Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR RUESTUNGSINDUSTRIE - Ein Geschäft geht seinen Gang
zurück
Die Fusion MBB - Daimler Benz
WOZU BRAUCHT DIE BRD EINEN MILITÄRISCH-INDUSTRIELLEN KOMPLEX
Die Bundesregierung hat beschlossen, die funktionierende Zusam-
menarbeit zwischen Militär und Industrie zu einem Komplex auszu-
bauen. Unter dem Titel "Neuordnung der deutschen Luft- und Raum-
fahrtindustrie" hat die Bundesregierung deshalb aus dem Automo-
bilkonzern Daimler-Benz und dem Rüstungs- und Luftfahrtkonzern
MBB in den letzten Monaten ein nationales Rüstungs-High-Tech-
Monopol zusammengebastelt.
Zwar gibt es solche Dinger in unserer freiesten aller Marktwirt-
schaften eigentlich nicht; dennoch ist längst klar, daß die
"Abmahnung", die das Bundeskartellamt, offizieller Hüter der
Ideale der Marktwirtschaft, jetzt in Bonn auf den Tisch gelegt
hat, nicht mehr ist als die Unterstreichung des in Kreisen der
SPD, der Gewerkschaft bzw. im Mittelstand halbherzig erhobenen
markt-moralischen Zeigefingers. Schließlich gibt es ja die in der
Kartellgesetzgegung verankerte "Ministererlaubnis", die bei
"überragendem Interesse der Allgemeinheit" oder bei besonderen
"gesamtwirtschaftlichen Vorteilen" jede Entscheidung des Bundes-
kartellamtes aufheben kann; und das Amt selbst hat eingeräumt,
daß angesichts der "Entwicklungen auf dem Weltmarkt" und des Pro-
jekts "Binnenmarkt Europa" Vorteil wie Interesse der Nation auf
jeden Fall für das Fusionsvorhaben sprechen.
Die beiden Bestandteile des zukünftigen Konzerns passen nämlich
wirklich prächtig zusammen: MBB wickelt wesentliche Rüstungspro-
jekte der Bundesrepublik ab, ist Generalunternehmer für die na-
tionalen Raumfahrtaktivitäten und zeichnet für die BRD-Anteile am
Airbus-Programm verantwortlich. Daimler-Benz verfügt nicht bloß
über eine profitliche Automobilproduktion, sondern hat sich in
den letzten Jahren in die Rüstungs- und High-Tech-Schmieden AEG,
MTU und Dornier eingekauft und gebietet last not least über ein
paar unbeschäftigte Milliarden, die danach drängen, gewinnbrin-
gend angelegt zu werden. Unter der Regie des Daimler-Konzerns
sollen dann künftig die Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsabteilungen
von AEG, Dornier, MTU und MBB in einer "Deutschen Aerospace AG"
zusammengefaßt sein, von der jetzt schon stolz verkündet wird,
sie werde mit 12 Mrd. DM Umsatz und 86000 Beschäftigten in der
Rangfolge der Unternehmen dieser Sphäre Platz 3 in Europa und
Platz 11 weltweit einnehmen. Entwicklung und Produktion des
"Airbus" werden ausgegliedert und in einer neuen AG mit den Pro-
duktionsanteilen der anderen "Airbus"-Produzenten Frankreich,
Großbritannien und Spanien zusammengefaßt.
Der Zweck dieses Unternehmens ist wahrlich kein großes Rätsel.
Neuen, auf Zuwachs berechneten staatlichen Projekten in Rüstung,
Raumfahrt, Flugzeugindustrie und allem, was in dieser Sphäre an
modernster Technologieentwicklung zusammenläuft, soll zusätzli-
ches Kapital in einer Größenordnung zugeführt werden, wie sie au-
ßer einem Multi wie Daimler nur noch der Staatshaushalt selbst zu
bieten hätte. Und von der "Bündelung" des technologischen "know
how" wie der produktiven Kapazitäten der zusammengefaßten Unter-
nehmen versprechen sich die Konzernkonstrukteure offenbar, daß
sie dadurch in der "internationalen Arbeitsteilung" in der Luft-
und Raumfahrtindustrie (LRI) ein paar neue deutsche "Akzente"
setzen können.
Angesichts dieses Monsterprojekts tun sich ein paar Fragen aller-
dings schon auf:
Staat managt Kapitalkonzentration - wie das?
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Die Politik übernimmt hier die Aufgabe, den Zusammenschluß von
Unternehmen zu managen, also dafür zu sorgen, daß privat akkumu-
liertes Kapital in die Sphäre fließt, in der sie es haben will.
Schon bemerkenswert: anscheinend geht das ziemlich lässig in un-
serer freien Marktwirtschaft, daß Politiker beschließen, privat
erwirtschaftete Milliarden täten dem Ausbau der BRD-Rüstungsindu-
strie gut - und dann fließen die auch schon hin, wo sie sollen!
Soll über Fragen der Kapitalanlage hierzulande nicht eigentlich
"der Markt" entscheiden, also die Geschäftskalkulation von Kapi-
talisten? In der Tat. Und der Staat weiß ja auch gute Gründe,
weshalb er sich in die Frage, ob ein Unternehmen lieber mit Tex-
tilien oder mit Werkzeugmaschinen sein Geschäft macht, welcher
Konkurrenzmethoden es sich dazu bedient und wo es sich einkauft,
um andere vom Markt zu verdrängen, in aller Regel n i c h t
einmischt. Was ihrem Geschäftserfolg nützt, wissen Kapitalisten
noch immer selbst am besten, und da wäre der Staat der letzte,
der ihnen da unnötige Vorschriften auferlegen wollte.
Allerdings geht es bei dieser Fusion auch nicht einfach um den
Geschäftserfolg - weder um den von Daimler noch um den von MBB.
Es geht u m d i e b e s t e M e t h o d e z u r
R e a l i s i e r u n g n a t i o n a l e r P r o j e k t e -
vom "Jäger 90" über Hermes bis zum Airbus -, und diesem Anliegen
soll sich das Interesse Daimlers an gewinnbringender Kapitalan-
lage dienstbar machen. Hier soll sich ein Kapital seine Ge-
schäftssphäre gerade n i c h t g l e i c h g ü l t i g
g e g e n d a s b e s t i m m t e P r o d u k t, allein nach
dem erwarteten Gewinn suchen. Umgekehrt: die Politik tut das Ihre
dazu, um die Daimler-Millionen in die Sphäre zu locken, in denen
sie sie angelegt sehen will. Etwas "systemwidrig" ist sie also
schon, diese staatlich gemanagte Fusion - aber was tut man nicht
alles für eine schlagkräftige nationale Luft- und Raumfahrtzen-
trale!
Das heißt übrigens nicht, daß das Gelingen irgendeines hochflie-
genden Rüstungs-, Raumfahrt- oder Flugzeugprojekts bislang wegen
mangelnder Kapitalbeteiligung der bundesdeutschen Industrie in
Verzug geraten wäre. Wo es um die ausreichende, rechtzeitige und
qualitativ hochkarätige Ausstattung der BRD mit Rüstungs- und
ähnlichen Gütern geht, hat sich die Politik bislang nie davon ab-
hängig gemacht, ob die Produktion dieser Sächelchen einem Kapita-
listen lohnend genug erschien, um in entsprechende Forschung,
Entwicklung und Produktion zu investieren. Die Voraussetzungen
dafür, daß dies Interesse sich einstellte, wurden noch allemal
staatlicherseits geschaffen. Auf diese Weise ist ja auch der
"nationale" Rüstungskonzern MBB auf die Welt gekommen: in Reali-
sierung des bundesdeutschen Interesses an einer ganz nationalen
Abteilung hochmoderner Luft- und später Raumfahrt. "National" ist
der MBB-Konzern ja nicht nur insofern, als die entsprechenden
staatlichen Programme ebenso wie die Airbus-Milliarden die Ge-
schäftsgrundlage abgeben, von der her MBB sich in den letzten
Jahren in alle Abteilungen moderner Technologieentwicklung, von
der Magnetschwebebahn bis zum Superchip , "diversifiziert" hat.
MBB ist auch als "nationaler" Konzern organisiert: als Gesell-
schaft in der sich die Politik mittels Anteilen und personeller
Repräsentanz die Oberaufsicht sichert und die sich, da keine AG,
neues Kapital bislang auch nicht durch die schlichte Bedienung
eines privatkapitalistischen Interesses an Beteiligung am Ge-
schäftserfolg besorgt hat. So wurde bislang für die jederzeitige
reibungslose Identität zwischen dem Staatsinteresse an den hier
produzierten Gebrauchswerten und ihrer geschäftsmäßigen Abwick-
lung gesorgt.
Seit einiger Zeit stehen deutsche Politiker auf dem Standpunkt,
daß die gegenwärtige Ordnung der Luft- und Raumfahrtindustrie mit
einem Staatskonzern MBB an der Spitze und mehreren Privatunter-
nehmen - die sich inzwischen weitgehend Daimler-Benz unter den
Nagel gerissen hat - das überholte Produkt einer Zeit ist, in der
die Bundesrepublik diesen Zweig der nationalen Wirtschaft erst
noch auf Mittelmachtformat hochzupäppeln hatte. Jetzt aber, wo
die bundesdeutsche LRI gegenüber Frankreich und Großbritannien
nicht nur aufgeholt hat, werden für weiterreichende Pläne neue
Dimensionen in dieser Sphäre zwingend notwendig. Nationale Kon-
zentration und neue Größenordnungen in der Kapitalausstattung
werden unter dem Titel "industrielle Führerschaft" in die Wege
geleitet - ein Anliegen, das auch und gerade der deutsche Ober-
aufrüster in den Lüften, F.J. Strauß, vehement verfocht:
"Ich würde es sehr begrüßen, wenn durch ein namhaftes deutsches
Großunternehmen, ob dies nun Siemens, BMW oder DB heißt, ver-
stärkt unternehmerische Führung mit entsprechendem finanziellen
Engagement bei MBB zum Tragen käme..." (Strauß in "wehrtechnik"
7/87)
Wählerisch war er ebensowenig wie seine Nachfolger es waren: je-
des deutsche Unternehmen, egal ob BMW, Siemens oder DB, mit aus-
reichend Geld und eigener "technologischer Basis" war recht, um
der deutschen Luftfahrtindustrie zu der Kapitalgröße zu verhel-
fen, die die Politik für erforderlich hält. Aber daß es
p r i v a t a k k u m u l i e r t e s Kapital sein sollte, das
vermehrt in d i e s e S p h ä r e fließen sollte, war ausge-
macht. Und ebenso, daß in Zukunft die staatlichen Luft- und Raum-
fahrtprojekte in stärkerem Maße als bislang nach den Kriterien
der Kapitalvermehrung abgewickelt werden sollten - wovon sich die
zuständigen Herren offenbar nur Vorteile versprechen.
Der e r s t e Vorteil ist sehr schlicht: die für den neuen na-
tionalen Rüstungsmulti projektierte K a p i t a l g r ö ß e
kommt so nicht über eine weitere Beanspruchung des Staatshaus-
halts zustande, der ja schon für die Finanzierung der bundesdeut-
schen Zukunftsprojekte in Anspruch genommen ist. Z w e i t e n s
erhalten auf diese Weise die staatlich projektierten und finan-
zierten Vorhaben - ebenso wie die dafür eingerichteten und unter-
haltenen Entwicklungs- und Produktionskapazitäten - eine ökonomi-
sche Basis im Reichtum eines Konzerns, der n i c h t b l o ß
a n S t a a t s a u f t r ä g e n v e r d i e n t, also seine
Kreditwürdigkeit auch aus eigenem Geschäftserfolg bezieht; eine
gute Grundlage für weiteres, anlagesuchendes Kapital, hier mitzu-
mischen, wenn die "Deutsche Aerospace" erst einmal gegründet ist.
Und d r i t t e n s soll der Standpunkt privaten Gewinnemachens
gegenüber allen Abteilungen der in dem neuen Konzern zusammenge-
faßten Produktpalette neu aufgemacht und durchgesetzt werden, wo-
durch sich in der Frage, was hier noch alles entwickelt, produk-
tionsreif gemacht und an staatliche wie private Interessenten
verkauft werden kann, ganz neue Perspektiven eröffnen sollen.
Was also gegenwärtig unter dem Etikett "Neuordnung der LRI" als
Fusion Daimler-Benz - MBB läuft, ist in der Geschichte staatlich
betreuter Kapitalakkumulation in der BRD ein Novum: Weder geht es
darum, einer Industrie durch staatliche Hilfe besondere Startbe-
dingungen zu schaffen, die sie vom Konkurrenzdruck vorübergehend
entlastet und es ihr so erlauben soll, sich zur Weltmarktfähig-
keit zu mausern, wie etwa anfangs bei VW oder MBB. Noch ist hier
eine nationale Notlage zu bewältigen wie etwa bei der AEG, als
der Staat mit massiven Entschuldungshilfen die Wirkungen einer
AEG-Pleite auf das gesamte nationale Kreditsystem abgewendet hat;
und es geht auch nicht einfach um "Privatisierung" wie jüngst bei
der VEBA oder bei VW.
Der Witz der Fusion zwischen MBB und DB besteht nicht darin, daß
hier der Staat eine bislang unter seiner Regie gelaufene Abtei-
lung nationaler Produktion jetzt zur Domäne privater Reichtums-
vermehrung macht. Umgekehrt: hier wird privat akkumuliertes Kapi-
tel als produktives Unternehmenskapital - nicht etwa als
Leihkapital - ausdrücklich in den Dienst eines Staatsauftrags
gestellt. Der Inhalt der ökonomischen Kalkulationen des neuen
Multi soll sich fortan vom nationalen Auftrag der LRI her
definieren.
Die Verwirklichung der Idee eines privatkapitalistisch organi-
sierten, ganz deutschen Luft- und Raumfahrtunternehmens, das in
Europa führend sein soll, sagt einiges aus über die Fortschritte,
die die nationale Akkumulation und besonders die in der Sphäre
High-Tech, Luft- und Raumfahrt gemacht hat. Voller Stolz schwär-
men die BRD-Politiker von der geplanten Fusion. Unter ihrer Hege
und Pflege hat die "deutsche Wirtschaft" inzwischen eine
"Leistungsfähigkeit" erreicht, die es erlaubt, selbst Projekte,
für die Kapital im Umfang von Staatshaushalten mittlerer Nationen
erforderlich ist, Projekte also, auf die die vielgerühmte Pri-
vatinitiative die allein schon wegen der für sie verlangten Masse
an Kapitalvorschuß gemeinhin nicht verfällt, unter "industrieller
Führerschaft" erledigen zu lassen.
Vollkommen kleinlich und neben der Wirklichkeit bundesdeutscher
Politökonomie liegend sind also die als "Bedenken" vorgetragenen
Prognosen, daß bundesdeutsche Politik in die Abhängigkeit eines
Multis vom Schlage DB geraten könnte. Diese "Abhängigkeit" ist
mehr als gewollt - auf die ist politisch sehr planmäßig hingear-
beitet worden. Und eine Sorge hat die Protagonisten der Fusion
wie Strauß, Bangemann, Riedl usf. dabei sicherlich nicht umge-
trieben, daß nämlich ein Herr Edzard Reuter (SPD) sie zu Projek-
ten im Bereich der LRI erpressen könnte, die ganz gegen ihre na-
tionalen Interessen gingen. Auch hier ist alles umgekehrt gelau-
fen: Die nationalen und europäischen Großprojekte in Luft- und
Raumfahrt stehen. Die hat ein Reuter sich angesehen und ist sehr
schnell zu dem Schluß gekommen, daß seiner Liquidität in der
Größe etlicher Milliarden nichts Besseres als die Beteiligung an
diesem nationalen Auftrag passieren könnte. Was natürlich nicht
heißt, daß DB nicht mehr rechnet. Umgekehrt: das gehört mit zu
dem Auftrag, den Deutschland dem "guten Stern" anvertraut hat,
gerade dazu. Die zukünftige Führungsposition der BRD in der euro-
päischen LRI soll ein Erfolg des deutschen K a p i t a l s
sein!
Zu Wasser, zu Lande und jetzt auch in der Luft -
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Großmacht Europa unter deutscher Führung
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Kleinliche Bedenken, daß das gegenwärtige durch sowjetische Abrü-
stungsmaßnahmen und -angebote geschaffene internationale "Klima"
die Schaffung eines Rüstungsgiganten, der Hitlers Rüstungsschmie-
den weit in den Schatten stellt, etwa unzeitgemäß erscheinen las-
sen oder gar überflüssig machen könnte; oder daß Milliarden für
einen "Aufbruch ins All" die nationalen Kassen überstrapazieren
könnten, plagen deutsche Politiker in ihrer Planung neuer Dimen-
sionen für die Luft- und Raumfahrt wahrlich nicht. Das sieht man
schon an den Projekten, die in den letzten anderthalb Jahren
durch Beschluß der zuständigen Regierungen auf den Weg gebracht
worden sind. Im Mai 1988 wurde zwischen der BRD, Großbritannien
und Italien die Regierungsvereinbarung zur Entwicklungsfreigabe
eines neuen Kampfflugzeugs geschlossen, an dem die BRD mit 3% be-
teiligt ist; mit MBB als deutschem Hauptauftragnehmer, Dornier
als Unterauftragnehmer und unter Beteiligung von MTU und der
deutschen Ausrüstungsindustrie; 800 Serienflugzeuge sind geplant.
Die Euro-Rakete Ariane geht ab 15.2.1989 in Serienfertigung; 50
Stück des Typ A4 werden gebaut; mit ERNO als Hauptauftragnehmer
für die 2. Stufe und für die Zusatzraketen. Der Typ Ariane 5 ist
in Arbeit. Vorletztes Jahr wurde die Beteiligung der BRD an der
europäischen Weltraumfähre "Hermes" beschlossen, das Columbus-
Projekt läuft und mit dem Raumgleiter "Sänger" will die BRD sogar
im Alleingang die Grenzen zwischen Luft- und Raumfahrt aufheben.
Stolz verkündete MBB-Vorstandsvorsitzender Vogels auf der letzten
Bilanzpressekonferenz:
"Für 1989 erwarten wir einen Auftragsbestand, der mit 14 Mrd. DM
doppelt so hoch ist wie unser Umsatz in diesem Jahr... Jeder Un-
ternehmensbereich hat mindestens ein neues großes Zukunftspro-
gramm in den Büchern: Jäger 90, PAH-2, PARS-3, Minenjagdboote MJ
332, Columbus und Ariane, Airbus..." (MBB aktuell 12/88)
Daß die BRD als einziges europäisches Land an allen entscheiden-
den Rüstungs- und Raumfahrtprojekten Europas maßgeblich bgteiligt
ist, macht hiesige Politiker wie Wirtschaftsführer ebenso stolz
wie unzufrieden. S t o l z, insofern die BRD an vorderster
Front mit darüber bestimmt, welche Projekte hier in Angriff ge-
nommen werden, und weil der BRD-Anteil an Entwicklung und Ferti-
gung der entsprechenden Produkte aufgrund wachsender technologi-
scher und produktiver Potenzen in der letzten Jahren ständig zu-
genommen hat. U n z u f r i e d e n, insofern die eindeutig
führende Rolle, die die BRD hier anstrebt, damit noch nicht gesi-
chert ist. Schließlich denken und handeln die europäischen Koope-
rationspartner und Konkurrenten genauso wie die BRD:
"Wir stehen vor einer Institutionalisierung des gemeinsamen euro-
päischen Marktes und dabei spielen ganz andere Unternehmensgrößen
eine Rolle. Wir haben einen ungeheuren Konzentrationsprozeß in
europäischen Ländern: In Großbritannien konzentriert sich immer
mehr bei British Aerospace, und Frankreich ordnet seine Luft- und
Raumfahrtindustrie weitgehend aus der Position der Staatsgesell-
schaften heraus, wobei genau festgelegt ist, wer was entwickelt,
wer was fertigt. Wir in Deutschland hingegen haben vergleichs-
weise eine weitgehende Ungeordnetheit, wir haben Kapazitäten, die
im Wettbewerb um die Auslastung kämpfen. Dies ist keine optimale
Voraussetzung für die Bundesrepublik Deutschland, um mit ihrer
Luft- und Raumfahrtindustrie einen gestaltenden Einfluß auf die
europäische Luft- und Raumfahrtindustrie zu gewinnen." (Hans Vo-
gels, Vorsitzender der MBB-Geschäftsführung, im Interview mit
'wehrtechnik', 9/88).
Wo es darum geht, in internationalem Maßstab die Konkurrenz aus
dem Felde zu schlagen, entdecken gestandene Kapitalisten doch
glatt ihr Herz für Produktionsplanung per Staatsgewalt. Das mit
dem "Kämpfen um Auslastung" ist zwar ein bißchen gelogen. Aber
das Interesse ist klar: "gestaltender Einfluß" soll sein, und
zwar selbstverständlich deutscher, will sagen: mit dem Status ei-
nes möglicherweise bloß Gleichberechtigten in der europäischen
Rüstungs- und Raumfahrtkooperation mögen sich Politiker wie Un-
ternehmer in dieser Sphäre nicht zufrieden geben. "Wettbewerb",
der sonst angeblich "das Geschäft belebt" und überhaupt in Sachen
Preis und Qualität Wunder wirken soll, wird hier endgültig als
nicht dienlich empfunden:
"Unsere Fähigkeiten und Kapazitäten haben internationales Spit-
zenniveau. Wenn die BRD, wenn Europa bei der Lösung der großen
Zukunftsaufgaben eine Rolle spielen will, reicht allerdings die-
ses Spitzenniveau von MBB allein nicht aus... Der Wettbewerb in
diesem Bereich nimmt immer mehr globale Dimensionen an. Die Japa-
ner z.B. haben sich zum Ziel gesetzt, ihren Weltmarktanteil im
Luft- und Raumfahrtsektor von heute etwa 2 auf 10% im Jahre 2010
zu steigern. Die Amerikaner stellen sich dem globalisierten Wett-
bewerb mit neuen Firmengiganten wie General Motors und Hughes,
die 180 Mrd. im Jahr umsetzen. Das ist mehr als 25mal soviel wie
der Umsatz von MBB..." Und davon kann ein Vogels nur träumen,
denn: "Die amerikanische Luft- und Raumfahrtindustrie setzt ins-
gesamt 230 Mrd. DM um. Die LRI der EG dagegen erreicht nicht ein-
mal ein Drittel dieses Volumens..." (MBB aktuell 12/88).
Eins steht also fest: die Bundesrepublik will 1. in den europäi-
schen Gemeinschaftsprojekten Entscheidenderes zu melden haben als
bisher; und mit diesen Projekten soll 2. den Japanern wie den USA
der Rang in der Luft- und Raumfahrt abgelaufen werden. Dafür soll
der neue nationale Konzern der BRD die materielle Basis abgeben.
Worum, in welcher Hinsicht da "gewettbewerbt" wird, um was für
einen "Markt" es sich da überhaupt handelt - da drücken sich die
zuständigen Herren gerne ein bißchen wolkig aus. Da geht es um
"Fähigkeiten", Kapazitäten, "Produktionsvolumina", gar um "die
Zukunft", und dann natürlich gleich die der Nation. Das soll al-
les irgendwie für sich sprechen - die Frage, warum Europa, warum
die BRD denn ausgerechnet da mithalten "muß", kommt gar nicht
erst auf. Ohne Sprüche wie weiland Kaiser Wilhelms "Deutschlands
Zukunft liegt auf dem Wasser" scheint es in dieser Sphäre nicht
abzugehen: Bloß daß die heute unbedingt in der Luft- und Raum-
fahrt liegen soll.
Daß es da zunächst einmal um Rüstung geht, ist sowieso klar, und
daraus wird spätestens seit der Auflage des SDI-Programms von
niemandem ein Hehl gemacht. Es geht aber nicht b l o ß um sie.
Schließlich ist der W e l t r a u m zu erobern, in dem es be-
kanntlich keine Grenzen gibt. Und zum Weltraum-Club zu gehören,
das ist für Staaten offensichtlich ebenso ehrenvoll wie für Pri-
vatpersonen die Zugehörigkeit zum "Rotary-Club". Nur mit der Ge-
mütlichkeit sieht es etwas anders aus. Schließlich thront über
allem das Zauberwort "high-tech", das so inhaltslos gar nicht ist
und dessen Nebenklang weniger mit Zukunftsromantik als vielmehr
mit der nationalen Verfügung über Technologien und deren Anwen-
dung für alles mögliche geschäftsnützliche Zeug zu tun hat.
Rüstung für gemeinsamen Zweck läßt viele Fragen offen
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Neue Rüstungsprojekte legen die europäischen Staaten derzeit jede
Menge auf. An deren Zweck wie Notwendigkeit gibt es nichts zu
deuteln: sie sind der europäische Beitrag zur Stärkung der NATO,
die bekanntlich desto mehr Wehrfähigkeit braucht, je mehr der
Hauptfeind auf die Klarstellung praktisch Wert legt, daß es wegen
ihm die Feindschaft zwischen Ost und West nicht zu geben
bräuchte. Vom Standpunkt dieses fraglosen, gemeinsamen NATO-In-
teresses, das alle Beteiligten gerade jetzt zum 40. Jahrestag
noch einmal unmißverständlich herausgestrichen haben, könnte ei-
nem die Art und Weise, wie neue Rüstungsvorhaben zwischen den eu-
ropäischen NATO-Partnern verhandelt werden, allerdings reichlich
seltsam vorkommen. So wenig Zweifel es an der Unverzichtbarkeit
der Programme selbst gibt, soviel Streit gibt es nämlich um die
Frage, w e l c h e r der selbsternannten Russenfeinde wie an
dessen Austüftelung, Vorbereitung, Ausgestaltung, Finanzierung,
Vermarktung beteiligt ist. Anscheinend gibt es für westliche Po-
litiker nichts Höheres und Wichtigeres, als den eigenen Wehretat
möglichst erfolgreich in dieser Feilscherei ins Spiel zu bringen;
und auf die Weise kommt die gemeinsame Rüstungsproduktion so
richtig auf Touren.
Diese eigentümliche Art, als Partner eines gemeinsamen Kriegs-
bündnisses Waffen-, also Souveränitätsfragen mit und gegeneinan-
der zu verhandeln, ergibt sich aus der besonderen Art und Weise,
in der die westeuropäischen Militär- und Wirtschaftsmächte unter-
einander und gemeinsam gegen die USA konkurrieren. Ihre eigene
Konkurrenz in Waffenfragen ordnen sie, was die "großen" Rüstungs-
projekte der NATO angeht, - zum großen Teil jedenfalls - dem ge-
meinsamen Nenner der Kooperation unter; nicht aufgrund einer be-
sonderen wechselseitigen Zuneigung, sondern wegen der ärgerlichen
Tatsache, daß jede europäische Macht für sich zu klein ist, um im
Geltendmachen ihrer nationalen Interessen Entscheidendes in einer
Welt zu putzen, in der die USA westliche Führungsmacht ist. Das
ist nun einmal zuallererst und vorrangig eine Waffenfrage! Aller-
dings: die sollte gerade mit der Einrichtung des NATO-Bündnisses
zwischen den Bündnispartnern eindeutig und endgültig geregelt
sein - zwischen ihnen sollte die militärische Drohung, die Er-
pressung, der Krieg kein Mittel mehr sein, Souveränitätsfragen zu
"beantworten"; nicht aus Friedensliebe, sondern weil die Waffen
der NATO gemeinsam dem Hauptfeind gelten! So war es nach dem
Krieg beschlossen - dafür steht die überlegene Militärmacht der
USA gerade. Inzwischen hat "Europa" selbst viele Interessen auf
der Welt, also allerhand zu verteidigen, auch ganz jenseits der
ohnehin feststehenden Erledigung des gemeinsamen Hauptfeindes;
und ebenso fest steht, daß "Europa", was seine Ausrüstung zum ei-
genständigen NATO-Pfeiler angeht, nichts anbrennen lassen will.
Darauf legen die Europäer nämlich inzwischen schwer wert: sich
mit eigenen Waffensystemen auszurüsten und nicht, wie etwa beim
neuen Jagdbomber angeboten, Entsprechendes von den USA zu kaufen.
In den Weltraum - für mehr Macht auf der Erde
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Es gilt aber auch ganz jenseits der gemeinsamen NATO-Aufgaben,
den Maßstäben, die die USA in Waffen- und Technologiefragen set-
zen, Paroli zu bieten. Daß man sich die Konkurrenz der
W a f f e n verbietet, heizt nämlich die Konkurrenz in
W a f f e n f r a g e n so richtig an. Und da spielt gegenwärtig
die Fähigkeit, auch im Weltraum die eigene Souveränität militä-
risch geltend machen zu können, die entscheidende Rolle. Deswegen
bewegen heutzutage Visionen wie folgende unsere Friedenspoliti-
ker:
"Eine autonome Fähigkeit Europas in der unbemannten wie bemannten
Raumfahrt wird es möglich machen, unsere 20jährige gute Zusam-
menarbeit mit Amerika von der Junior-Partnerschaft zur gleichbe-
rechtigten Partnerschaft weiterzuentwickeln. Das Ziel der Autono-
mie ist ja keineswegs die Autarkie... Das Ziel ist die Fähigkeit
zu gleichberechtigter Kooperation mit anderen und dort - wo es um
kommerzielle Bereiche geht - auch gleichberechtigtem Wettbewerb."
(Außenminister Genscher auf dem Ersten Deutschen Wirtschaftskon-
greß in Köln 10.3.1987).
Beruhigend klingt das gerade nicht. "Autonome Fähigkeiten" einer
Weltraummacht Europa! Wozu sollten die die beteiligten Staaten
wohl "befähigen"? Bekanntlich haben Staaten ein Recht auf der
Welt in dem Maße, wie ihre Gewalt reicht. Das wird im Raum nicht
anders sein, gerade weil er noch nicht in Hoheitszonen oder -kor-
ridore aufgeteilt ist. Wo soll denn da das Maß für
"Gleichberechtigung" liegen? Das liegt zur Zeit einzig und allein
im technologischen Vermögen, alles mögliche Zeug in den Raum zu
befördern, mit dem dann der eine oder andere Zugriff auf die Erde
bewerkstelligt, vorbereitet oder auch nur erkundet wird. Noch
werden ja im erdnahen Raum - von einigen schon vorhandenen, hand-
festen "Nutzungen" mal abgesehen - im wesentlichen erst die Vor-
aussetzungen dafür geschaffen, um hier dem imperialistischen
Ideal einer Totalbeherrschung der Erde, also der
a u s s c h l i e ß l i c h e n Gültigkeit der eigenen Souverä-
nität, zum Durchbruch zu verhelfen. Noch findet Konkurrenz hier
ohne viel Gedrängel statt, so daß gelegentlich der Eindruck ent-
stehen könnte, hier gehe es gar nicht um wechselseitigen Aus-
schluß von der Verfügung über neue Mittel der eigenen nationalen
Machterweiterung. Um die allerdings nutzen zu können, muß ein Na-
tionalstaat erstens in der Lage sein, irgendein Raumtransportsy-
stem zu produzieren, und zweitens auf der Erde über den entspre-
chenden "Einfluß" verfügen, der es gestattet, den Weltraum als
Mittel des imperialistischen Zugriffs auf die Welt auch
a u s n u t z e n zu können. Fast alles, was gegenwärtig in der
Weltraumindustrie produziert und erprobt wird, seien es Trägerra-
keten, Weltraumstationen, Labore, Raumfahrzeuge - von den Raum-
waffen ganz abgesehen - verdankt sich diesem Kalkül.
An der bloßen Existenz der Raumfahrtprogramme, denen sich eine
"Deutsche Aerospace" und demnächst auch eine ganz eigene regie-
rungsamtliche "Deutsche Raumfahrtagentur" (DARA) widmen darf,
ließe sich denn auch bemerken, daß die europäischen Nationen kei-
neswegs bloß die Welt w i r t s c h a f t im Sinn haben, wenn
sie sich als Konkurrenten der USA definieren, die endlich eben-
bürtig werden wollen, sondern sich a u c h u n d g e r a d e
i n W e l t r a u m (w a f f e n) f r a g e n zu einer ernstzu-
nehmenden Konkurrenz zu den USA aufzumandeln gedenken. Als euro-
päischer Politiker mit Weltmarkt- und -machtambitionen ist es ja
nicht schwer zu bemerken, daß die Freiheit der USA sowohl in Dol-
larfragen als auch im Zurechtweisen der europäischen Konkurrenz
in Affären wie Libyen ihre Grundlage in deren militärischen Unan-
gefochtenheit hat - und insofern läßt der ganze schöne
"Binnenmarkt", mit dem die Vorherrschaft der USA ihrem neuesten
ökonomischen Test unterzogen wird, diese letztlich solange unan-
getastet, wie sie nicht durch eine "echte" Waffenkonkurrenz un-
termauert wird! So sehen es die zuständigen Politiker, und des-
halb ist ihnen auch kein nationaler Reichtum zu schade, um hier
in die Waagschale geworfen zu werden.
Ein Genscher ist jedenfalls der Auffassung, daß diese Perspektive
wenn schon nicht national, so doch als vereinigter europäischer
Imperialismus inzwischen realistische Dimensionen angenommen hat.
Umso dringender die Notwendigkeit, die nationalen Potenzen, die
man in die Verwirklichung dieser Zukunftsperspektive einzubringen
hat, auf Vordermann zu bringen. Die Frage, wie die BRD-nationale
Luft- und Raumfahrtindustrie in diesen Projekten dasteht, ob und
wie die ihrem Ziel einer europäischen Technologieführerschaft
nützen, ist damit mit neuer Schärfe aufs Tapet gebracht. Von der
SPD übrigens wird sie in der trostlosesten aller denkbaren Formen
angesprochen:
"Präsenz im Weltraum bedeutet Macht. Geteilte Macht verhindert
Vormacht. Dies beziehe sich nicht nur auf die Militarisierung,
sondern auch auf die Information, die mit Erdbeobachtungssatelli-
ten gewonnen werde." (Rolf Linkohr, SPD-Weltraumsprecher im Eu-
ropa-Parlament, WK 27.8.87)
So macht man ganz harmlos den Amis Konkurrenz - mit dem
"Argument", die eigenen Weltraumambitionen dienten dem Zweck ei-
ner M a c h t b e s c h r ä n k u n g!
Wie ernst es gerade die BRD hier mit dem Ausbau einer
e i g e n s t ä n d i g e n nationalen Konkurrenzposition meint,
zeigt die Art und Weise, wie die BRD ihre in den letzten Jahren
hinzugewonnene Potenz in Luft- und Raumfahrtfragen gegenüber dem
Hauptfeind in Anschlag bringt: nämlich als neues Geschäftsmittel
ebenso wie als Mittel, sich hier als selbständiger politischer
Ansprech"partner" aufzubauen. Ausgerechnet den Chef des nationa-
len Rüstungskonzerns MBB hat Kohl auf seine letzte Moskaureise
mitgenommen; und dieser zeigte sich hocherfreut ob der Kooperati-
onsmöglichkeiten, die sich in Luft- und Raumfahrtfragen mit der
UdSSR auftun ließen. Zu diesem Zwecke hat man bereits eine
deutschsowjetische Kommission mit fünf Arbeitsgruppen gebildet;
die Sowjets sind am Airbus interessiert und an der Magnetschwebe-
bahn... Wenn bloß Cocom nicht wäre:
"Wir... müssen die Spielregeln der COCOM-Liste respektieren. Aber
sowohl Bundeskanzler Kohl als auch Außenminister Hans Dietrich
Genscher haben in Moskau deutlich gemacht, daß es dringend einer
Überarbeitung dieser Handelsbeschränkungen im Sinne einer Ent-
schärfung bedarf." (Vogels in Luft- und Raumfahrt 4/88).
Einerseits: Ein ziemlicher Affront an die Adresse der USA, dies
in der Höhle des Löwen zu sagen! Andererseits merkt man den Är-
ger, daß sich in solchen Fragen jede deutsche Aktion daran rela-
tivieren muß, daß man selbst im europäischen Verbund nur die
zweite Geige fidelt.
Europäische "Kooperation" für's Brechen des USA-Monopols
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Kooperationsprojekte in Waffenfragen haben - wer wüßte das besser
als die Fanatiker deutschnationaler Souveränität! - immer auch
den Haken an sich, daß der Zuwachs an nationaler Verfügung über
militär(polit)ische Potenz sich nur mittels der Verwandlung na-
tionaler in europäische Hoheit über die produzierten Resultate
sichern läßt. Deshalb heißt "Kooperation" hier eben auch alles
andere als einem gemeinsamen Zweck untergeordnetes Zusammen-
schmeißen der jeweiligen nationalen technologischen Potenzen und
Kapazitäten im Sinne einfacher Arbeitsteilung, sondern bedeutet
immer n e u e s G e r a n g e l darum, w e l c h e der be-
teiligten Nationen in welchem Ausmaß in dieser Kooperation das
Sagen hat. Und das hängt nun wiederum davon ab, was jede Nation
so einzubringen hat bzw. meint, sich an nationalem Aufwand für
das Voranbringen staatlicher Souveränitätsmittel leisten zu kön-
nen. Dabei wird das, was man national an Entwicklungs- und Pro-
duktionskapazitäten zu bieten hat, als Beweismittel für die Be-
rechtigung größerer Beteiligung in Anschlag gebracht: an der De-
finition der geplanten Projekte, an Fertigungsanteilen usw. usf.
Und selbstverständlich bedeutet Kooperation keineswegs Verzicht
auf eigenständige nationale Entwicklungen, im Gegenteil: schließ-
lich bildet das, was man ganz national aus den Ergebnissen des
versammelten europäischen knowhow an neuen Waffen, Technologien
und Märkten zu machen versteht, gerade die Grundlage für die
nächste Runde des Streits um das "Gewicht" in der Kooperation.
Bei diesem Zirkel schneidet natürlich der am besten ab, der aus
eigener Kraft am meisten einzubringen und dementsprechend zu nut-
zen versteht. Allerdings sorgt umgekehrt der aus dem Euro-Impe-
rialismus geborene Standpunkt "Europa" immer wieder dafür, daß
wenigstens die drei bis vier großen europäischen Nationalstaaten
sich nicht wechselseitig Gründe für den Ausstieg aus dem Projekt
"Weltmacht Europa" liefern.
Denn die Maßstäbe in der LRI setzen nach wie vor die USA. Und das
nicht nur, was die Raumfahrt- und darin eingeschlossene Mili-
tär t e c h n o l o g i e angeht, sondern auch hinsichtlich der
F r e i h e i t, einfach rücksichtlos einen stets w a c h-
s e n d e n T e i l i h r e s N a t i o n a l r e i c h-
t u m s für ihren selbsterwählten Auftrag der militärischen
Führungsrolle im Kampf des "Freien Westens" gegen den Osten zu
verpulvern. Wenn sich Europa also daranmacht, das US-Monopol in
der westlichen LRI zu brechen, dann müssen sich die europäischen
Politiker selbstbewußt auf den Standpunkt stellen, daß sie sich
eine ähnliche Freiheit leisten wollen - also ihre Völker das
schon werden leisten müssen. Allerdings soll durch die dafür in
Anspruch genommenen nationalen Ressourcen natürlich nicht die
ö k o n o m i s c h e Position gefährdet werden, die sich DM,
Franc und Pfund auf dem Weltmarkt gegen den Dollar erobert haben.
Das ist der Auftrag, den sich "Europa" setzen muß, wenn es a u f
d e r G r u n d l a g e d e s N A T O - B ü n d n i s s e s
der ersten Weltmacht eine dritte Weltmacht gegenüberstellen
möchte, die in der Lage ist, dem Osten eigene Konditionen der
Feindschaft aufzumachen, und auch sonst auf der Welt berechtigte
Ansprüche anzumelden in der Lage ist. Wenn schon die Freiheit der
USA in Dollarfragen ihre Grundlage in ihrer m i l i-
t ä r i s c h e n Unangefochtenheit hat, dann muß Europa, um bei
sich eine ähnliche Grundlage für die Waffenkonkurrenz erst
h e r z u s t e l l e n, eben mit seinem ö k o n o m i-
s c h e n Pfund wuchern, ohne es in dieser Konkurrenz zu ge-
fährden. Mag das "bloß" ökonomische Infragestellen der US-
Vorherrschaft vom Standpunkt der Euro-Imperialisten aus gesehen
eine etwas matte Sache bleiben - es ist eben das europäische
Mittel, das die Leistung bewerkstelligen soll, den ö k o n o-
m i s c h e n A n g r i f f a u f d i e U S A d u r c h
e i n e "e c h t e" W a f f e n k o n k u r r e n z z u u n-
t e r m a u e r n.
Also sollen, was die Investitionen in" Deutschlands" oder
"Frankreichs Zukunft" angeht, einerseits kleinliche Reflexionen
auf die eigene ökonomische Leistungsfähigkeit unterbleiben. Ande-
rerseits kommt es umso mehr darauf an, aus den Resultaten der
Luft- Raumfahrt- und High-Tech-Offensive K a p i t a l zu
schlagen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Wenn die Europäer bei neuen Projekten dieser Art immer so viel
auf deren "ziviler" Qualität herumreiten, so hat dies deswegen
eine diplomatische und eine sehr materielle Seite. Daß es sich
bei den europäischen Produkten der LRI um einen
G e g e n s a t z zum "militärischen" handeln würde, ist eine
von allen Seiten abgehakte ideologische Mär. Hier wäre jedes di-
plomatische Taktieren albern. Die d i p l o m a t i s c h e
Seite besteht vielmehr darin, daß es bislang - außer der franzö-
sischen "force de frappe" - nicht in die NATO integrierte Aufrü-
stungsprogramme Europas in der Dimension des projektierten Raum-
fahrtprogramms nicht gibt; so daß die offene Deklarierung der
Raumfahrt als konkurrierendes europäisches Aufrüstungsprojekt so-
fort die Frage aufwerfen würde, ob dies denn Teil des NATO-Pro-
gramms sei; oder wenn nicht, welche Interessen außer dem an Frie-
den und Freiheit bis Wladiwostok ein "Europa" denn damit noch zu
"verteidigen" gedenke? Diplomatisch steht die Kennzeichnung die-
ses Programms als "zivil" für die Mitteilung, daß dieses Programm
d i e B ü n d n i s f r a g e n i c h t a u f w e r f e n
s o l l. Obwohl natürlich ein Genscher, wenn er von "Autonomie"
redet, genau die Bündnisfrage anspricht: er redet von einer auf
eigene militärische Potenzen gegründeten Souveränität, die eine
den USA u n t e r g e o r d n e t e Rolle auf jeden Fall lang-
fristig nicht mehr spielen will. Die materielle Seite des europä-
ischen Beharrens auf "ziviler" Definition ihrer Raumfahrtprojekte
- vor allem da, wo es wie bei Columbus um Mitarbeit an USA-Pro-
grammen geht - ist das g e g e n d i e U S A geltend gemachte
Interesse an einer Verwendung der Resultate dieser Projekte, die
nicht dem USA-Monopol an militärischer Geheimhaltung unterliegen,
also tatsächlich in dem Maße auch als Geschäftsmittel einzusetzen
sein sollen, wie die Europäer dies wollen. Ein Anspruch, den sie
im Falle SDI nicht, im Falle "Columbus" erfolgreich geltend ge-
macht haben:
"Sprecher des US-Raumfahrtprogramms stellten gegenüber der ESA
klar, daß die Raumstation in erster Linie ein Projekt der USA
ist. Und als Kernstück des amerikanischen Raumfahrtprogramms kön-
nen europäische Wünsche nur zweitrangig berücksichtigt werden.
Verantwortliche Sprecher der europäischen Seite erklärten ihrer-
seits, daß die ESA eine fortentwickelte Einrichtung sei, die
durchaus bemannte Raumflüge allein durchführen könne und über
Mittel verfüge, um die USA zu veranlassen, ESA als ebenbürtigen
Partner zu behandeln." (AW und ST, 24.11.1986)
Das Projekt der Euro-Imperialisten, gemeinsam zur 2. westlichen
Militärmacht aufzusteigen, heißt also durchaus nicht, daß sie das
G e s c h ä f t l i c h e an diesen Projekten vernachlässigen -
im Gegenteil! Dabei geht es einerseits um Geschäfte die schon zu
machen s i n d - etwa mit den payloads der Ariane, die die USA
nicht unbeträchtlich ärgern, weil US-Kapitale nur untergeordnet
daran verdienen. Andererseits um einen sehr prinzipiellen euro-
nationalen Standpunkt zum Geschäft, für den der Titel
"High Tech"
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erfunden wurde: Der heißt: es darf nichts an Voraussetzungen und
Möglichkeiten eines zukünftigen Geschäftemachens geben, über das
die europäischen Nationen alle zusammen und jeder für sich nicht
souverän verfügen, damit sie auch in dieser Sphäre anderen die
Konditionen diktieren können und sie sich nicht selbst diktieren
lassen müssen. Von dem Standpunkt aus, daß "Europa" beschlossen
hat, sich nicht mehr von den USA die Maßstäbe für's Militärische
wie Geschäftliche vorgeben zu lassen, beantwortet sich die Frage,
wozu das Verfügen über den jeweils fortgeschrittenen Stand moder-
ner Technologie(n) "gut" ist, ganz einfach damit, daß "man" sie
haben muß wegen Abhängigkeiten, in die "man" geraten
k ö n n t e, wenn "man" sie nicht hätte. Was allemal die selbst-
verständliche Sicherheit einschließt, daß die für's wirkliche Ge-
schäft Zuständigen schon etwas damit werden anzufangen wissen,
wenn staatlicherseits nur dafür gesorgt wird, daß es ihnen - mög-
lichst vor allen anderen und möglichst ausschließlich - zur Ver-
fügung gestellt wird.
Denn die High-Tech-Fanatiker in Bonn wissen natürlich ganz genau,
daß der Reichtum der Nation nicht aus Patenten und Konstruktions-
zeichnungen besteht, sondern in wirklichen Fabriken unter kosten-
senkendem Einsatz von Maschinen und Arbeitskraft zustandekommt.
Gerade deshalb, weil die nationalen Sachwalter des Geschäfts dies
wissen, stellen sie sich auf den Standpunkt, daß staatlicherseits
alles getan werden müsse, um für das Gelingen des Geschäfts zu
sorgen - eben auch über Aktionen wie die Fusion Daimler - MBB.
Und am staatlichen Fanatismus für solche "High-Tech"-Firmen ist
ja auch soviel wahr: auf der Grundlage einer florierenden priva-
ten Ausbeutung ist jede staatliche DM in dieser Sphäre tatsäch-
lich gut angelegt...
Wenn MBB-Vogels also selbstbewußt verkündet, bei der Fusion gehe
es nicht um "Rüstung", sondern um "Zukunft", dann ist da sogar
etwas dran. Nicht in dem Sinne, daß da etwa ein Gegensatz
zwischen beiden bestände, sondern insofern, als das Ideal der
Politik hier darin besteht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu
schlagen: aus den faux frais, die die Rüstung allemal darstellt,
ein ordentliches Geschäft machen lassen, das dann wiederum die
Grundlage abgeben kann für neuerliche Großmachtprojekte... So
sieht eben, wenn es nach Genscher, Vogels und Konsorten geht, die
Zukunft Deutschlands aus!
Das Beispiel: Airbus
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Der in europäischer Kooperation produzierte Airbus stellt die
einzige Abteilung der MBB-Produktion dar, bei dessen Übernahme
Daimler-Benz sich etwas geziert hat. Die Bedingungen des Ein-
stiegs, an die anfangs von der Politik gedacht war, paßten dem
Daimler-Vorstand nicht. Sie hießen: auch und gerade der "Airbus"
soll zukünftig ein privat kalkulierbares Geschäft sein, das sich
auch ohne weitere Staatszuschüsse seinen Markt sichert.
Daimler-Chef Reuter sieht die Sache anders. Für ihn ist es noch
viel zu früh, um mit dem Airbus als Geschäftsmittel schwarze Zah-
len zu erwirtschaften. Er verweist auf "Altlasten", "Markt- und
Wechselkursrisiken", die sein Konzern nicht tragen wolle. Der
Kern der Feilscherei über Zeitraum und Höhe von staatlichen Absi-
cherungen der "Marktrisiken" liegt jedoch in der p o l i t i-
s c h e n Dimension des Vorhabens, welche die drei großen
Europäer mit dem Airbus-Projekt in die Welt gesetzt haben.
Europäischer Airbus fordert US-Luftfahrtindustrie heraus
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Daß sich die Bundesrepublik, Frankreich und England das Airbus-
Projekt bislang -zig Milliarden haben kosten lassen, verdankt
sich nicht dem Interesse von Euro-Politikern an großräumigen
Langstreckenflugzeugen, sondern dem B e s c h l u ß, den US-
Luftfahrtkonzernen Boeing, Lockheed und McDonnell Douglas mit ih-
rem Monopol in dieser Sphäre eine K o n k u r r e n z z u
s c h a f f e n. Nicht an einen V e r s u c h war da gedacht,
den man genausogut wieder einstellen könnte, wenn die
"Marktkräfte" gegen das Vorhaben gewesen wären. Gedacht war
daran, politisch diese ökonomische Konkurrenz gegen die US-Kon-
zerne ins Leben zu rufen, die als Gegenstand einer privaten Kapi-
talkalkulation nie auf die Welt gekommen wäre.
Die Voraussetzungen für dieses rein zivile Projekt waren in der
BRD und Europa bereits vorhanden:
"Ich habe als Bundesverteidigungsminister die deutsche Luftfahrt-
industrie wieder aufgebaut (hatte er nicht wenigstens einen Koch
bei sich?) und damit die Voraussetzungen auch (!) für die zi-
vile(!) Luftfahrtindustrie geschaffen. Wir sind systematisch vor-
gegangen. Es ist uns gelungen, zunächst über Wartung, Montage und
Lizenzbau amerikanischen Fluggeräts die nötigen Ingenieurkapazi-
täten und das technisch-wissenschaftliche Potential zu schaffen
und dann eine eigene leistungsfähige LRI aufzubauen, die heute
absolute Spitzentechnik produziert." (Strauß)
Es waren also die hierzulande bereits aufgebauten Kapazitäten für
den militärischen Flugzeugbau, mit denen der NATO-Bedarf und ei-
niges darüber hinaus hergestellt wurden, welcher die technologi-
sche und produktionstechnische Grundlage für die europäische Kon-
kurrenz im Großflugzeugbau für zivile Zwecke darstellte.
Doch damit, daß man den Airbus in seinen diversen Typen
e n t w i c k e l n u n d p r o d u z i e r e n k a n n, ist
er als G e s c h ä f t s m i t t e l noch nicht auf dem Markt.
So ein Gerät erfordert einen nicht unbeträchtlichen Kapitalvor-
schuß; und wenn so ein Flugzeug sich erst in der Konkurrenz
b e w ä h r e n soll, darf das Vorschießen dieses Kapitals ge-
rade nicht davon abhängig gemacht werden, daß in den Auftragsbü-
chern bereits eine Stückzahl akquiriert ist, bei der es sich
amortisiert. Es liegt also in der Logik dieser
p o l i t i s c h e n Ware, daß sie auf das Risiko hin produ-
ziert wird, nicht in dem Umfang - und das heißt: zu dem Preis -
Käufer zu finden, wie es das in Entwicklung und Produktion ange-
legte Kapital erfordert. D.h., daß auch der P r e i s insofern
als p o l i t i s c h e r K a m p f p r e i s kalkuliert sein
muß, als er für Luftfahrtgesellschaften in aller Welt ein Angebot
darstellen soll, das sie von ihren US-Optionen abbringt. Das
wußte keiner besser als F.J. Strauß:
"Airbus muß seinen Kunden und Bestellern die Garantie geben, daß
dieses Unternehmen auch noch in 5, 10 oder 20 Jahren als Konkur-
rent gegen die amerikanische Flugzeugindustrie... auf dem Markt
sein wird. Airbus muß auch zur rechten Zeit die jeweils vom Markt
geforderten Typen konkurrenzfähig anbieten können. Ohne diese
Voraussetzungen hätte man Airbus nicht beginnen dürfen oder
längst beenden müssen."
Sein Plädoyer dafür, sich kleinlicher Rücksichtnahme gegenüber
Haushaltsbedenken zu enthalten, weil nur so der Geschäftserfolg
langfristig gegen das US-Monopol sicherzustellen sei, fand offene
Ohren. Und der Daimler-Chef, der Straußens Worte unterstreicht,
hat bei aller U n t e r t r e i b u n g, was den aktuellen
"Marktzugang" betrifft" mit den Grenzen "privatwirtschaftlichen"
Engagements auch noch in einer anderen Hinsicht recht:
"Die Airbus-Familie wird erst Ende der 90er Jahre, Anfang der
Jahrtausendwende komplett sein. Bis dahin muß eine Menge Geld in-
vestiert werden, und zwar auch, um den Marktzugang zu erzwingen.
Das kann keine privatwirtschaftliche Aufgabe sein, jedenfalls
nicht die unsere." (Reuter nach HNP 7.7.1988)
In der Tat: insofern es sich bei dem "Weltflugzeugmarkt" selbst
in seinen zivilen Abteilungen gar nicht um einen "Markt" handelt,
sondern um Geschäfte, an denen über die diversen Luftfahrtgesell-
schaften immer zugleich Staaten beteiligt sind, laufen solche
Käufe auch immer mit mehr oder weniger diplomatischem Gehebel.
Welche Abschlüsse mit welchen Fluggesellschaften dann letztend-
lich zustandekommen, ist also nie das bloße Ergebnis von kapita-
listischer Geschäftstüchtigkeit. Das wissen alle Beteiligten, und
d a r a u f beruft sich Reuter, wenn er der Bundesregierung auf-
macht, daß sie weiterhin ihr politisches Gewicht bei allen poten-
tiellen Abnehmern gegen die USA in die Waagschale zu werfen habe,
um die p o l i t i s c h h e r g e s t e l l t e Konkurrenz
auch zu einer geschäftsmäßig l o h n e n d e n Konkurrenz wer-
den zu lassen.
Das europäische Vorhaben hat bisher ziemlich gut funktioniert.
Von den drei US-Konkurrenten sind zwei bereits überflügelt. Nur
noch der in die europäisch interessiert aufgeputzten Schlagzeilen
geratene Boeing-Konzern hält noch mehr als die Hälfte des ge-
samten Marktes fest in der Hand. Erfreuliche Meldungen über Ver-
kaufserfolge -
"Die monatliche Ausbringungsrate der A320 hat jetzt 4 Flugzeuge
erreicht, steigt in der 2. Jahreshälfte auf 6 und wird Mitte 1990
acht Maschinen erreichen... 1988 wurden insgesamt 174 Flugzeuge
verkauft; Verträge wurden geschlossen mit Fluggesellschaften u.a.
von Korean Air, ILFC, Iberia, Interflug (!), Turkish Airlines,
Singapore Airlines, China, Air Canada, Canadian Airlines.." (MBB
aktuell 1/89 S. 5)
- sagen deswegen weniger etwas über die Lage der Gewinne, sondern
mehr über Schritte auf dem Weg, Boeing weitere Marktanteile abzu-
jagen. Besonders zählen da natürlich "Einbrüche" in den USA-Markt
selbst. Noch im Januar dieses Jahres vermeldete die MBB-Hauspo-
stille stolz:
"Die amerikanische Fluggesellschaft Braniff hat den Kauf von 50
Airbus-Flugzeugen des Typs A320-200 bekanntgegeben. Zusätzlich
übernimmt sie 50 ursprünglich von PanAm bestellte Airbusse, so
daß sie nun über 100 Airbusse verfügt. Braniff ist der zweite
A320-Betreiber in den USA nach Northwest, das die erste von 100
bestellten A320 Mitte 89 erhalten wird." (MBB-Aktuell 1/89)
Die letzte Meldung auf diesem Feld war die Bekanntgabe der ameri-
kanischen TWA, sie wolle bis zu 40 der neuen Modellreihe
A330/A340 kaufen:
"TWA-Chairman Carl Icahn erklärte in diesem Zusammenhang, nach
zwei Jahren Analyse habe man sich für den A330 entschieden, weil
dieser 'über die modernste Technologie verfügt, die gegenwärtig
zu haben ist'.. Es liegen für den ab September 1993 zur Ausliefe-
rung kommenden A330 sowie den ab Mai 1991 verfügbaren vierstrah-
ligen A340 schon 210 Kaufabsichtserklärungen von 14 Kunden aus
aller Welt vor." (Handelsblatt, 30.3.1989)
Mit den Hinweisen auf "Risiken" beim Airbus-Geschäft haben die
Daimler-Chefs also an mehr als die gewöhnlichen Unwägbarkeiten
des Weltmarktes gedacht, über die sich Kapitalisten immer gerne
beschweren, weil jeder von ihnen auf dem Standpunkt steht, daß
ihm eigentlich der Konkurrenzerfolg ganz alleine gebühre. Der be-
schlossene Einbruch in ein US-Monopol, welches immerhin hieß, daß
die USA den Luftfahrtgesellschaften anderer Staaten die Bedingun-
gen des Einsatzes eines zentralen Transportmittels diktieren
konnten, ist eben nur zu haben, indem die europäischen Staaten in
der gesamten Staatenwelt gegen die US-Firmen und deren Rückendec-
kung durch die US-Regierung für ihren Airbus "werben". So ein
Projekt ist also ganz unabhängig von der Frage der
K a p i t a l g r ö ß e nicht allein mittels kapitalistischer
Geschäftstüchtigkeit auf dem Großfliegermarkt zu etablieren. Die
- längst feststehende - politische Rückendeckung durch die Bun-
desregierung wollte sich Reuter allerdings in Mark und Pfennig
bestätigen lassen.
Neue Subventionen machen Daimler den Airbus schmackhaft
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Inzwischen ist das Gerangel zwischen Daimler-Benz, MBB und den
politischen Instanzen um die Konditionen der Übernahme beendet.
Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat - mit einer grünen Ge-
genstimme und sozialdemokratisch-vornehmer Enthaltung - zusätzli-
che 4,26 Mrd. DM locker gemacht und im Gegenzug dafür von Daimler
einige Zusagen erhalten. Die Milliarden sollen der Abdeckung von
"Altlasten", d.h. bei Airbus Industries aufgelaufenen Verlusten,
dienen und bis zum Jahre 2000 Wechselkursschwankungen bis zu ei-
nem Dollarkurs von DM 1,60 absichern - noch rechnen sich Flug-
zeuge nämlich in Amigeld. Das ist für Daimler mehr als recht und
billig: Denn wenn die Bundesregierung nicht in der Lage ist, da-
für zu sorgen, daß man Airbusse gegen DM verscherbeln kann, oder
wenigstens für einen Dollarkurs, der die Preiskalkulationen des
Airbus-Programms nicht durcheinanderbringt, dann soll sie gefäl-
ligst auch zahlen, was die Durchsetzung gegen die USA auf diesem
Felde kostet.
Im Gegenzug hat der Haushaltsausschuß Daimler-Benz einige
"Zusagen" abgehandelt, die den geschäftlichen Umgang mit den
neuen Abteilungen des Daimler-Konzerns betreffen. Mit ihnen soll
dem S t a n d p u n k t Rechnung getragen sein, daß die Milli-
arden, die der Staat sich die Neuordnung der LRI kosten läßt,
letztlich auch im Sinne einer E i n s p a r u n g von Haus-
haltsmitteln gut angelegt sind. Deswegen ist es kein Wunder, daß
die Forderungen, die Daimler im Namen des Staatshaushalts aufge-
macht wurden etwas absurd anmuten. Daimler-Benz verpflichtet
sich,
- in die zukünftigen DB-MBB-Tochter "Deutsche Aerospace" das
knowhow der Mutter einzubringen - was für Konzerne dieser Art
völlig untypisch ist!
- Kosten für Forschung und Entwicklung, die bei der Muttergesell-
schaft anfallen, nicht auch noch bei der Tochter in Anschlag zu
bringen, was einen ungeheuer großzügigen Verzicht aufs doppelte
Kassieren darstellt!
- von sicheren, d.h. bereits feststehenden Gewinnen aus Rüstungs-
projekten, die DB mit der Fusion automatisch mit "kassiert", 195
Millionen in die Tochtergesellschaft Airbus zu Rationalisierungs-
zwecken zu stecken - ebenfalls eine Maßnahme, die einem Konzern
nie von allein einfallen würde!
- aus den jährlichen Gewinnen in der Zukunft 15% als Sonderrück-
lage für "außerordentliche Verlustsituationen" zu bilden, was
gleichfalls ein gänzlich aus der Art schlagendes Geschäftskalkül
ist.
Man merkt diesen "Auflagen" das krampfhafte Bemühen an, die Daim-
lerschen Geschäftskalkulationen für das staatliche Interesse am
Airbus-Erfolg in die Pflicht zu nehmen, ohne damit Daimler in ir-
gendeiner Weise auf etwas zu verpflichten, das dem Gelingen des
Geschäftskalküls im Wege stehen könnte - schließlich soll das ja
gerade das Mittel sein, der neugeordneten LRI samt Airbus zum
endgültigen Durchbruch zu verhelfen. Jenseits aller Kostenerwä-
gungen steht ja der Beschluß, daß eine neue Aerospace plus Air-
busprogramm sein m u ß, ebenso fest wie das Interesse, daß es
die neue "industrielle Führerschaft" sein soll, die das an-
spruchsvolle Zukunftprogramm der BRD zum E r f o l g führt. Was
das noch alles an Steuergeldern schlucken mag, ist ohnehin unent-
scheidbar; sicher ist nur, daß haushalterische Gesichtspunkte nur
bedingte Relevanz haben, wo es doch gerade erst darum geht, das
Projekt mit größtmöglichen Erfolgschancen in die Wege zu lei-
ten...
Herausgekommen aus dem ganzen Hin und Her ist, daß Haushaltsex-
perten aller Parteien jetzt dem aufmerksamen deutschen Steuerzah-
ler verantwortungsbewußt verkünden können, man habe
"betriebsegoistische" Anliegen von Daimler-Benz, "den gewinnbrin-
genden militärischen Flugzeugbau zu behalten und den Steuerzahler
alle Airbus-Verluste tragen zu lassen" (CDU/CSU-Haushaltsexperte
Feindmann, Handelsblatt 1.11.88), durchkreuzt.
Insgesamt, so hat Bundeswirtschaftsminister Haussmann vorgerech-
net, ergäben sich neue "Einsparungen" des Bundes in Höhe von 390
Mio. DM; so daß der Bund, rechnet man den Kaufpreis dazu, den DB
für seine MBB-Anteile hinblättern wird, bis zum Jahre 2000 minde-
stens 3 Mrd. "gespart" haben will. Dies m u ß man auch den eu-
ropäischen Partnern vorrechnen, damit sie gemäß der EG-Richtli-
nien die neuen Subventionen als Mittel zum Subventions a b b a u
verbuchen können und dies der Konkurrenz in Übersee mit reinem
Gewissen vorrechnen können.
Als weitere, nicht eben unwichtige Zusage hat sich der Haushalts-
ausschuß explizit im Rahmen des Abkommens von DB bestätigen las-
sen,
"daß die vorgesehene Stärkung der deutschen Luft- und Raumfahrt-
industrie als wesentliche Voraussetzung für eine größere europäi-
sche Lösung der Luft- und Raumfahrtindustrie anzusehen ist" (SZ,
17.3.),
womit der parlamentarische Souverän unterstreicht, daß diese Fu-
sion eben nicht eine Veranstaltung zur Bereicherung eines Privat-
unternehmens, sondern ein durch und durch nationales Vorhaben
ist, und diesem auch alle Anstrengungen DBs zur "Stärkung" seines
neuen Unternehmens dienen. Zu allem Überfluß hat sich DB schließ-
lich auch noch verpflichtet, auch im "militärischen Produktions-
sektor" für Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Also gibt es im neuen
Konzern viel zu tun - das nennt sich dann "neuer Schwung" oder
"Herstellung von privatwirtschaftlicher Handlungsfähigkeit"
(Reuter). In diesem Gewerbe hat DB genügend einschlägige Erfah-
rungen, und außerdem steht der zukünftigen Konzernleitung alle
Welt mit entsprechend gutem Rat zur Seite:
"Nach Ansicht von Finanzvorstand Broschwitz und dem für Flugzeug-
fertigung zuständigen Vorstand Mehdorn ist bei MBB nur ein Ko-
stensenkungspotential von 260 Mill. DM erzielbar. Dies werde
durch höhere Auslastung der Airbuskapazitäten, aber auch durch
die geplante Auftragsvergabe für die neuen Airbusprogramme
A330/A340 in währungs- und lohnbegünstigte Länder wie USA, Korea
oder Indien erreicht. Eine weitere Kostenoptimierung soll auch
durch die für den Herbst geplante neue Organisation der europäi-
schen Airbus-Industrie erfolgen, an der MBB über die Deutsche
Airbus zu 37,9%o beteiligt ist." (WK 21.7.1988).
Quer durch alle Parteien ist man sich jetzt schon sicher, daß der
neue Konzern dem nationalen Luftfahrtarbeiter oder -angestellten
auf jeden Fall einen ordentlichen Preis wert zu sein hat:
FDP-Grünbeck: "Die Airbus-Industrie hat keine Ahnung von Rationa-
lisierung und vom Abspecken sozialer Leistungen". So müsse man
nicht "14 oder 15 Monatsgelder an die Belegschaft zahlen, 13 rei-
chen auch." (NP 6.7.88)
SPD-Wedemeyer: "Natürlich bedeutet Fusion auch Rationalisierung
und damit eventuell den Verlust von Arbeitsplätzen." (WK
9.8.1988)
Die FR faßt zusammen: "Die nach der Fusion zwangsläufig einset-
zende Rationalisierung dürfte 10000 bis 15000 Jobs verschwinden
lassen... Für Reuter macht der MBB-Einstieg nur Sinn, wenn er
Synergie-Effekte konsequent ausnutzen und die auch von CSU-Riedl
entdeckten "Doppelungen" in der bundesdeutschen Aerospace-Branche
wegputzen kann."
Der hat beim Airbus darüber hinaus noch ein anderes "Einspar-
potential" entdeckt und mit den Franzosen einen Streit darüber
angefangen, ob nicht die Endfertigungslinie für den neuen Airbus
von Toulouse nach Ingolstadt oder Hamburg verlegt werden sollte.
So schlägt man nämlich bei der "Stärkung" unserer LRI zwei
Fliegen mit einer Klappe:
"Für den Bonner Luftfahrtkoordinator Riedl kommt es entscheidend
darauf an, die in der deutschen Luftfahrtindustrie vorhandenen
Produktionskapazitäten längerfristig durch den Aufbau einer deut-
schen Endmontagelinie für den A310 zu sichern." (SZ)
Kooperation hin, Kooperation her, auf jeden Fall muß in Deutsch-
land auch eine Endmontagelinie sein, damit man auch mal für die
Produktion eines rein d e u t s c h e n Großflugzeugs gewappnet
ist. Und was den prognostizierten "Einspareffekt" von 60 Mio. DM
angeht, wird Daimler auch hier sicherlich das Seinige dazu tun,
um Herrn Riedl nicht zu enttäuschen ebensowenig wie dessen Kolle-
gen aus FDP und SPD.
Die Beschwerden der USA
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können nicht ausbleiben. Sie machen sich offiziell fest an den
Airbus-Subventionen, die nach USA-Auffassung gegen die GATT-Ver-
einbarungen verstoßen. Gedroht wird mit einer Klage vorm GATT und
mit Einfuhrzöllen auf den Airbus. Das Ausmaß, in dem Airbus Indu-
strie den US-Firmen inzwischen ihren Absatz bestreitet, ist den
USA selbstverständlich ein Ärgernis; daß dies nur aufgrund unge-
rechtfertigter, politisch hergestellter Wettbewerbsbedingungen
zustandegekommen sein kann, versteht sich für sie da von selbst -
womit sie in diesem Fall auch gar nicht schief liegen. Gerade
deshalb erschöpft sich die USA-Beschwerde im Falle Airbus aber
nicht darin, einen Streit um das Recht auf "Märkte" anzuzetteln.
Die Beschwerden der USA gelten zugleich dem europäischen An-
spruch, sich in der gesamten Sphäre der LRI in Zukunft mit den
USA messen zu wollen - mit allen ökonomischen, politischen und
militärischen Perspektiven, die sich die zuständigen Politiker
ausmalen mögen. Insofern hätte ein "Handelskrieg", an der Frage
des Airbus ausgelöst, auch eine etwas andere Wucht als ein Streit
um Einfuhrzölle für Spaghetti oder auch für Stahl. Hier steht et-
was grundsätzlicher die Frage zur Debatte, wessen
F r e i h e i t wie weit gilt: nicht nur die des jeweiligen US-
oder Euro-Kapitals, sondern die Freiheit der zuständigen Staaten
selbst in "Luft" und "Raum". Und die Raumfahrt ist ja immerhin
die Sphäre, in der Reagan den USA - und zwar diesen allein! -
jene qualitativ neue Form der Überlegenheit über das Atomwaf-
fenarsenal der UdSSR verschaffen wollte, für das das Kürzel SDI
steht. Daß Bush an dem Konzept irgendetwas zu ändern gedenkt, ist
nicht bekannt.
Wozu braucht die BRD also einen
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militärisch-industriellen Komplex?
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Sie braucht ihn, weil sie beschlossen hat, daß ihre Souveränität
ohne eine adäqute Ausstattung mit den neuesten und effektivsten
Souveränitätsmitteln in Luft und Raum nicht mehr auskommt.
Sie braucht ihn, weil nur so gewährleistet ist, daß sie in Europa
die Führerschaft in der LRI erobert.
Sie braucht ihn, weil die Erfolge ihrer imperialistischen Mittel-
machtpolitik auf den Welt bewirkt haben, daß sie ihn sich jetzt
leisten kann.
Sie braucht ihn, weil sie sich nicht mehr länger von den USA vor-
schreiben lassen will, wessen nationale Interessen bei der Ausge-
staltung der Feindschaft gegen den Osten letzte Geltung haben.
Sie braucht ihn, um der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie
jene Wucht verleihen zu helfen, die sie als Konkurrenz gegenüber
den USA nötig hat.
Sie braucht ihn, weil eine (deutsch geführte) europäische Koope-
ration in der LRI imstande sein soll, die ökonomische Konkurrenz
zur Weltmacht durch ein Konkurrenz in der Waffenfrage zu ergän-
zen.
Sie braucht ihn also, weil das deutsche euro-imperialistische
Ideal einer dritten Weltmacht ohne die militärische Ebenbürtig-
keit mit den USA nicht wahr wird.
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