Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
zurückDIE HERBSTMANÖVER: MOBILISIERUNG DER HEIMATFRONT
Die Herbstmanöver sind beendet. Die Truppen sind in ihre Kasernen zurückgekehrt und üben dort für den "Ernstfall" weiter. Der Mate- rialtest ist bestanden, und die Ansprüche an Menschenmaterial und Kriegsgerät verlangen ihre Perfektionierung. Die öffentliche Mei- nung pflegt die Liebe zur Wehrmacht. Wer aus seiner Abneigung ge- gen sie keinen Hehl macht, wird aus der freiheitlichen Volksge- meinschaft ausgesondert - als "Kriminelle und Saboteure". "Wir" haben wieder stolz zu sein auf "u n s e r e" Armee. 1. Die Presse, die freiheitliche, gehörte zum ersten Manövergepäck. Der ganze deutsche Blätterwald berichtet gleichermaßen sachkundig über die Funktionsweise von Panzern, Wärmebild-Zielerfassungssy- stemen und dergleichen mehr. Begeisterung über die Perfektion des Waffengeräts wird verbreitet - bemerkenswert dies deshalb, weil die Beurteilung des Feindes hier auf die lässigste ohne die moralische Verurteilung und Lüge über den "Aggressor" auskommt. Die Güte der BRD und ihrer Bombenarmee beweist sich schon darin, daß "wir" die stärkere Macht sind. "Mit diesen Waffen schlagen wir die Sowjets" werden Soldaten aller Ränge zitiert, geradeso als wäre der Zweifel an der S i e g e s f ä h i g k e i t der einzig denkbare Einwand gegen den Waffengang. Und weil zu über- legenen Waffen die kompromißlose Bereitschaft gehört, sie einzu- setzen, wird der bundesdeutsche Leser mit einfühlsamen Interviews am Rande der Manöver versorgt. Jawohl, man kann sich vorstellen, für "die" Sache zu sterben - und überhaupt leidet der eigene "Mut zum Risiko" hauptsächlich daran, daß das Manöver immer noch und bloß Manöver ist und einem noch nicht das letzte Können abverlangt. Verschwitzt wird mit der Suppe viel Kameradschaft gelöffelt. Amerikaner, Engländer und Franzosen sind keine "Ausländer", und die jahrelang gepflegte Dankbarkeit gegenüber den US-Boys als unseren Beschützern ist dem Stolz auf die Erfül- lung eines g e m e i n s a m e n A u f t r a g s gewichen: z u s a m m e n sind "w i r" unschlagbar. Und selbst die TAZ läßt sich von der gefeierten Rücksichtslosigkeit des Solda- ten"handwerks" moralisch imponieren. Gerührt entdeckt eine Redak- teurin i m Soldaten d e n Menschen, wenn der Major ihr in der Kälte einen Mantel reicht. 2. Gefechtsvorführung mit Beteiligung der B e v ö l k e r u n g. "Der Feind ist rot" und "um 11 Uhr 15 werden Tornados und Phan- tomjäger eingreifen." Gesundes Volksempfinden will gepflegt sein. Das Volk darf bei den Manövern dabei sein und die Trockenübungen zur Produktion gegnerischer Leichen als Anlaß zur Verbundenheit mit den eigenen Helden nehmen. Zumindest erfährt es über sich aus dem Fernsehen oder aus dem Munde seiner Politiker, daß ihm nichts mehr am Herzen liegt als die Jungs von der kämpfenden Truppe. Auf die D e m o n s t r a t i o n der Einheit von Volk und Militär wird ziemlich Wert gelegt - um die als Selbstverständlichkeit jedem guten Deutschen als Herzenspflicht nahezulegen. Daß ein paar Patri-Idioten dies als Auftrag wörtlich nehmen und mit Mistgabeln auf Blockierer losgehen, wird verständnisvoll als Ü b e r eifer kritisiert. Und abends gibt es nicht selten einen Manöverball. 3. Der BGS übt am i n n e r e n F e i n d. Seine Hubschrauber verfolgen - unbehelligt von der demokratischen Ideologie der Trennung von Militär und Polizei - Fahrzeuge und Motorräder der Blockierer; Polizeibeamte nehmen Verhaftungen vor, wenn es ihnen darauf ankommt und schlagen die "Gruppen von Vandalen" (Wetzel) auch schon einmal krankenhausreif. "Sabotage" ist der Begriff, mit dem das Recht, die Blockierer fertigzumachen, moralisch zwei- felsfrei begründet ist. Der maßlose Anspruch an das Volk, sich für die "Fähigkeit zur S e l b s t b e h a u p t u n g des Staates" (Dregger) tauglich zu machen gibt die moralische Meß- latte ab. Also gibt es bereits in Friedenszeiten den Tatbestand der Sabotage, auch und gerade w e i l von einer Funktionsstö- rung der Manöver überhaupt keine Rede sein kann. Der Wille, Manö- verübungen symbolisch zu behindern, hat k e i n e n Grund auf seiner Seite, er ist Verrat am gemeinsamen Auftrag von Volks und Militär. Und das erfährt er praktisch. 4. Die Solidarität mit dem an und für sich guten Soldaten - ohne Zweifel war das auch das ideal der Blockierer. Erfolg war es, auf ein Gelände "einzudringen" und eine Stunde lang "unter den Augen herumstehender Polizisten" Bäume anzupflanzen und das Gebäude mit Farbe zu verschönern. Schön konstruktiv möchte man demonstrieren, daß es eine auf Kriegsführung eingestellte Bundeswehr eigentlich gar nicht geben dürfte, daß es - wenn schon, denn schon - allen- falls um die ganz und gar defensive Verteidigung unseres friedli- chen Blumengartens namens BRD gehen dürfte. Gegen die prakti- zierte und ideologisch überhöhte Waffenbrüderschaft von Amis und Deutschen wird die patriotische Vorstellung einer von den Amis für die Amis mißbrauchten "Risikozone" bemüht, welche dem Solda- tenstand ausgerechnet bei der Übung von Kriegsfähigkeit beschei- nigt, eigentlich wäre er doch für den Frieden da, ja wenn ihn nicht die Amis mit ihrem airlandbattle mißbrauchten. So haben die Moralwachteln der Friedensbewegung einigermaßen frei Haus den neuen Adressaten gefunden, für den sie Anwalt gegen die Blockie- rer spielen: den einfachen Soldaten, der "nicht als Gegner, son- dern als Mitmensch" (Bastian) in das gute Volk eingemeindet wird. Ein Argument, das nicht nur das brave Mitmachen der Soldaten je- der Kritik entzieht - sondern mit dem vorgestellten guten Dienst den Kritiker moralisch ins Unrecht setzt. Daß schlußendlich der heiße Herbst als "Lehrstück der Demokratie" (Mechtersheimer) ge- feiert worden ist, entbehrt nicht der Peinlichkeit. Die Prote- stierenden beweisen den politischen Befehlshabern der Armee i h r e Friedlichkeit, indem sie sich mit der Selbstverpflich- tung auf "gewaltfreien Protest" auf die oben aufgemachten Maß- stäbe des inneren Friedens einstellen. Erfolge stellen sich da unweigerlich ein. Sie haben die politische Kultur gerettet, indem sie durch eigene "Friedlichkeit" der Polizei keine "Gelegenheit" gegeben haben, über das Maß hinaus zuzuschlagen, das d i e s e für nötig befindet; und sie haben schließlich mit ihr das Recht auf Demonstration geschützt. 5. Kampfbereitschaft verträgt im Innern keine Insubordination. Die p o l i t i s c h e n F ü h r e r definieren Kritik an der Bun- deswehr als Angriff auf die Grundlage der Nation, eben ihre Ge- walt. Das einzige, was den Demonstranten zugebilligt wird, ist bodenlose Dummheit, in eben dieser Grundlage den eigenen Schutz nicht sehen zu können. "Der Demonstrant, der mit Gewalt einen Wehrpflichtigen an seinem Verteidigungsauftrag zu hindern ver- sucht, straft (!) in letzter Instanz sich selbst"! (Boehnisch). So wird die Wahrheit, daß die von der Politik in die Welt ge- setzte Feinderklärung das Leben der ihr Unterworfenen hierfür benützt und dadurch aufs Spiel setzt, zum Argument, für die Mit- tel der Feinderklärung zu sein. Die armen Irren, die das nicht kapieren, werden selbstredend nicht "der letzten Instanz" über- lassen. Die Politik drückt die "Erwartung" aus, daß zügig "zur strafrechtlichen Verfolgung" geschritten wird, und eine "ordentliche Ausschöpfung des Strafmaßes" (Würzbach) stattfindet. So wird die Front nach innen bereinigt. Und keiner kann sagen, er wüßte nicht wofür. zurück