Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR IDEOLOGIE - Mit der Bombe Frieden machen
zurück Exclusiv-Bericht eines Teilnehmers von JACOBSENs Bildungsreise zur BundeswehrEIN TAG, AN DEM ICH VIEL GELERNT HABE
Nachdem "die ansonsten im Vorlesungskolloquium stark engagierten kommunistischen Studenten die Fahrt nach Koblenz als 'Kaffeefahrt' und 'Bundeswehrpropaganda' abgetan haben" (Generalanzeiger 4.2.82), erreichte die BHZ-Redaktion in letzter Minute doch noch ein Tatsachenbericht über den Ausflug des Gei- stes zur Wehrmacht. Ein junger Mann, der uns bisher nur als un- auffälliges Erstsemester aufgefallen war, hatte jegliche Feigheit vor dem Feind vermissen lassen, war mit der Jacobsen-Crew nach Koblenz zum Zentrum der Bundeswehr für Innere Führung gefahren, und überreichte uns zwei Tage später - noch völlig zerzaust, ent- geistert und von der bürgerlichen Presse schmählich abgewiesen - seine erschütternden Erfahrungen. In seiner grenzenlosen Naivität scheint uns dieser Bericht ein Dokument dafür zu sein, wie schnell selbst anständige Bürger ihren Respekt vor der Bundeswehr verlieren können, wenn sie nur wollen. Ausflüge mache ich ja gerne, besonders wenn sie "Excursion" hei- ßen. Also habe ich mir gedacht, warum nicht auch mit dem Jacobsen zur Bundeswehr, obwohl die mir als Wanderziel bisher nicht be- kannt war. Aber man soll ja keine Vorurteile haben, hab' ich auf der Uni gelernt. Wundern hab' ich mich bei der Abfahrt müssen: ein paar Opis, ein paar alte Schachteln, 12 Amis, 4 undefinierbare Schlitzaugen, ein paar Kommilitonen aus meinem Semester - aber weit und breit kein Prof. Jacobsen, der mit Pünktlichkeit und Disziplin Ordnung in diesen bunten Haufen gebracht hätte. Der Busfahrer sagt, daß der Professor hinterher fahren muß, weil er hinterher mit den Generä- len noch speisen muß. Wie bitte? Ach so! Da waren wir alle beru- higt. Dann waren wir da. Wir mußten 5 Treppen steigen, weil wir nicht verweichlichen sollen. Oben gab es deshalb auch nix zu trinken. sondern einen Generalfeldmarschall. Der heißt Crauß, wofür er aber nichts kann. Außerdem befiehlt er das ganze Haus, wofür er schon was kann, und uns auch gleich. Man merkt, daß er das gut geübt hat und er hat einen ordentlichen Scheitel. Drumherum sit- zen ganz viele Uniformen mit bunten Knöpfen und die waren beim selben Frisör wie der Generalfeldkommandeur. Dann müssen wir was fragen. "Jawohl, Herr Kommandant", kräht das Milchgesicht neben mir und fragt, ob die Bundeswehr auch sparen muß. Der Militär läßt ihn aber ins Leere laufen mit seinem Mit- leid und sagt, daß er sich selber wundert, aber von den Sparbe- schlüssen würde er nix merken, weil das Geld nicht knapp ist bei ihm. Dann kriegt er doch noch Runzeln ins Gesicht und seufzt, der Mensch dagegen wäre sehr knapp, weil unsere Bürger beim Pimpern zu wenig an Deutschland denken und die Frauen zu viele Pillen schlucken. Deswegen wäre es nur gerecht, wenn die auch Soldat werden, und selbst gegen Gastarbeiter hätte er in diesem Fall nichts. Die Uniformen nicken. Dann gab's Arbeitsgruppen und immer noch nichts zum Saufen. Aber das ist ja schließlich im Feld genauso und deshalb muß man moti- viert sein wie die Sau, sagt der Kapitän zur See, der die Ar- beitsgruppe führt. Wieso man zu einem Befehl auch noch "motiviert" sein muß, verstehe ich nicht, wo mein Alter immer bloß gebrüllt hat, daß es beim Militär aufs Parieren ankommt. Dann sagt mein Kapitän abergleich drauf, daß Motivation ist, wenn man so ist wie er und mit dem Herzen bei der Sache, und da hab' ich gedacht, ich sehe meinen Alten vor mir stehen und warum der Kapitän sich vorher so umständlich ausdrücken muß - und dabei hat mich bloß ein Pferd getreten, was ja in der neuen Wehrmacht ein geflügeltes Wort ist. Überhaupt hat mein Kapitän laufend gesagt, daß seine neue Armee ganz anders ist als die alte vom Adolf und die neue vom Honecker, und ich hab' nicht verstanden, warum er das so betont, wenn das doch eh angeblich so offensichtlich ist, und er hat gemeint, der Unterschied wäre, daß wir jetzt Demokratie haben und da dürfen die Soldaten mitdenken, was sie aber auch nicht jeden Tag tun können, weil sie ja dienen müssen, und deswegen ist es schön, daß es Politiker gibt, die in der Zwischenzeit denken tun. Nach dieser langen Rede war er ganz erschöpft und ich habe bei mir gedacht, daß er vielleicht doch besser bei seinen Leisten geblieben wäre, aber kaum gedacht, springt er nochmal auf, legt sich auf den Tisch und ruft jawoll und er ist Soldat geworden, weil er weiß, daß es verteidigungswerte Werte gibt. Ich hätte meinen Kapitän ja gerne gefragt, was er arme Sau denn machen würde, wenn für seine Werte nicht gerade zufällig die Bundeswehr hingestellt worden wäre, denn dann müßte er die und die NATO ja glatt erfinden, aber ich hab' mich nicht getraut, weil mir eingefallen ist, daß mein Kapitän immerhin den Reagan und den Apel zum Freund hat. Dann mußten wir wieder in den großen Saal zu dem General. Und endlich war der Prof. Jacobsen auch da, der war vorher nicht da, weil er in den Wandelhallen vor dem Saal lauter Beziehungen ge- knüpft hat, aber jetzt wo er da war, hat er auch nix anderes ge- macht. Erst hat er dem General gesteckt, daß es bei ihm an der Uni Kommunisten gibt und wegen dem Verstehen hat der Professor flugs den Horizont des Militärs berücksichtigt und gesagt, daß bei uns an der Universität MG nicht Maschinengewehr, sondern Mar- xistische Gruppe heißt, und dann haben sie beide über den guten Witz gelacht, und der Jacobsen hat gesagt, daß er keine Propa- ganda für die Bundeswehr machen würde, sondern nur Berührungsäng- ste abbauen will und hat gleich den General angefaßt. Und der hat dem Jacobsen auf die Schulter gehauen und gesagt, daß er das gut findet, was der Zivilist Jacobsen an der Unität macht, weil es heutzutage doch wieder richtig Spaß macht, Soldat zu sein, und daß man das nicht oft genug sagen kann. Dann sind der General und der Professor aber wie auf Kommando nachdenklich geworden, weil sie das Problem gekriegt haben, ob der Spaß des Soldatenlebens nicht dadurch getrübt wird, daß die Rekruten gar nicht wissen, ob sie jemals kämpfen dürfen und des- halb 365 Tage in Alarmbereitschaft rumhängen und keiner kommt. Da haben die das Problem gewälzt, daß angeblich die Bundeswehrsolda- ten kämpfen können müssen, um nicht kämpfen zu müssen und daß die im Ernstfall deshalb vielleicht die Waffen fort schmeißen, und ich hab mir immer gedacht, spinnen die jetzt oder was und daß die sich doch selber an die Grenze stellen sollen, wenn sie schon dran glauben wollen, daß die Abschreckung deshalb nicht klappt, weil die Abschrecker selber darauf reinfallen würden, was sie im- mer drüber erzählen, daß nämlich die ganzen Waffen dafür da sind, damit nie ein Schuß fällt. Abschreckend genug wären sie ja, die zwei... Da hab ich mich unheimlich erschrocken, als ich mich bei solchen Gedanken ertappt habe und will schleunigst heim. Ich muß aber erst noch in den furchtbaren Bus und das dauert und dauert und dann bin ich ins Wirtshaus gegangen und hab mich gefragt, wieso die Uniformen so sicher sind mit den Sachen, die sie da machen, daß sie noch nicht mal ein Bier spendieren müssen, um von sich zu überzeugen. zurück