Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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Militärtagungen
WEHRKUNDE FÜR FORTGESCHRITTENE
Auf dem Felde von Strategie und Taktik führen Ideologien, die das
Kriegshandwerk in ein demokratisches und friedliches Licht stel-
len sollen, inzwischen ein ziemliches Schattendasein. Das um so
mehr, je mehr das Militär seine Aufgabe gekommen sieht.
In München trafen sich an einem Februarwochenende Strategen, Ge-
neräle, Verteidigungsminister und Militärexperten aus den Parla-
menten zur W e h r k u n d e t a g u n g d e r N A T O, bei
der es natürlich nicht um eine militär-wissenschaftliche Disputa-
tion ging, sondern um die Auflistung aller möglichen "Argumente"
fürs Warum und Wie des Zuschlagens. Kurz darauf versammelten
Kanzler und Verteidigungsminister der BRD ihre Kommandeure der
Bundeswehr in Travemünde. Auch hier widerlegten die praktizieren-
den Fachleute alle die schönen Namen, die für ihr todbringendes
Geschäft erfunden sind, gleich selbst und hatten auch gar kein
Problem damit.
Diplomatie
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Klar war von "Angeboten zur Rüstungskontrolle", von "Dialogbe-
reitschaft" und "zu allen Schritten bereit" die Rede, doch machte
niemand einen Hehl daraus, wie ernst das Friedensangebot an die
Russen gemeint war. Verteidigungsminister Wörner, der zum ersten
Mal nach der Sache mit seinem verblichenen Glanz wieder
öffentlich auftrat und militärisch ganz richtig seine Gloria als
schärfster Verfechter aller NATO-Doktrinen wieder in Ordnung
brachte, erläuterte das Friedensangebot an die Sowjetunion:
"Die neue Führung in Moskau wird allen Anlaß haben, ihre Westpo-
litik zu überdenken und ihren Standort neu zu bestimmen."
Schließlich war das Tagungsthema "Herausforderung an die
Allianz", und so etwas verlangt gegen den Feind immer
herausfordernde Antworten: Wir stellen die Waffen auf, und ihr
dürft sie überdenken!
Strategie
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Deshalb betrat man dann auch schnell den noch festeren Boden der
Waffen und ihres strategischen und taktischen Einsatzes. Worin
sich alle einig waren, der angebliche "Nachrüstungs"gegner Ehmke
nicht ausgenommen: Stärkung der konventionellen Streitkräfte hat
"erste Priorität". Doch ganz ohne Ideologie wollten sie auch
diese Zielsetzung nicht aufstellen, wenn sich auch der Zweck: "um
die Nuklearschwelle anzuheben", sehr schnell nur als höchstens
17. Priorität herausstellte. US-Vize-Präsident Bush ließ in Abwe-
senheit verlesen, was da angehoben wird:
"Die konventionellen Streitkräfte der NATO müßten stark genug
sein, eine glaubwürdige Verteidigung gegen einen konventionellen
Angriff der Sowjets darzustellen, 'damit die NATO nicht sofort '"
(ach so!) "'vor der Entscheidung einer Eskalation steht', sagte
Bush. Die NATO brauche aber das ganze Spektrum der Abschreckung
vor allen Formen eines Angriffs." (Süddeutsche Zeitung)
Alles klar, aber jetzt meinten weiterdenkende Strategen, daß mit
der Stärkung der konventionellen Streitkräfte auch der alte
Schlager "flexible response" flexibler gestaltet werden müsse.
Ein Ami brachte das Reizwort "Vorwärtsverteidigung" ein, was nach
Presseberichten vor allem den bundesdeutschen Strategen nicht be-
hagt haben soll. Manfred von der Bundeswehr und ein General a.D.
derselben Wehrmacht schlichteten den scheinbaren Streit. Manfred
Wörner, ohne einen neuen militärischen Begriff erfinden zu müs-
sen:
"Aus politischen und militärischen Gründen bezeichnete Wörner
auch die 'Vorneverteidigung' als 'unanfechtbar'. Ihre Aufgabe sei
es, einen Angriff an der Grenze zum Stillstand zu bringen. Die
Forderung nach 'raumgreifenden Operationen' über die Grenze hin-
weg, lehnte Wörner ab." (Süddeutsche Zeitung)
Der General, der offenbar als alter Kommißkopp den Unterschied
zwischen "vorne vorwärts" und "vorwärts vorne" nicht verstanden
hatte, mit der erfrischenden Einfalt eines Nachschuboffiziers,
der nichts umsonst angeschafft haben will:
"General a.D. Schulze erinnerte trocken daran, daß das 'Tornado'-
Kampfflugzeug nicht zur Erdkampf-Unterstützung angeschafft worden
sei. Es solle Zerstörung tief in gegnerisches Gebiet tragen. Dem
Angreifer dürfe nicht signalisiert werden, daß der Angegriffene
alle Schäden" (jetzt fing der auch noch das Theoretisieren an)
"allein zu tragen bereit sei. Wenn die NATO ihre Verteidigung als
ein lineares Konzept" (= unbeweglich dem Feind erst hinterm
Grenzpfahl auflauern) "begriffe, sei die Frage nach der vielberu-
fenen Akzeptanz solcher Strategie abermals zu stellen." - Und
zwar von denen, auf deren Akzeptanz es wirklich ankommt.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
So war denn der ideologieverdächtige Begriff "Verteidigung" auch
seines verschleiernden Charakters entkleidet. Dazu brauchte nicht
einmal jemand auf die enge Stammverwandschaft von 'vorne' und
'vorwärts' hinzuweisen. Einem zur Praxis neigenden Tommy war aber
auch diese klare Diskussion noch viel zu ideologisch umwölkt. Er
dachte gleich noch ein Stück weiter nach vorne und/oder vorwärts,
mit jenem Realismus, der Kriegsstrategen so entwaffnend anziehend
macht:
"Der stellvertretende britische Verteidigungsminister Geoffrey
Pattie betonte die Bedeutung der Offenhaltung der Seewege von den
Alliierten zu den USA. Diese Seewege müßten auch (?) im Ernstfall
unbedingt offen bleiben. Die NATO erwarte von ihren Mitglieds-
staaten bei militärischen Aktionen auf alle Fälle den Versuch
vorheriger Beratungen. Pattie fügte jedoch hinzu: 'Es wird unver-
meidlicherweise Gelegenheiten geben,'" (Gelegenheiten ist gut,
oder hat die liberale "Süddeutsche" das nur falsch übersetzt?)
"'wo sich die Dinge so schnell entwickeln, daß sie solch eine Be-
ratung ausschließen, und dessen sind wir uns völlig im klaren.'"
(Süddeutsche Zeitung)
Damit war wirklich alles klar, bis auf eins, die Teilnehmer der
Wehrkunde-Tagung hatten den Menschen ihrer Strategie, den Solda-
ten vergessen, auf jeden Fall kaum berührt. Das war aber gar
nicht so schlimm, denn an dieses lebendige Kriegsmaterial wurde
zwei Tage später gedacht.
Innere Führung
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In Travemünde war die 27. Kommandeurstagung der Bundeswehr. Und
auch dort konnte man feststellen, wie wenig ideologisch verseucht
doch unsere Jungs von der Truppe sind. Wörner - er sah sich dazu
veranlaßt, weil er Offizieren die Diskussion mit ehrlosen Mech-
tersheimern verboten hatte - bewies seine saubere Haltung, indem
er alle häßlichen und für einen Soldaten unzumutbaren Vorurteile
über Kasernen mit der Unterscheidung zwischen 'Kasernieren' und
'Einsperren' widerlegte.
"Wer Soldaten in Kasernen einsperrt, begeht Freiheitsberaubung."
Und wenn man sie schon mal rausläßt, dann nicht auf falsche Frie-
densdiskussionen, sondern zum Friedensdienst auf denn Übungs-
platz. Und auch Altenburg, der Generalinspekteur der Bundeswehr,
tat Bahnbrechendes, um dieses die Kampfkraft der Truppe nur
schwächende ideologisch; Geseiche über Sinn und Zweck der Wehr-
macht auszumerzen. Sein antiideologischer Kampf spießte zielstre-
big die zersetzende Ideologie vom über alles gehenden und glück-
lich machenden 'Frieden' auf. Dauernd Frieden - das macht müde
Männer gar nicht munter:
"Einen neuen, bisher in dieser Deutlichkeit wenig gehörten Ton
allerdings schlug Altenburg an, als er zum Thema
'Menschenführung' die Notwendigkeit hervorhob, den Rekruten ver-
stärkt zu vermitteln, welchen Anforderungen sie 'im Gefecht' aus-
gesetzt sein würden. Der Generalinspekteur beklagte Einflüsse wie
'Anspruchsdenken, Verstädterung und Bürokratie', die das Füh-
rungsdenken vom 'Gefechtsbezug' abgelenkt hätten. Es gebe über-
dies kaum mehr kriegsgediente Vorgesetzte, die persönliche Erfah-
rungen vermitteln könnten. Heute müsse man Verbindung zu den Al-
liierten halten, die 'den Einsatz kennen'; die Bundeswehr solle
von deren Erfahrungen profitieren." (Süddeutsche Zeitung)
So hat denn der erste Generalinspekteur der Bundeswehr, der sich
nicht mehr schon unter Hitler, sondern nur in der friedlichsten
Bundeswehr, die es jemals auf deutschem Boden gab, seine Offi-
ziersstrapse verdiente, gleichsam mit der Schärfe eines Feldste-
chers erkannt, daß die Rede von der 'friedenssichernden' Bundes-
wehr, die nur zur 'Verteidigung' da ist und schon weit über 30
Jahre den 'Frieden' gesichert hat, auf die Dauer nur zu intellek-
tueller Verweichlichung führt. Alles klar: Weg mit dem ideologi-
schen Geschwätz! Wenn die alten Haudegen fehlen oder vielmehr
ausgehen, dann hilft nur "Gefechtserfahrung" und keine Diskussion
über den defensiven, friedenssichernden Umgang des Bürgers in
Uniform mit der nur verteidigenden Panzerfaust. Und solange die-
ser Frieden anhält, in dem so gelabert wird, anstatt die Waffe
auf den Punkt zu bringen - das schon über 30 Jahre lang -, kann
das nur zur Wehrkraftzersetzung führen.
Der Altenburg hat seine Sache auf den Punkt gebracht: Friedensi-
deologie ist eine Sache, Kampfgeist eine andere! Aber das hat er
nicht gewußt, als er seine Truppe aufmöbelte: Daß die öffentli-
chen Beob- und Begutachter für seine Ideologiekritik sofort emp-
fänglich sind und einsehen, wie falsch sie bisher rumgelabert ha-
ben. Unter der Überschrift "Ein Preis des Friedens" hat nämlich
ein angesehenes deutsches Blatt Altenburgs Anregung so und ganz
richtig verstanden und dementsprechend kommentiert:
"Im Truppenalltag würde die Umsetzung dieses Plädoyers zunächst
einmal eine härtere Ausbildung für die wehrpflichtigen Soldaten
bedeuten. Dies übrigens ist ein Rezept, das der damalige CDU-
Verteidigungsexperte Manfred Wörner bereits vor Jahren als Reme-
dur gegen die Gammelei im Soldatenalltag anpries. Im übrigen ist
die beklagte Entwicklung in einer 'Abschreckungsarmee' unvermeid-
lich.
Erstmals liegt der Sinn einer deutschen Armee eindeutig darin,
einen Krieg zu verhindern, nicht ihn zu führen. Je länger dies
gelingt, desto mehr schreitet die übernahme ziviler Verhaltens-
normen und Denkweisen - und dies auch und gerade in spezifisch
militärischen Bereichen voran. Die Probleme, die sich daraus er-
geben, sind der Preis der Friedenssicherung." (Süddeutsche Zei-
tung)
Wenn erkannt ist, daß der Frieden selbst die Friedenssicherung
behindert, dann wird bei der Friedenssicherung auch nichts mehr
schief gehen.
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Ein NATO-Preis
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ist gestiftet worden. "der Bürgern verliehen werden soll, die
sich ganz besonders um die Förderung der Ziele des Atlantischen
Bündnisses verdient gemacht hätten. Der 'Atlantik-Preis' ist in
diesem Jahr mit 5000 Dollar dotiert."
Nach inoffiziellen Gerüchten soll der aussichtsreichste Kanditat
ein a m e r i k a n i s c h e r P r ä s i d e n t samt Bera-
tern sein, und zwar für die deutlichste NATO-Friedensbotschaft:
"Auf dem Globus findet gegenwärtig eine Revolution statt - eine
Revolution für Freiheit und demokratische Ideale... Unsere tage
der Schwäche sind vorbei. Unsere Streitkräfte stehen wieder gut
da. Es ist eine Ehre, US-Soldat zu sein."
"Wir prämieren keine leeren Worte!" so der Jury-Vorsitzende G.
Bush im Pentagon. Aus gutunterrichteten Kreisen in Oslo war zu
vernehmen, daß im folgenden Jahr der Friedensnobelpreis der NATO
für die Verbreitung des Endfriedensprogramms in Wort und Tat ver-
liehen werden soll. Im übrigen wies die NATO-Stiftung darauf hin,
daß die 5000 Dollar ein rein symbolischer Preis sind. Der vorge-
schlagene Preisträger sei für die NATO unbezahlbar, und letztend-
lich trügen die eigenen Kosten sowieso die betroffenen Völker
hüben und drüben.
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