Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
zurück Marxistische Schulzeitung Bremen, 22.10.1980DER AKTIONSRADIUS DER BUNDESWEHR IN DER DEBATTE
Seit die BRD der lieblichen Ideologie ihrer Gründer- und Aufbau- jahre vom "ökonomischen Riesen", aber "politischen Zwerg" endgül- tig entwachsen ist, wird auch wieder öffentlich darüber disku- tiert, ob die BRD nicht überall dort, wo sie mit ihrer D-Mark be- sonders gründlich engagiert ist, "im Ernstfall" auch mit ihrer- bewaffneten Macht für die Lebensinteressen des freien Westens einstehen müßte. Und wie es sich für eine Debatte gehört, prallen hier zwei Ansichten aufeinander. Die Opposition, die ja nicht re- giert und deswegen ihren Worten nicht unmittelbar Taten folgen zu lassen braucht, ist entschieden für Großzügigkeit in dieser Frage. Die Regierung, die ja regiert und deren Worte folglich der Interpretation ihrer Taten dienen, mahnt zur Zurückhaltung und will sich diese Mahnung als kompromißlose Friedensliebe gutge- schrieben wissen. Gleichzeitig schickt sie schon mal zwei Zerstö- rer der Bundesmarine zu Übungszwecken in den Indischen Ozean, an- nonciert der UNO ihre Bereitschaft zu militärischem Engagement bei eventuellen UNO-Friedenstruppen und präpariert diplomatisch das Terrain für einen möglicherweise fälligen Übergang von verba- len zu materiellen "Friedensgarantien" im Nahen Osten. Diesem Vorgang könnte und sollte ein denkender Zeitgenosse ein paar unangenehme Einsichten entnehmen. Erstens bewährt sich hier mal wieder grandios die demokratische Arbeitsteilung zwischen Regierung und Opposition. Mit dem Gestus des Vorwurfs an die säumige Regierung bringt die Opposition Auf- gaben für die Bundeswehr zur Sprache, an die bislang offiziell noch nicht gedacht war - obwohl natürlich weder die eine noch die andere Seite so naiv ist zu glauben, es gäbe nicht schon längst die Einsatzpläne für diese Aufgaben. Einfach indem sie die De- batte anzettelt, leistet die Opposition ihren Beitrag dazu, das betroffene Volk auf diese neuen "Verpflichtungen" vorzubereiten: Das bislang "Undenkbare" wird geläufig. Die Regierung ihrerseits tut alles Nötige, wirft d a b e i der Opposition Abenteuerertum vor und ergänzt so die Vorbereitung des Volkes auf erweiterte Zu- ständigkeiten des deutschen Militärs um die Sicherheit, daß das, was geschieht, wirklich nur das allernotwendigste M i n i m u m sei. Sehr trostreich oder? Zweitens wirft diese Debatte ein sehr rosiges Licht auf die g e g e n w ä r t i g e n Aufgaben der Bundeswehr. Ihre a l t e n Einsatzfelder an der mitteleuropäischen Hauptfront er- langen im Rahmen den Streite um neue, angeblich erst wirklich ge- fährliche Betätigungsfelder den Anschein einer friedlichen Idylle. Ja, inzwischen fühlt sich jeder als halber Pazifist, der den härtesten Militarismus von gestern vertritt: Die Aufgaben der Bundeswehr lägen in der Zurückschlagung der Roten Armee, und da- für mußte man notfalls auch Aufgaben der Verbündeten übernehmen, falle die gerade anderweitig unabkömmlich sind. Das ist viel- leicht ein Fortschritt! Dabei braucht sich niemand einzubilden, auf diese Weise würde womöglich die Kampfbereitschaft der Bundes- wehr untergraben, weil sie den Mittelabschnitt der NATO-Front mit einem Ruhekissen verwechseln könnte: dem wird schon durch gewal- tige Manöver vorgebeugt. Eher haut die Logik schon umgekehrt hin: Paßt die Idee, erst außerhalb der NATO-Grenzen würde das Militär zu einer wirklich kriegerischen Angelegenheit, nicht vortrefflich zur derzeit laufenden Aufrüstung Westeuropas zum Brückenkopf ei- ner gründlich renovierten amerikanischen Vorwärtsstrategie? Ele- ganter jedenfalls kann die Vorbereitung des deutschen Volkes auf die Eventualität eines ausführlichen Atomkriegs auch auf deut- schem Boden gar nicht vonstatten gehen. Es glaubt nämlich wieder mal keiner, daß genau das diese Vorbereitung ist - und damit ist sie schon gelungen! zurück