Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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Bremer Hochschulzeitung, 19.09.1984
"Bundeswehrplanung bis in die 90er Jahre" steht:
NEUES VON DER DEUTSCHEN WEHRMACHT
Erinnern Sie sich noch an den Kießling-Skandal? Damals tadelte
alle Welt den Verteidigungsminister Wörner als Ehrabschneider ei-
nes ehrenwerten Kriegsbefehlshabers. Jetzt hat Wörner den erfolg-
reichen "Abschluß der Planung für die Bundeswehr bis in die 90 er
Jahre hinein" gemeldet, und kein Mensch hat sich d a r ü b e r
aufgeregt. Dabei spricht alles, was bei dieser Planung herausge-
kommen ist, eine deutliche Sprache: hier wird die Armee des bun-
desdeutschen Staates endgültig g e f e c h t s k l a r gemacht.
Die "politischen Rahmenbedingungen" gehen sowieso klar: im neuen
Bundeshaushalt schrumpfen die Posten für "Soziales" wieder um ein
paar Milliarden, der Posten für Rüstung steigt, so daß jeder se-
hen kann, was zählt in der friedliebenden BRD und was nicht. Und
kaum beklagen sich der zuständige Minister und seine Generale
darüber, was ihnen noch alles fehlt im Wunschkatalog der Tötungs-
instrumente, schon erscheinen die angemahnten Sächelchen voll-
ständig in der neuen Beschaffungsplanung des Herrn Wörner. Wo
gibt's das sonst noch? Hier eine kleine Auswahl dessen, worauf
der westdeutsche NATO-Frontstaat wirklich nicht verzichten kann:
Von der Rakete bis zur Patrone: mehr und besseres von allem!
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Beim Material fürs Kriegführen darf nun einmal nicht gespart wer-
den. Dabei sind die Planer des Verteidigungsministeriums "von der
Erkenntnis ausgegangen, daß der Verteidigungsumfang der Bundes-
wehr im kommenden Jahrzehnt bei gleichbleibender Bedrohung nicht
verringert werden könne". Bloß komisch, daß dann lauter besseres,
z.T. völlig neues Zeug und von allem immer mehr angeschafft wird
- ob das nicht vielleicht etwas bedeutet für die Bedrohung, die
von "der Bundeswehr im kommenden Jahrzehnt" a u s g e h t?!
Eben, wer sich eine solche Kriegsmaschinerie hinstellt, daß diese
sogar so manche gegnerische A t o m w a f f e aufwiegt - im un-
verwüstlichen Friedenshochdeutsch heißt das "Verbesserung der
konventionellen Rüstung, um die Bundesrepublik unabhängiger von
Atomwaffen zu machen" -, der b e d r o h t die andere Seite so
massiv, daß er immer mehr Verteidigungsbedarf bekommt. Der wird
prompt gedeckt z.B. durch 200 neue Jagdflugzeuge, die z.Z. ent-
wickelt werden; durch die Einführung neuer Flugabwehrsysterne mit
den schönen Namen "Patriot" und "Roland"; durch nachtkampfgeeig-
nete Panzerabwehrhubschrauber und Artilleriewaffen mit sog.
"intelligenter", zielsuchender Munition. Und und und. Deswegen
werden die v o r h a n d e n e n Waffensysteme natürlich nicht
verschrottet, sondern ihre "ausreichende Bewaffnung mit neuer
Technik sichergestellt". Mit der neuen Technik ist vor allem die
Elektronik gemeint, ein Gebiet, auf dem speziell man sich in
NATO-Militärkreisen für dem Ostblock überlegen hält und deshalb
nicht müde wird, sich über die unübertroffene K r i e g s-
t a u g l i c h k e i t "unseres westlichen Gesellschafts-
systems" zu freuen. Elektronik ist auch Trumpf bei der bestellten
neuen Generation von Aufklärungs-, Führung- und Fernmelde-
systemen, bei denen es laut Generalinspekteur Altenburg bisher
ziemlich hapert. Die G e f e c h t s f e l d a p p a r a t u-
r e n müssen eben tiptop sein, wenn es auf die Vorbereitung des
G e f e c h t s zugeht. Und von dem Standpunkt aus wird
überhaupt nicht die geringste Kleinigkeit mehr dem Zufall
überlassen und z.B. der Munitionsvorrat verdoppelt, den die
kämpfende Truppe bei der "Vorneverteidigung" im Feindgebiet mit
sich führt.
Bei soviel liebevoller Vorsorge beim Material darf natürlich die
Planung fürs Menschenmaterial nicht zurückbleiben.
Personalplanung: mehr Gerechtigkeit fürs Kanonenfutter
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Die Personalplanung für die Bedienungsmannschaften des ganzen
feinen Kriegsgeräts ist auch unter Dach und Fach. Sie hat vor al-
lem mehr Gerechtigkeit gebracht; und das heißt auch bei der Wehr-
gerechtigkeit: gleicher S c h a d e n für alle. Noch nicht ganz
gerecht ist es vielleicht, daß die Mädels bei der Wehrmacht immer
noch nichts werden können (bis 1990 vorläufig). Aber sonst, alles
in Ordnung: Wehrdienstverlängerung für alle (für die Gewissens-
drückeberger vom Zivildienst noch ein bißchen mehr); daß Platt-
füßler und Scheuermänner nicht wenigstens beim Fernmeldedienst
einsatzfähig sein sollen, leuchtet den Bundeswehrplanern der 80er
Jahre nicht länger ein; und daß künftige Pfaffen, wenn sie schon
die Waffen segnen können, nicht auch Dienst an der Waffe tun
könnten, war sowieso noch nie einzusehen. Dazu noch Feuerwehr-
leute, technische Hilfswerker, Verheiratete usw. wenn das Vater-
land zum Kriegsdienst ruft, dann soll beim "kühlen weltpoliti-
schen Klima der 80er Jahre" niemand mehr abseits stehen dürfen!
Und damit die Fronttauglichkeit beim künftigen Kanonenfutter der
Nation auch wirklich außer Zweifel steht und die G e-
f e c h t s stärke der Wehrmacht von eineinviertel Millionen Mann
optimal abrufbereit ist, haben die Reservisten der deutschen
Wehrmacht von nun an spätestens alle zwei Jahre mindestens vier-
zehntägige Wehrübungen zu absolvieren.
All dies sind jedermann zugängliche Tatsachen. V e r-
s c h w i e g e n wird in unserer Demokratie nämlich wirklich
nichts. Offenbar trauen ihre Macher ihr zu, daß sogar eine
komplette K r i e g s v o r b e r e i t u n g damit, prima über
die Bühne zu bringen ist...
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