiner "mutigen Initiative" das
"Erziehungsgeld" (8 Monate 600 DM pro Monat für Frau o d e r
Mann) Gesetz werden, damit die Mütter ihr Opfer nicht sofort mer-
ken. Ja, gegen schweren Protest der Unternehmerschaft will er so-
gar eine "Arbeitsplatzgarantie" (für 10 Monate nach der Nieder-
kunft) durchsetzen. Um alle Zweifel an der moralischen Durch-
schlagkraft der Veranstaltung auszuräumen, hat der ehemalige Je-
suit doch glatt noch eine Kosten-Nutzen-Rechnung nachgeschoben.
"Es ist nicht nur humaner, sondern auch ökonomischer, einer Mut-
ter oder einem Vater die Möglichkeit zu geben, das eigene Kind
selbst zu erziehen.... es geht nicht an, aus sozialen und wirt-
schaftlichen Gründen beide zur Berufstätigkeit zu zwingen und
dann das eigene Kind von Sozialmüttern möglicherweise mit Univer-
sitätsabschluß (Geißler?) - in gesellschaftlichen Einrichtungen
unter hohen Personalkosten erziehen zu lassen und dann hinterher
die schweren seelischen Schäden, die sogenannten Deprivations-
schäden, ...mit noch höheren Kosten - meist vergeblich - in ande-
ren gesellschaftlichen Einrichtungen - Kinderheimen, Sonderschu-
len bis hin zu den Jugendgefängnissen - wieder reparieren zu müs-
sen. Das ist nicht nur unmenschlich gegenüber der Familie, son-
dern auch ökonomisch ein Unsinn ersten Rangs." (Rede vom 21.3.85)
Seinen bisher größten "Coup" soll dieser Mann aber auf dem letz-
ten CDU-Parteitag gelandet haben, auf dem er das Thema Frau in
den Mittelpunkt stellte: "Für eine neue Partnerschaft zwischen
Mann und Frau" (Leitantrag). Da hat sich doch ernsthaft die linke
und die rechte Welt gewundert, welcher "Wandlungen" dieser Mann
fähig ist: "Ist Geißler ein Feminist?" So ziemlich aller Welt ist
der Parteitag von 1979 eingefallen, zu dem der Generalsekretär
noch barbusige Tänzerinnen geladen hatte. Man kann sich das Grin-
sen Geißlers ob dieser Reaktion vorstellen. Was hat er denn gema-
naged: Damals hat er die nackten Weiber rangeholt, um zu zeigen,
daß auch christliche Konservative mal zu einem Spaß aufgelegt
sind (Ha!). Heute hat er sich gedacht, daß es gut wäre, das Image
der CDU bei den Frauen demonstrativ aufzupolieren. Also, hat sich
der Generalsekretär gesagt, machen wir einen auf Frau, auf
Gleichberechtigung, auf Partnerschaft und so'n Zeug. Dem Typen
ist es nicht schwergefallen, sich faltig-ernst "als gewandelter
Mann" hinzustellen oder grinsend-verschmitzt die Forderung zu
vertreten, "daß der Mann von seinem Paschathron heruntersteigt";
oder ernst-grinsend zu erzählen: "Ich mache mein Frühstück sel-
ber!" Die Pflaume traut sich was!
Der demokratische Hetzer
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Ist er nun der "begabteste Demagoge seit Goebbels"? Diesen Ver-
gleich mag die Öffentlichkeit: Zwei Bilder zu entdecken, auf
denen sich Geißler und Goebbels in der Pose sehr nahe kommen;
Geißlers Stil zu untersuchen und daran auch ungeschminkte Belei-
digungen und Diffamierungen des politischen Gegners und lauter
Lügen aufzufinden. Der langweiligste Vergleich, den man sich vor-
stellen kann! Seit wann sind denn in der Demokratie Lügen, Belei-
digungen und Diffamierungen kein Mittel der Politik? Seit wann
muß man denn, um den jeweiligen Gegner als Verräter an den
höchsten und gemeinsamen Anliegen der Nation hinzustellen, ein
geistreicher Kopf sein ? Klar bedient sich der Geißler dieser
Mittel, weil er sich von ihrer Anwendung etwas verspricht. So
bleibt es bei der Stilkritik, von der der "Demokrat" Geißler
nicht berührt wird. Im Gegenteil, was den Inhalt seiner Propa-
ganda anbetrifft, will man den Vergleich mit Goebbels ausdrück-
lich nicht gemacht haben.
"Inhalt und Zweck Goebbelscher Propaganda - die Vernichtung des
politischen Gegners, die gewaltsame Gleichschaltung einer Gesell-
schaft, die psychologische Vorbereitung des totalen Kriegs und
des Völkermords - verbieten in der Tat jeden Vergleich mit Geiß-
ler." (Spiegel, 10. Mai 1985)
Ein inhaltlicher Vergleich hat also nie stattgefunden. Gerade der
wäre aber lohnend!
Denn wo ist da der Unterschied,
- wenn Geißler das Sterben für das Vaterland und den "Schutz" des
Lebens für den Dienst an der Nation für einen unumstößlichen Wert
hält?
- wenn Geißler die Autorität des Staates über alles setzt? - wenn
Geißler selbst harmlose Kritiker der laufenden (Aufrüstungs-) Po-
litik als "undeutsch" und "antinational" hinstellt?
- wenn Geißler die Grünen zu kommunistischen Verbrechern abstem-
pelt, die abserviert gehören, weil sie nur "der Sowjetunion in
die Hände" arbeiten?
- wenn Geißler selbst der staatstreuen Konkurrenzpartei SPD be-
scheinigt, daß ihr Verbrechertum darin besteht, "Fünfte Kolonne
Moskaus " zu sein?
Den Feind im Staate stellen, ihn verteufeln, weil er mit dem Bol-
schewismus identisch sei - dieses Verfahren beherzigt der Demo-
krat Geißler, ganz ohne aus der Geschichte lernen zu müssen.
Freilich taugt für diesen souveränen deutschen Standpunkt die
Vergangenheit dann doch wieder. Auf "Staatsfeind", "Kommunist",
"Freund Moskaus" kann der Generalsekretär noch "Faschist" drauf-
setzen, weil wegen der bekannten Mißerfolge der Nazis diese fast
genauso böse gewesen sind wie die Bolschewisten heute, eben
"typisch totalitär". Die frage, ob Geißler der "schlimmste Hetzer
seit Goebbels" ist, wäre damit eigentlich beantwortet. Sie ist
unwichtig. Es reicht doch wohl, was - der Mann tut und sagt. Wenn
dieser Typ übrigens noch theoretischer wird als sonst und sich
locker zum Ideal der Manipulation bekennt, verblüfft das wahr-
scheinlich keinen aufrechten Demokraten, der gerade über die
"Methode Geißler" die Nase rümpft.
"Man muß es tun. Denn wie ein großer Philosoph einmal gesagt hat:
Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die
Taten. Derjenige, der die Ideen hat und der auf die auch die
richtigen Begriffe wählt, hat die Macht auch über das Denken der
Menschen. Dies dürfen wir nicht den Sozialisten überlassen, auch
nicht den Kommunisten oder den radikalen Parteien. Wir müssen uns
der Auseinandersetzung stellen. Und in dem internationalen Bür-
gerkrieg, in dem man sich im Grunde genommen ja bereits befindet,
weltweit in allen Kontinenten, wird eben die Frage, wer in dieser
Auseinandersetzung gewinnt, letztendlich auch über die Geschichte
des Erdballs entscheiden. Ich bin nicht bereit, in dieser Ausein-
andersetzung das Feld den anderen zu überlassen, sondern wir müs-
sen klar und deutlich sagen, was wir wollen. Und dies ist nicht
zu machen ohne Ja zur geistigen Auseinandersetzung."
Um alle Mißverständnisse auszuschalten: Das erste Zitat des Arti-
kels ist von Goebbels, das letzte von Geißler.
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