Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR RUESTUNGSINDUSTRIE - Ein Geschäft geht seinen Gang
zurück
Der DGB zur Rüstungsindustrie
BASIS BAUT PANZER - GEWERKSCHAFT LIEFERT MORALISCHE MUNITION
Man kann den Staat, seine Wirtschaftsordnung und seine Gewaltmit-
tel für sehr in Ordnung halten; man kann sogar mit Bundeswehrver-
tretern extra zu dem Zweck ein Treffen veranstalten, um sich mit
ihnen am Leitbild soldatischer Pflichterfüllung im Treueschwur
auf die demokratische Führung zu vereinen und trotzdem die Pro-
duktion von Waffen nicht "vernünftig" und den Rüstungsexport
ziemlich "unverantwortlich" finden. - Wie das geht? Der Deutsche
Gewerkschaftsbund macht's vor.
"Helfen statt Rüsten"
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Eine erste, nicht nur in Gewerkschaftskreisen recht beliebte Me-
thode, der Waffenproduktion eine gewisse subjektive Verachtung zu
eigen, ohne diese auch nur im geringsten auf ihre Auftraggeber
ausdehnen zu müssen, besteht in der schlichten Konfrontation ei-
ner weltweit verbreiteten Freigebigkeit in Sachen Kriegsmaterial
mit lauter versäumten guten Taten. Gewerkschaftschef Ernst Breit
definierte dieses vor allem für besinnliche Stunden wie Weihnach-
ten oder Raketenstationierungen gedachte Verfahren treffend als
systemneutralen Lebenswiderspruch:
"Das ist der Widerspruch, in dem wir leben: Im Osten wie im We-
sten, in den Industrieländern wie in den unterentwickelten Län-
dern werden unvorstellbar hohe Summen für militärische Zwecke
ausgegeben, während gleichzeitig Sozialetats gekürzt werden,
Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht befriedigt sind und in den
unterentwickelten Ländern täglich Tausende von Menschen sterben,
weil sie nicht genügend Nahrungsmittel besitzen oder weil ihnen
die notwendige medizinische Versorgung fehlt." (DGB-Kongreß 1983
in Köln)
Gern wird dieses Kontrastprogramm noch mit kleinen Rechenkunst-
stücken veranschaulicht - das wirkt konstruktiv. Mit dem Geld für
einen einzigen Panzer könnte man Tausende von Negern mit ihrer
Lieblingsspeise Reis (ein Pfund am Tag reicht denen schon zum
Überleben!) füttern. Die Umrechnung von Kampfflugzeugen auf
Dorfapotheken oder von Prozentsätzen des Weltrüstungsetats auf
Seuchenausrottung zeitigt immer ein moralisch schlagendes Ergeb-
nis: Um wieviel besser könnte dieser irgendwie vom Widersinn ge-
plagte Globus doch ausschauen, wenn "H e l f e n s t a t t
R ü s t e n" sein Prinzip wäre. Das Praktische an solcherlei
Statt-Forderungen ist, sie wollen als Forderung gar nicht ernst
genommen werden. Es fehlt ihnen eine einschlägige Adresse. Keiner
glaubt ja ernsthaft der hiesige Kriegsminister zum Beispiel würde
auf ein Viertelchen eines Tornados verzichten, weil er angesichts
der Alternative ein Dutzends Urwaldschulen seinen weichen Kern
nicht mehr bändigen konnte. Seine sehr bestimmten politischen Ab-
sichten, die das Geschäft mit dem Handwerkszeug des Kriegs so at-
traktiv machen, sollen hier ausdrücklich nicht interessieren; -
womöglich stellte sich bei der Begutachtung dieser Absichten noch
heraus, daß Waffen und Hunger gar kein so herzerweichender Wider-
spruch, sondern recht kalkulierte Erscheinungen ein und derselben
politischen Berechnung sind...
Um sich als guter Mensch zu wissen, reicht das bißchen schlechte
Gewissen über üppig zitierbares Elend aus. Um darüber hinaus noch
als verantwortlicher Weltenbürger dazustehen, der - wenn nur alle
sein Niveau an Moralität aufwiesen - auch schon eine konstruktive
Lösung in der Tasche hätte, genügt der Deuter auf eine vorge-
stellte Verschwendungssucht bei Dingern, von denen jeder zumin-
dest das eine weiß, daß die noch niemand satt, nur tot gemacht
haben.
Eine sehr billige und auch von der Ohrigkeit geschätzte Übung zum
Thema "schlimme Waffen"; was sich schon daran ersehen läßt, daß
sie vom letzten Dorfpfaffen bis hinunter zum Bundespräsidenten
niemands Intellekt üherfordert und bei braven Bürgern immer wie-
der gut ankommt.
"Rüstungsproduktion sichert keine Arbeitsplätze"
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Nun liegt dem DGB natürlich daran, der so geübten Verbundenheit
mit der demokratischen Massenmoral eine autonome gewerkschaftli-
che Prägung zu geben. Programmatisch kündigen die Gewerkschaftsi-
deologen ihren Tarifpartnern von der Waffenbranche an, daß sie
ihr Geschäftsgebaren einem besonders strengen Härtetest im Wind-
kanal gewerkschaftseigener Wertmaßstäbe unterziehen wollen:
"Das Wirken von Kapitalinteressen und Rüstungslobbys m u ß
t h e m a t i s i e r t und im Interesse der Forderungen des DGB
bewertet werden."
Bei dieser Offensive geht es weder um eine Aufklärung über die
sachlichen Gründe der Waffenproduktion noch um die Begründung ei-
ner Gegnerschaft, welche die "Kapitalinteressen" in dieser Sparte
der Ausbeutung an ihrem (gar nicht spezifischen) arbeiterschädli-
chen "Wirken" hindert. Statt dessen soll sich der geschmäckle-
risch-moralische Vorbehalt gegen so unschöne Produkte wie Kriegs-
gerät in einem besonders schlechten Ruf der Rüstungsindustrie be-
stätigt finden, der diesem Geschäftszweig, "selbst wenn man von
moralischen Überlegungen einmal absieht", über den Vergleich mit
traditionellen Gewerkschaftspositionen angehängt wird.
"Rüstungsproduktion sichert keine Arbeitsplätze" lautet der
Hauptvorwurf, den der DGB mittels dieses Verfahrens ermittelt. -
Bloß, welches kapitalistisch betriebene Unternehmen hat schon zum
Zweck, Arbeitern - außer unter der Bedingung ihrer profitträchti-
gen Verwendbarkeit - einen Arbeitsplatz zu garantieren? Und wer -
außer dem DGB - hat eigentlich die Behauptung je ernsthaft ver-
treten, daß die staatlich beschlossene Aufrüstung als Beschäfti-
gungsprogramm gedacht sei? Zudem ist unter dem Gesichtspunkt der
blanken Arbeitsbeschaffung der Gewaltapparat, mit dem Staaten
ihre Interessen nach außen zu sichern und durchzusetzen suchen,
mit allem, was an ihm geschäftsmäßig hängt, kein zu verachtender
Beschäftigungsgeber. Das mögen die Erfinder dieses Beurteilungs-
maßstabs nicht verschweigen:
"Die Gewerkschaften wehren sich gegen Theorien, die versuchen,
das Beschäftigungsniveau mit der Produktion und Verbreitung tech-
nisch immer höher entwickelter Waffen zu koppeln."
Das Schöne an dieser Kampfansage des Gewerkschaftsbundes ist, daß
man ihr k e i n böses Wort gegen die Praktiker in Kriegsdingen
- weder gegen die Nachfrager und Verbreiter noch gegen die Her-
steller und Profiteure von Waffen - entnehmen kann. Was hier in
merkwürdigen Erscheinung einer unzulässigen t h e o r e t i-
s c h e n Kuppelei in Zweifel gezogen wird, ist die Erreichung
eines g u t e n Zwecks, den diese Arbeitervertreter aller
kapitalischen Geschäftemacherei als Ideal angedichtet haben: das
Schaffen von Beschäftigung. Wie aber nun ausgerechnet der
expandierenden Kriegsmittelindustrie vorhalten, daß sie an diesem
edlen Zweck scheitere?
Der DGB fährt hier konsequent zweigleisig. Einerseits will er die
Wohltat, daß sich auch mit Kanonen- und Panzerbau deutsche Arbei-
ter ausbeuten lassen, nicht bestreiten. Er hat Verständnis für
solche "kurzfristigen Arbeitsplatzinteressen". Andererseits ent-
larvt er "das Märchen von den sicheren Arbeitsplätzen" der Rü-
stungsproduktion durch die Erfindung eines speziellen
"Pferdefußes" für diese Branche". Dem Waffenkapital wird von ge-
werkschaftlichen Wirtschaftsexperten eine "krisenhafte Entwick-
lung" samt "Rationalisierungsdruck" prophezeit, daß es einem fast
leid tun könnte:
Da droht der einheimische Markt abzusterben, weil der staatliche
Arbeitnehmer mit "der genannten zweiten Generation von Großwaf-
fensystemen für die Bundeswehr" nicht nur an seine Saturierungs-
grenze stößt, sondern auch seine Kaufkraft nach eigenen Aussagen
einen bedauernswerten Zustand aufweist:
"Durch die Finanzmisere in den öffentlichen Haushalten kann mit
zusätzlichen Aufträge Rüstungsgüter nicht gerechnet werden."
Da macht eine "immer höher getriebene Technologie" die Rüstungs-
güter "immer teurer". Da "tummeln sich auf dem internationalen
Waffenmarkt immer mehr Anbieter", gleichzeitig "haben die po-
tentiellen Käufer immer weniger oder gar kein Geld". Wer könnte
sich da noch dem gewerkschaftlich mobilisierten Mitgefühl mit der
bundesdeutschen Rüstungsindustrie entziehen? Sie "befindet sich
somit in einem Teufelskreis". Und was macht sie da -
verständlicherweise?
"Wer mithalten will, muß Zugeständnisse bei den Preisen machen.
Im Klartext heißt das: Preise runter, Rationalisierungstempo
rauf; oder immer mehr Waffen werden mit immer weniger Menschen
produziert."
Was beweisen also Entlassungen für einen geschulten Gewerk-
schaftsideologen? Daß sich die nationalen Kriegsmittelproduzenten
in einer ganz prekären Lage befinden. Es ist ihnen nämlich
aufgrund der naturgegebenen Zwänge ihres Geschäfts nahezu
unmöglich gemacht, ihrem guten Ruf als Arbeit-Geber gerecht zu
werden.
"Wie unter diesen Umständen die (noch) bestehenden Arbeitsplätze
im Rüstungssektor erhalten oder gesichert werden können, ist ein
Geheimnis von Rüstungsmanagern und Politikern, das sie uns mit
Sicherheit nicht verraten werden (können)."
Fragt man sich nur, warum die Herren Manager nicht schon längst
das Handtuch geworfen haben - zerrüttet ob der Tatsache, daß sie
laufend "Arbeitsplätze vernichten" und das "trotz Umsatzsteige-
rungen". Offensichtlich ist für die Rüstungsindustriellen dieses
"trotz" gar kein "Geheimnis", sondern die Reduzierung und Effek-
tivierung von Arbeitsplätzen das gegebene Mittel, um die Konkur-
renz auf dem Waffenmarkt zu ihren Gunsten ausschlagen zu lassen.
Eine Praxis, die der DGB durchaus auch aus anderen Geschäftszwei-
gen kennt und betreut, die er aber im Fall der Rüstungsproduktion
als Problem einer besonderen Verstocktheit der Gegenseite deutet:
"Das Geschäft mit dem Tod ist aber so lukrativ, daß der DGB bis-
her immer auf taube Ohren stieß."
Mehr als diese blöde moralische Beschwerde: die anderen denken
b l o ß an ihren Profit! kann aus dieser Sorte "Kritik" auch gar
nicht erwachsen. Wer nämlich partout anhand der Waffenproduktion
ein Beschäftigungsprogramm zur Debatte stellen will, der darf na-
türlich nicht Arbeitsplätze dadurch "gefährden", daß er die kapi-
talistischen Geschäftsnotwendigkeiten in Frage stellt, von denen
doch die Gunst arbeiten zu dürfen abhängt. Noch weniger darf er
den Markt - sprich das staaatliche Rüstungsprogramm - "zerreden".
Gewerkschafter haben grundsätzlich für alles Verständnis, was den
Betrieb voranbringt; Zweifel erlauben sie sich allenfalls dann,
ob es nicht der Durchschlagskraft deutschen Waffenkapitals und
dem Nutzen deutscher Wertarbeit dafür auch weiter aufwärts gehe:
"Die Erhaltung der Produktionskapazität in der Rüstungsindustrie
und attraktive Gewinne sind ohne ständige Ausweitung des Rü-
stungsexports nicht zu haben. Ob das bei zunehmenden Finanzie-
rungsproblemen, wachsenden Eigenproduktionen in Ländern der Drit-
ten Welt und veränderter Anbieterpalette allerdings realistisch
ist, muß bezweifelt werden."
Nun werden diese Zweifel zwar nicht von denen, für die sie sich
die Gewerkschaft macht, geteilt - bekanntlich tun die Bonner Ein-
satzleiter des Waffenexports alles, um ihren Rüstungsunernehmern
den Zwang zu "attraktiven Gewinnen" leicht zu machen -; aufrechte
Gewerkschafter wollen dennoch wenigstens einmal vorgemacht haben,
wie ein zweifelsfreier "Realismus" aussehen könnte.
Dafür halten sie betriebliche Arbeitskreise in "a l t e r n a-
t i v e r P r o d u k t i o n" ab.
"Statt Rüstung nützliche Produkte"
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Dort dürfen sich engagierte Gewerkschaftsmitglieder in dem alber-
nen Rollenspiel eines Unternehmers, der beim DGB ist, üben: Wie
edel könnte doch das Ansehen unserer Rüstungskapitalisten sein,
wenn sie nicht dem Irrglauben anhingen, daß sich ihr Vorteil nur
über so rufgeschädigte Produkte wie Waffen erreichen ließe. Wie
viele "sinnvolle" und "sozial nützliche" Gebrauchsgüter ließen
sich denken, die - würden sie nur alle hergestellt - kaum einen
Arbeiter mehr um die Ehre seines Dienstes an der Volkswirtschaft
brächten. Kein vom Markt und ausländischen Konkurrenten gepeinig-
ter Unternehmer müßte mehr die treue Belegschaft mit Entlassungen
enttäuschen, weil vor allem auch seinem Gewinn keine unzumutbaren
Einbußen entstünden.
Die Berichterstatter von solchen Arbeitskreisen schreiben in Ge-
werkschaftsheften begeistert wie Jungscharführer vom Engagement
der Teilnehmer. Lauter "Daniel Düsentriebs" sollen sich da ent-
puppt haben, die der Menschheit nur so "Sinnvolles" erfanden wie
neuartige Klärschlammanlagen, energiesparende Haushaltsgeräte,
verkehrsberuhigte Transportmittel hin und weg vom Arbeitsplatz
oder gar einen "solargestützten Elektrorollstuhl". Dabei wurde
immer auf dem Boden betrieblicher Notwendigkeiten geblieben - ein
DGB-Arbeiter weiß schließlich, wovon er abhängt.
"An Ideen herrscht kein Mangel. Arbeitnehmer wissen sehr genau,
welcher Bedarf besteht und welche Voraussetzungen im
e i g e n e n Betrieb oder Unternehmen gegeben sind, ihn abzu-
decken.
Probleme treten allerdings immer dann auf, wenn es gilt, die
Ideen umzusetzen. In unserer Wirtschaftsordnung ist dafür angeb-
lich niemand zuständig."
Es ist immer schon ein Jammer mit "unserer Wirtschaftsordnung"!
Immer muß der DGB den Unternehmem sagen, wie sie ihr Geschäft so-
zial verträglich machen könnten. Und selbst dann wollen die alt-
modischen Kapitalisten diese wirklich nur gut gemeinten "Ideen"
nicht als Innovation aufgreifen, sondern drängeln sich lieber auf
einem engen Waffenmarkt herum, der sie zu Maßnahmen zwingt, die
wieder unschön an den Klassengegensatz erinnern.
"Die Unternehmer klammern sich weiterhin vielfach an 'alte
Zöpfe', die längerfristig die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht
garantieren können."
Was wiederum nicht heißt, daß deutsche Gewerkschafter für diesen
bequemen Standpunkt nicht auch Verständnis hätten, denn
"solange die Unternehmer von den Militärs staatlich garantierte
Superprofite buchstäblich im Schlaf einstreichen können, haben
sie wenig Neigung, nach Alternativen Ausschau zu halten."
Spätestens hier - im Prinzip aber immer - fällt dem Gewerk-
schaftsbund der Staat ein; denn "Produktion und Export von Waffen
werden durch politische Entscheidungen bestimmt". Natürlich hütet
sich die deutsche Arbeiterlobby, an dieser Entscheidungskompetenz
zu rütteln. Zur heimischen Wehrmacht und deren Ausstattungsbe-
dürfnissen hat sie sich ins beste Einvernehmen gesetzt. Schließ-
lich tut auch die Bundeswehr nur ihre verdammte Pflicht - nach
außen eben, weil sie die Gewerkschaft nach innen für den sozialen
Frieden leistet:
"... heute betrachten es Bundeswehr und Gewerkschaften überein-
stimmend als ihre Aufgabe, unsern freiheitlichen, demokratischen
und sozialen Rechtsstaat zu erhalten..."
Auch daß es sich für eine imperialistisch erstarkte Bundesrepu-
blik gehört, "als Partner in dem kollektiven Sicherheitsbündnis
der NATO mit andern freien Völkern gemeinsam Verantwortung und
Risiken zu tragen", hat der DGB in einer eigens von ihm ange-
strengten Tagung deutschen Militärs mit Unterschrift und Siegel
bestätigt. Dieser niet- und nagelfeste nationalistische Stand-
punkt erlaubt den Brüdern von der deutschen Arbeit nur noch eine
methodische Einwendung gegen die Auftraggeber der Rüstung und Or-
ganisatoren ihres Exports:
"Die Produktion von Waffen ist
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volkswirtschaftlich nicht sinnvoll"
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lautet der Befund. Oder besser noch:
"Wenn Politiker mit dem kühlen Kopf eines Wirtschaftsmanagers
Kassensturz machten, müßten sie die Waffenfabriken längst ge-
schlossen haben."
Ein DGB behauptet sowas nicht bloß, er rechnet's aus. Für den
Nachvollzug des Rechenkunststücks ist es allerdings dringend er-
forderlich, sich vom Staat ein ganz voreingenommen positives Bild
zu machen. Ganz falsch wäre es zum Beispiel, wollte man von dem
in einer Gewerkschaftszeitung angeführten Fall der deutschen Pro-
duktion von Kriegsschiffen für die Türkei, deren Finanzierung
erst einmal von der Bundesregierung übernommen wird, darauf
schließen, daß sich der deutsche Staat ein politisches Programm,
für das auch der NATO-Partner Türkei einsteht, etwas kosten läßt.
Da wäre man ja gleich bei der NATO-Strategie, bei der herausra-
genden Rolle der BRD in diesem Kriegsbündnis und dabei, wie sich
"Waffenhilfe" in politische Einflußnahme anderswo umsetzen läßt.
- Also bei lauter langweiligen E r k l ä r u n g e n, aus denen
sich nie und nimmer der Skandal eines s t a a t l i c h e n
Versäumnisses drechseln ließe. Genau darauf hat's aber die Ge-
werkschaft abgesehen. Und dazu stellt sie sich eine Obrigkeit
vor, die zwar über viel eingesammeltes Steuergeld verfügt, aber
oft nicht so recht weiß, wie sie es - in ihrem Sinn - wirklich
nutzbringend ausgeben soll. So garantiert der Staat seinen Rü-
stungsindustriellen mit subventionierten Auslandsaufträgen ihren
Gewinn und muß sich prompt nachsagen lassen, daß er damit gleich
gegen zwei Ideologien verstößt, die der DGB an ihm schätzt:
Erstens schade er seinem A n s e h e n a l s N a t i o n, die
sich gegenüber dem Ausland behauptet und nichts zu verschenken
hat - schon gar nicht an "zahlungsunfähige Armenhäuser". Dieses
faschistische Argument läßt sich der Gewerkschaftsbund nicht ent-
gehen: "Wir schenken somit der Türkei Rüstungsgüter." (Eine
"Verschwendung von Steuergeldern", die dem DGB deshalb bei der
Bundeswehr und rein deutschen Rüstungsoptionen nicht einfallen
mag.)
Zweitens verkalkuliere sich der Staat als E i n k ä u f e r
v o n B e s c h ä f t i g u n g. In dieser Rolle ist zwar noch
kein Minister tätig geworden. Unterstellt man sie aber als quasi
heimlichen Zweck jeder kapitalfreundlichen Maßnahme der Regierung
dann läßt sich trefflich über den Sinn von Staatsausgaben an die
Waffenindustrie streiten. Am obigen Beispiel hat der Arbeitskreis
"Alternative Produktion" bei der Blohm und Voss AG somit folgende
Kritik an der Rüstungspolitik der Bundesregierung errechnet: Wür-
den statt der vier Fregatten vier menschenfreundliche Frachter
gebaut, dann bräuchte der wertvolle Steuersäckel nicht für den
ganzen Preis, sondern nur für die "30 Prozent Preisdifferenz, um
die deutsche Anbieter teurer waren" als ihre Konkurrenten, blu-
ten. Für eine deutsche Werft wären Aufträge und saubere Gewinne
gesichert. Und der deutsche Schiffsbau-Prolet hätte mehr Arbeits-
stunden zum Abarbeiten, über die er sich mit seiner Gewerkschaft
besonders freuen darf, weil sie sein Staat so billig für seine
Firma eingekauft hat:
"Somit wären mit 110 Millionen Mark Steuermitteln fast zwei Mil-
lionen Stunden gesichert und nicht, wie jetzt für Fregatten ge-
plant, eine Million Stunden für 150 Millionen Mark überteuert
gekauft."
Nebenbei ließe sich auch "die Qualität und Konkurrenzfähigkeit
der deutschen Flotte" erhöhen. Ein imperialistischer Vorteil, ge-
gen den wirklich niemand was haben kann.
"Zivile Produktion - doppelter Nutzen"
Aber nicht nur in diesem Fall, überhaupt wüßten die Rechenkünst-
ler vom DGB ihrem Staat einen Haufen alternativer Möglichkeiten,
wie er sich endlich von dem erfundenen Zwang befreien könnte,
sein gutes Geld immer fürs Herstellen von Kriegsgerät verschwen-
den zu müssen, wenn er Arbeitsstunden oder -plätze einkaufen
geht. Angenommen z. B. Vater Staat hat 10 Milliarden Mark für Ar-
beitsplätze im Portemonnaie. Was kriegt er wo dafür?
Gibt man sie im Verteidigungsbereich aus, sind es 180.000. Setzt
man sie für soziale Maßnahmen ein, bedeutet das ein Plus von rund
30, im Gesundheitswesen von über 33 Prozent, und in kommunale
Einrichtungen gesteckt, werden damit 245.000 Arbeitsplätze - plus
36 Prozent - geschaffen."
Der Vorteil springt jedem Milchmädchen ins Auge. Alle guten Ab-
sichten, die die Gewerkschaftsideologie dem Staatswesen unbeirr-
bar unterstellt, lassen sich allein mittels der V o r s t e l-
l u n g einer "V e r s c h i e b u n g d e r ö f f e n t l i-
c h e n A u s g a b e n" belegen. Man braucht sich einfach nur
auszumalen, eine runde Summe würde vom Rüstungsetat dem Herrn
Blüm (die segensreichen Wirkungen seines Ministeriums sind
allgemein bekannt) für "soziale Maßnahmen" übertragen - und schon
erstrahlt das ganze Staatssystem wieder in seinem eigentlichen
Glanz. Wie von selbst zeigt sich, daß die Herstellung und der
Vertrieb von Waffen nie ein politischer Zweck, sondern allenfalls
eine Notwendigkeit ist. "Die Wirtschaft" kann ihre Ge-
meinnützigkeit beweisen, weil sie ihr Geschäft jetzt mit Kranken-
wagen statt mit Panzern macht. Und vor allem der Prolet ist wie-
der wer, belastet nicht sinnlos öffentliche Kassen, sondern hat
Sinn im Dienst.
Daß die verantwortlichen Herren in Bonn für ihre praktischen Ent-
scheidungen in Sachen Aufrüstung offenbar ein ganz anderes Re-
chensystem in Anschlag bringen, davon läßt sich ein für die ei-
gentlich guten Intentionen der Staatsgewalt eintretender Gewerk-
schaftsagitator nicht irre machen. Er beschwert sich lieber
über die Ignoranz der Polit-Profis gegenüber staatstragenden
"Gedankenspielen".
"Mag diese Rechnung für den Laien im Zeichen der Krise als Ei des
Kolumbus gelten - für die Politiker scheint daraus keine Glei-
chung zu werden. Während der Rotstift der Finanzexperten vor kei-
nem andern Posten haltmacht, während alle Umschichtungen in den
Sozialtöpfen das Loch im Haushalt nicht stopfen können, bleiben
die Militärausgaben eine heilige Kuh.
Schon das Gedankenspiel mit einer Etatkürzung und die Infrage-
stellung der Rüstungsindustrie erscheinen vielen Politikern als
reine Blasphemie - vom Aufschrei der Waffenfabrikanten ganz zu
schweigen."
Eine Botschaft ist dieser bemerkenswerten Charakterisierung des
politischen Willens zur Rüstung als "heiliger Kuh", die sich mit
allen Vieren gegen das vom DGB gelegte "Ei des Kolumbus" sträubt,
schon zu entnehmen: Es ist absolut u n e r k l ä r l i c h,
warum die konstruktiven Gewerkschaftsbeiträge von den Politikern
nicht als solche verstanden werden. Weil aber diese Beiträge oh-
nehin weniger auf ihre praktische Umsetzung als auf ihre
A n e r k e n n u n g als Beweis von Mitverantwortlichkeit aus
sind, empfehlen die Erfinder einen "langen Atem". Dafür darf man
sich dann den Staat als Öltanker vorstellen.
"Aber ähnlich einem schweren, in Fahrt befindlichen Öltanker ist
auch ein staatlicher Behördenapparat nur mühsam, durch intensive
und dauerhafte Arbeit von seinem Kurs abzubringen."
Die laufende Rüstungsproduktion
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kann die Gedankenspiele der Gewerkschaft gut verkraften. Denn ge-
standene Gewerkschaftsmitglieder arbeiten in ihr sehr mühsam und
dauerhaft, während ihre Betriebsräte intensiv um gedeihliche Auf-
träge für "ihre" Betriebe werben und Vorschläge machen. Jede Kri-
tik an der Rüstungsproduktion halten sie für einen Anschlag auf
die Ehre der Arbeiter. Denn solange sich in der Einstellung der
Politiker und der kurzfristigen Kalkulation der Betriebsleitungen
nichts "bewegt", gilt das Grundgesetz gewerkschaftlichen Kampfes.
Wovon wir abhängen, dem gilt unser ganzer Einsatz! Denn es ist
erstens praktisch und geht zweitens moralisch in Ordnung, wenn
Arbeiter das erledigen, was ihnen mit vorhandenen Arbeitsplätzen
aufgetragen wird. Die schönen Alternativen gibt es ja gar nicht,
so daß wie in der chemischen und Atomindustrie auch im Waffenge-
werbe die fällige Arbeit ganz eindeutig die Sache des gewerk-
schaftlich organisierten Arbeitsmannes ist. "Aussteigen" wäre
denkbar, aber unverantwortlich - sagen diejenigen, die an nichts,
schon gar nicht an Kampf gegen etwas, gedacht haben, weil sie al-
les mitverantworten wollen.
Zitate aus:
DGB Hessen, 1983, Positionspapier "Gewerkschaftliche Anforderun-
gen an die Friedensbewegung"
DER GEWERKSCHAFTER 1/84, "Alternative Produktion"
DER GEWERKSCHAFTER 9/84, "Rüstungsexport: Das todsichere Ge-
schäft"
Gemeinsame Sieben-Punkte-Erklärung von DGB und Bundeswehr
Metall, Nr. 18, September 1986, "Statt Rüstung nützliche Pro-
dukte!"
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