Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 22, 27.10.1980
       

SCHON GEWUSST...

- daß unsere lieben Rentner, die vor der Wahl als Kleinaktionäre mit gesegnetem Altersruhegeld verhandelt wurden, ganz arme Schlucker sind, seit Honecker den Eintrittspreis in die DDR auf DM 25 festgesetzt hat? Vor der Wahl: "Wer sich bei uns über die Renten beschwert, der soll sich mal bei unseren westlichen und östlichen Nachbarn umschauen!" (Unser Kanzler) Nach der Wahl leidet der Kanzler mit ihnen, weil sie die 25 Mark für einen Tagesausflug in die DDR nicht zahlen können, diese Wohlstandsbürger. Die einfachste Lösung, eine kräftige Rentener- höhung, steht nicht zur Diskussion. M i t denken heißt eben auch u m denken! - daß die Bundesregierung ein Problem mit Ü b e r s c h ü s s e n in der Rentenkasse hat? Die sollen auf Vorschlag des Grafen Lambsdorff in die Arbeitslosenversicherungs- kasse fließen. Und das heißt: nicht in die Kassen der Arbeitslo- sen, weil das Herumlungern auf dem Sofa, wenn man gerade einmal nicht für den Fortgang des Wirtschaftswachstums eingespannt wird, nicht auch noch honoriert werden darf. Stattdessen sind sie viel besser angelegt, diese Gelder, wenn man den leidenden Unternehmen einen Teil ihrer Kosten abnimmt: Lohnersatzzahlungen tätigt man damit, die bei Umstellungen und Rationalisierungen in einem Un- ternehmen anfallen, wenn man davon betroffene Arbeiter für ihre neue Funktion im Betrieb zurechtmacht. So geht Sozialstaat! - daß die Fleisch- und Lohnforderungen der polnischen Arbeiter und ihr Kampf um diese Forderungen eine mordsgerechte Sache sind, weil sie einen unüberhörbaren Ruf nach Freiheit signalisieren, der - na also! - ein kommunistisches Regime gefährdet? Daß gleichzeitig der Kampf der italienischen FIAT-Arbeiter um die Si- cherung ihres Lebensunterhalts und gegen die von Agnelli geplante Entlassung von 23.000 Arbeitern ein Anschlag auf die Freiheit, d.h. die "Bedrohung des italienischen Staates" darstellt? - daß ZIA-UL-HAQ, vor geraumer Zeit noch als Militärdirektor ge- mieden, weil er nicht im Auftrage des Westens, sondern auf eigene Faust mit Großmachtansprüchen und Kernwaffenaufrüstung auf- trumpfte, heute in Bonn ein gern gesehener Gast im Kanzleramt ist? An seiner Politik, inklusive der Niedermetzelung von einigen tausend "Oppositionellen" hat sich zwar nichts geändert - und letzteres war noch nie Stein des Anstoßes. Aber seit dem Ein- marsch der Sowjets in Afghanistan ist dieser Mann mit seinem Land als Abschußrampe für Raketen des freien Westens gegen den Feind im Osten einfach Gold wert - und das bekommt er denn auch bewil- ligt auf den illustren Empfängen. Was er dafür einzukaufen hat, ist somit auch klar. Aber bei "vitalen Interessen" des freien We- stens redet man besser nicht über die viel beschworene Achtung des "unerlaubten Besitzes" von Atomwaffen. - daß die Politik auf ihren seltsamen Wegen also ziemlich will- kürlich verfährt, aber nie ohne Prinzip? Der bürgerliche Kopf be- sitzt die Freiheit, bei seiner täglichen Zeitungslektüre sein Hirn ordentlich zu martern, damit er immer auf dem neuesten Stand ist. Ist der mündige Bürger nicht ein prinzipienloser Charakter? zurück