Quelle: Archiv MG - BRD DEMOKRATISCHES-LEBEN ALLGEMEIN - Von Dichtern und Denkern
zurück Rückblick auf ein AttentatUNKOSTEN DES DEMOKRATISCHEN PERSONENKULTS
Minister Schäuble spricht von der deutschen Einheit, davon, daß es viel zu tun gibt in Sachen "Wiederaufbau der ehemaligen DDR", daß der aber gelingen würde, weil Deutschland Zukunft habe, in Europa sowieso und auch in der Welt. Die Zuhörer sind angetan. Der Bürger solle keine innere Mauer gegenüber den Zonis errich- ten, er habe schließlich das beste soziale Netz der Welt, eine bombenharte DM und sei immerhin Bürger eines Exportweltmeisters. Die Stimmung steigt. Und was Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, hohe Mieten und zerstörte Umwelt betreffe, so seien das natürlich "Probleme", um die er sich kümmern würde. Er und seine Partei würden dafür alles in ihrer Macht stehende tun, leicht sei die Aufgabe nicht. Aber er und seine Partei würden sich ihrer Verant- wortung nicht entziehen. Der Saal ist begeistert. Die Besucher des Gasthauses "Bruder" feiern Herrn Dr. Schäuble mit minutenlan- gem Beifall, gerade so, als habe der Mann auf dem Podium ihnen ganz persönlich ein Geschenk gemacht. Zwischen privatem und na- tionalem Erfolg kennen die Anwesenden in dieser Stunde keinen Un- terschied, sie jubeln ihrem Herrn zu, als sei er ihr ganz per- sönlicher Wohltäter. Und genau wie der es wünscht, beherrschen sie die Schizophrenie, alles, was sie für gut erachten, als des- sen Verdienst zu feiern, und alles, was ihnen mißfällt, für ein "Problem" zu halten, mit dessen Zustandekommen Politiker auf kei- nen Fall etwas zu tun haben. Nur einer im Saal bekam das nicht ganz auf die Reihe, Dieter Kaufmann, ein "Wahnsinniger". Der machte doch genau umgekehrt den Politiker für seine persönliche Misere verantwortlich: Arbeitslosigkeit, Drogenkriminalität, Knast. Und während all die anderen der Person Schäubles zu- jubelten, weil sie sich zumindest eine Wahlrede lang vom Staat ver- und umsorgt vorkommen, schoß Kaufmann auf Schäuble, weil er "sich vom Staat verfolgt fühlte". Vielleicht lauert ja gerade im demokratischen Personenkult, den die Politiker mit ihrem "Bad in der Menge" so gerne als Wahlwer- bung inszenieren, die lebensgefährliche Bedrohung für die kulti- vierte Person. Denn die Gefahr besteht immer, daß einer die Glei- chung nicht kapiert, für alles Gute seinen Herren zu danken und alles Schlechte ihnen nicht anzulasten. Kaum hat der "Geistesgestörte" seine Tat vollbracht, kommt der normale Wahnsinn wieder zu voller Blüte: Politisches Thema Nummer 1 quer durch die ganze Öffentlichkeit ist das werte Befinden des Herrn Schäuble, eine ganze Nation kennt dann nichts Wichtigeres, als extrem fachkundig über dessen bleibende oder vorübergehende Lähmungen zu räsonieren. Massenweise schicken die Leute Blumen und schreiben Briefe, gerade so, als läge ihr bester Freund in der Klinik. Neuerdings darf man auch anhand von Karten über Pan- nen beim Abtransport des Schwerverletzten schwadronieren und dar- über rechten, ob besagte Nacht klar war oder Nebel herrschte, vielleicht auch nur Nebellöcher. Daneben verkünden Politiker, daß es absoluten Schutz für sie nicht gebe, wenn man sich nicht ganz vom Bürger entfernen wolle. Alle sind bereit, das "Restrisiko" zu tragen und weiter ihrer schweren Pflicht nachzugehen, die darin besteht, sich ab und an von seinen Untertanen hautnah verehren zu lassen. zurück