Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR WAFFENEXPORT - Deutsche Waffen in alle Welt
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Rüstungsexporte trotz "Unterwentwicklung?"
GEWALT MIT GESCHÄFT
"Die indisohe Regierungschefin Indira Gandhi wußte es ganz genau.
'Der Hunger in der Welt', sagte sie, 'könnte (!) leicht abge-
schafft werden, wenn alles Geld für das weltweite Wettrüsten zum
Kauf von Nahrungsmitteln aufgewendet werden würde (!).' Sprach's,
setzte sich ins Flugzeug nach Paris und verhandelte über den Kauf
von 150 Kampfjets für die heimische Luftwaffe. Daß Länder der
Dritten Welt Entwicklungshilfe in Kriegsmaterial ummünzen, ist
keine Seltenheit." (Stern)
"Man könnte meinen, die Regierungen seien nicht bei Sinnen."
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Das beliebte Gezeter über die Heuchelei südländischer Herrschaf-
ten in Sachen Waffenimport hat ebenso wie der anklagende Hinweis
auf die individuelle Verrücktheit oder das "Prestigedenken" der
betreffenden "Machteliten" einen kleinen Haken: Es wird dabei
vornehm darüber hinweggesehen, w a r u m Drittweltherrschaften
in schöner Regelmäßigkeit ein Bedürfnis nach Gewaltmitteln ent-
wickeln, was die Staaten unserer Ersten Welt mit diesem Bedürfnis
zu tun haben und warum sie es für flotte Geschäfte benützen. Kein
Wunder bei Journalisten, die eine Nachrüstung nach der andern und
ein Sparprogramm am Volk nach dem andern als die angemessene Po-
litik besprechen - für die eigenen, die richtigen Staaten.
"Zu wenig Entwicklung, weil zu viele Waffenkäufe": Egal, ob es
sich bei diesem Vorwurf um die berechnende Heuchelei eines hiesi-
gen Staatsmannes handelt, der sich gerade eben zwecks
"Arbeitsplatzsicherung" für die "Auslastung unserer Rüstungspro-
duktionskapazitäten durch vermehrte Exportanstrengungen" stark
gemacht hat; egal, ob der Idealismus, diese Staaten wären eigent-
lich für ihre "Entwicklung" und nicht für Gewaltfragen zuständig,
in anderen Fällen ehrlich geineint ist, - verräterisch ist dieser
Vorwurf allemal: In dieser "Kritik" taucht ein "Zuviel" an Waf-
fenausstattung ja von vßrnherein absolut als K o s t e n auf,
und das schließt allemal zumindest die Gleichgültigkeit gegen den
Z w e c k der Waffen ein. Daß es sich um W a f f e n handelt,
liefert dann nur den Beleg für den v e r s c h w e n-
d e r i s c h e n, u n n ö t i g e n Charakter dieser Kosten,
was, zusammengenommen mit den bekannten F a k t e n des
westlichen Rüstungsexports, eine der ideologisch eminent
fruchtbaren "Paradoxien" des bürgerlichen Urteils über die
"Dritte Welt" ergibt.
Waffenexgorte in die "Dritte Welt":
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Die Konkurrenz um ein anerkanntes Bedürfnis
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Der Kostenstandpunkt existiert schon, aber ganz anders, und die
Wahrheit darüber findet sich in jeder Zeitung - wenn es sich um
die K o n k u r r e n z der imperialistischen Staaten im Waf-
fengeschäft handelt:
"Wenn sich die Rüstungsindustrie auf den französischen Markt be-
schränken würde, hätte die französische Armee nicht so eine mo-
derne Ausrüstung." (Mitterrand, anklagend zitiert vom Stern)
Fürwahr eine kaltschnäuzige Kalkulation, die sich die
K o n k u r r e n t e n im A u s l a n d erlauben! "W i r"
hingegen leben in einem Staat, der sich dasselbe mit einem guten
Gewissen erlauben darf, weil es der öffentlichen Problematisie-
rung für wert befunden wird:
"(Dies ist) ganz anders in der Bundesrepublik, wo ebenfalls
300.000 Menschen in der wehrtechnischen Industrie beschäftigt
sind." Weil ja hierzulande "in den Regierungsparteien öffentlich
über die Moral beim Waffenexport debattiert wird." (Stern)
Inzwischen sieht diese Sorge um die moralische Bonität "unserer"
Waffenexporte in die Dritte Welt aber schon alt aus; denn besagte
"M o r a l" hat auch hierzulande und nicht erst seit dem Regie-
rungswechsel einen ziemlich unverblümt nationalistischen Inhalt
namens "u n s e r e I n t e r e s s e n":
"Versuche des (SPD-Linken Norbert) Gansel, bei der Schlußberatung
(bzgl. der Rüstungsexportrichtlinien) noch Änderungsanträge anzu-
bringen, scheiterten daran, daß ihm die Fraktionsführung das Wort
nicht erteilte. Wie es hieß, hatte sie die Wortmeldungen nicht
bemerkt. Mehrere Abgeordnete vertraten jedoch die Ansicht, die
Fraktionsführung habe Gansel bewußt nicht zur Kenntnis genommen."
(Süddeutsche Zeitung, zu Zeiten der SPD-Regierung)
"Die Regierung müsse - politischen Handlungsspielraum (!) erhal-
ten, um von Fall zu Fall über Waffenwünsche anderer Länder ent-
scheiden zu können. (CDU-) Marx wies auf die Arbeitsplätze spezi-
ell bei den Werften hin." (Süddeutsche Zeitung heute)
Strauß markiert einen Fortschritt, wenn er mit der ihm eigenen
nationalistischen Offenheit vom Weltordnungs- und Geschäftsstand-
punkt aus den S c h e i n der Bedenklichkeit angreift, mit dem
die inzwischen abgelöste Regierungspartei die Rüstungsexpor-
trichtlinien umgab (und als Opposition zweifellos neu präsentie-
ren wird, in gelungener Weise "Kontinuität und Perspektive" ver-
bindend); er bezeichnete es als "Anachronismus", daß die BRD "den
Rüstungsexport strengeren Bedingungen als Frankreich unterwirft."
Wenn die "Dritte Welt" überhaupt ein - "Absatzmarkt" ist, dann
eben auch und vor allem für W a f f e n; und werin dem schon so
ist, dann selbstverständlich am besten für "u n s e r e" Waffen
- so sieht das der bundesdeutsche Staat im Zeichen der
"Wirtschaftskrise", die eine neue nationale Sichtweise bisheriger
Exporterfolge der NATO-Freunde ergibt: "Euer Waffenabsatz" = "uns
vorenthaltener Markt in der Dritten Welt" = Ärgernis!
Dieses krisenspezifische staatliche Anliegen, den konkurrierenden
NATO-Freunden ihre Märkte streitig zu machen, bedeutet auf der
anderen Seite n i c h t, daß sich der Staat überhaupt erst
heute zum Anwalt des Exportgeschäfts mit Waffen macht. Denn wenn
fremde Souveräne an den Qualitätsschlagern deutscher Rüstung In-
teresse zeigen, realisieren sie nicht nur den Profit des Rü-
stungskapitals und verhelfen so dem Staat zu E i n n a h m e n
aus fremden Taschen, sie reduzieren durch vergrößerte Stückzahlen
auch die Kosten für die Produktion der Gewaltmittel im eigenen
Land, die für den Staat faux frais (= unproduktive Kosten) dar-
stellen. Das heißt, der fremde Staat finanziert durch seine faux
frais die Entwicklung hiesiger Rüstung mit, was die Größe staat-
licher Verschuldung erfreulich vermindert, die für diesen als un-
verzichtbar geltenden Zweck in die Welt gesetzt wird.
Neu ist also lediglich das offizielle Dementi der alten Sprüche
von "Zurückhaltung" auf diesem moralisch so prekären Geschäfts-
sektor. Diese "Zurückhaltung" wurde von der SPD-Herrschaft immer-
hin so erfolgreich gehandhabt, daß sie die BRD auf den 5. Platz
der größten Rüstungsexporteure in die 3. Welt hinaufkatapultierte
(von der ersten nicht zu reden, die ja sowieso nicht unter Waf-
fenexport "bedenken" fällt). Und dies ganz ohne erst durch die
"Rüstungslobby" bestochen worden sein zu müssen!
Zum Thema "paradoxe Aufrüstung der "Dritten Welt" läßt sich aus
alledem eines sicher entnehmen: Wenn die staatlichen
S u b j e k t e des entsprechenden Exports hier eine
G e s c h ä f t s konkurrenz abwickeln, verfügen sie offenbar
über die Sicherheit, daß an d i e s e r Aufrüstung überhaupt
nichts "paradox" ist. In den Osten wird schließlich trotz vorhan-
dener Geschäftsmöglichkeiten ganz sicher n i c h t geliefert,
sondern dahin, wo offenbar unsere Waffen völlig zu Recht h i n-
g e h ö r e n, wo also ein "uns"' genehmer G e b r a u c h
dieser Waffen sichergestellt ist!
Dasselbe in offizieller Redeweise, die staatliche Neufestsetzung
der "Waffenexportbeschränkung" betreffend:
"Danach sollen Kriegswaffenexporte in Länder, die der NATO nicht
angehören oder NATO-Ländern nicht gleichgestellt (!) sind, nur
ausnahmsweise möglich sein, 'wenn nach begründeter Auffassung der
Bundesregierung im Einzelfall vitale außen- und sicherheitspoli-
tische Interessen der Bundesrepublik unter Berücksichtigung der
Bündnisinteressen dies erfordern und die innere Lage in dem be-
troffenen Land dem nicht entgegensteht.'"
Die Ausnahme beträgt "52 Entwicklungsländer". (Generalanzeiger
6.3.82)
Herrschaft in der "Dritten Welt":
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Imperialistisch produzierte Gewalt...
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Das Bild von den Unschuldslämmern, als die unsere Politiker sich
aufführen, wann immer Probleme der Dritten Welt verhandelt wer-
den, stimmt eben überhaupt nicht. Die Attitüde; sich ganz neutral
Sorgen um die in südlichen Breiten immer zu locker gehandhabten
"Menschenrechte" zu machen, - selbst schon ein selbstgefälliges
Zeugnis der imperialistischen Sicherheit, über die ganze Welt zu
verfügen -, begleitet E n t s c h e i d u n g e n der USA, BRD
und anderer westlicher Länder, in denen die Mittel festgelegt
werden, mit denen sich die Gewalthaber dort unten so aufführen
können. Die souveränen schwarzen und braunen Politiker bekommen
so viele Waffen, wie "wir" es für notwendig erachten - und dafür
können es nie zu viele sein. Die Gewissensbisse, die bundesdeut-
sche Regierungen quälen sollen, wenn sie um militärische "Hilfe"
angegangen werden, kürzen sich immer auf das stolze Bekenntnis
zusammen: Was effektive Gewaltanwendung angeht, sind wir das an-
erkannte V o r b i l d der "Dritten Welt:"
"Der weltweite Ruf des Bundeskriminalamts als modernstes Dienst-
leistungszentrum (!) der Polizei und nicht zuletzt die abenteuer-
liche Befreiung der Geiseln von Mogadishu durch die Spezialein-
heit GSG 9 haben Anfragen und Wünsche aus immer mehr Staaten be-
günstigt und dadurch die Bonner Politiker oft vor schwierige Ent-
scheidungen gestellt ... Diese Verschwiegenheit (!?) hat gute
Gründe: Denn bei den Empfängerländern handelt es sich nicht nur
um sensible demokratische Staatswesen. Den Bonner Lieferanten ist
deshalb das Risiko (!) durchaus bewußt, daß ihr Gerät im Bedarfs-
fall auch gegen politische Gegner eingesetzt werden könne."
(Frankfurter Rundschau) (als gäbe es dort überhaupt einen anderen
'sinnvollen' Einsatz als diesen!)
Besonders "belastend" soll der Gedanke sein, daß ein Diktator,
der neues Kriegsmaterial geliefert bekommt, sich damit an seinem
Volk versündigen könnte:
"Der Gedanke, daß deutsche Waffen sich in den betroffenen Gebie-
ten eines Tages auch gegen die dortige Bevölkerung richten könn-
ten, gehört zu den Belastungen, mit denen ein Politiker leben
muß." (Brück, Staatssekretär im Entwicklungsministerium der alten
Regierung)
Eine Belastung, mit der sich leben läßt: der Bau und die Auslie-
ferung von U-Booten für Chile ist "unbedenklich", denn "damit
können keine Arbeiterstreiks niedergeschlagen werden".
Das stimmt freilich - dafür werden Panzer, Flugzeuge und U-Boote
nicht gebraucht. Mit dem Hunger und Elend ihrer Völker werden die
Politiker der "Dritten Welt" schon immer alleine fertig, auch
ohne das zusätzliche Kriegsgerät, das ihnen der Westen so frei-
giebig liefert. Ihr Manko ist lediglich, daß ihre Herrschaft man-
gels produktiver, Benutzung ihres Volkes allein auf militärischer
Gewalt beruht und die Konkurrenz um die Macht zwischen den Herr-
schaftsfiguren allein durch diese Gewalt entschieden wird.
Nur in diesen Kämpfen bekommen die Massen normalerweise überhaupt
zu spüren, daß sie einer Herrschaft unterworfen sind - Leichen
fallen reichlich an, ob eine "nationale Revolution" niederge-
schlagen wird oder Erfolg hat. Im Verhältnis zu anderen Staaten
in der eigenen Region besitzen die Staaten der "Dritten Welt"
kein anderes Mittel als ihren militärischen Machtapparat, um sich
selbst zu behaupten und ihre eigene Souveränität zu einem
Drohmittel gegen andere Staaten, die ihnen in der gleichen Weise
begegnen, auszugestalten. Zu anderen, "friedlichen" Formen der
internationalen Erpressung fehlen ihnen alle Mittel: Was das Land
überhaupt ökonomisch hergibt, zählt nur als Mittel für die impe-
rialistischen Staaten, deren "Entwicklungsländer" sie sind. Als
Staatsmänner ist den südlichen Politikern das harte Ideal: jeder
Staat ist nur so weit nützlich für seine Gesellschaft, wie seine
anerkannte Gewalt nach innen und außen reicht, ebenso selbstver-
ständlich wie einem Reagan und ebenso selbstverständlich ist ih-
nen die eingesehene Notwendigkeit, dafür so viel Gewaltmittel in
die Hand zu bekommen, wie nur immer möglich. Sie besitzen nur
nicht die Freiheit, sich diesen Wunsch aus eigenen Stücken zu er-
füllen. Ebenso wie auf allen anderen Gebieten wird ihnen auch auf
dem militärischen demonstriert, daß sie nur als Material imperia-
listischer Interessen Gewalt haben. Die moralische Umsetzung die-
ses Standpunkts lautet hier: Weil sich Dritt-Welt-Staaten ihren
militärischen Aufwand nicht leisten können, müssen sie verrückt
und vom militärischen Prachtwahn befallen sein, wenn sie's den-
noch tun. Schließlich weiß doch jeder: Poplige Grenzstreitigkei-
ten zwischen zwei afrikanischen Staaten sind mit dem Wiederverei-
nigungs"gebot" der BRD gar nicht vergleichbar! Und diese Sorte
von bedenklichem Kopfschütteln macht nicht einmal ein Geheimnis
daraus, daß die "gefährliche Überrüstung" der "Dritten Welt" nur
hier beschlossen, genehmigt und ins Werk gesetzt wird.
...wird vom Imperialismus mit Mitteln ausgestattet.
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Heute ist auch der letzte geheuchelte Schein eines Unterschieds
der BRD etwa zu Frankreich entfallen, das in puncto Waffenbrüder-
schaft mit der "Dritten Welt" immer schon freizügigere Auffassun-
gen hatte und damit bei seinen "Partnern" nichts als Begeisterung
hervorruft:
"Das Material, das unserem Staat (von Frankreich) übergeben
wurde, setzt sich zusammen aus: vier Schnellbooten und 34 "Samo"-
Jeeps, die dazu bestimmt sind, die Schlagkraft unserer nationalen
Gendarmerie sowohl bei der Überwachung der Küstengewässer und
Grenzen als auch bei Aufgaben der inneren Sicherheit zu erhö-
hen... Er (der französische Botschafter) hat sich überzeugt ge-
zeigt, daß die drei kommenden Jahre im Zeichen weiterer
Hilfspläne stehen werden... Familienatmosphäre bei der Übergabe-
zeremonie..." (Fraternite Matin, Elfenbeinküste, 10.2.83)
Waffen in der "Dritten Welt" - unsere NATO-Waffen
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"Admital Gracey (Chef der US-Küstenwache auf Afrikarundreise) und
andere hochrangige Offiziere erteilten uns den Rat, daß die Kü-
stenwache der Vereinigten Staaten durch ihre relativ bescheidene
Größe und durch die Vielfalt der ihr übertragenen Aufgaben ein
Modell ist, von dem sich die Marine-Streitkräfte der an der Küste
gelegenen kleineren Entwicklungsländer inspirieren lassen könn-
ten." (Fraternite Matin, Elfenbeinküste, 18.2.83)
Wozu braucht eigentlich ein afrikanischer Küstenanlieger die mo-
dernsten amerikanischen Schnellboote? Sicher nicht bloß dazu, die
'Kähne' von Schwarzhändlern zu versenken, die aus der staatli-
cherseits erzeugten Güterknappheit ein Geschäft machen, das doch
zu Recht nur der jeweiligen Herrschaft zusteht! Der US-Admiral
meint mit seinem "Modell" den von der Weltmacht Nr. 1 erhobenen
Anspruch noch an das hinterletzte afrikanische Land, das jede Kü-
ste auf der Welt (und nicht nur die Küste) unter Kontrolle bedin-
gungslos zuverlässiger und modern ausgerüsteter Vasallen stehen
muß, den Anspruch an jeden solchen Staat, daß seine Rüstung als
strategischer Baustein einer weltumfassenden antisowjetischen
(Vorkriegs-) Front tauglich und verfügbar zu sein habe.
Der "Frieden in Freiheit" auf der ganzen Welt verlangt also neue
Dimensionen der Aufrüstung auch in der Dritten Welt und weist den
Waffenempfängern dort explizit einen ausführenden Part in der
hiesigen Außenpolitik zu: Eure Waffen sind Waffen für unsere
Ziele. Das hörte sich unter dem früheren Entwicklungshilfemini-
ster Offergeld noch so an:
"Der verschärfte Ost-West-Konflikt führt auch zu wachsender Rü-
stung in der Dritten Welt." (Vorwärts)
Wer "führt" hier eigentlich "zu"? Die Antwort geben Reagans neue
Richtlinien für Waffenhandel:
"Sie befreien die Rüstungslobby von der Auflage, bei Anträgen auf
Militärhilfe zunächst zu prüfen, ob das Empfängerland die Men-
schenrechte achtet, und erklären, daß 'Waffenverkäufe als positi-
ver und zunehmend wichtiger Bestandteil unserer Haltung (!) zur
globalen Sicherheit und als Schlüsselelement unserer Außenpoli-
tik' betrachtet werden sollten." (Staatssekretär Buckley laut
Spiegel, 13.9.82)
Die Zahlungsfähigkeit der Drittweltländer darf keine Schranke für
politisch erwünschte Geschäfte der eigenen Rüstungsindustrie
sein: Das amerikanische General Accounting Office befürchtet,
"daß der Zahlungserlaß für frühere Waffenkäufe schon bald den
Hauptteil der Militärhilfe ausmachen könnte",
was selbstverständlich nichts an dem Vorsatz ändert,
"die weltweite Militärhilfe stetig auszubauen". (Spiegel)
Man vergleiche die Reichweite dieses freiheitlichen Weltherr-
schaftsanspruchs, die mit jeder Waffenlieferung unterstellte
Selbstverständlichkeit, daß der Fortschritt der westlichen Welt-
ordnung ohne Krieg nicht zu haben ist, mit dem westlichen Ge-
schrei über wirkliche oder auch nur erfundene Waffenlieferungen
der SU an ein "Entwicklungsland"! "Waffen vom Feind = Sicher-
heitsrisiko für uns = eure Souveränität ist eigentlich ein Ver-
stoß gegen das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes = ihr braucht
eine von uns ausgerüstete und angeführte Befreiungsbewegung": So
geht die souverän aufgemachte Gleichung, deren Resultat derzeit
nicht nur in Nicaragua und Angola Hunger und Leichen produziert.
Den "Entwicklungsländern" wurde zwar auch früher von Fall zu Fall
konzediert, daß sie ganz e i g e n s t ä n d i g "kleine" -
aber deswegen keineswegs weniger Opfer produzierende! - Kriege
gegen mißliebige Nachbarstaaten (siehe Tansania - Uganda) oder
einen jahrelangen Bürgerkrieg zwecks Entscheidung über die Macht
im Staate (siehe Tschad) abwickeln "durften". Dies eben unter der
Vorbedingung und so lange, wie keiner der Kontrahenten in Ver-
dacht geriet, sich als Anwalt von "östlichem Einfluß" mißbrauchen
zu lassen. Ohne solche "Gefahren" konnte man dann gleich beide
Seiten mit Waffen beliefern und ein doppeltes Geschäft aus der
Schlächterei machen! Heute wird diese Eigenständigkeit aber mit
dem Verdacht belegt, sie könne zu M i ß b r a u c h des gelie-
ferten Geräts für eigensüchtige Nationalambitionen der Entwick-
lungsländer führen: Eine US-Studie belegt,
"daß Waffenlieferungen die Entwicklungsländer nicht etwa an die
Kette legen, sondern ihnen neue militärische Möglichkeiten geben
und die Fähigkeit der USA verringern, das Geschehen zu kontrol-
lieren." (Spiegel, 13.9.82)
Was belegt diese "Befürchtung" anderes, als daß die USA "das Ge-
schehen" zu kontrollieren haben und die Entwicklungsländer dafür
gefälligst an die Kette gehören? Der Falkland-Krieg hat dann ja
unter anderem der Klarstellung gedient, daß nicht einmal ein mit
'lokalen Aufgaben versehener NATO-Verbündeter sich das Recht neh-
men darf, daraus Ansprüche gegen eine NATO-Obermacht abzuleiten.
Neben den aufgeregten Debatten darüber, daß französische Raketen
und Flugzeuge in argentinischer Hand britische Schiffe und Solda-
ten zerstören, war schnell entschieden, daß so verwandtes Kriegs-
material- der konkurrierenden Rüstungsverkäufer gegen die Waffen
der Ursprungsländer kein Recht und keine Chance hat.
Umgekehrt sehen solche Länder deswegen zumeist von vornherein
heute die Chance zur nationalen Größe darin, sich als militäri-
sche Unter-Ordnungsmacht und westlicher Polizeigehilfe der jewei-
ligen Region ausrüsten und benützen zu lassen. So frohlockt Zia
ul-Haq, der Pakistanerchef, in einem Interview mit "Time"
(31.12.82):
"Wir sind Präsident Reagan sehr dankbar. Als wir das Angebot der
F-18 Bomber erhielten, haben wir zugegriffen. Mit dieser Luft-
waffe werden unsere Grenzen, die derzeit durch die sowjetische
Präsenz in Afghanistan gefährdet sind, etwas sicherer. 40 Flug-
zeuge können natürlich nicht den Unterschied ausmachen. Aber die
Anwesenheit einer überlegenen Luftwaffe gibt einem mindestens so-
viel moralische wie militärische Übermacht."
Es war schon immer eine treffliche Moral, einen großen Bruder zu
haben, Afrikanische Staaten wie Kenia, Nigeria, Senegal und Zaire
bemühen sich nach Kräften, dem Vorbild Südafrika (siehe MSZ, Nr.
2/83) nachzueifern und mit der freiheitlichen Parole, daß "Afrika
den Afrikanern" gehören soll, ernst zu machen:
"Wir arbeiteten dann eng mit der OAU zusammen in Vorbereitung ei-
ner afrikanischen Friedenstruppe, die im Tschad die Ordnung auf-
rechterhalten sollte, wenn die Libyer abgezogen (!) waren, Eine
afrikanische Friedenstruppe wurde daraufhin in Rekordzeit in den
Tschad geschickt, bevor dort ernste Machtkämpfe ausbrechen konn-
ten. Diese bemerkenswerte Leistung ist dem Vorsitzenden Arap Moi
und den Staaten Nigeria, Zaire und Senegal, die die Truppen
stellten, zu verdanken. Die USA erleichterten und unterstützten
diese friedenssichernde Maßnahme." (Chester Crocker vor dem Se-
natsausschuß für auswärtige Angelegenheiten)
Überhaupt gibt es heute nichts Schöneres für eine Entwicklungs-
diktatur, als wenn ihr durch die Gunst der geographischen Lage
und sonstige Naturumstände die Ehre zuteil wird, zum Militär-
stützpunkt der Amis auserkoren zu werden: So kann ein J.R. Jaye-
wardene einen Naturhafen als Trumpfkarte gegen Indien, die
"Hegemonialmacht der Region", ausspielen. Die "Süddeutsche Zei-
tung" (7.4.83) berichtet unter dem Titel "Sri Lankas Neutralität
könnte in Gefahr geraten. Präsident Jayewardene denkt daran, den
Amerikanern den Hafen Princemalee als Stützpunkt zu überlassen":
"Dem (marktwirtschaftlichen) 'Aufbruch zu Fortschritt und Frei-
heit' entsprach auch in der Außenpolitik eine Orientiemng auf Po-
sitionen des Westens, bei dem sich J.R.s Sri Lanka zudem mit Kre-
diten für seine ehrgeizigen Entwicklungsprojekte bedenkenlos ver-
schuldete (Vgl. MSZ Nr. 2/83: Radikalisierte Ansprüche...) Jetzt
kündigte J.R. an, der an der Ostküste Sri Lankas liegende Natur-
hafen solle schnell modernisiert werden, um wieder in den Rang
'eines der wichtigsten Schiffsladeplätze der Welt' aufsteigen zu
können, wie er es schon 'zu Zeiten der Römer' gewesen sei."
Was kann einem Drittweltstaat, der rein im Militärapparat seine
wesentliche Herrschaftsorganisation und sein Anerkennungsmittel
nach außen hat, besseres passieren, als daß er eine Stütz-
punktrolle im weltweiten Freiheitsverteidigungssystem zugewiesen
bekommt oder gar eine alle seine lokalen Ansprüche - und seine
Mittel erst recht - übersteigende nationale Beteiligung an der
Vorwärtsverteidigung einer Region.
Ganz jenseits seiner eigenen ökonomischen Bedeutung für den We-
sten wird er mit Panzern, Flugzeugen und Raketen ausgestattet -
und gilt dadurch im Kreise seinesgleichen ganz automatisch mehr,
auch wenn dieses Kriegsmaterial gar nicht mehr seiner freien Ver-
fügung untersteht. So sortiert sich plötzlich die Drittwelt kon-
sequent nach "Ost-West-Kriterien" und die Massen sind nicht mehr
nur die Opfer des Geschäfts, sondern auch der
D u r c h s e t z u n g der Freiheit gegen Osten, für die sie
nicht einmal gebraucht werden, von der sie kaum je etwas gehört
haben. So zahlen sie den Preis der Freiheit.
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