Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR KDV - Dienst bleibt Dienst


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       Marxistische Schulzeitung Bremen, 09.12.1980
       

LIEBER KRIEGSDIENSTVERWEIGERER!

Du bist gegen den Wehr- und schon gar gegen den Kriegsdienst? Gib Ruhe, es gibt was für Dich! "Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verwei- gert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden... Das Nä- here regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentschei- dung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Er- satzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht." (Art. 12a GG) Daß Du gegen den Kriegsdienst bist, darf ja wohl nicht heißen, daß Du nicht f ü r Deinen obersten Friedens- und Kriegsherrn bereit bist, einen Dienst ohne Waffe zu leisten. Wo der Dir schon diese Alternative einräumt, mußt Du verstehen, daß er das "Nähere durch ein Gesetz regelt". Die Postkartenlösung hat er wieder ab- geschafft, weil sich zuwenig junge Staatsbürger dazu gemeldet ha- ben, den gehorsamen Einsatz des eigenen Lebens zum befohlenen Tö- ten von Gegnern zu lernen. Grundrechte sind schon von jeher eine Sache politischer Konjunkturen. Wenn sich also der bundesrepubli- kanische Bedarf an Soldaten so nicht regeln läßt, kann etwas mit der "Gewissensentscheidung" nicht stimmen. Also Gewissensprüfung: Bist Du nur ein Drückeberger oder: "Sie gehen mit ihrer Freundin/Schwester/Mutter im Wald spazieren. Plötzlich bricht ein Rus... pardon Räuber aus dem Gebüsch und überfällt ihre geliebte Begleiterin. Sie tragen zufällig eine Pi- stole bei sich. Was würden Sie in dieser Situation tun?" Vorsicht Falle! falsch: "Sie haben eine schmutzige Phantasie!" falsch: "Die Sicherheitskräfte der Bundesrepublik Deutschland schrecken jeden Angreifer ab!" richtig: "Ich, Waffe? I c h nie!" Ach, so einer bist du. Daß dein Staat mit einer Kriegsmaschinerie Politik macht und dabei mit ihrem Einsatz kalkuliert, ist dir nicht Grund genug dagegen zu sein? D u kriegst beim Anblick ei- ner Waffe Schweißausbrüche? Befund des Prüfungsausschusses: "Der Antragsteller versichert glaubhaft seine p e r s ö n l i c h e U n f ä h i g k e i t zum Dienst mit der Waffe", sprich: Der hat eine Macke und wir brauchen ihn gerade nicht. o d e r: "Der Antragsteller drückt sich vor einer Gewissensentscheidung. Er scheint keine gefühlsmäßige Bindung zu kennen. Das wollen wir sehen." Und weiter geht die Befragung: "Die Vergewaltigung nimmt ihren Lauf! Halten Sie das Lämpchen?" falsch: "Sie Drecksau!" falsch: "Wo bleibt denn die Polizei?" richtig: "Ich werde versuchen, den Mann mit Argumenten von seinem Tun abzubringen. Sonst kann ich nichts machen!" Ach so. Selbst wenn du gute Argumente gegen etwas hast, würdest du dich praktisch nie daran halten und stattdessen alles mit dir machen lassen. Z.B. von diesen Staatsdienern des Prüfungsaus- schusses. Dessen Befund: s.o., eben so oder so,. jedenfalls: Mit dem kann mans machen. Oder ist dir aufgefallen, daß diesen Prüfern keine Lüge zu übel ist, um dir ein B e k e n n t n i s nach dem anderen z u r staatlichen Gewalt abzuverlangen? Betrachte deinen Staat wie das Wesen, das du liebst (Freundin/Schwester/Mutter), heißt die erste Lüge. Betrachte das üble Subjekt mit Vergewaltigungstrieb als den Russen, dann ist ja wohl klar, daß "wir" "uns" verteidigen müs- sen, heißt die zweite. In einem freilich ist die Geschichte die- ser modernen Werber realistisch: Da wird nicht lange mit Ab- schreckung herumgefackelt; gegen den einbrechenden Russen hilft nur der Einsatz! Und das unterschreibst du, wenn du es ernst meinst mit der Aussage: nur d u p e r s ö n l i c h seist dazu nicht imstande, ansonsten müsse es aber so vor sich gehen. So ge- hen "Fangfragen"! Gewissensnot ------------ Es ist also eine ganz falsche Kritik an diesen Fragen, sie würden "nicht richtig" das Gewissen prüfen. Auch die Auffassung, das Ge- wissen lasse sich gar nicht prüfen, ist nicht besser. Beides be- sagt nämlich nur, daß man keine guten Gründe für seine Meinung in Sachen Kriegsdienst hat, und das zu beweisen ist das Geschäft der Prüfungsausschüsse. Wer sich ernsthaft nur auf sein Gewissen be- ruft, der bringt sich in die Not - "ich weiß auch nicht, aber (!) ich kann nicht!" -, es beweisen zu müssen und nicht zu können. Schon hat er ein schlechtes Gewissen, wo ihn sein Staat ruft, und t r a u t diesem zu, ihn zum a n e r k a n n t e n Gewissens- menschen zu machen. Diese Berufung zur Gewissensinstanz läßt der Staat sich nicht entgehen. Genau so hat er es sich mit seinem Recht auf die "Freiheit der Gewissensentscheidung" nämlich ge- dacht, und offeriert das Angebot, mit viel Opfern im Dienst an Kranken und sonstigem Ausschuß "unseres Wohlfahrtsstaates" das Gewissen beruhigen zu können. (Das spart ihm nebenbei "soziale Kosten".) Glauben muß der Staat den Gewissensmenschen natürlich nicht und als Gewissensinstanz hat er sich das Recht eingeräumt, im Ernstfall ganz frei zu entscheiden. Drückeberger ------------ sollte man also ruhigen Gewissens sein. Dem Staat den Dienst aus Gewissensgründen zu verweigern, ist freilich eine andere Sache. zurück