Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern
zurückBARSCHEL IST TOT - DIE DEMOKRATIE LEBT AUF - DA STIMMT DOCH ETWAS NICHT!
Über die Karriere des toten Ministerpräsidenten ist dieser Tage alles Nötige gesagt worden. Seltsamerweise immerzu voller Respekt vor einem Mann, dessen Lebenslauf alles andere als Vertrauen einflößt. Abitur hat er gemacht und ein paar Jahre studiert, damit er dann einen Doktor hatte. Und wozu die ganzen Anstrengungen auf dem Felde der Bildung? Für Uwe Barschel eine eindeutige Sache: Er hatte beschlossen, Politiker zu werden. Mit 25 Jahren und einem Examen in der Tasche war diesem Menschen eines vollkommen klar - er gehörte zu jenen auserlesenen Gestalten, denen es zusteht, ei- nes der besseren Staatsämter zu übernehnen. Anderen sagen, wo's langgeht, Gesetze machen und r e g i e r e n, d a s hielt er für s e i n e M i s s i o n. Eine Anwaltskanzlei war deshalb für ihn nur so etwas wie ein pri- vatwirtschaftliches Standbein. Angekommen ist es ihm auf den Fuß in der Politik. Seine Fortschritte in der Postenhierarchie der CDU und in den von dieser Partei gehaltenen Staatsämtern vollzo- gen sich so rasant, daß die Nachwelt jetzt noch begeistert ist. Einerseits wird kreuzbrav hererzählt, wann Uwe Vorstand, Minister und schließlich Landesvater war; andererseits zeugt das allemal vom Charakter dieses jungen Mannes - verdanken tut er seinen Auf- stieg nämlich seiner D u r c h s e t z u n g s f ä h i g- k e i t. Und warum heißt dieser noble Zug des vorzeitig Verbli- chenen nicht "Gemeinheit" oder wenigstens "Rücksichtslosigkeit"? Das hat schon seinen guten Grund. Solange und das gilt auch für einen Rückblick - einer in der Hierarchie der nun einmal als "Leistungsgesellschaft" geführten Republik nach vorne kommt, ist es allemal sein V e r d i e n s t. Denn vorne ist die Elite, und oben sein heißt V e r a n t w o r t u n g t r a g e n. Al- les, was Barschel an die Macht gebracht hat und was er mit ihr anzustellen beliebt, ohne dabei gestört worden zu sein, geht in Ordnung und spricht f ü r i h n. Bloß, was spricht eigentlich g e g e n i h n, seit vier Wo- chen? Sein Ehrenwort? Das kann nicht hinhauen, weil dann wäre er schon längst über seine Wahlkampfreden oder seinen Amtseid schnurstracks in eine Badewanne gestolpert! Pfeiffer? Dessen Of- fenbarungen? Unmöglich, wenn Barschel hat erstens als ehrbarer und verantwortungsbewußter CDU-Chef den Pfeiffer angestellt - und zwar wegen dessen Kunstfertigkeiten bei der "Öffentlichkeits- arbeit"! Zweitens hat Pfeiffer gar nichts weiter offenbart, er hat lediglich ein paar Geschichten geboten, die von der "Durchsetzungsfähigkeit" seines Herrn künden. Und die spricht ja für Uwe Barschel, den die Mehrheit der Wähler seines Landes ja immerhin für enorm fähig erachtet hat. Gegen Uwe Barschel spricht also genau genommen nichts. Er ist ein "Vollblutpolitiker" gewesen. Die MAZ kann nichts dafür, daß das ein Kompliment ist. Gegen alle, die 'f ä h i g e' Politiker schätzen, ist aller- dings etwas einzuwenden. Insbesondere dann, wenn sie, mir nichts, dir nichts, so tun, als wüßten sie nicht, welche Fähigkeiten ih- nen gefallen. Uwe Barschel hat sich zeitlebens um die Demokratie verdient ge- macht. Insbesondere im Wahlkampf und mit Pfeiffer wollte er die Wähler immer nur mit dem bedienen, was sie schätzen. Er hat für genau die Sorte Information gesorgt, mit denen sich Bürger am Wahltag entscheiden, nach denen sie Politiker zu ermächtigen pflegen. Mit dem B i l d, das Kandidaten für höchste Ämter von sich und ihren Konkurrenten zeichnen, mit dem Eindruck, den sie verbrei- ten, können anständige Bürger nämlich allemal mehr anstellen als mit einer Prüfung der Politik. Man sollte es Uwe Barschel nicht vorwerfen, daß seinetwegen die- ser Eindruck ein bißchen gelitten hat. Es lag gar nicht in seiner Absicht, den Glauben zu zerstören, daß Politiker durch Würde, Ehrlichkeit und Anstand glänzen! Zudem hat er durch seinen Tod und mit seinem Skandalstoff eine Kampagne eingeleitet, die ihres- gleichen sucht. Quer durch alle Parteien und Lager bemüht sich jetzt die Nation, das V e r t r a u e n in die P o l i t i k zu retten. Und zwar mit Erfolg. Die Lüge, bei Barschel und Co. handle es sich um eine unrühmliche Ausnahme, wird gerne geglaubt. Das ist auch bitter nötig, weil sonst wäre die Politik ja gar nicht mehr glaubwürdig. *** Das Gute am Skandal besteht nach Auffassung mancher Zeitgenossen darin, daß man wieder einmal sieht, wie in der Demokratie immerhin alles irgendwie rauskommt. Das Schöne am Skandal scheint darin zu liegen, daß für manche Leute in der Demokratie nie etwas anderes herauskommt als ein Lob des Systems. Das Wahre am Skandal ist dies: Jede bekanntgemachte Schweinerei berechtigt nur zur Sorge um die Glaubwürdigkeit des Staates und seiner Macher. Das ist allemal wichtiger als das, was sie machen. zurück