Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern


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       Zur Barschel-Affäre
       

EXKLUSIVINTERVIEW DER MÜNCHNER HOCHSCHULZEITUNG MIT MÜNCHNER POLITOLOGEN

Um zu erkunden, wie die professionellen Denker über Politik am Geschwister-Scholl-Institut den Zusammenhang zwischen Demokratie und Barschel-Affäre bestreiten, befragten wir die Professoren Grosser, Mayer-Tasch, Schneider und Bartoszewski sowie die Assi- stenten Ferdowsi und Malonat. Unsere Frage: "Ist die Barschel-Af- färe ein Argument gegen die Demokratie?" - Ihre Antwort: Zwischen der Demokratie und ihren Affären besteht kein Zusammenhang, die Demokratie ist nämlich besser als sie ist. Ein erster Versuch von Prof. Bartoszewski: "Erpressungsmethoden sind immer im politischen Leben der Demokra- tie falsch und bedrohlich. Bei dar Affäre Barschel sind Untaten im Sinne der guten Sitten geschehen. Schläge unter der Gürtelli- nie gehören nicht zum System der Demokratie. So etwas ist Verdor- benheit, Perversität!" Demokratie gut, Affäre böse, also nix Systemfrage. N o r m a- t i v argumentiert auch Professor Grosser: "Ich möchte betonen: Was in Kiel vorgefallen ist, darf sich nicht wiederholen Ganz entschieden sind solche Verfahrensweisen zu ver- urteilen. Das darf es beim Umgang der Verantwortlichen nicht ge- ben!" Als ehrlich entrüsteter Demokrat bürgt er für die Qualität der Demokratie gegen ihre verunstaltete Realität. Das war zwar nicht verlangt, aber eine Auskunft ist das auch. Die evolutionäre Ant- wort von Prof. Mayer-Tasch geht ebenfalls in diese Richtung: "Wenn die in unserer Gesellschaft lebenden Menschen, insbesondere die, die sich mit praktischer Politik befassen, sich auf einer höheren Bewußtseinsebene befinden würden, die sich am wirklichen Gemeinwohl orientiert, dann könnte man sicher nicht sagen, daß solche Affären, wie sie im Umkreis des Falles Barschel aufgetre- ten sind, notwendigerweise zur Demokratie dazugehören. Zu betonen ist aber, daß es wirklich nur um die Bewußtseinsform der die Po- litik Bestimmenden geht und nicht um die Strukturformen des Ge- meinwesens." Er könnte sich vorstellen, daß möglicherweise nicht notwendiger- weise ein Zusammenhang besteht, wenn die Politiker so gut wären wie die Demokratie seiner Idee nach wäre, wenn man sie ließe. Auch Dr. Maloriats gute Meinung von der Demokratie läßt sich durch Realität nicht erschüttern. E m p i r i s c h - a n a l y- t i s c h hofft er auf die Zukunft: "Man darf gespannt sein, ob die, die da in gewisser Weise mit ei- ner Schlammschlacht ihren Wahlkampf bestritten haben und jetzt die Gemeinschaft der Demokraten und die Humanität beschwören, in einem halben Jahr, wenn der nächste Wahlkampf stattfindet, etwas gelernt haben werden. Ob also der Wahlkampf ein ganz klein biß- chen humaner sein wird und sich daran entscheidet, daß Barschel also nicht mehr oder weniger ein Repräsentant des Systems, son- dern eher ein Einzelfall gewesen ist." Es wird wohl ein Einzelfall gewesen sein, zumal das System "eigentlich" gut ist und für die machtgeilen Karrieristen, die es produziert, nichts kann: "Nach langen Erfahrungen kann man sagen, daß die demokratischen Institutionen nicht so funktionieren, wie sie eigentlich sollten. Die Frage ist dabei: Liegt es an der Demokratie und ihrem System oder daran, daß die, die in diesem System arbeiten, natürlich nach Macht streben und den Anforderungen, vor die sie in ihrer Situation und mit ihrer Position gestellt sind, nicht gewachsen und nicht in der Lage sind, die Erwartungen, die an sie herange- tragen werden, zu erfüllen. Diese Anforderungen sind natürlich in der Demokratie besonders groß." Dr. Ferdowsi gelingt es, die Affäre s y s t e m t h e o- r e t i s c h - r e a l i s t i s c h an der Demokratie vorbei den ewigen Menschheitsproblemen der "Macht" zuzuschlagen: "Ein Zusammenhang zur Demokratie speziell besteht insofern nicht, als es sich bei der Affäre Barschel um einen Vorgang handelt, der dem politischen Medium 'Macht' - und hier. Macht e r w e r b - zuzurechnen ist. 'Macht' aber ist gar keiner bestimmten Staatsform zuzuordnen, sie ist vielmehr insofern n e u t r a l, als sie jeder Staatsform zukommt, sei es nun Demokratie, Diktatur o.a. Unabhängig von der Staatsform unterliegt sie als Machtstreben Gesetzen des Aus- gleichs in einem System. Man muß nicht erst auf die USA verwei- sen, um zu zeigen, daß die Demokratie da keine Ausnahme macht. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Vorgänge wie die Affäre Barschel nicht auf die Kieler Staatskanzlei beschränkt sind." Ja, wenn es an der Macht liegt, dann hat die demokratische Macht natürlich nichts damit zu tun, speziell wenigstens. Die ist dann umgekehrt als Leidtragende menschlichen Machtstrebens zu sehen, wie Prof. Schneider klarlegt: "Ich habe selten so viel Schadenfreude feststellen können, wie in den letzten Wochen. Schaden genommen hat die Demokratie auf jeden Fall. Man kann aber noch nichts Endgültiges sagen. Es wird sich zeigen, ob die Selbstreinigungskräfte wirken." Etwas steht jetzt schon fest: Am politologischen Institut wirken sie schon. zurück