Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR IDEOLOGIE - Mit der Bombe Frieden machen


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       Bremer Hochschulzeitung Nr. 33, 28.04.1981
       
       Auf der Hardthöhe: Soldat und Gesellschaft:
       

ZWEI SCHRITTE VORWÄRTS, KEINER ZURÜCK

"Die Bundeswehr braucht die informierte Öffentlichkeit." (APEL) (1) Minister APEL hat wieder einmal auf die Hardthöhe geladen. dies- mal nicht zur Rüstungsklausur, sondern zu einer "offenen, sponta- nen und von gegenseitigem Verständnis getragenen Diskussion" (der Gastgeber) zum Thema "Soldat und Gesellschaft". Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Offen, verständnisvoll und wohl auch ganz spontan legte einer der Diskussionsteilnehmer nach dem ande- ren sein Bekenntnis zum Auftrag der Bundeswehr ab. Die Vertreter der Wissenschaft erfanden allerhand Identifikations- und Identi- tätskrisen, in der sich die Bundeswehr befinden solle, entdeckten unsere demokratische Wehrmacht in einem Zustand der "Verkrampfung", befanden sie sonst aber für ganz gesund. "Besonders kritisch" (Weserkurier) gaben sich die Vertreter der Jugend. Radikal forderte beispielsweise der DGB-Bundesjugendse- kretär, "man müsse Ansätze dafür deutlich machen, daß es Aussicht gebe, die Rüstungsspirale zu verlangsamen" (soviele Entschuldi- gungen für das Treiben unserer Politiker und Militärs hat man schon lange nicht mehr in einem Satz gelesen!). Auch Frau, soweit offiziell vertreten, wollte sich ihr Bekenntnis zum Wehrstand nicht nehmen lassen: "Wir Frauen haben Angst vor Gewalt und Krieg und werden von der Bundeswehr allein gelassen", meinte die Vor- sitzende des Deutschen Frauenrates, und man darf annehmen, daß sie mit dem letzten Teil ihres Satzes nicht auf den Frauenüber- schuß in der BRD anspielte, Die Erklärungen der Militärs sparen wir uns. (2) Soll das schon alles gewesen sein, was sich auf der Hardthöhe ab- spielte? Schließlich steht in den Zeitungen zu lesen, in Bonn sei die längst überfällige Traditionsdebatte geführt und zu einem wegweisenden Ende gebracht worden. Als erstes ist eine ganz neue Tradition der Bundeswehr geboren worden, die alle diejenigen Kri- tiker der Bundeswehr versöhnen wird, die bisher gemeint haben, sie erfülle ihren Auftrag zu sehr 'abgehoben' von der Gesell- schaft. "Wir werden überlegen, ob wir nicht einmal (zum Gelöbnis) in einen Industriebetrieb gehen sollten, um unsere Verbindung (!) zu den arbeitenden Menschen zu unterstreichen." - versprach Kriegs- minister Apel, und es wird beim Versprechen nicht bleiben. Unsere Gewerkschaftsfunktionäre werden dieser zukunftsweisenden Tradi- tion der demokratischen Wehrmacht die Anerkennung nicht versagen. Sie hatten ja schon unmittelbar nach dem 6. Mai die Arbeiter- freundlichkeit der Bundeswehr vermißt. In den Worten des ÖTV-Vize S. Merten: "Warum hat niemand daran gedacht, mit der Bremer Veranstaltung (zur Rekrutenvereidigung) zu zeigen, daß es sich um eine Veran- staltung u n s e r e r (gesperrt im Original) Bundeswehr han- delt? Das hätte an den Eingeladenen deutlich werden können... Hat irgendjemand daran gedacht, Arbeiter einzuladen? Ist niemand auf die Idee gekommen, die Werftarbeiter von der Weser AG, der Vul- kan-Werft, die Arbeiter von Klöckner oder die Hafenarbeiter mit ihren Kollegen der städtischen Verkehrsbetriebe und der Müllab- fuhr einzuladen? War es nur eine Veranstaltung der Bremer Wirt- schaft? War es nur eine Veranstaltung der Generale und Admirale? Was immer bekannt gewesen sein mag über die beabsichtigte Stö- rung: Hat niemand daran gedacht, den Bundespräsidenten in Beglei- tung von vielen hundert Arbeitnehmern zum Stadion gehen zu las- sen?... Wird nicht immer betont, die Gemeinschaft der Demokraten sei in der Lage, mit dem Spuk einer kleinen radikalen verwirrten Minderheit fertigzuwerden!" (ötv-magazin, 8/80) Zufrieden, Herr Merten? Jetzt hat die Hardthöhe ihr Problem ge- löst. Wenn die deutschen Arbeiter schon diejenigen sind, die im Frieden und im Krieg die Knochen hinhalten, dann soll die Bundes- wehr diese Opfer auch honorieren, so die gewerkschaftliche Forde- rung. Jetzt besucht die Bundeswehr die deutschen Arbeiter - auf dem Kampffeld ihrer Friedensschlacht. Bessere Anerkennung kann man der Verbindung von Wehrstand und Nährstand kaum zollen - vor den sicherheitstechnischen Vorteilen dieser Lösung ganz zu schweigen. Eine schöne Auflösung des Ta- gungsthemas: von wegen Soldat u n d Gesellschaft, die Gesell- schaft hat für den Soldaten da zu sein. Eine Tradition mit Zu- kunft, und ganz sicher davor, für ein nationalsozialistisches Re- likt gehalten oder mit DDR-Gepflogenheiten verwechselt zu werden. Bei uns gehen ja wohl die Arbeiter freiwillig in die Fabrik, auch an Gelöbnistagen! (3) Der Vorwurf der elitären Abgehobenheit der Bundeswehr wäre also schon einmal weg vom Fenster. Fragt sich, was für die Verfechter einer Traditionsdebatte herausgekommen ist, die sich voll mit dem Auftrag der Bundeswehr identifizieren könnten, wenn sie an ihr nicht einige "alte Zöpfe" entdeckt hätten. Kaum kündigt Apel nach Abschluß der Tagung an, er werde den v. Hasselschen Traditionserlaß von 1965 in neue Dienstvorschriften umwandeln, und ansonsten einige nicht-kämpfende Teile der Truppe damit beschäftigen, sich neue Kasernennamen auszudenken und den 'Großen Zapfenstreich' zu überarbeiten, da atmet die informierte Öffentlichkeit erleichtert auf: "Die Marschrichtung (schön gesagt!) der Tradition der Bundeswehr geht heute weitgehend von der Identifizierung mit dem demokrati- schen Staat aus. Dieser Weg sollte konsequent weiter beschritten werden." (Frankfurter Rundschau) Hier bekennt ein Journalist, stellvertretend für seine Kollegen und ein paar Dutzend SPD-Ortsvereine dazu, daß jetzt der letzte Vorbehalt hinfällig geworden ist, den er noch gegen die Bundes- wehr vorzubringen wußte. Jetzt kann er sich ungetrübt vor stili- stischen und geschmäcklerischen Einwänden mit der Bundeswehr identifizieren; sie ist ja ihrerseits bis in die letzten Formen hinhein identisch mit dem demokratischen Staat, der nicht von Bismarck, Hindenburg oder Hitler regiert wird (die es ja zur Tra- ditions d e b a t t e nie gebracht haben). (4) So eine Traditionsdebatte, geführt von Politikern, Militärs und sonstigen verantwortlichen Menschen unter Anteilnahme der Nation, ist schon eine gewaltige Sache! Da straft der Kriegsminister alle intellektuellen Erfindungen Lügen, wonach militärische Tradition überholt oder gar ein Hemmschuh für den Bundeswehr-Auftrag sei, indem er der Tradition einen ganz simplen Inhalt gibt: sie ist nämlich alles, was der Bundeswehr nützt, ihren Auftrag durch- zuführen; so schreibt er in den neuen Traditionserlaß den amtli- chen "Hinweis auf die Friedenssicherung als Existenzgrund der be- waffneten Macht und als prägendes Element sowohl für das Selbst- verständnis der Soldaten als auch für die Traditionspflege der Bundeswehr." Tradition ist also, was die Bundeswehr macht, und (siehe oben) zu machen gedenkt im Namen und im Auftrag der Republik. So geht der Kriegsminister mit seiner Armee ganz in moderner Tradition daran, die Arbeitswelt dem Wehrauftrag unterzuordnen - und gibt sich da- bei in Stilfragen nicht kleinlich. Also: Vorwärts und nicht zu- rück mit der Tradition! Und schon ist der letzte Einwand gegen die demokratische Wehrmacht, der legitimerweise noch vorzubringen war, die Chose mit der Tradition eben, entkräftet. Die Traditi- onsdebatte ist gelaufen; und im übrigen ist eine Armee zum Krieg- führen da und nicht zum Diskutieren. Die informierte Öffentlichkeit ist zufrieden, sieht 'alte Zöpfe' abgeschnitten und kann nun endlich die lästigen Wenns und Abers abschütteln, die ihre Identifikation mit der Bundeswehr noch be- gleitet haben. Nur weil 50 Zivilisten und Militärs zwei Tage lang in Bonn gelabert haben. Fazit: Die Bundeswehr hat nicht nur die Tradition, auch die Öf- fentlichkeit, die sie braucht. Restbestände übernimmt Kollege Glotz. zurück