Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN CDU/CSU - Von den C-Parteien
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POLITIK AUS ERSTER HAND
Wenn die CDU nach Bonn fährt, um nach innen und außen ein Zeichen
ihrer unbedingten Zuverlässigkeit in Sachen freedom and democracy
zu setzen, haben es die Massen einfach - sie warten mehr oder
minder geduldig auf die Schlagwörter, die ihnen von oben zum Ap-
plaus freigegeben werden -, die verantwortlichen Politiker jedoch
umso schwerer: Sie müssen entscheiden, was in Deutschlands Namen
heute zur Weltlage gesagt, was nicht gesagt bzw. hier oder jetzt
anders gesagt gehört. Für den Frieden ist man - klar; in Freiheit
- sowieso, also gegen die Russen; unter Anspannung aller Kräfte -
aber immer. Die drei bis vier "Essentials", die zur deutschen Po-
litik '82 gehören und mit denen sie erfolgreich gemacht wird, hat
jeder von ihnen drauf; doch all die 723 und mehr Wirkungen zu be-
denken, wenn es darum geht, sie zur Geltung zu bringen! Da will
der Standpunkt der anderen Staaten im Bündnis interpretiert sein,
die Reaktion des Gegners, die eigene Wirtschaft samt ihrer Klas-
sen, die politische Konkurrenz im Lande, die Öffentlichkeit usw.
- lauter angebliche "Sachzwänge", die zu bemeistern Politik zur
"Kunst" machen soll. So ausgeprägt ist diese Einbildung bei den
Leuten, die doch tagtäglich die Kräfte ihrer Nation in die
Pflicht nehmen und die anderer nicht schonen, daß sie ihre ge-
samte Politik als Dienst am "Frieden" verstanden wissen wollen,
den sie selbstlos in ihrer besonderen Verantwortung "angesichts
weltweiter Spannungen" angetreten haben und den sie dann jeden
Tag fürchterlich "risikoreich" bewahren (oder auch nicht). Das
m e t h o d i s c h e S e l b s t m i ß v e r s t ä n d n i s
der Politik ändert leider überhaupt nichts an ihrer Schlagkraft,
sondern ist im Gegenteil ihr Vehikel, mittels dessen sie sich
überall einmischt, und ihre Zuständigkeit regelt, weshalb die Ex-
emplare dieser Zunft neben schlichtester Parteilichkeit für ihre
Mission die verrücktesten "Verrenkungen" anstellen, sich deren
"Lesarten" jederzeit vorzubehalten. Als Beleg steht die Reaktion
eines CDU-MdB auf ein Flugblatt, das am Rande der christlichen
Friedensmärsche für die NATO auftauchte und die CDU/CSU-Parolen
"Freiheit, Frieden und Freundschaft" so gekonnt auf ihre mili-
tante Spitze trieb, daß es hätte von uns sein können.
Es begann damit, daß der Herr Abgeordnete das Bedürfnis empfand,
sich gegenüber allzu forschen F o r m u l i e r u n g e n des
Flugblatts abzugrenzen, dessen I n h a l t - ein Bekenntnis zur
NATO-Strategie gegen den Osten - ihm vollauf geläufig war. Nur:
"S o würden wir das nie sagen." Daß die Russen "aus der Weltpo-
litik verschwinden" müssen, ist zwar ausgemachte Sache, seit es
Ronald Reagan auch ganz offiziell forderte, doch: "Warum sollten
wir das so sagen, wollen wir doch gar nicht, daß die aus der
Weltpolitik ganz verschwinden sollen". Na klar, wenn sie von sich
aus abtreten und "der Freiheit" die Bühne überlassen, dann sind
sie als Nation 2. Klasse doch nicht zu verachten. So berechnend
geht gegenwärtige deutsche Politik!
Der folgende Abschnitt über die Beanspruchung des Opfersinns auch
hiesiger Bürger durch "die Freiheit" gefiel dem Volksvertreter im
großen und ganzen recht gut: "Ansprüche an den Staat stellen und
ihn immerzu kritisieren. Mit diesem Mißbrauch der Freiheit muß
endlich aufgeräumt werden." Ein bißchen Propaganda für weiterge-
hende immaterielle Segnungen wollte sich der Mann aus Bonn indes-
sen nicht entgehen lassen, weshalb er an dem Verwechseln von
Freiheit und materiellem Wohlstand durch die Bürger immerhin de-
ren F r e i h e i t z u r V e r w e c h s l u n g gerettet
wissen wollte: "Das ist doch Ansichtssache, womit jeder Freiheit
verwechseln will, da lassen wir jedem absolute Freiheit."
Beim nächsten Stichwort "Frieden" begeisterte ihn der Gedanke von
der "Tradition der Befreiungskriege gegen die Sowjetunion von
1941 bis 1982: Ukraine und Baltikum, Korea, Vietnam, Afghanistan,
El Salvador", die er mit "ausgezeichneter Einfall, genau, sehr
gut! " kommentierte, ehe ihm einschränkend einfiel, daß "Frieden"
doch nicht mit umstandslosem Gehorchen "im Osten... wie bei uns"
gleichzusetzen ist - mit der interessanten Begründung: "Hier ge-
horcht keiner, machen doch alle, was sie wollen." Beim folgenden
Satz: "Wir sind nicht für Krieg um jeden Preis" mußte der Herr
Abgeordnete etwas überlegen, dann erfolgte Zustimmung: "Ja, das
kann man wohl so sagen". So friedlich geht heute eben Politik!
Der letzte Flugblattpassus, die Amis wollten "unseren Staat zu
einem Frontstaat machen", gefiel dem deutschen Abgeordneten
nicht, er fand ihn sachlich falsch. Frage an seinen Begleiter:
"Sagen Sie mal, wann war das denn, wo der Churchill und der Sta-
lin Europa aufgeteilt haben, das weiß doch jeder, daß damals die
BRD entstanden ist. Das war so um 1945/46, und das waren nicht
die USA." So dümmlich geht aufgeklärte Politik dann auch noch!
So blöd allerdings nicht, daß sie nicht bemerkte, daß das Flug-
blatt die CDU-Politik in die Ecke faschistischer Argumentation
drängt. Da ist für den Demokraten Schluß: Er hatte doch die ganze
Zeit schon Einwände gegen allzu eindeutige Formulierungen ange-
meldet - ob hier politisch ausgereift gedacht werde und den Ein-
deutigkeiten nicht noch einige draufzusetzen seien.
Energisch nun sein Aufschrei: "Das ist ein Kommunistenblatt! Wo
haben Sie das her? Wer hat das verteilt?" Das fällt ihm an der
heiklen, da an "unselige Vergangenheit" erinnernden Stelle auf:
"Die Russen verachten wir nicht erst, seitdem wir mit ihnen Ge-
schäfte machen und ihr System aufweichen." So schlau ist Politik
'82 also auch noch, daß sie das O r i g i n ä r e aktueller
Zersetzung Rußlands herauszustreichen weiß. Da läßt sie sich
nicht dreinreden, sondern droht selbstbewußt mit dem Staatsan-
walt.
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