Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR KDV - Dienst bleibt Dienst
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Bremer Hochschulzeitung Nr. 69, 01.02.1983
Wochenschau
GEGEN DAS NEUE ZIVILDIENSTGESETZ
ist ein Großteil der Zivildienstleistenden in Streik getreten.
Der für die "Jugend" - sprich: für deren nationale Pflichterfül-
lung - zuständige Minister Geißler hat bekanntlich beschlossen,
Kriegsdienstverweigerer künftig erst recht in den Genuß ziviler
F r o n t e r l e b n i s s e kommen zu lassen. Für ein Spott-
geld länger dienen; auf dem trostlosen bis blutigen Feld des von
Geschäft und Staat produzierten sozialen Elends; oder auf dem
stets wachsenden Felde (para-)militärischer Funktionen, die für
eine ordentliche Kriegsvorbereitung unerläßlich sind; und als
freizeitlichen Ausgleich nach Möglichkeit eine kasernenmäßige Un-
terbringung. Eine Zwangsverpflichtung, die dem öffentlichen
Dienst Kosten spart und vor allem jene potentiellen Gesinnungsge-
nossen abschrecken soll, die sich der "staatsbürgerlichen Grund-
pflicht" namens Wehrdienst entziehen wollen. Weshalb die anste-
hende Verschärfung von Geißler in zynischer Offenheit als Härte-
test auf die Glaubwürdigkeit des Gewissens serviert wird.
Dagegen haben sich streikende Zivildienstler mit Flugblättern an
die "lieben Mitbürger" gewandt - unter solch sinnigen Fragen wie:
"Ist Krankenpflege schlechter als Schießen?" Da wird nicht gegen
die staatliche Zwangsrekrutierung für Wehr- u n d Zivildienst
Stellung bezogen, sondern tatsächlich so getan, als würde es sich
bei der zitierten Krankenpflege um einen f r e i w i l l i g e n
Beitrag fürs Allgemeinwohl handeln. Da wird sich auf die Not von
"Kranken, alten Menschen und Behinderten oder generell aller
hilfsbedürftigen Menschen" berufen, um die moralische
G l e i c h w e r t i g k e i t von deren Betreuung mit dem
"Schießen" für sich zu reklamieren. Daß bei einem solchen Ver-
gleichsverfahren nicht ein einziges kritisches Wort gegen das
Schießen im Staatsdienst, geschweige denn gegen dessen zivilen
Ersatz fällt, auch gar nicht fallen soll, beweist die Antwort auf
besagte Frage überdeutlich: "Wir Zivildienstleistende meinen je-
doch, unsere Arbeit steht dem Dienst in der Bundeswehr in nichts
nach." Pflegen und Abrichtung zum Töten - ist beides nicht unge-
heuer wertvoll?! Soweit kommt man, wenn man ausgerechnet aus dem
staatsdienlichen Wert der (erzwungenen) eigenen O p f e r ein
R e c h t ableiten will auf ein bißchen R ü c k s i c h t-
n a h m e seitens des obersten Dienstherrn. Wir halten es für
einen schweren Fehler, angesichts der Rekrutierung zur
Elendsverwaltung allen Ernstes ein Bekenntnis zu der angeblichen
Menschenfreundlichkeit dieses Jobs abzulegen und sogar noch den
beschlossenen Protest gegen die befohlenen Verschärfungen
herzunehmen, um "zu zeigen, daß es uns um keinerlei Form von
Drückebergerei geht." Daß da die übliche Heuchelei im Spiel ist,
durchschaut erstens jeder. Und zweitens führt solch demonstrierte
Opferbereitschaft nur noch dazu, daß sie beim Wort genommen, also
"getestet" wird - eben von Staatsministern wie Geißler, die an-
sonsten mit ihrer Androhung von Geld- und Haftstrafen gegen
Streikende wegen "rechtswidrigen" "Dienstpflichtvergehen" keiner-
lei Unklarheit darüber bestehen lassen, w o v o r man sich
nicht "drücken" darf und soll: vor dem selbstlosen Dienst an der
Macht!
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