Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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RÜSTUNG MACHT FREI
Die militärische Arbeitsteilung, der die Betrachtungen in diesem
Heft gewidmet sind, ist uns zuwider. Daß sie so stattfindet, be-
tränen wir aber auch nicht als herzerschütternde Gefahr für den
Frieden. Schließlich gehört die sicherheits- und verteidigungsbe-
flissene Orgie rechtschaffener Gewalt ebenso wie der legendäre
Welthunger zu dem Zustand, den Vertreter aller Lager Frieden get-
auft haben und erhalten wollen. Daß sich viele dieser entrü-
stungswilligen und in Betroffenheit versierten Zeitgenossen nach
Alternativen fragen, halten wir für verkehrt. Wir wollen uns auch
mit dieser Frage nicht zur Einmischung in Probleme einladen las-
sen, die deren Urheber ganz gewiß nicht mit "unserem Schutz" ver-
wechseln. Zu den Kriegsprogrammen der regierenden Freiheitskämp-
fer wollen wir nämlich keine Alternative. Die Lust dazu ergibt
sich einfach nicht, wenn man sich nüchtern Rechenschaft gibt über
ihre Zwecke und Mittel. Bei letzteren ist man schließlich selbst
dabei. Also: Wer den sozialen Frieden nicht brechen will, soll
sich auch nicht ganz konventionell über Raketen beschweren und
dabei Angst haben, für einen Russen gehalten zu werden.
Die Kriegsfrage in Europa
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Stalins Armeen sind 1945 bis an die Elbe vorgedrungen und haben
damit ihren Anteil zur vollständigen Kapitulation des Großdeut-
schen Reiches beigetragen. Das ist eine Tatsache. Die westlichen
Siegerstaaten haben darin den Anlaß gesehen, die Sowjetunion mit
einer gegen sie gerichteten Kriegskoalition zu konfrontieren. So
bleibt - Sozialismus hin, Kapitalismus her - der Grund für die
NATO wenigstens kein Geheimnis. Die Westmächte wollten ihr Sie-
gerrecht in Sachen "Neuordnung Europas" wahren - und nicht mit
der Sowjetunion "teilen". Deren Anspruch, aus den Kriegsgewinnen
in Ost- und Mitteleuropa eine ihr verbundene Staatenordnung zu
schaffen, die nicht nur die Sicherheit einer Westgrenze garan-
tiert, sondern auf Grundlage der erstrittenen Selbstbehauptung
als weltpolitische Alternative auftritt -, das galt den west-
lichen Alliierten als das Programm einer unannehmbaren Machtpoli-
tik. Die "östliche Aggression", gegen die sich die NATO seit 1949
tapfer wehrt, stand schon während der Siegerkonferenzen zum Ende
des Weltkriegs fest. Bei diesen Verhandlungen haben nämlich nicht
alterskranke Politiker (West), wie es ein immer wieder hervorge-
holtes Gerücht besagt, dem rücksichtslosen Stalin alles in den
Rachen geschmissen. Vielmehr wurde mit den Russen darüber ge-
stritten, wie weit es ihnen gestattet werden sollte, aus ihrem
Sieg den Nutzen zu ziehen, den zivilisierte Nationen nun einmal
aus gewonnenen Kriegen ableiten. Und eines hat die Sowjetunion
eben unverzeihlicherweise nicht vollzogen: Die Preisgabe ihrer
Kriegsgewinne, welche seitdem in den Neuordnungsplänen der USA
fehlen. Die nämlich waren auf die Stiftung eines neuen, ihnen
ökonomisch wie politisch verbundenen Europa aus, und sie kulti-
vierten die imperialistische Vorstellung der "One World", in der
auch Russen ihren Platz finden sollten. Das welthistorische Ver-
brechen Stalins bestand darin, die nationalen Interessen der So-
wjetunion anzumelden und gegen die in den USA konzipierte Welt-
friedensordnung zu behaupten. Das wurde ihm übelgenommen, wie
sich nicht nur an der Weigerung der Westmächte ablesen läßt, auf
Basis des Kriegsergebnisses eine diplomatische Regelung herbeizu-
führen, welche die Sicherheit der Sowjetunion im Rahmen einer
Neusortierung Europas zum Inhalt hat. Statt dessen gibt es seit
35 Jahren eine quer durch Europa gehende F r o n t, mit der das
neue politische Subjekt "Europa", von den USA als "Partner" krei-
ert, einen dauernden Souveränitätsanspruch gegen die Sowjetunion
erhebt, und zwar in Gestalt einer kompletten Abteilung eines po-
litisch-militärischen Blocks.
Daß die Rote Armee bis an die Elbe kam, ist eine Sache. Daß aus
dieser Sache, dem R e s u l t a t e i n e s g e f ü h r t e n
K r i e g e s, eine angeblich widernatürliche "Teilung Europas"
wurde, die weg muß und eine neue K r i e g s g e f a h r dar-
stellt, ist eine ganz andere Sache. Dafür zeichnen die westlichen
Siegermächte verantwortlich, die seit vier Jahrzehnten nichts
Besseres zu tun haben als auf einer "Friedenslösung für Europa"
zu beharren, bei der die Russen als Spender auftreten. Und dar-
über bestehen keine Illusionen, daß mit dem Antrag an die So-
wjetunion, ihren Kriegsgewinn den westlichen Europa-Architekten
"wieder" zur Verfügung zu stellen, ein K r i e g s g r u n d in
die Welt gesetzt ist. Die Souveränität der Sowjetunion ist
schließlich samt ihren Mitteln das Hindernis für die schönen Kor-
rekturen am Resultat von Weltkrieg II - und so ist dieser Punkt
immer im Mittelpunkt der Diplomatie zwischen Ost und West gestan-
den.
Ein Geschöpf wird zum mächtigen Partner
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Ganz und gar nicht zufällig, sondern wie vorgesehen. Die politi-
sche Figur namens "Europa" verdankt sich zwar nicht einer auf dem
gleichnamigen Kontinent glücklich wieder - aufgegriffenen Idee,
welche sodann durch tatkräftige Europapolitiker aus London, Paris
und Bonn "verwirklicht" ward. Aber die Tatsache, daß amerikani-
sche Europapolitiker für das Projekt eines vereinten Europa ver-
antwortlich zeichnen, spricht noch lange nicht für die gelegent-
lich aufgewärmte Mär, daß es sich bei den Herrschaften des alten
Kontinents um fügsame Marionetten derer in Washington handelt.
Die Gründerzeiten sind nämlich vorbei, und europäische Politik
wird längst gemacht. Und zwar deswegen, weil sie von den USA zum
Mitmachen ausstaffiert worden sind, die europäischen Staaten. Am
Ende des Krieges ist den Führern der USA nicht verborgen geblie-
ben, daß sie die innerimperialistische Konkurrenz für sich ent-
schieden hatten. Ein "Rückzug" aus Europa kam also nicht in
Frage, vielmehr eine ökonomische und militärische "Aufbau-
leistung", die einerseits vermeidet, daß in Europa wieder so
etwas wie eine imperialistische Konkurrenzmacht entsteht -, die
aber andererseits den untergeordneten Bündnispartnern die Mittel
an die Hand gibt, durch die sie brauchbar werden.
Dieser Entschluß hat inzwischen seine Wirkungen gezeitigt. Unter
dem NATO-Vorbehalt stehen die weltpolitischen Taten der europäi-
schen Staaten immer noch, und eine militärische Aktion gegen und
auf Kosten der USA strebt keiner an. Jedoch sind die ökonomischen
Mittel vorhanden, um sie in aller Herren Länder einzusetzen und
zu vermehren - dank des von den USA geschaffenen und gesicherten
Weltmarkts und der schönen "Weltwirtschaftsordnung". Und ein er-
heblicher Teil dieser Mittel wird für militärische Fortschritte
verwendet, die sich allesamt gegen die Sowjetunion richten.
Aus deklassierten Siegermächten und aus Kriegsverlierern wie
Deutschland-West und Italien sind dank der von den USA eröffneten
Möglichkeiten, sich als ökonomische und politische Partner zu be-
währen, sehr unbescheidene Staaten geworden. Diese finden die
T e i l u n g E u r o p a s aus ihrem speziellen Interesse her-
aus genauso unerträglich wie die USA, die ihre Unzufriedenheit
mit dem Ergebnis des letzten Weltkriegs tagtäglich erneuern, weil
sie bemerken, daß wegen der Sowjetunion ihre "Handlungsfreiheit"
nirgends, nicht nur in Europa, so richtig unbeschränkt ist. Dabei
führt sich die besiegte Nation bzw. ihr Rechtsnachfolger Deutsch-
land als d e r Geschädigte schlechthin auf: Den Repräsentanten
dieser Republik fällt inzwischen stündlich drei Mal das
R e c h t a u f K o r r e k t u r e n d e r e u r o p ä i-
s c h e n L a n d k a r t e ein, das vorsorglich schon vor
Jahrzehnten im Grundgesetz verankert worden ist.
Die Lösung der europäischen Kriegsfrage
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Mit Sonntagsreden, und seien sie noch so radikale Manifeste klas-
sischer Kriegstreiberei, läßt sich der Streit um deutsche Rechte
auf Wiedervereinigung freilich nicht entscheiden. Das wissen die
in Bonn genauso wie die britischen Politiker, die ebenfalls seit
1945 der Meinung sind daß die Sowjetunion eine unzulässige Ver-
schiebung der ordentlichen Kräfteverhältnisse darstellt. Gemein-
sam und unter regelmäßiger Absprache mit den USA r ü s t e n
sie deshalb, die Nationen Europas. Und aus ihrer Sicht bemerken
sie immerzu einen Widerspruch zwischen ihrem P r o g r a m m
und den ihnen zu Gebote stehenden M i t t e l n.
So gehen dauernd echt europäische Befunde über e i n e n Miß-
stand europäischer Politik in die Welt, die leicht bedauernd von
der "Unverzichtbarkeit des Bündnisses" künden. Die zugrundelie-
gende Wahrheit ist einerseits die schmerzliche Hypothek einer
Sorte Staate, die aus einem Weltkrieg die Rolle der "zweiten Gar-
nitur" mitnahmen; andererseits die Folge der militärischen Ge-
walt, welche die Sowjetunion sich für ihre Auseinandersetzung mit
der NATO zugelegt hat: Um ihre kriegsträchtigen Forderungen gegen
die Sowjetunion einzutreiben, sind die westeuropäischen Staaten
a l l e i n zu schwach!
Dieses "Problem" ist auch nicht dadurch schon gelöst, daß sich
die USA die politischen Ansprüche der westeuropäischen Nationa-
lismen zueigen machen. Für den großen Bruder im Bündnis ist näm-
lich die Präsenz in Europa und dessen Aufrüstung nur eine
"Verpflichtung", die europäische Front nur eine, wenn auch wich-
tige "Option". So sehr die BRD, England, Frankreich etc. in den
Kriegsmitteln der USA das Mittel für ihre Neuordnung Europas zur
Verfügung haben, so abhängig bleiben sie damit von den Kalkula-
tionen der Weltmacht Nr. 1. Und die kalkuliert erst einmal ihren
direkten Vergleich mit der Sowjetunion und macht sich vor allem
die Konkurrenz der Waffen zum Anliegen, die auf "höchster Ebene"
den interkontinentalen Krieg entscheidet. Da müssen sich die Her-
ren Europäer schon danach richten, wie die Weltkriegsstrategen im
Pentagon ihre Atomkriegsprobleme bewältigen. Und etwaige Folgen,
die sich daraus für Europa ergeben, gehören auch in die Kompetenz
der USA. Alle Rüstung des freien Europa hat darin unübersehbare
Verpflichtungen und Schranken - und die angeblichen Ungereimthei-
ten und Belastungen des Bündnisses gehen darauf zurück, daß weder
die Interessen noch die militärischen Optionen identisch werden,
bloß weil Westeuropa und die USA gemeinsam in der NATO sind. Für
das unumstrittene Ziel, die Russen wegzuputzen, gibt es dennoch
einen Weg: Die Rüstung Europas muß zu den militärischen Notwen-
digkeiten "Marke USA" passen.
"Vorneverteidigung"
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"Im April 1950 wurde die Planung darauf ausgerichtet, den Feind
so weit ostwärts wie möglich aufzuhalten, d.h. eine Strategie,
die die NATO-Staaten gegen eine Invasion schützt und keine größe-
ren Rückzüge zuläßt. Diese Konzeption der Vorwärtsstrategie ist
noch immer Angelpunkt der militärischen Planung der NATO." (NATO,
NATO-Informationsabteilung Paris, 1963)
Das klingt wie eine militärische Banalität: Ein feindlicher An-
griff soll möglichst weit vorn, ohne daß das eigene Potential zu
sehr in Mitleidenschaft gezogen wird, mit Abwehr- und Angriffs-
maßnahmen (letzteres hat nicht erst der Rogers erfunden) zurück-
geschlagen werden; den Feind möglichst früh packen, nicht in
Schwung kommen lassen, am besten noch in Feindesland zum Still-
stand bringen und besiegen. - Was denn sonst? Nur beide genannten
Momente zusammen, die politische Absicht der europäischen NATO-
Staaten und ihre als militärische Unterlegenheit gegenüber der
Sowjetunion gedeutete Arbeitsteilung mit den USA lassen aus der
"Forward Strategy" ein strategisches Konzept werden.
"Er (der 'Brückenkopf Westeuropa') bildet das unentbehrliche Vor-
feld für die Radarlinien am Eisernen Vorhang, die warnen, schüt-
zen und zugleich den atomaren Gegenschlag gewährleisten sollen.
Er wird als Raum für Stützpunkte des Gegenschlags benötigt, also
für Flugplätze und Abschußbasen von Kurz- und Mittelstreckenrake-
ten, die ihren Wert gegenüber interkontinentalen Geschossen wegen
ihres sehr viel geringeren Aufwands, ihrer größeren Treffgenauig-
keit und der Möglichkeit fahrbarer Rampen behalten werden. In
diesem Brückenkopf befinden sich die Leiteinrichtungen für die
elektronisch gelenkten Kampfmittel. Ohne dessen Behauptung ist
die Beherrschung der benachbarten Meere in Frage gestellt, die
nicht nur dem Nachschub, sondern auch der Ergänzung des terre-
strischen Stützpunktsystems durch schwimmende Flugzeug- und Rake-
tenbasen dienen. Das Menschen- und Industriepotential Westeuropas
muß dem Osten entzogen bleiben. Und schließlich kommt dieser
Brückenkopf, da 'die Frage nach der Möglichkeit einer Kriegsent-
scheidung ohne tatsächliche Besetzung des Landes bestenfalls nur
mit einem sehr schwachen Ja beantwortet werden', als Ausgangs-
punkt für die spätere Gegenoffensive westlicher Erdverbände in
Betracht, deren Schwerpunkt aus geographischen und verkehrstech-
nischen Gründen in erster Linie hier liegen wird. ...
Am 29.8.1957 führte der US-Staatssekretär des Heeres, Wilber M.
Brucker, in einer Rede aus: 'Ich bin soeben von einer Inspektion
unserer 7. Armee in Europa zurückgekehrt. Die Armee steht zusam-
men mit unseren Verbündeten quer durch ganz Westdeutschland in
ständiger Bereitschaft gegen ein weiteres militärisches Vordrin-
gen Sowjetrußlands... Sie hält ein Hauptstück der 4000 Meilen
langen Verteidigungslinie besetzt, die von Norwegen bis zur Tür-
kei reicht." (Hans Kissel, Zur Verteidigung Westeuropas, Wehr-
kunde Juni 1958)
Ein gigantischer Verteidigungswall aus Streitkräften und Stütz-
punkten, ausgerüstet mit Waffen aller Art, umschließt das wesent-
liche Staatsgebiet der Sowjetunion vom Nordkap bis zum Nahen
Osten und bestreitet den Russen die militärische Souveränität an
ihren Grenzen. Mit dieser Umfassung wird der Sowjetunion künst-
lich ein 'weicher Unterleib' geschaffen. Verwehrt ist ihr - oder
er kann gegebenenfalls unterbunden werden - der Zugang zu den
westlichen Meeren (Mittelmeer, Atlantik; am Nordmeer wird gegen-
wärtig in dieser Richtung gearbeitet). Bedroht an ihren beiden
Flanken (einmal abgesehen davon, daß im Fernen Osten die Einkrei-
sung durch den Westen weitergeht), sieht sie sich in der Mitte,
in Mitteleuropa, dort, wo die Sowjetunion Westeuropa militärisch
überlegen ist und mit dem Frontverlauf auch die bessere Ausgangs-
stellung besitzt, einer gewaltigen Kontinentalsperre gegenüber,
dem Frontstaatgebilde Bundesrepublik mit ihren NATO-Verbündeten
im Rücken. Weil die militärische Einkreisung der Sowjetunion in
Mitteleuropa steht und fällt, ist das Mittel für die wirksame Um-
setzung dieses Konzepts die Strategie der Vorneverteidigung. Die
westeuropäischen NATO-Staaten haben im Bündnis die Aufgabe, einen
Angriff des Feinds möglichst weit vom zu vereiteln. Dieser nicht
gerade bescheidene Auftrag enthält aber eben doch seine Schranke:
Westeuropa muß sich siegreich verteidigen, weil es selbst nicht
die kriegsentscheidende Potenz ist und damit die Kriegsentschei-
dung der NATO gegen den Ostblock um so besser gelingt. Das ist
genau die Rolle, die die USA ihren Bündnispartnern auf dem alten
Kontinent zugedacht haben. In dieser für europäische NATO-Strate-
gen ziemlich ärgerlichen Verteidigungslage kommt der Große Bruder
selbstverständlich zu Hilfe - so viel hält er von seiner europäi-
schen Front.
"Auf sich selbst gestellt, kann Westeuropa seine Sicherheit und
Unabhängigkeit gegenüber der Großmacht Sowjetunion nicht behaup-
ten. Allein das solidarische westliche Bündnis mit dem verbürgten
Beistand der USA kann dies erreichen." (Generalinspekteur Alten-
burg, Militärstrategische Überlegungen zur Sicherheit Mitteleuro-
pas, 1983)
Komplett ist die "Forward Strategy" erst unter Einbeziehung der
Streitmacht der USA, vor allem ihrer strategischen und taktischen
nuklearen Waffen. Zur Vorwärtsverteidigung gehört ihr Mittel, die
Strategie der
"Flexible Response"
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Eine eigenarhge "Strategie", wenn man ihre Erläuterungen liest.
Formuliert wird das abstrakte Ideal militärischer Handlungsfrei-
heit (freie Wahl der Reaktion bzw. des jeweiligen Mittels der Re-
aktionsart) sowie das Ideal größtmöglicher Schlagkraft des je-
weils 'frei' einzusetzenden Mittels.
"1967 wurde dann die Strategie der 'flexiblen Erwiderung' ('fle-
xible response') von der NATO beschlossen und die dafür not-
wendigen Maßnahmen eingeleitet. Ihr einfacher Grundsatz ist, eine
große Vielfalt von konventionellen, taktisch nuklearen und stra-
tegisch nuklearen Waffen in so ausreichender Menge zur Verfügung
zu haben, daß so früh und östlich ('vorn') wie möglich jede Form
von Angriff mit den zur Abwehr erforderlichen Waffen wirksam ent-
gegengetreten werden kann ('Vorwärtsverteidigung', später:
'Vorneverteidigung'). Sollte jedoch der Angreifer im Zuge seiner
Aggression seinen Einsatz in Umfang und Art seiner Waffen stei-
gern, mußte die NATO ebenfalls in der Lage sein, in sog.
'kontrollierter Eskalation' ihren Verteidigungseinsatz zu stei-
gern. ...
Die Strategie der flexiblen Erwiderung ist nur wirksam,... wenn
sie Freiheit in der Entscheidung der Mittel läßt, sowie potenti-
ell Schnelligkeit und Flexibilität in ihrer Anwendung gegeben
ist. ... Alle Waffen, konventionelle und nukleare, taktische und
strategische müssen als ein geschlossenes Waffensystem gebündelt
bleiben, ohne daß zwischen ihnen ein Automatismus erkennbar ist.
Die Möglichkeiten für den Einzeleinsatz ('selective') oder den
verbundenen Einsatz verschiedenartiger Waffen, genannt
'Optionen', müssen so vielfältig und der Entscheidungsspielraum
so groß wie nur möglich sein." (Konteradmiral a.D. Günter Poser,
Die NATO, 1979)
Ja, was denn sonst? Und doch handelt es sich bei der "flexible
response" nicht einfach um das abstrakte Ideal optimalen Ein-
satzes von Waffen für ihren jeweils optimalen Zweck.
Die Planung von "Reaktionsarten" ("Direktverteidigung",
"vorbedachte Eskalation", "Allgemeine nukleare Reaktion") und des
flexiblen Einsatzes der Elemente der NATO-Triade (konventionelle
Streitkräfte, taktische Nuklearstreitmacht, strategische Nuklear-
waffen) reflektiert die besondere Qualität der atomaren Waffen in
ihrer Eignung für den Sieg im Gefecht. Da der Gegner im Osten
über ein vergleichbares nukleares Waffenpotential verfügt - die
Zeiten, da die erste Strategie der NATO, die "massive Vergeltung"
("massive retaliation"), Erfolg versprach, sind vorbei -, ist der
Einsatz dieser Wunderwaffe mit hervorragender Schlagkraft eine
zweischneidige Angelegenheit. Sie taugt dafür und ist dafür auch
gedacht, eine drohende Niederlage zum Beispiel in einem konven-
tionellen Gefecht abzuwenden oder eine solche Schlacht erfolg-
reich zu entscheiden. Aber damit ist der Krieg nicht entschieden.
Die konventionellen Streitkräfte können ihren Sieg nicht mehr
durchfechten, da ihre Bewegungsfreiheit auf dem verstrahlten
Schlachtfeld ziemlich eingeschränkt ist. (Daher übrigens die An-
strengungen, eine Waffe wie die Neutronenbombe zu entwickeln, die
feindliches Menschenmaterial tötet, Gelände sowie ziviles wie mi-
litärisches Material auf ihm unversehrt läßt und deren verblei-
bende Strahlung auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist). Der Sieg
mit den schlagkräftigen Nuklearwaffen will erst noch errungen
sein. Denn der Feind wird wohl entsprechend reagieren müssen;
aber wie, und setzt das die eigene Streitmacht nicht in Zugzwang,
erneut eskalieren zu müssen... ? Der unter diesen Umständen gege-
bene Z w a n g, eskalieren bzw. ein nächstes Element der Triade
einsetzen zu müssen, ist den Kriegsstrategen der NATO ein Dorn im
Auge. F r e i möchte man darüber entscheiden können, wann wel-
che der verschiedenen Optionen in Anschlag gebracht werden. Man
will in der Lage sein, ein Gefecht so zu führen, daß der Feind
gezwungen ist, das Risiko der Eskalation mit atomaren Waffen auf
sich zu nehmen. Zuletzt sollen dem Gegner nur die beiden
'Optionen' bleiben, entweder zum letzten Mittel zu greifen, oder
aber zurückzustecken.
Das ist die Strategie der "Flexible Response". Sie verfolgt das
Ideal, den Sieg risikolos zu machen. Diese Handlungsfreiheit, in
der Kriegsführung erfordert aber, im Verhältnis zum Feind mehr
Optionen zu besitzen, bzw. in allen Arten der Kriegsführung und
der Kriegsmittel dauernd überlegen zu sein. Deshalb werden alle
Elemente der Triade ständig weiter entwickelt; jede Erhöhung ih-
rer speziellen Schlagkraft vergrößert auch die freie Kalkulation
mit dem begrenzbaren, gezielten Einsatz im Ernstfall. Deswegen
sind überhaupt taktische Nuklearwaffen aufgestellt worden bis hin
zu Atomwaffen im Rucksack, mit denen Pioniere ihre Aufgabe ent-
sprechend wirkungsvoller erfüllen können. Deshalb werden heute
aber auch Heer und Luftwaffe mit konventionellen Waffen ausgerü-
stet, deren Wirkung sich mit der von taktischen Atomwaffen ver-
gleichen kann.
Das Atomkriegsproblem für Europa
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Das ständige Gejammer der Westeuropäer über die militärische Un-
terlegenheit NATO-Europas gegenüber der russischen Dampfwalze
(der Verbündete aus Amerika wird dabei geflissentlich weggelas-
sen), wie auch die immer wieder aufkommende Frage, ob und wie
schnell und in welcher Stärke die USA im Falle einer kriegeri-
schen Auseinandersetzung auf dem alten Kontinent den Europäern zu
Hilfe kommen, verweisen auf das paradoxe Ideal, das den europäi-
schen NATO-Verbündeten vorschwebt.
Einerseits wären sie am liebsten selbst eine der Sowjetunion
ebenbürtige Militärmacht, die es mit dem mächtigen Feind aufneh-
men können möchte. Andererseits stellen sie auch mit dem briti-
schen und französischen Potential keine der Sowjetunion gewach-
sene Atommacht dar. Deshalb drängen sie auf möglichst viel Hilfe
der USA im Konfliktfall und auf die Sicherheit des nuklearen Bei-
stands des Großen Bruders, wenn er notwendig wird. Der für euro-
päische Souveräne 'dumme' Widerspruch besteht darin, daß sie
einen entscheidenden Beitrag im Weltkrieg III zu erbringen haben,
aber nicht in der Lage sind, d i e Entscheidung herbeizuführen.
Oder, aus der Sicht der Amerikaner, die Speerspitze der NATO soll
im Krieg möglichst viel für den Sieg hermachen, damit die USA
dann den entscheidenden Schlag um so freier und effektiver führen
können. Oder: Die E u r o p ä e r sollen rüsten, damit die mi-
litärische Handlungsfreiheit der V e r e i n i g t e n S t a a-
t e n wachse.
Genau so sehen dann auch die guten Vorschläge an Europa aus, wie
es - unter den bestehenden Voraussetzungen - s e i n e ideale
Kriegsstrategie finden könnte:
"In Wirklichkeit gibt es für Westeuropa nur eine durchführbare
militärische Strategie: die konventionellen Kräfte der NATO so
weit auszubauen, daß man mit ihnen einen konventionellen Krieg
gegen die Sowjetunion führen und auch gewinnen kann, und nebenher
sich taktische und strategische Waffen für den nuklearen Zweit-
schlag zuzulegen, die stark genug sind, die Russen an der Entfes-
selung eines Atomkrieges zu hindern. Wir müssen aufhören, die Be-
völkerung Westeuropas zu Tode zu erschrecken, wie wir es gegen-
wärtig mit unserer Überbetonung des Atomkrieges und der nuklearen
Waffen tun. Was wir brauchen, sind konventionelle Kräfte von aus-
reichender Größe und Stärke, um einem Angreifer eine militärische
Niederlage beizubringen.
Und da ganz augenscheinlich selbst ein konventioneller Konflikt
auf dem Territorium der NATO selbst deren Gebiet mit Verwüstung
bedrohen würde, sollte die Planung der NATO darauf abzielen, daß
ein etwaiger konventioneller Krieg nicht in West-, sondern in
Osteuropa ausgefochten wird. Nationen, die es mit ihrer Verteidi-
gung ernst meinen, sollten nicht hinter einer Art Maginot-Linie
kauern wie jetzt die NATO.
Der Ausbau solcher konventionellen Streitkräfte, die für eine
derartige Strategie erforderlich wären, ist sehr kostspielig und
würde eine erhebliche Anstrengung der westeuropäischen Kräfte
voraussetzen. Da erhebt sich nun die Frage: Ist der Wille zu sol-
chen Opfern für ihre Sicherheit unter den Völkern und Regierungen
Westeuropas überhaupt vorhanden?" (Irving Kristol, Kann die NATO
reformiert werden? Ein Vorschlag zur Europäisierung des westli-
chen Verteidigungsbündnisses. In: Europa und Amerika, Ende einer
Ära. Der Monat neue Folge, 1984, 290)
Der Wille der Regierungen ist vorhanden und - wird schon in die
Tat umgesetzt. Mittel zum "nuklearen Zweitschlag" stehen auch für
Europa bereit, mögen sie auch, abgesehen von den französischen
und britischen Atomwaffen, den USA gehören. Denn das ist die an-
dere Seite der militärischen Abhängigkeit der Europäer von der
Waffenpotenz der Führungsmacht im Bündnis: Die europäische Front
der Amerikaner darf für ihren Krieg gegen die Sowjetunion die
atomare Macht des Großen Vorsitzenden in Washington in Anspruch
nehmen. Und diese Sicherheit führt nicht gerade zu ernsten Klagen
über die Begrenztheit der Möglichkeiten.
"Geostrategische Lage und konventionelle Unterlegenheit erfor-
dern, daß die NATO ... - über die Option zur nuklearen Eskalation
verfügt. Aus militärstrategischer Sicht kann die Sicherheit Mit-
teleuropas nur gewährleistet werden, wenn der selektive Erstein-
satz von Nuklearwaffen durch die Allianz gegen rein konventionell
geführte großangelegte Aggressionen nicht ausgeschlossen wird."
(Altenburg, ebenda)
"Eine europäische Atomstreitmacht könnte nur aus der Erwägung
heraus entstehen, auf den Einsatz der amerikanischen Systeme sei
kein Verlaß. Zu derartiger Annahme besteht aber nicht der minde-
ste Grund. Ohnehin muß die Abschreckung gegen eine Weltmacht in
der Dimension mit dem Ziel kongruent gehen, das Ultimative in die
Abschreckung hineinzubringen, dazu wären die Europäer auch unter
Einschluß von Frankreich jedoch nie in der Lage. Abschreckung
wirkt durch den Verbund ihrer Elemente, nicht durch das einzelne
Element: Und das bedeutet eben zwingend die Anbindung an den Ver-
bund mit den USA." (Altenburg, Weltwoche 30. August '84)
"Der Schwerpunkt des Beitrages der Bundesrepublik Deutschland muß
auf konventionellen Streitkräften mit einem möglichst hohen Prä-
senzgrad liegen. Die Bundesrepublik Deutschland muß jedoch auch
in Zukunft Trägermittel für Nuklearwaffen bereitstellen. Sie er-
hält sich damit die Voraussetzung, am nuklearen Planungs- und
Konsultationsprozeß mitwirken zu können, besitzt Einwirkungsmög-
lichkeiten auf den Entscheidungsprozeß für den Einsatz und trägt
zur Bündnissolidarität bei." (Altenburg 1983)
So wie die Lage ist, wollen die Europäer mit der Arbeitsteilung
im Bündnis durchaus zufrieden sein. Nicht nur, daß ihnen die
Hilfe durch die konventionelle und atomare US-Streitmacht sicher
ist, die bereits in Europa steht oder im Kriegsfall herüberge-
schafft wird. Dem Wunsch vorrangig der Deutschen nach einer extra
europäischen "Handlungsalternative" nuklearer Art gegen die So-
wjetunion ist entsprochen worden. Westeuropa besitzt mit den
neuen Mittelstreckenraketen seine neue und eigenständige nukleare
Option, die gesamtstrategisch eine Lücke zwischen den interkonti-
nentalen US-Waffen und den anderen taktischen Waffen Europas
schließt. Darum ging es, auch wenn die Sache "Nachrüstung" get-
auft wurde.
"Ebenso wie zur strategischen Zweitschlagsfähigkeit der USA nach
einem erfolgten Angriff eine angemessene Überlebens-, Eindring-
und Zerstörungsfähigkeit ihres Nuklearpotentials gehört, muß, um
glaubwürdig zu bleiben, für den europäischen Bereich der NATO
eine eurostrategische Reaktionsfähigkeit geschaffen werden. Auf
diesem Wege wird das Prinzip des Kontinuums der Abschreckung auf-
rechterhalten. Konkret bedeutet dies, daß unter Berücksichtigung
der möglichen geographischen Fraktionierung der Anwendungsberei-
che der Strategie eine Reihe von im europäischen Gesamtzusammen-
hang und unter militärpolitischen Gesichtspunkten glaubwürdigen
Handlungsalternativen geschaffen werden..." (Altenburg, ebenda)
In Sachen Mittelstreckenraketen hat nun "unsere" Ostfront der So-
wjetunion durchaus Ebenbürtiges anzubieten. Dies ist ein Schritt
zur Optimierung der Vorwärtsverteidigung. Denn ihre strategische
Grundlage, die 'Flexible Response', wird fortentwickelt mit dem
generellen Ziel, ihre Elemente zu vervielfältigen und deren
Schlagkraft zu erhöhen. Auch das mit der Übertreibung "Krieg der
Sterne" bezeichnete neue Programm der USA verfolgt diesen
schlichten militärischen Zweck. Die Weltraumwaffen, die sowjeti-
sche Interkontinentalraketen während des Angriffsflugs zerstören
sollen, werden nämlich keineswegs entwickelt wegen des beschei-
denen Anliegens, die Sicherheit der US-Bürger zu garantieren,
also als 'absolute Defensivwaffe', um die amerikanische Heimat
unverwundbar zu machen. Das wird auch mit solchen Waffen ein
Ideal bleiben. Sie dienen vielmehr dazu, 'endlich' mit dem wir-
kungsvollsten Element der Triade, den nuklearen Interkontinental-
raketen, Waffen zu haben, deren Einsatz mit erheblich verringer-
tem Risiko geschehen kann. Das erhöht die mit der 'Flexible Re-
sponse' angestrebte Handlungsfreiheit in der Kriegsführung auf
allen Ebenen ungemein. Darum geht es, und deswegen sollte es nie-
mand wundern, daß wegen der Weltraumwaffe keine der anderen Waf-
fen überflüssig wird, nicht mal das gute alte Maschinengewehr.
Aus demselben Grunde nämlich, weswegen im Pentagon der "Krieg der
Sterne" geplant wird - damit die Triade in ihrer Gesamtheit so
richtig griffig werde -, werden gegenwärtig die immensen Anstren-
gungen zur Stärkung der konventionellen Streitmacht Europa unter-
nommen. Denn je risikoloser und damit überlegener unter dem
Schirm des zu erwartenden Weltraumabwehrsystems die nuklearen In-
terkontinentalraketen eingesetzt werden können, desto mehr stei-
gen die Chancen der konventionellen Streitmacht, ihrerseits den
Krieg siegreich entscheiden zu können. Oder umgekehrt: Ein mit
überlegenen Mitteln geführter konventioneller Krieg in Europa
macht die anderen Elemente der Triade zu den gewünschten freien
Optionen für die Kriegsentscheidung - sowohl durch ihren Einsatz,
wie durch die Androhung desselben.
Der "Stolperdraht" wird angespitzt
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Die Selbstkritik in bezug auf die "Schwäche " der konventionellen
Verteidigung, wie sie zum Zwecke der konventionellen Aufrüstung
von NATO-Generälen und ihren politischen Vorgesetzten geübt wird,
setzt nicht auf diese Art von Streitmacht anstelle von nuklearen
Kriegsmitteln. Sie kritisiert vielmehr die mangelnde Gefechtsbe-
reitschaft und überhaupt Schlagkraft des konventionellen Potenti-
als.
"Die Versäumnisse der Vergangenheit sind nur schwer wettzumachen.
Die konventionellen Streitkräfte sind die 'Achillesferse' der
NATO. Die laufende Einführung moderner Waffensysteme darf nicht
darüber hinwegtäuschen, daß es immer noch besorgniserregende per-
sonelle und materielle Schwächen gibt. Warnzeit - Präsenz - und
Mobilmachung stehen nicht bei allen NATO-Streitkräften in einem
ausgewogenen Verhältnis zueinander." (Wörner, Aktive Friedenssi-
cherung durch Verbesserung der konventionellen Verteidigungsfä-
higkeit, 1984)
Daß nicht a l l e Elemente der flexible response gleichermaßen
optimal wirksam sind, also die Strategie aufgrund von Mängeln der
Mittel unflexibel ist, stellt den Gegenstand der Kritik dar.
"Lücke zwischen Strategie und vorhandenen Mitteln... heute machen
es Mängel bei den nicht-nuklearen NATO-Streitkräften erforder-
lich, in einem nicht überzeugenden hohen Maß mit Kernwaffen vor
einer konventionellen Aggression abzuschrecken. Das Bündnis be-
findet sich in dieser mißlichen Lage, obgleich seit 1967, als die
Strategie der flexiblen Erwiderung beschlossen wurde, die konven-
tionellen NATO-Streitkräfte stärker geworden sind. Aber die
Streitkräfte des Warschauer Vertrags sind eben noch stärker ge-
worden. Überdies hat sich durch die bemerkenswerte Zunahme des
sowjetischen Nuklearpotentials die Bedeutung der konventionellen
Komponente der NATO-Streitkräftetriade erhöht. ...
Die Strategie der flexiblen Erwiderung legt nicht das genaue kon-
ventionelle Potential fest, das sie erfordert. Von der vereinbar-
ten Doktrin ausgehend, ist es aber möglich, den minimal erforder-
lichen und den maximal zulässigen Grad von Verlaß auf konventio-
nelle Streitkräfte zur Abschreckung vor einem nichtnuklearen
Großangriff klar zu erkennen. ...
Nahe am unteren Ende des Bereichs angesiedelt, kann das gegenwär-
tige konventionelle Potential der NATO als 'Stolperdraht mit Ver-
zögerungswirkung' bezeichnet werden. Dieser Begriff gibt genau
wieder, daß wir bei der Erwiderung auf einen nichtnuklearen An-
griff sehr wenig Flexibilität besitzen. Bei einem derartigen Po-
tential ist die direkte Verteidigung gegen einen nichtnuklearen
Angriff weniger eine Option als vielmehr eine kurze Phase vor dem
frühen Ersteinsatz von Kernwaffen. Die Verbesserung der konven-
tionellen NATO-Streitkräfte kann den Westen aus diesem beunruhi-
genden Zustand herausführen. ...
Die NATO muß imstande sein, sicherzustellen, daß jede Eskalation
ihrerseits gezielt erfolgt und keine Verzweiflungstat darstellt.
Darüber hinaus müssen die konventionellen NATO-Streitkräfte in
der Lage sein, die Hauptmasse der westlichen atomaren Einsatzmit-
tel sowie die wesentliche Befehls- und Führungsstruktur vor einem
konventionellen Angriff eines Aggressors zu verteidigen. Diese
Mindestfähigkeiten sind notwendig, um einen potentiellen Angrei-
fer davon zu überzeugen, daß die gezielte Eskalation als eine
glaubwürdige Option für das Atlantische Bündnis überleben wird.
Jedoch werden diese Fähigkeiten allein dem Bündnis nicht genug
Abschreckung verschaffen. Glaubwürdige Abschreckung für die NATO
erfordert ein konventionelles Potential, das die vernünftige Aus-
sicht eröffnet, einen nichtnuklearen Angriff mit konventionellen
Mitteln zurückzuschlagen. Der Begriff 'vernünftige Aussicht' legt
nahe, daß angemessene Abschreckung nicht so starke konventionelle
Streitkräfte erfordert, daß diese die notwendige Androhung des
Ersteinsatzes von Kernwaffen seitens der NATO als wesentlichen
Teil der Abschreckung gänzlich beseitigen; deshalb ist die Formu-
lierung 'vernünftige Aussicht' mit der flexiblen Erwiderung ver-
einbar." (Bernhard W. Rogers, NATO-Strategie: Erfordernisse für
glaubwürdige Abschreckung und für Bündniszusammenhalt. Europa-Ar-
chiv, Folge 13, 1984)
Man sieht, es geht hier nicht um Alternativen oder um ein neues
strategisches Konzept. Die NATO macht das konventionelle Element
ihrer Triade scharf. Sie rüstet für den Sieg in einem konventio-
nellen Krieg. Der Einwand, daß das gegen den übermächtigen Gegner
unmöglich sei, kommt da nicht auf. Man kennt seine Möglichkeiten,
und dementsprechend sieht das Programm aus:
"Meine besonderen Empfehlungen zur Verbesserung der konventionel-
len NATO-Streitkräfte sind weder revolutionär noch außerordent-
lich kostspielig. Die e r s t e P r i o r i t ä t muß es sein,
die dem Alliierten Befehlsbereich Europa (ACE) bereits unter-
stellten Truppen in einen besseren Stand zu versetzen, indem sie
auf die ACE-Standards für Personalstärke, Ausbildung, Unterstüt-
zung und Verstärkung gebracht werden. Die z w e i t e
P r i o r i t ä t ist, die westlichen Waffensysteme weiter zu
modernisieren und dabei die gegenwärtigen und die neu entstehen-
den Technologien zu nutzen, um den westlichen Streitkräften die
Fähigkeit, mit den konventionellen Waffen die zweite Staffel des
Warschauer Pakts zu orten, zu erfassen, sie zu verzögern, zu zer-
splittern und zu neutralisieren, um die Zahl ihrer Truppen, die
die westlichen Verteidigungsstellungen erreichen, auf zu bewälti-
gende Größenordnung zu bringen. (Die Verbesserung der ACE bereits
unterstellten Truppen wird den westlichen Streitkräften die Mit-
tel verschaffen, um die Erste Staffel der Paktstreitkräfte so
lange zu halten, bis der Schlag gegen die Zweite Staffel geführt
werden kann.) Die westliche Technologie kann der NATO eine er-
höhte Fähigkeit zur elektronischen Kampfführung geben, um die
zentralisierte Führung angreifender operationeller Einheiten zu
unterbrechen. D r i t t e P r i o r i t ä t ist, die westliche
Streitkräftestruktur zu vergrößern, besonders mit mobilisierba-
ren, ausgebildeten Reserven." (Rogers, ebenda)
Mit rasantem Tempo und in gewaltigem Umfang - "unsere " Verteidi-
gungsmacht kann eben nie, wie das von den Russen gesagt wird, das
"notwendige Maß " überschreiten - wird die "Gerätemodernisie-
rung", die Auffüllung des Materials und die Erhöhung der
Mannschaftsstärken plus Reserven mitten in Friedenszeiten in
Angriff genommen. Während Hitler noch mit 3 Millionen Soldaten
seinen Feldzug gegen Rußland begann, beträgt die gesamte
Mobilmachungsstärke des reduzierten Europa (West) heute schon
einschließlich der Reservisten 7 Millionen Mann, deren Ausrüstung
sich sehen lassen kann. Für läppische 23 Milliarden Mark wird bis
1990 das Programm "Infrastrukturmaßnahmen" durchgezogen.
"Damit sollen in den nächsten sechs Jahren vor allem Luftwaffen-
stützpunkte, das Fernmeldenetz, Munitionslager, Treibstoff-Pipe-
lines und Hafeneinrichtungen des Bündnisses ausgebaut und verbes-
sert werden. Vorrang haben die Einrichtungen für eine Verlegung
amerikanischer Truppen nach Europa. ... Die nominale Verdreifa-
chung des Fonds für Infrastruktur bleibt aber immer noch deutlich
hinter den Wünschen der Militärs von zehn Milliarden Dollar zu-
rück." (Süddeutsche Zeitung, 12.10.84)
"FOFA (Follow on Forces Attack)"
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Dieses inzwischen von den NATO-Staaten gebilligte Konzept, auch
"Rogers-Plan" genannt, hat zusammen mit dem Bekanntwerden der Ge-
fechtsvorschrift Field Manual 100-5 ("Air-Land-Battle") zu der
absurden Debatte geführt, ob nicht mit diesen Konzepten die de-
fensive Verteidigungsstrategie der NATO sich in eine offensive
Angriffsstrategie verwandelt habe. Da ist dann auch die aparte
Frage aufgekommen: "Wie offensiv darf Verteidigung sein?" (Die
Zeit) Offenbar existiert der Irrglaube, unter demokratischen und
freiheitlichen Verhältnissen habe die Moral Einzug ins militäri-
sche Handwerk gehalten und es ziemlich grundsätzlich verändert.
Als wenn der alte Kalauer: Angriff ist die beste Verteidigung!
jemals aus der militärischen Werkstatt verbannt worden wäre. Die
folgenden Allgemeinplätze aus den Gefechtsvorschriften für die
Divisionsund Korps-Ebene in der NATO haben noch immer Gültigkeit
besessen!
"Der Angriff in die Tiefe ist für den Sieg unbedingt erforder-
lich.
Der Angriff in die Tiefe und die unmittelbare Schlacht sind un-
trennbar." (Air-Land -Battle)
"Die Offensive ist die entscheidende Form der Kriegsführung, sie
ist die einzige Möglichkeit des Kommandeurs, ein positives Ziel
zu erreichen oder eine feindliche Streitkraft vollständig zu ver-
nichten..."
"Um siegen zu können, muß man angreifen." (Field Manual 100-5)
Angriff und Verteidigung sind eben keine moralische Kategorien,
sondern zwei Vorgehensweisen im Krieg, mit den dafür jeweils
tauglichen Waffen, sonst nichts. Daran hat sich seit dem alten
Fritz nichts geändert. Nur die Mittel der Durchführung sind ziem-
lich verbessert worden. Und die Vorneverteidigung ist schon gar
nicht geändert worden. Sie war immer so gedacht. Das gegenwärtig
Bemerkenswerte sind die Rüstungen für den Einsatz in einem kon-
ventionellen Krieg, als könnte der Ernstfall morgen eintreten,
und die konkreten Pläne, wie der Gegner in einem solchen Krieg
niedergerungen werden soll. Da geht es in die Feinheiten der be-
sten Führung des siegreichen Gefechts unter den Bedingungen: ei-
gene Kampfkraft und -mittel; geostrategische Lage; der Gegner und
seine Mittel. Motto: Wenn die Vorneverteidigung in Aktion tritt!
1. Tiefe
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"Die Bewegung ist das A und O der modernen Landkriegsführung. Je
größer bei der hohen Beweglichkeit mechanisierter Verbände die
Entfernung ist, die ein Angreifer zwischen dem Überschreiten sei-
ner eigenen Landesgrenze und dem Erreichen seiner strategischen
Angriffsziele zurücklegen muß, desto mehr Gelegenheit hat der
Verteidiger, die Wucht des ersten Angriffsstoßes aufzufangen. Die
Tiefe des Raumes bietet einem zahlenmäßig unterlegenen Verteidi-
ger die Möglichkeit, unter Preisgabe von Raum Zeit zu gewinnen -
Zeit, um die zahlenmäßige Überlegenheit der gegnerischen An-
griffsverbände durch verhältnismäßig starke Abnutzung in ihrer
Kampfkraft zu schwächen. Sobald sich die angreifenden Kräfte im
Feindesland überdehnen und offene Flanken bieten, hat der Vertei-
diger Raum zum Gegenangriff und kann damit die Kriegspläne des
Angreifers durchkreuzen und selbst die Initiative ergreifen. Lei-
der fehlt Westeuropa als Schauplatz für militärische Operationen
jedoch die strategische Tiefe." (Plädoyer für die Vorneverteidi-
gung von Philipp A. Karber, Professor für Sicherheitspolitik,
ehem. Soldat der Marine-Infanterie, von 1981-83 Leiter des Zen-
trums für strategische Konzeptionen bei US-Verteidigungsminister
Weinberger. In: Pro Pace, 1984)
Zu der Sache mit der Tiefe ist erstens zu sagen, daß der gute
Mann geflissentlich den Atlantik und die USA vergessen hat, die
ja bekanntlich beide ziemlich tief sind und die er dann doch
nicht vergißt, wenn er an den Truppennachschub aus den USA denkt,
wie sich später herausstellt. Zweitens muß dieser Stratege, ob-
wohl er kein Deutscher ist und den Zweiten Weltkrieg, den Napo-
leon-Feldzug schon gar nicht, mitgemacht hat, aus russischen
Kriegserfolgen einen falschen Schluß gezogen haben. Den Feind in
der eigenen Tiefe des eigenen Raumes auflaufen zu lassen, ist
keine Strategie, höchstens eine aus der Not geborene Art und
Weise, doch noch zum Sieg zu kommen. Die Russen sind Napoleons
Armee mit verbrannter Erde begegnet, weil sie vorher jede
Schlacht verloren hatten, also nicht anders konnten. Die Deut-
schen haben im Ersten Weltkrieg die Russen in Ostpreußen herein-
marschieren lassen, weil sie erst im Westen gewinnen wollten, um
einen Zweifrontenkrieg zu verhindern. Im Zweiten Weltkrieg hat
die Sowjetunion ziemlich verlustreiche Kesselschlachten vergeigt,
bevor dann das verbliebene Angriffspotential der Deutschen doch
nicht langte. Nach Sibirien haben sich die Russen jedenfalls
nicht zurückgezogen, trotz extremer Raumtiefe. Aber der gute Mann
hat sich natürlich etwas gedacht. Das kommt dann schon.
2. Gefüllte Raumdichte
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"Der Ausgang eines Gefechts wird... weniger vom Kräfteverhältnis
als vielmehr von der Verteidigungsdichte bestimmt das heißt also
vom Raum-Kräfte-Verhältnis. ... Je länger also die Front ist, um
so größer muß der Kräfteaufwand der NATO sein, um schnell vorsto-
ßende Panzerkräfte des Warschauer Pakts abzuschlagen.
Die durch die Teilung Europas nach dem letzten Krieg entstandene
Grenze zwischen den Blöcken hat - die NATO insofern in eine un-
günstige Lage gebracht, als die begrenzten Mittel des Verteidi-
gers über einen zurückspringenden Bogen verteilt werden müssen,
der von der Ostsee bis zu den bayrischen Alpen reicht. Je weiter
hinten die NATO kämpft, desto geringer ist die Dichte ihrer Ver-
teidigung." (ebenda)
Worauf mag das wohl hinauslaufen?
3. Geschwindigkeit
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"Die Strategie der NATO zur Vorneverteidigung ist untrennbar ver-
bunden mit der zur Mobilmachung und Verstärkung verfügbaren
Zeit." (ebenda)
Und wofür das alles?
"...all dies bedeutet, daß eine rückwärtige Verteidigung viel we-
niger Standfestigkeit besitzt und weit anfälliger gegen schnelle
Durchbrüche ist, als es eine Vorneverteidigung mit dem gleichen
Kräfteeinsatz wäre." (ebenda)
So wird etwas umständlich dafür plädiert, daß die Vorneverteidi-
gung neben einer Verhinderung eines Durchbruchs des Gegners eine
bewegliche, offensive Schlagkraft zu entwickeln habe, die einen
Angriff im Keim erstickt. Andere Strategen meinen sogar, an die
Stelle der angeblich veralteten Kampfführung "Feuerkraft plus Ab-
nutzung" die "bewegliche Kampfführung" setzen zu müssen, und den-
ken dabei bewundernd an Hitlers oder israelische "Blitzkriege".
All diese Überlegungen führen zu derselben Schlußfolgerung: Die
Vorneverteidigung muß den Feind bei seinem Aufmarsch und auf sei-
nem Territorium schlagen. Die "fehlende geographische Tiefe West-
europas" besitzt lediglich den Charakter einer Rechtfertigung für
das effektive militärische Programm.
"Der Verteidigung Westeuropas fehlt die geographische TieEe. Ziel
der Verteidigung muß es daher sein, den gegnerischen Angriffsplan
zu durchkreuzen, wenn er am verletzlichsten ist." (General a.D.
Franz-Joseph Schulze, Sicherheitspolitische und militärstrategi-
sche Rahmenbedingungen der Verteidigung Europas, Europa Archiv,
Folge 11/1984)
"Der Warschauer Pakt hat 57 Divisionen in seinem Vorfeld - DDR
und CSSR - disloziert. Weitere 35 Divisionen an Reserve hat er im
weißrussischen Militärbezirk stehen...
Diese 35 Divisionen könnten, wenn sie in ungeschmälerter Stärke
auf dem Gefechtsfeld Bundesrepublik erscheinen, das Zünglein an
der Waage sein, das zu atomarer Eskalation zwingt. Nun glauben
wir, wenn es gelänge, die 35 Divisionen auf dem Marsch zwischen
weißrussischem Militärbezirk und Gefechtsfeld Bundesrepublik in
ihrem Hauptkampfwert zu zerschlagen, so sei das von Vorteil für
unsere Verteidigung. Jetzt kommen Kritiker und rufen: Kampf in
der Tiefe, das bedeutet ja, die DDR und Polen zu bombardieren.
Wir wollen aber nicht Polen und die DDR bombardieren, sondern die
aufmarschierenden feindlichen Kräfte - bei einer Aggression der
anderen Seite. Weshalb soll ich die Last meiner Verteidigung al-
leine meine eigene Bevölkerung tragen lassen - wo steht denn
das?" (Demokratische Haudegen können es offenbar nicht lassen,
die Kundgabe ihrer militärischen Absichten mit moralischen Lügen
zu garnieren.) "...Was nutzt es mir, wenn die zweite Staffel zum
Stehen gebracht wird, die erste aber nicht gehalten werden konnte
- da ist der Krieg für mich doch bereits zu Ende. Deswegen muß
ich aus deutscher Sicht auf folgende Prioritäten dringen: Kampf
gegen die erste Staffel, Luftverteidigung, Zerschlagen der zwei-
ten Staffel." (Altenburg, Weltwoche, 30. August '84)
Für das alles wird gegenwärtig mit großem Tempo und koste es, was
es wolle, gerüstet. Die noch beschränkte Supermacht Europa - sie
verfügt nur über Westeuropa, ist keine Atommacht und auf die
Hilfe der USA angewiesen - setzt für ihr abstraktes Ziel, das
durch den Zweiten Weltkrieg zustandegekommene Kräfteverhältnis
gegen den mächtigen Feind im Osten zu korrigieren, sehr hohe
Ideale an, die Aufrüstung betreffend. An sich allein hat das
schwarz-rot-goldene Europa eine Raketenlücke entdeckt und aufge-
füllt bekommen. So gut wie für sich allein will der westeuropäi-
sche Block sich instandsetzen, einen konventionellen Krieg gegen
den doch "so überlegenen" Warschauer Pakt zu gewinnen. Eine poli-
tische Aufwertung vor allem der Bundesrepublik geht damit selbst-
verständlich einher.
"Bonn hat ein sehr starkes Interesse, die konventionelle Vertei-
digungsfähigkeit zu verbessern. Und hier sehen wir uns hinsicht-
lich einiger Dinge, die wir tun, in einer Rolle, die für andere
auch beispielhaft sein kann." (Altenburg, Frankfurter Rundschau,
10.12.84)
Aufschwung an allen Fronten!
***
"Politische Waffen"
-------------------
Die Lüge vom Nichteinsatz atomarer Massenvernichtungsmittel
glaubt keiner der für ihren Einsatz Verantwortlichen. Wenn sie
aber zugeben, daß man in bestimmten Fällen nicht umhin kann...,
können sie es nicht lassen, dann auch vom Einsatz der A-Waffen zu
behaupten, man verfolge mit ihm einen guten Zweck. Im folgenden
erklärt der General doch glatt, "selektive" Nukleareinsätze im
Krieg würden den "Abschreckungsfrieden" wiederherstellen - als
könnte der etwas anderes sein als eine Form der Kapitulation:
"Der Charakter nuklearer Waffen als potentielles Massenvernich-
tungsmittel und die Gefahren wechselseitiger Eskalation
b e g r e n z e n die militärische Nutzbarkeit dieser Waffen.
Deshalb sind nukleare Waffen v o r r a n g i g auf ihren poli-
tischen Nutzen hin zu beurteilen und e r s t i n z w e i t e r
L i n i e nach ihrer militärischen Wirkung auf das Kampfgesche-
hen.
Nuklearwaffen haben p r i m ä r einen p o l i t i s c h e n
Zweck. Sie sollen durch die Androhung ihres Einsatzes einen Krieg
verhindern. Falls dies nicht gelingt, soll durch die Androhung
bzw. den V o l l z u g eines politisch kontrollierten selekti-
ven Einsatzes von Nuklearwaffen ein militärischer Konflikt mög-
lichst schnell durch Wiederherstellung der Abschreckung beendet
werden.
Diese Zielsetzung verbietet eine nukleare Einsatz-Konzeption, die
ü b e r w i e g e n d o d e r a u s s c h l i e ß l i c h dar-
auf abziehlt, dem Gegner a l l e i n (?) durch Zerschlagen sei-
ner Streitkräfte das Erreichen seines Zieles zu verwehren. Ein
Einsatz nuklearer Waffen ausschließlich oder primär auf deutschem
Boden wäre ebensowenig in unserem Interesse wie ein wiederholter
Einsatz gleicher nuklearer Optionen." (Altenburg, ebenda)
***
"Wichtiger als die Grenzfrage ist die Freiheitsfrage"
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"WELT: Wie kann nach Ihrer Vorstellung die Zukunft Schlesiens
aussehen?
Dregger: Es wird nicht wieder so sein, wie es vor 1945 war. Aber,
ich denke, es wird auch nicht so bleiben, wie es zur Zeit ist.
Das Chaos, das der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat, kann völ-
kerrechtlich nur in einem Friedensvertrag geregelt werden, den
diejenigen abschließen, die in Zukunft als Nachbarn neben- und
miteinander leben werden. Das sind Polen und Deutschland. Ein
solcher Friedensvertrag setzt die Überwindung der Teilung Europas
und die Rückgewinnung des Selbstbestimmungsrechts für das pol-
nische und das ganze deutsche Volk voraus.
WELT: Moskau überzieht die Bundesrepublik Deutschland mit einer
Revanchismuskampagne. Ist sie berechtigt?
Dregger: Nein. Revanchistische Politik läge weder im Interesse
der Deutschen noch der Polen. Sie läge allenfalls im Interesse
des sowjetischen Imperialismus. Sobald sie beide frei sind und
über sich selbst bestimmen können, werden Polen und Deutsche sich
ebenso versöhnen, wie Deutsche und Franzosen sich versöhnt haben.
Polen ist eine europäische Brudernation, die nach eigenem Selbst-
verständnis zum Abendland gehört. Sie sollte wie wir Deutschen
ihren Platz unter dem Dach eines freien und einigen Europas fin-
den, das mit der Sowjetunion ebenso wie mit allen anderen Völkern
in Frieden lebt. Ich bin überzeugt, daß eine solche Zukunftsper-
spektive die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit aller Polen
und Deutschen findet. Sie liegt auch im wohlverstandenen Inter-
esse der Sowjetunion, für die es immer schwieriger und kostspie-
liger werden wird, Polen und Teile Deutschlands gegen ihren Wil-
len im sowjetischen Imperium festzuhalten." (Die Welt, 9. Jan.
1985)
***
Rußland war stets ein anderes Europa
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"Ich habe in Rom darauf hingewiesen, daß Rußland - das orthodoxe
wie das sowjetische - ebenfalls ein Bestandteil Europas ist, daß
es aber stets ein 'anderes Europa' war und daß Stalins totalitä-
res Diktat eines 'cordon sanitaire' der Sowjetunion (Polen, CSSR,
DDR) zur ideologischen, politischen und militärischen Absicherung
seiner Macht nach Hitlers totalitärem Versuch der Unterwerfung
ganz Europas bis heute die Spaltung Europas bewirkt.
Zur Wiedervereinigung Europas und Deutschlands durch die Verwirk-
lichung der persönlichen Menschenrechte und der nationalen
Selbstbestimmung östlich des grausamen Eisernen Vorhangs wird es
nur dann und erst dann kommen, wenn einmal eine künftige sowjeti-
sche Führung die Interessen Rußlands anders sieht als Stalin und
seine bisherigen Nachfolger, das heißt, wenn Moskau seine Politik
gegenüber seinen Nachbarvölkern, vor allem den Deutschen und den
Polen, grundlegend ändert. Dazu wird es - ohne Gewalt - einmal
kommen.
Kein Imperium hält ewig..."
(Staatsminister Alois Mertens, Süddeutsche Zeitung)
***
"Stärkung der konventionellen Verteidigung"
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Landstreitkräfte
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Die Landstreitkräfte werden durch die Indienststellung von etwa
740 Hauptkampfpanzern verstärkt, von denen die meisten den moder-
nen Typen "Leopard II" und "Challenger" angehören. Einige EURO-
GROUP-Staaten werden die bei den Kampfverbänden abgelösten Kampf-
panzer in die Erhaltungsreserve überführen, um die Durchhaltefä-
higkeit zu steigern. Mehr als 600 andere gepanzerte Fahrzeuge und
140 schwere Geschütze werden in Dienst gestellt. Die Programme
zur Kampfwertsteigerung der vorhandenen Panzerverbände werden
fortgesetzt, einschließlich des Einbaus von Zielvorrichtungen für
schlechte Sicht und verbesserte Feuerleitanlagen.
Neben anderen Verbesserungen der Panzerabwehrfähigkeit werden 850
Panzerabwehrkanonen, 300 Panzerabwehrraketenwerfer des Typs MILAN
und TOW und 3000 tragbare Panzerabwehrraketenwerfer zugeführt.
Luftstreitkräfte
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Die Luftstreitkräfte der EUROGROUP-Staaten planen die Zuführung
von mehr als 300 Flugzeugen für das Jahr 1985; bei etwa 280 von
diesen wird es sich um Kampfflugzeuge handeln, und zwar überwie-
gend vom modernen Typ "TORNADO" und "F-16". Die Luftverteidi-
gungsfähigkeit wird durch die Indienststellung von Tankflugzeugen
und Frühwarnflugzeugen als Streitkräfte-Multiplikatoren erhöht
werden. Die Überlebensfähigkeit der Flugzeuge wird durch die Ver-
besserung der Geräte für elektronische Gegenmaßnahmen und Radar-
warngeräte und den Einbau von Infrarot-Täuschkörpern und Düppel-
kartuschen erhöht.
Seestreitkräfte
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Die Staaten der EUROGROUP planen die Indienststellung eines Flug-
zeugträgers, von fünf modernen Geleitschiffen und Zerstörern, von
13 Fahrzeugen für die Minenkriegsführung, eines Flottenversorgers
und eines Unterseeboot. Fast 50 Flugzeuge werden die Marineflie-
gereinheiten verstärken. Das Programm zur Modernisierung der vor-
handenen Schiffe und Waffen wird fortgesetzt. Die Kriegsschiffe
erhalten moderne Sensoren, Radargeräte und Sonare sowie verbes-
serte Geräte für elektronische Gegenmaßnahmen und Fernmeldege-
räte."
(Ministertagung der EUROGROUP, 3./4. Dezember 1984)
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Das Imperium Peters des Großen
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Das Imperium Stalins
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Die geostrategische Lage des westlichen Bündnisses
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Europa im Wirkungsbereich der östl. des Urals stationierten SS-20
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Der Blickwinkel der USA
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