Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern


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       Münchner Hochschulzeitung, 25.03.1982
       Sonderausgabe Sozialwesen
       
       Spendenskandal:
       

SAUBERE STAATSMÄNNER

Die Minister Lambsdorff und Matthöfer sollen dem Flick-Konzern Steuervorteile eingeräumt und als Gegengabe Parteispenden erhal- ten haben, die man deshalb als Bestechungsgelder, oder vornehm ausgedrückt, als "Vorteilsannahme" bezeichnet. Die Staatsanwalt- schaft hat Ermittlungen angestellt. Wo liegt der Skandal? Wenn die Industrie die Parteien aus ihrer Tasche finanziert, kommt dabei kein Arbeiter zu Schaden - ausnahmsweise wird bei diesem "schmutzigen Geschäft" der Geldbeutel des Bürgers ge- schont. In Zukunft soll das ja anders werden, so daß die erste Lehre aus dem Skandal lautet: Finanzierungen, die den Arbeiter nichts kosten, werden zum Skandal erklärt. Diejenigen Kosten in Milliardenhöhe, die der Staat seinen Bürgern zumutet, müssen sein, sind deshalb normal und also k e i n Skandal. Die Politiker allerdings wollen die Spendenaffäre anders verstan- den wissen. Franz Josef Strauß, skandalerprobter Berufspolitiker antwortet in einem Bildzeitungsinterview auf die Frage, wie er die Bonner Spendenaffäre sehe, folgendermaßen: "Das Ganze kann als furchtbare Blamage für die Staatsanwaltschaft enden. Ich habe den Eindruck, das hier aus durchsichtigen Motiven angebliche Saubermänner im Westentaschenformat einen Generalan- griff gegen die ganze Führungsschicht der Bundesrepublik unter- nehmen. Ich glaube nicht, daß Graf Lambsdorff bestochen worden ist. Die angebliche Steuerhinterziehung dagegen betrifft ihn ge- wiß nicht allein. Der eigentliche Skandal liegt darin, daß sich der Bundeskanzler seit Monaten nicht um diesen unerhörten Vorgang kümmert. Es ist unglaublich, daß seit vielen Monaten "Spiegel" und "Stern" wortgetreue Auszüge aus den Vorermittlungsprotokol- len, sogar mit Angabe des echten Aktenzeichens, zur Veröffentli- chung zugespielt werden ... Ich frage mich, ob bestimmte Kreise der SPD den Wirtschaftsminister in den Ruf der Erpreßbarkeit bringen wollen." Strauß will also mitnichten bestreiten, daß die Vorwurfe gegen die Minister stimmten. Dabei blamieren sich allerdings nicht die korrupten Minister, sondern die Staatsanwaltschaft, die sich traut, gegen diejenigen, die die Politik machen, Ermittlungsver- fahren anzustrengen. Das Gleiche hat auch Kanzler Schmidt im Sinn, wenn er der Staats- anwaltschaft vorschreibt, die "Affäre so schnell wie möglich vom Tisch zu bringen". Man stelle sich einmal vor, ein gewöhnlicher Bürger, der in einen Verdacht geraten ist, würde öffentlich ver- künden, mit der Staatsanwaltsehaft würde er schon fertig werden, in sein eigenes "schwebendes Verfahren" eingreifen, sich unter Ausnutzung seines Einflusses "Akteneinsicht" verschaffen und der Ermittlungsbehörde vorwerfen, sie würde eigentlich nicht ihn, sondern die ganze Bundesrepublik "diskreditieren". Lehre Nummer zwei lautet also: Staatsanwaltschaft und Gericht sind nicht dazu da, die Taten der Politiker an den von ihnen selbst erlassenen rechtlichen Maßstäben zu messen, die sonst an jeden Bürger ange- legt werden. Umgekehrt: sie sind dazu da, die Politiker dahingehend abzusichern, daß die Herrschaften beim Politikmachen nicht belästigt werden bzw. den Politikern das Attribut "Saubermänner" in Großformat zu verleihen, egal was sie sich al- les in die Westentasche stecken. Eine Belästigung der Politik ist heute nämlich auch schon dann gegeben, wenn Vorwürfe gegen Politiker öffentlich werden. Das führt unmittelbar zur dritten Lehre: Wer es öffentlich wagt, an der Unbescholtenheit dieser Politiker zu zweifeln, beweist damit, daß e r nicht sauber ist. Denn bei dieser Affäre, so Strauß, geht es nicht einfach um Be- schuldigungen gegen korrupte Politiker, die im Prinzip gar nicht stimmen können, weil es alle so machen. Eine solche Feststellung ist vielmehr ein "Generalangriff auf die ganze Führungsschicht der Bundesrepublik". Lehre vier: Weil illegale Praktiken zur Auf- füllung der eigenen und der Parteikasse zum Beruf jedes demokra- tischen Politikers gehören, handelt es sich bei der Aufdeckung derselben um eine Erpressung des Staates und um eine Verunglimp- fung der Bundesrepublik. Das grenzt an Landesverrat! Weil das der Bundeskanzler angeblich nur zögernd entdeckt hat, soll er nicht mehr zum Regieren taugen in einer Zeit, in der Kri- tik an der Politik eigentlich verboten gehörte. Abschließende Lehre Nummer fünf: Justiz und Presse haben dafür da zu sein, gegenüber jedermann klarzustellen, daß Politik ein sau- beres Geschäft ist, immer und in jedem Fall. Das hat ab sofort zu gelten. Wenn es um die Handlungsfreiheit der Regierenden geht, müssen heute selbst die eigenen Gerichte kapieren, daß alles, was die Politiker machen, ehrenwert und legal ist weil es dem Regie- ren dient. Im Zweifelsfall macht man sich dafür das passende Ge- setz. zurück