Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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Die frechste Frage des Monats
8. MAI 1945 UND/ODER 12. NOVEMBER 1955?
Zum vierzigsten Mal Sieg über den deutschen Faschismus und/oder
zum dreißigsten Mal souveräne Bundesrepublik Deutschland?
Zugegeben, eine blöde und belanglose Frage. So blöd und belang-
los, wie Traditionsfragen nun einmal sind. Um so ernster ist es,
wenn die Bonner Herrschaften nun schon seit Wochen jedem das
aparte Problem ans Herz legen, wie und ob der 8. Mai, die vier-
zigste Wiederkehr der deutschen Kapitulation, zu begehen sei.
Fragen der nationalen Ehre haben offenbar Hochkonjunktur, und
dieses Gut ist offenbar höchst empfindlich, wie die Debatte um
das Jubiläum zeigt.
Die ehemaligen Alliierten und jetzigen Bündnispartner
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haben das ganze Spektakel ins Rollen gebracht. Sie ließen nämlich
verlauten, daß sie den 8. Mai als ihren nationalen Gedenktag
diesmal besonders feierlich begehen wollen. Mit KZ-Besuchen und
anderen symbolischen Veranstaltungen soll des Sieges gedacht wer-
den, der im Namen der Ideale von Freiheit, Gerechtigkeit und
Menschlichkeit über die Machtansprüche des nationalsozialisti-
schen Reiches errungen wurde. Der Rückblick auf dieses ruhmvolle
und blutige Kapitel der jeweiligen Nationalgeschichte soll also
den Anspruch dokumentieren, den die westlichen Siegermächte heute
noch gemeinsam, allerdings gegen einen neuen/alten Feind,
erheben. Das faschistische Deutschland steht ja nicht zufällig
für all die politischen Todsünden, mit denen die Unerträglichkeit
des Ostblocks heutzutage bebildert wird: Aggression, Unterdrüc-
kung, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deswegen
ist die Sowjetunion aus dem Streit um die rechte Feier von vorn-
herein ausgeschlossen; gegen sie geht es ja allemal.
Zugleich treffen diese Siegesgedenken aber auch den heutigen Mit-
konkurrenten um eine angemessene Führungsrolle bei der weltweiten
Vertretung von Freiheit und Gleichheit, also westlicher Weltord-
nung, nämlich die Bundesrepublik. In der f a s c h i s t i-
s c h e n Niederlage wird schließlich der Sieg und die Zer-
schlagung D e u t s c h l a n d s gefeiert, dessen Anwartschaft
auf europäische Vormacht und Weltherrschaft vernichtet wurde.
Frankreich, England und Italien, denen ihr europäischer
Gemeinschafts- und NATO-Partner sowieso zuviel Gewicht hat,
werden am 8. Mai aus ihrem nationalen Herzen keine Mördergrube
machen und ihren Stolz dokumentieren, daß Deutschland besiegt und
eine Zeitlang ins zweite Glied gerückt worden ist. Und die USA
als unbestrittene Vormacht kennen sowieso keine Hemmungen, wenn
sie Siegesstimmung verbreiten.
Die Bundesregierung samt Opposition
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weiß das am allerbesten und ist damit höchst unzufrieden.
Schließlich möchte sie an diesem und jedem Jubiläum genau die um-
gekehrte Botschaft vorführen - das ureigenste deutsche Recht auf
europäische Großmacht nämlich. Auch nicht den geringsten Zweifel
soll es weltöffentlich daran geben, wer das eigentliche Opfer des
Nationalsozialismus ist und allein ein historisches Recht auf
Wiedergutmachung der Niederlage hat: die Bundesrepublik, legiti-
mer Anwalt einer wiederzuvereinigenden Nation.
Diese Lehre war ja schon immer die Quintessenz aller Gedenken an
die Untaten des Nationalsozialismus und der moralischen Schuldde-
batten, mit denen sich der westliche Nachfolgestaat als die ge-
läuterte und bessere Nachkommenschaft des untergegangenen Reiches
ins rechte Licht setzte. Aus demselben Geist streitet nun die Re-
gierung mit demonstrativer Selbstgerechtigkeit und Frechheit dar-
über, ob sie sich Siegesfeiern, die nicht das originär bundes-
deutsche Erbe aus der Tradition hochhalten, sondern im Gegenteil
ein Stück deutscher Zurücksetzung bejubeln, anschließen und sie
in alter Tour mit geheuchelter Bescheidenheit bereichern müsse.
Stellvertretend für alle Alfred Dregger:
"...der 8. Mai 1945 steht als historisches Datum für eine der
größten, wenn nicht überhaupt die größte Katastrophe der deut-
schen und europäischen Geschichte. ... der 8. Mai 1945 besiegelte
auch die Teilung Deutschlands und seiner alten Hauptstadt Berlin,
die bis heute andauert. Mit diesem Datum begann auch die Vertrei-
bung von 14 Millionen Deutschen aus den Ostgebieten des ehemali-
gen Deutschen Reiches, in deren Verlauf zwei Millionen Menschen
umgekommen sind... zum Feiern nicht den geringsten Anlaß." (FR,
23.12.84)
Das bleibende Unrecht Hitlers und sein wiedergutzumachendes Ver-
brechen ist also - der unerträgliche Sieg der Sowjetunion. Ganz
Europa hat sich der bundesrepublikanischen Sonderlesart des
Kampfes gegen den Ostblock anzuschließen und sich hinter die For-
derung nach einem Gesamtdeutschland zu stellen, so lautet die gar
nicht bescheidene Bonner Jubiläumsdevise.
Der Kanzler hat deswegen - unter öffentlicher Anteilnahme - Au-
ßenminister Shultz mit deutschen Einwänden vertraut gemacht. Von
Mitterrand ließ er sich gar die Versicherung geben, es werde si-
cher nichts gegen das jetzige Deutschland gesagt werden. Frei-
lich, das besondere Recht auf deutsche Größe in und mit der NATO
werden die Bündnispartner schwerlich am Arc de Triomphe, am ame-
rikanischen Grab des unbekannten Soldaten, in der Westminster
Hall oder ausgerechnet in Dachau bekränzen. Eben das will sich
die Bonner Regierung aber keinesfalls nehmen lassen und berät
deshalb - ebenfalls unter reger öffentlicher Anteilnahme - über
Eine würdige nationale Gestaltung des 8. Mai
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Einen Gedenkgottesdienst im Kölner Dom, regte K o h l an. Das
wäre ein gelungener Schlag gegen den Revanchismusvorwurf, aber
doch eine Bevormundung der Kirche, echot es. Wieso sich immer nur
gegen Revanchismus verwahrt wird? Doch wohl, weil man ihn als
Recht beansprucht! D e r B u n d e s t a g s p r ä s i d e n t
will eine Gedenkstunde mit Bundespräsident im Deutschen Bundestag
und - um
"auch die Zukunftsperspektiven" aufzuzeigen -, "daß der Deutsche
Bundestag um diese Zeit herum den Entwurf einer europäischen
Verfassung, eine europäische politische Union, verabschiedet."
Wir sind eben die europäische Führungsmacht, und deshalb weiß
Jennninger auch genau, was jedes Deutschen Herzenswunsch ist:
"Andererseits wollen die Deutschen nicht für alle Zeiten als die-
jenigen gebrandmarkt sein, die im Büßergewand und mit der Asche
auf dem Haupt herumlaufen müssen." (FR, 6.1.85).
Auch d e r D G B möchte sein nationales Haupt stolz erhoben
tragen und verspricht zum 8. Mai. "für Arbeitnehmer kein Datum
der Niederlage", mobil zu machen - für "die Versöhnung zwischen
den Völkern" nämlich. Deutsche Arbeitervertreter kennen offenbar
keine Klassen mehr, sondern nur noch Deutsche und Deutschlands
Gewicht in einer größeren Staatengemeinschaft. G r ü n e u n d
S P D wollen noch mehr der guten nationalen Moral vom deutschen
Boden und monieren,
"der von der Bundesregierung geplante Gottesdienst zum Gedenken
an die Kapitulation reiche nicht aus" (Süddeutsche Zeitung,
4.1.85)
Das meint die Regierung selber auch, allerdings etwas anders.
Verteidigungsminister Wörner
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hat jetzt schon eine Alternative ins Gespräch gebracht, wie sich
die Geltung der BRD und ihre Zukunftsvorhaben ohne jede Erinne-
rung an deutsche Niederlage und Hitler-Schmach feiern lassen.
Deutsche Waffen und deutsche Souveränität gleich dreimal hoch!
"Wörner erwägt Waffenschau zum Bundeswehr-Jubiläum
sza.Bonn (Eigener Bericht)
Bundesverteidigungsminister Wörner (CDU) erwägt zum 30jährigen
Bestehen der Bundeswehr eine große Waffenschau zu veranstalten.
Nach den bisherigen Überlegungen des Ministeriums soll sie im
Herbst im Anschluß an ein Großmanöver des Heeres auf dem Truppen-
übungsplatz stattfinden. Die Divisionen wurden angewiesen, ihrer-
seits Möglichkeiten für Veranstaltungen in kleinerem Rahmen zu
prüfen. Im Ministerium denkt man an Präsentationen bei Tagen der
offenen Tür und an Auftritte der Musik-Corps sowie der Big Band
der Bundeswehr. Als "Gründungstag" gilt der 12. November 1955, an
dem die ersten Freiwilligen ihre Ernennungsurkunden erhielten.
Geprüft wird noch, in welcher Form zwei weitere Jubiläen begangen
werden sollen, nämlich die Umwandlung der "Dienststeller Blank"
in das Bundesministerium der Verteidigung am 7. Juni 1955 und der
NATO-Beitritt der Bundesrepublik am 5. Mai 1955."
So was hält die "Süddeutsche" für "geschmacklos" aus dem Grund,
daß es "unsere Nachbarn" prellen könnte, von denen "wir" uns
schließlich auch eine taktvolle Zurückhaltung bei ihren Sieges-
feiern am 8. Mai ausbitten. Das ist demokratisch und geläutert
national gedacht: Nichts gegen die Bundeswehr, aber seien wir
froh, daß wir sie uns so machtvoll hinstellen durften. Protzerei
schadet nur dem Zweck. Das auf jeden Fall hat die "Süddeutsche"
aus "Deutschlands unseliger Vergangenheit" gelernt.
Ein feiner Streit
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wird da öffentlich ausgetragen. über Vergangenes oder gar über
"Vergangenheitrbewältigung" geht er jedenfalls nicht, sondern
über die feierliche Selbstdarstellung der gegenwärtigen politi-
schen Macht und ihrer Anliegen. Viel Sorgen um die Verfügbarkeit
des Volkes und die Folgsamkeit der höheren Geister können sich
Kohl, Dregger, Vogel und Co. nicht machen, wenn sie der Öffent-
lichkeit ihre Sorgen um die gebührende Feier der Nation unter-
breiten. Sie rechnen felsenfest mit ihren Untertanen.
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