Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR KDV - Dienst bleibt Dienst
zurück
Streit um den "Unbekannten Deserteur"
KRIEGSDIENST? EHRENSACHE!
Auf Initiative der Gruppe "Reservisten verweigern sich" und mit
finanzieller Unterstützung des Senats wurde in Vegesack "Dem Un-
bekannten Deserteur" ein Denkmal errichtet. Seitdem tobt ein von
oben angeheizter und von unten freudig aufgenommener Streit unter
dem Titel "Mahnmal oder Schandmal?"
Schon diese Fragestellung garantiert, daß die Wehrmoral Hochzei-
ten feiert. Wenn nämlich am 2. Weltkrieg das Problem gewälzt
wird, ob Desertion eines Denkmals würdig, weil moralisch hochwer-
tig sein kann oder einfach mieser Vaterlandsverrat ist, dann kal-
kulieren alle Parteien mit dem e i n g e t r e t e n e n
Kriegsfall als einer Selbstverständlichkeit, zu der man sich zu
stellen hat. Zweitens ist von vornherein verlangt, als
b e k e n n e n d e r N a t i o n a l i s t Position zu be-
ziehen. Und an diese Regieanweisung haben sich alle gehalten.
Die CDU mochte sich vor Empörung kaum einkriegen, entnahm sie der
Skulptur doch eine "Aufforderung zur Desertion aus der Bun-
deswehr" (WK, 17.3.87). Ein Anliegen, das sich für die CDU von
selbst desavouiert. Das mochte die SPD - immerhin hat sie den
Stein des Anstoßes genehmigt - nicht auf sich sitzen lassen. "Im
übrigen, so betonte der Präsident des Senats weiter, sei Fahnen-
flucht aus der Bundeswehr strafbar." (WK, 25.3.87) Als Aufklärung
über die Rechtslage kann das keiner mißverstehen. Eher schon als
Klarstellung folgender Art: Wenn nicht mal der S t a a t, der
zur Fahne ruft, die Fahnenflucht erlaubt, dann verbietet sich so-
was natürlich für jeden SPDler, also für jeden anständigen Men-
schen. Übrigens war auch bei den Nazis Fahnenflucht verboten. Und
das, so die CDU, aus gutem Grund. Denn wo käme ein Staat, und sei
es ein faschistischer, hin, wenn ihm mitten im Krieg das Personal
davonliefe.
"... auch die pauschale Glorifizierung von Wehrmachtdeserteuren
können wir nicht mitmachen. Es gab damals neben sehr ehrenhaften
auch verräterische Motive." (Neumann, CDU, im WK, 17.3.87)
Zu Deutschland hat man eben zu halten, egal wer es regiert.
"Die wegen einer solchen Pflichtverletzung verurteilten Soldaten
waren in den vergangenen Kriegen oft schuld am Tod ihrer Kame-
raden." (Kreisvorsitzender der Jungen Union, Bremen Nord, taz,
25.3.87)
Gesagt will er haben, daß man für Deutschland die Front zu halten
hat, wer immer einen wann immer dahin befehligt hat. Die inter-
essante Begründung aus menschlicher Sicht: Nicht die deutsche
Nation verheizt Soldaten im Krieg, sondern derjenige ist an ihrem
Tod schuld, der an der Front nicht mitkrepieren will. Also viel
Verständnis für Hitlers standrechtliche Erschießungen. Wehrmacht
hin, Bundeswehr her - Dienst bleibt eben Dienst. Wer das anders
sieht, ist ein Vaterlandsverräter. So argumentiert ein Spätgebo-
rener, der den Volkssturm nicht mehr mitmachen durfte.
Diesen Vorwurf mochte die Gruppe "Reservisten verweigern sich"
nun keinesfalls auf sich sitzen lassen. Schließlich "hatten alle
Mitglieder der Gruppe entweder ihren Grundwehrdienst abgeleistet
oder sich als Zeitsoldaten verpflichtet" (Gruppenmitglied Theil-
mann, WK 27.3.87). Pflichterfüllung, auch Wehrdienst gilt diesen
"Verweigeren" offenbar nicht als erzwungener Staatsdienst, son-
dern als Ehrensache, oder?
"Ihre Skulptur solle auch in keiner Weise zur Desertion aus der
Bundeswehr aufrufen. Sie sei kein Appell zur Kriegsdienstverwei-
gerung, ebensowenig wolle die Gruppe einen Graben ziehen zwischen
den Soldaten des Zweiten Weltkriegs, die aus der Wehrmacht deser-
tierten und denen, die bis zur Kapitulation durchhielten. Die
Skulptur stelle kein Helden- oder Ehrenmal dar, sondern die
Zerrissenheit des Menschen und die Unmenschlichkeit des Krieges."
(ders., ebd.)
Na also! Bei soviel Dienstbereitschaft wird man Krieg doch wohl
ein bißchen unmenschlich finden dürfen, ohne sich gleich als
Vaterlandsverräter verunglimpfen lassen zu müssen!
Zumal wenn man Desertion und "Durchhalten" als zwei gleichermaßen
ehrwürdige A l t e r n a t i v e n, weil Alternativen des
D i e n s t e s am Vaterland betrachtet und folglich zutiefst
"zerrissen" im Raum steht. Offenbar leuchtet diesen Verweigerern
eben die Fragestellung ein: 'Soll man für Deutschland in jedem
Fall stramm stehen, auch wenn dieser süße Wurm von den 'Falschen'
geführt wird? Oder soll man lieber die Löffel hinwerfen, damit
das Leiden der N a t i o n in einem a u s s i c h t s-
l o s e n Krieg nicht unnötig verlängert wird? Die Friedens-
opposition 1987 hat eben Geschmack.
zurück