Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR RUESTUNGSINDUSTRIE - Ein Geschäft geht seinen Gang
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Münchner Hochschulzeitung Nr. 12, 12.05.1982
MBB: Unternehmensphilosophie eines Rüstungskonzerns
KRIEGSGEWINNLER SCHON IM FRIEDEN
Daß der "Krieg, heute die Wehrtechnik, die Mutter aller Technik"
sei, versteht sieh für die MBB-Geschäftsführung geradezu von
selbst. Für ein Rüstungsunternehmen ist diese spezifische tech-
nische Ausrichtung schließlich Grundlage der Produktion, sozusa-
gen "existenziell", und führt nach Meinung des Vorsitzenden Gero
Madelung zu "Spitzenleistungen" - technisch gesehen, und ist
insofern ganz zivil.
"In der Wehrtechnik geht es darum, eine technische Antwort auf
die zu erwartenden technischen Anstrengungen eines potentiellen
militärischen Gegners zu finden. Dies kann noch existentieller
sein als der allerhärteste Konkurrenzkampf im Wirtschaftsleben -
und das führt erfahrungsgemäß am raschesten zu Spitzenleistun-
gen." (VDI-Nachrichten, 26.3.82)
Das Ansehen, das ein deutsches Wehrunternehmen in der intelligen-
ten Fachwelt genießt, stützt sich dabei auf eine Ideologie, die
in der Welt des Nationalismus ihr eigenes Gewicht hat: technisch
ganz vorne zu sein, über fortgeschrittenes 'know how' zu verfügen
u.ä. Die gepflegte Ideologie besteht darin, daß die Forschungen
und Entwicklungen für das Militär ein Ergebnis hervorbrachten,
das jenseits der sehr zweckmässigen Gestaltung der an die Technik
herangetragenen Aufgaben läge, und daher etwas "Großes" sei. Die
Lüge allerdings, daß die militärischen Anstrengungen wegen der
Teflonpfannen, die man dann hinterher hat, unternommen würden,
will niemand mehr groß aufbringen. Wer braucht auch schon die
Nachführeinrichtung einer Panzerabwehrwaffe oder die Steuerelek-
tronik eines Tornado. Argument soll sein, daß das Unternehmen
nicht so sehr Rüstungsgüter, sondern eher "Ideen" produziere wer
wollte dagegen etwas haben!
"Auch bei Militärtechnik handele es sieh - industriell gesehen -
um etwas ganz Gewöhnliches. Wenn ein Unternehmen wie MBB auf dem
rüstungstechnischen Sektor Trends erkenne und den Dialog mit den
Bedarfsträgern fahre, entwickle sich daraus eine gewisse Eigendy-
namik des Marktgesehehens - "solange es keine Ketzerei ist. neue
Ideen zu haben!"
Aber i wo denn. Die Ersinnung neuer, technisch perfekter Tötungs-
mittel kann doch keine Ketzerei sein, solange es einen ehrenwer-
ten "Bedarfsträger" gibt. Und wenn der für die Glanzstücke deut-
scher Wertarbeit, die er als Auftraggeber nun einmal verlangt,
auch noch ganz gewöhnlich bezahlt, kann man in der Tat von etwas
ganz "Gewöhnlichem" reden. Wem wollte wenn er schon von der Sorte
Produkt absieht die hier vertrieben wird, auch ein Einwand gegen
die Marktwirtschaft einfallen.
Daß hier "Neues" erfunden wird, ist ein starkes Argument, dem
sich anscheinden kein Vertreter der Zunft entziehen will. Da wim-
melt es nur so von "interessanten Problemen" wie "abreißenden
Strömungen an Tragflächen", "Bahnbrechendem" wie "Glasfaser-Ver-
bundwerkstoffen" für Hubschrauberrotoren, oder auch einfach der
"modernsten Flugzeugfabrik der Welt" mit ihrer "automatischen
Fertigungsstraße" für den Tornado. Daß bei dieser Sorte Giganto-
manie von den mit ihr verfolgten Absichten nicht die Rede wäre,
ist allerdings nur das Image, das man hin und wieder der Öffent-
lichkeit und dem geschätzten Nachwuchs gegenüber für angebracht
hält. So wie die Bundeswehr 12jährige Kinder für ihren Kampfauf-
trag am Tag der offenen Tür mit einer Führung durch ihr techni-
sches Gerät und einem anschließenden Schlag aus der Gulaschkanone
begeistert, wird hier mit der Unterstellung, daß die Produktion
von Waffen eine Selbstverständlichkeit wäre, für die technisch-
wissenschaftlichen Ergebnisse, denen das Unternehmen angeblich
dient, geworben. Der "allgemeine" Nutzen, den dabei eine 'Titan-'
oder sonstige Technologie haben soll, wird dabei noch jedesmal
von dem Produkt widerlegt: warum wohl werden bestimmte Legierun-
gen entwickelt? Nicht umsonst pflegt der Rüstungskonzern das
Image "dem existentiellen Druck eines Kriegsgegners" standhalten
zu wollen. Das Ideal, für den Frieden zu produzieren, will sich
ein solches Unternehmen wegen der Effektivität des herzustellen-
den Zeugs gar nicht erst leisten. Insofern läßt es auch gar kei-
nen großen Zweifel daran aufkommen, daß "d i e T e c h n i k",
die es produziert, in der technisch überlegenen Bewältigung
"eines potentiellen Gegners" besteht, also in der Frage, wie sich
das am besten bewerkstelligen läßt. Technische Überlegenheit,
d.h. Überlegenheit des Materials ist dabei ein entscheidender
Vorteil, den man über den Feind zu erringen gedenkt. So detail-
liert militärisch muß es der tüftelnde Techniker allerdings gar
nicht wissen; ihm genügt die von den Militärs eröffnete Aufgaben-
stellung, um seine "Antworten" zu finden - ganz als Techniker,
der beurteilt, was geht und was Utopien der "Bedarfsträger" blei-
ben. An ihm jedenfalls soll's nicht gelegen haben, wenn der näch-
ste Krieg verloren geht.
Der zweite Beweis, daß es sich bei einem Rüstungsunternehmen um
etwas ganz "Normales" handelt, besteht aus dem Hinweis, daß MBB
auch in der zivilen Wirtschaft erfolgreich sei - mit Militärtech-
nik.
"VDI-Nachrichten: Die wehrtechnischen Rosinen von MBB sind be-
kannt... wie steht es mit der ziviltechnischen Nutzung dieser
wehrtechnischen Kreativität? Madelung: Durch den Zusammenschluß
mit VFW hat sich eine Erweiterung unserer ziviltechnischen Akti-
vitäten ergeben. Im Airbus wurde Militärtechnik verwertet als
jüngstes Beispiel und erstmals ein einem Zivilflugzeug der digi-
tale Autopilot entsprechend einer Entwicklung aus dem Tornado.
Unsere Hubschrauber gingen zuerst in der zivilen Version in Se-
rie, wobei militärische Komponentenentwicklungen eingeflossen
sind... Das Leichtbau-know-how aus der Flugzeugtechnik wiederum
findet seinen Niederschlag im MBB-Waggonbau, und jenes der Regel-
technik beispielsweise im Antrieb von Heliostaten für Sonnen-
kraftwerke."
So ungefähr hat der Erfinder es sich vorgestellt: Rüstungsproduk-
tion nicht per Staatsbetrieb sondern als freies Unternehmen, wo
die nach wie vor 'kalkulatorischen Gewinne' für Kriegsgüter durch
eine geschäftsmäßig organisierte Produktion ergänzt werden, die
für die Preisgünstigkeit des Produkts stehen soll.
"Wir sind zwar bekannt geworden als Denkfabrik, jedoch sind wir
vornehmlich ein Wirtschaftsunternehmen und müssen uns daher am
Markt verhalten wie andere Industriefirmen auch, von Futurologie
können wir nicht leben. Das heißt auch rationalisieren..."
Umgekehrt verlangt ein solches Unternehmen für seine "zivile Kon-
kurrenzfähigkeit" Rüstungsaufträge noch und nöcher:
"Die großen US-Hersteller beispielsweise partizipieren bei der
Flugzeugentwicklung an strategischen Rüstungsmitteln, die bei uns
nicht eingesetzt werden."
Jedem Büstenhalterfabrikanten seinen nationalen Rüstungsauftrag!
Da soll noch einer sagen, daß es sich hier nicht um ein "ganz ge-
wöhnliches Unternehmen handelt. Modernste Vernichtungsmittel auf
modernsten Produktionsanlagen für das "Gefechtsfeld Europa" zwi-
schen Elbe und Ural, wenn erlaubt ein bißchen Export in befreun-
dete "Spannungsgebiete", und "40% ziviler Anteil, Tendenz stei-
gend." Auch wieder gerecht, daß im "Verteidigungsfall" der
"potentielle Gegner" darin ein bevorzugtes Angriffsziel sieht;
dann daß solch ein Werk eine Bedrohung darstellt, sieht anschei-
nend nur der so.
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