Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR IDEOLOGIE - Mit der Bombe Frieden machen


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       Münchner Hochschulzeitung Nr. 1, 12.11.1980
       
       Bundeswehrgelöbnis auf dem Königsplatz
       

HELM AB ZUM GEBET

München Königsplatz. An historischer Stätte die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen. Die Fackeln und die einheitliche Klei- dung der Anwesenden machen deutlich, daß es hier um etwas Schönes geht. Keine ungeordnete, disziplinlose Demonstration g e g e n irgendeine Maßnahme unseres Staates. Eine feierliche Kundgebung f ü r seine Wehrmacht, der größten und einzig legitimen Gewalt, die es gibt. Keine Bürgerinitiative hat diese Demonstration ange- meldet, kein Autofahrer hat auf die verkleideten Spinner ge- schimpft, kein Politiker hat vom Sumpf des Terrorismus geredet. Das ist verständlich. Hier ging es nämlich um etwas sehr Positi- ves: die Feier der Ehre, für's Vaterland zu stellen. Das öffentliche Gelöbnis ------------------------ räumt auf mit dem blöden Verdacht, die kriegerischen Traditionen unserer Nation wären eine schlimme Sache. Ihre Pflege ist wieder angebracht, und das staatliche Fernsehen hat in einer Sondersen- dung klargestellt, daß die Nachkriegszeit mit ihrer Distanz zum Soldatenhandwerk vorbei ist. Und die Lügen, mit denen hier und heute Begeisterung gestiftet werden soll für den staatlichen Ge- waltapparat, für die Opfer, die er fordert, sind - wie sollte es anders sein - dieselben wie unter Adolf, Wilhelm und Ronald. Lüge Nr. 1: "Die Auftragnehmer treten vor ihre Auftraggeber." (Generalmajor Kessler) Also: Das deutsche Volk war 1955 nicht nur so dumm, schon wieder Adenauer gewählt zu haben, so daß sich dieser die Freiheit nehmen konnte, den Aufbau einer neuen Wehrmacht zu beschließen. Jeder kann sich doch genau daran erinnern. Tausende von Bürgerinitiati- ven haben damals das Parlament unter Druck gesetzt und es be- auftragt, die Jugend der Nation wieder einer nützlichen Tätigkeit zuzuführen. "Wir wollen schneidige Soldaten", "Unsere Jugend, ge- hört der NATO", "Mein Sohn hat ein Recht auf die Luftwaffe" - so hieß es damals auf Millionen von Transparenten. Da ist es doch 25 Jahre später an der Zeit, daß dem Volk gezeigt wird, wie weit - sein Wunsch, seine Sehnsucht nach einem sinnvollen Tod für Vater- land in Erfüllung gegangen ist. Lüge Nr. 2: Verteidigung des Volkes Also: Der "oberste Souverän", das Volk, hat nur an sich gedacht, als es beschloß, seine jungen Burschen in Uniformen zu stecken und mit modernstem Kriegsgerät auszurüsten. Es hat aus den Erfah- rungen zweier Kriegsgenerationen gelernt, daß bei der Verteidi- gung des Vaterlands, der Freiheit, seines Staates eben, fast die Hälfte so gut geschützt wird, daß sie übrigbleibt. Diese Lehren gelten umso mehr, als die geburtenstarken Jahrgänge von heute der Überzeugung sein dürfen, daß sie ihren Oberbefehlshaber für den Verteidigungsfall selber gewählt, also ermächtigt haben. Da ist es doch nur recht und billig, wenn alle Zweifel daran, daß Staat und Volk haargenau dasselbe sind, zerstreut, werden. Der Staat steht doch nur, wenn sein Volk auch fällt, Lüge Nr. 3: "Der Ernstfall, vor dem uns Gott bewahren möge." (Strauß) Also: Ausgerechnet Gott, den sich die Menschen nach ihrem Bilde geschaffen haben, damit sie an ihn glauben können - ausgerechnet der oberste Kriegsgott, der noch bei jeder Mobilmachung segnend zugegen war, soll den Beschluß des Verteidigungsfalls blockieren. Pfiffe von den bei der Vereidigung anwesenden Kardinälen waren zumindest nicht zu hören. Und Landesvater Strauß hat es ja auch ganz anders gemeint: Wenn, wie immer, Gott sein Veto nicht ein- legt, dann ist er wohl auch dieses Mal dafür. Zumal im Angesicht des Todes sich mancher sonst Gleichgültige wieder an seinen Herr- gott erinnert. "Helm ab zum Gebet." Eine "militärische Machtdemonstration" -------------------------------------- war es also nicht. Da hatte der General recht. Es ging, wie er selbst sagte, um die Grundlage der Macht, die mit dem Militär ausgeübt wird. Und die besteht wie eh und je im Gehorsam des Men- schenmaterials, der "nicht erst im Verteidigungsfall, sondern auch im Frieden" verlangt ist. Und in der breiten Unterstützung der jungen Kameraden, "die aus dem Volke kommen und zu ihm gehö- ren." Wo sollen sie auch sonst herkommen? Also Leute: Es war doch ein unerträglicher Zustand, daß die demo- kratisch herbeigewählten Bürger in Uniform bislang "kaserniert hinter Mauern" ohne liebende Verehrung des Volkes schmachten muß- ten. Das ist ja wie Sabotage. Damit muß Schluß sein. Soldaten heraus und unters Volk gemischt, heißt die Parole. Das Risiko, daß das Volk gerade nicht zur militärischen Feier aufgelegt ist und vor seiner Wehrmacht erschrickt, wurde natürlich nicht eingegangen. Gesichtskontrollen sorgen dafür, daß nur Verteidi- gungsbewußte, Verwandte der Rekruten und Bewunderer des Fackelscheins zur Ehre gelangten, den Zapfen mitstreichen zu dürfen. Das Volksfernsehen verfertigte ein Filmkunstwerk daraus, bei dem alten Nazis das Herz höher geschlagen haben muß. Das Wegräumen einiger weniger Demonstranten und der Einsatz der chemischen Keule wurden nicht gezeigt. Das hätte das schöne Bild getrübt. Wenn das nicht ein Versäumnis war: "Die Polizei hatte alles im Griff." Wollt Ihr den totalen Frieden? Aber klar! zurück