Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern
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Mal im Ernst
WARUM DÜRFEN DEMOKRATISCHE POLITIKER SICH NICHT BESTECHEN LASSEN?
Der Industrie Geld zuwenden,
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auf daß die "Investitionslust" steige; "der Wirtschaft" Steuern
nachlassen, damit sie durch größere Erfolge um so mehr für die
Kaufkraft der deutschen Mark tut; unter dem Titel "Infrastruktur-
Investitionen" ganze Landstriche einzig für den Zweck herrichten,
daß Unternehmer mit möglichst wenig eigenem Aufwand möglichst
lohnende Geschäfte in Gang setzen; Zinsbeihilfen vergeben, die
Banken und geschäftstüchtigen Schuldnern gleichermaßen wohltun:
ein ganzes Ministerium, nämlich das des Grafen Lambsdorff, ist
für nichts als derartige Maßnahmen eingerichtet und zuständig.
Anträge, den Wiederanlageprojekten für Veräußerungsgewinne steu-
erbefreiende Wirtschaftlichkeit zu bescheinigen, wie der Flick-
Konzern sie in Lambsdorffs Ministerium durchgebracht hat, werden
dort täglich entschieden, und zwar nach haargenau demselben Kri-
terium: höchste soziale Pflicht des Eigentums und fürs Eigentum
ist das Gewinnemachen. Nach der Seite hin ist es nichts als
marktwirtschaftliche Konjunkturpoltik, wenn ein Großunternehmer
und sein Wirtschaftsminister gemeinsam die Grenzen und die Flexi-
bilität des Steuerrechts austesten.
Von der Industrie Geld empfangen,
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um damit den Apparat und die Propagandaprojekte der eigenen poli-
tischen Partei zu finanzieren; um tatkräftig an der vom Grundge-
setz geforderten "politischen Willensbildung" mitzuwirken; um die
richtigen, nämlich "marktwirtschaftlichen" Alternativen als die
einzig respektablen politischen "Probleme" durchzusetzen: Das ist
das ehrenwerte Geschäft jeder demokratischen Parteiführung. Wer
da die Hunderttausender locker macht, verdient Lob und nicht Ta-
del; und das nicht einmal bloß von seiner Partei. Nach dem neue-
sten g e m e i n s a m e n Gesetz von CDU/CSU, SPD und FDP sind
es gemeinnützige - daher steuermindernd wirksame - Taten, zu
denen die demokratischen Spendenacquisiteure ihre Geldgeber ver-
anlassen: Um die H e b u n g der öffentlichen Moral macht sich
verdient, wer potenten Spendern Partei-"Schmiergelder" entlockt.
Zwei Tätigkeitsbereiche marktwirtschaftlich-demokratischer Poli-
tik, deren
Kombination unbedingt naheliegt,
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von der Sache her.
Warum ist sie dann verboten?
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Aus zwei Gründen:
E r s t e n s ist die saubere Trennung wirtschaftspolitischer
Wohltaten des Staates und parteipolitischer Wohltaten "der Wirt-
schaft" ein Erfordernis des demokratischen Kapitalismus. In einem
ordentlichen System dieser Art hat nämlich die Förderung des Ge-
winnemachens oberster sozialer Dienst der Staatsgewalt zu sein
und deswegen der alltägliche Normalfall im Wirtschaftsministe-
rium, ganz gleich, wer dort gerade residiert, und auf alle Fälle
unabhängig von jeder Extra-Bemühung von Unternehmern, sich die
Gunst der Behörden zu erkaufen. Und die Parteien sollen den Geld-
gebern aus "der Wirtschaft" g r u n d s ä t z l i c h als Ga-
ranten des Gewinnemachens einleuchten und Spenden wert sein; die
Partnerschaft zwischen Kapital und Parteien beim Geschäft der po-
litischen Meinungsbildung soll und darf nicht von zweckgebundenen
Spezialzuwendungen abhängen. Die T r e n n u n g zwischen Par-
teienfinanzierung und Wirtschaftspolitik dient also einem
g e o r d n e t e n, von allem Persönlichen und Zufälligen
gereinigten, verläßlichen Zusammenwirken von Parteien und Unter-
nehmern am Gedeihen des demokratischen Kapitalismus.
Dieser systemdienliche Z w e c k des Bestechungsverbots
schließt andrerseits keineswegs aus, daß die Beteiligten ihr Zu-
sammenwirken selber als Sondergeschäft betrachten und betreiben;
im Gegenteil: Die Festlegung beider Seiten - Parteien und Spender
- darauf, einander ganz ohne Sondervorteil prinzipiell nützlich
zu sein, ist die solide Basis für ein ständiges Anbieten und Be-
schaffen von S p e z i a l v e r g ü n s t i g u n g e n - über
lauter S o n d e r vorteile wird das P r i n z i p ja gerade
p r a k t i z i e r t. Deswegen hat die systemnotwendige
T r e n n u n g beider Sphären des demokratischen Lebens auch -
z w e i t e n s die Form eines rechtlichen V e r b o t s,
d a s m i t s e i n e r Ü b e r t r e t u n g a l s
N o r m a l f a l l r e c h n e t; jeder aufgeklärte Bürger
rechnet im übrigen ebenso. Auf das Geschick, sich nicht erwischen
zu lassen, kommt es dennoch an. Die Aufdeckung und erst recht die
Ahndung von Verstößen gegen dieses Gebot muß als Großaktion des
Justizapparats ablaufen, damit das Gekungel den Charakter der
A u s n a h m e erhält. So kommt durch Skandale das
P r i n z i p zu seinem R e c h t, die Justiz beweist ihre
Selbständigkeit und Unbestechlichkeit, und in der Öffentlichkeit,
die augenzwinkernd Bescheid weiß, kommt Freude auf über die Seg-
nungen der Gewaltenteilung. Unterdessen verhelfen die unskandalö-
sen, weil unentdeckten oder abgebügelten V e r s t ö ß e
g e g e n das Recht dem P r i n z i p wechselseitiger Nütz-
lichkeit von Demokratie und Geschäft zu seiner
p r a k t i s c h e n W i r k s a m k e i t im wirtschafts- und
parteipolitischen Alltag. D e s w e g e n dürfen demokratische
Minister sich nicht im Amt bestechen lassen.
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