Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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Was der DDR fehlt - Meinungsfreiheit Marke BRD
ÜBER DAS TÖTEN IM STAATSDIENST
"Empörend, beleidigend, skandalös, bestürzend, unerträglich" -
die regierenden Demokraten von Kohl bis Vogel können sich gar
nicht beruhigen über ein Gerichtsurteil, das einen Arzt von der
Anklage der Beleidigung freisprach, der Soldaten "potentielle
Mörder" genannt und den Wehrdienst als "Drill zum Töten" kriti-
siert hatte. Das, so fanden sie, gehe gegen die Ehre der Soldaten
und mache ihnen ihren Dienst noch schwerer, als er ohnehin schon
sei.
Sie müssen es ja wissen. Schließlich bestimmen sie über
Soldatendienst und Soldatenehre
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Sie sind es, die ihr Volk zwangsweise einberufen, zum Dienst an
der Waffe abrichten und Gehorsam beibringen lassen, damit die
jungen Bürger lernen, mit diesem nützlichen Gerät garantiert
zweckmäßig, also rücksichtslos gegen sich und andere umzugehen.
Sie wissen auch am besten wozu: damit die Politik geht und der
Staat in jedem Fall andere Nationen dazu bringen kann, klein
beizugeben - mit Gewalt nämlich. Ohne glaubwürdige Kriegsdrohung
kann man keinen Staat machen. Dafür werden demokratische Unterta-
nen gedrillt, dafür müssen sie ihr eigenes Leben - und das
'ihrer' Feinde sowieso - im Ernstfall gering achten und zu opfern
bereit sein. Dieser Auftrag heißt nicht 'Töten', sondern
'Verteidigen', und ist oberste Bürgerpflicht. Seine korrekte
selbstlose Erfüllung gereicht zur Ehre.
Wenn aber jemand das ganz und gar nicht für begeisternd hält,
sondern im anklagenden Tonfall sagt, wofür dieser Stand gut ist
und ausgebildet wird, dann - da werden Politiker ganz menschlich
- ist das Ehrabschneidung und eine Beleidigung der Soldaten, die
die Politiker als ihr Menschenmaterial einsetzen. So einfach ist
das: Der Auftrag, auf Befehl anderen gründlich ans Leben zu gehen
und das eigene einzusetzen, spricht nicht gegen die Politiker,
die ihn erteilen, und nicht gegen ihre nationalen Anliegen, die
ohne solche Gewalt nicht auskommen. Umgekehrt: Das Soldatsein
adelt die Bürger, macht geradezu in den Augen ihrer Dienstherren
ihre ganze Persönlichkeit aus - und gewährt selbstverständlich
auch ein Recht: das Recht nämlich, als Staatsdiener gebührend
gewürdigt zu werden. "Die einen Verfassungsauftrag erfüllenden
Soldaten", so der Verteidigungsminister, müssen darauf "bauen
können, daß ihr Dienst von den Bürgern gewollt ist und anerkannt
wird." (Süddeutsche Zeitung, 24.10.) So folgt dem Dienst an der
Waffe eine zweite Bürgerpflicht auf dem Fuße: ihn gutzuheißen und
von dem, was Soldaten lernen, nur ehrfurchtsvoll zu sprechen. Das
gehört sich für die
Demokratische Meinungsfreiheit
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Die besteht schließlich nicht darin, daß man sagt, was man denkt,
sondern ist ein gnädig gewährtes Recht, das deshalb auch an der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihren Gesetzen seine
Grenzen hat. Deren Einhaltung überprüfen deutsche Gerichte. Des-
wegen stand der Kritiker auch schon zum zweitenmal vor Gericht.
Soldaten sind keine potentiellen Mörder...
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haben die Richter eindeutig festgestellt. Sie erfüllen vielmehr
einen eindeutigen Verfassungsauftrag. Die gegenteilige Behauptung
sei deshalb "keine Tatsachenbehauptung", sondern bloß eine sub-
jektive "Wertung". Objektiv ist also nur die staatsgenehme Unter-
scheidung zwischen der privaten Gewalt gegen andere, die als Ver-
brechen gilt, und der staatlich gebotenen, deren Verweigerung für
einen Soldaten unter Strafe steht. Freigesprochen wurde der Ange-
klagte nur, weil er sich in einer "erregten Situation" und ohne
persönliche Beleidigungsabsicht geäußert habe, also den Vorwurf
gar nicht ernst gemeint habe. Andernfalls wäre er selbstverständ-
lich zu bestrafen.
Auch wenn das Gericht zutreffend versichert, es habe keineswegs
erlaubt, Soldaten potentielle Mörder zu nennen; das Urteil hat
unsere demokratischen Friedenspolitiker zu einem einzigen Auf-
schrei der Entrüstung veranlaßt:
Soldaten sind keine potentiellen Mörder...
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Davon abweichende Meinungen dürfen nicht einmal als unmaßgebliche
persönliche Entgleisung durchgehen, sondern müssen mit der ganzen
Härte des Gesetzes bestraft werden. Sonst fühlen sich nicht nur
gestandene CDUler an "die Zeiten politischer Gesinnungsrechtspre-
chung" erinnert und müssen den Richtern zur rechten Gesinnung
verhelfen. In einer aktuellen Stunde im Bundestag und tagelang
vorher und hinterher stimmten vom Kanzler bis zur Opposition alle
das Lob des angeblich öffentlich beleidigten und vom Recht
schmählich im Stich gelassenen deutschen Soldaten an. Dann ver-
sprachen sie feierlich, dafür zu sorgen, daß das nicht ihre - so-
wieso maßgebliche - Meinung bleibt, sondern jedermanns Auffassung
zu sein hat: Das Urteil soll revidiert werden, und wenn nicht
"auf dem Weg über höchstrichterliche Rechtssprechung", dann eben
durch eine "Änderung des zur Zeit möglicherweise unzureichenden
Rechts" (SZ, 21./22.10.), damit jede abweichende unmaßgebliche
Meinung gleich als "Volksverhetzung" bestraft wird. Der General-
inspekteur der Truppe setzt da voll auf einen Sieg der Gerechtig-
keit und verkündet, "er vertraue auf den Rechtsstaat und sei si-
cher, daß der Freispruch keine Rechtskraft erlange. Wenn sich an
dem Freispruch für den Mediziner nichts ändere, sei das Parlament
gefordert, die Gesetze entsprechend zu ändern." (SZ, 23.10.) Und
der Kanzler gelobte, höchstpersönlich dafür zu sorgen, daß das
Unrecht am deutschen Soldaten wiedergutgemacht wird.
Alles klar! Die Demokratie geht streng rechtsstaatlich und gewal-
tenteilig vor: Paßt das Meinungsfreiheitsrecht den Politikern
nicht zu ihren Ansprüchen an eine staatsdienliche Volksverhet-
zung, dann nehmen sie die ihnen zustehende Freiheit wahr und pas-
sen die Gesetze ihrem Bedürfnis nach Verherrlichung der (Staats-)
Gewalt an. Damit ist dann die "Rechtsbeugung" und die "politische
Gesinnungsrechtssprechung" aus der Welt, weil ihre Gesinnung
unwidersprechlich vorgeschrieben ist: 'Nichts geht über unsere
Armee, den Soldatendienst und den kriegsbereiten Verteidi-
gungsauftrag!` In den Grundfragen der Nation, darauf dringen Po-
litiker mit all ihrer Macht, ist die Meinungsfreiheit eben die
Pflicht, rückhaltlos dafürzusein.
Dabei hört man längst gar nichts anderes mehr in der pluralisti-
schen demokratischen Öffentlichkeit:
Soldaten sind keine potentiellen Mörder!
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Ganz ohne Kommando funktioniert die öffentliche Meinung. Im Namen
der Menschenwürde, der Soldatenehre und unserer unwidersprechlich
guten Republik legt sie dem Bürger das Militär ans Bürgerherz und
betet ihm seinen Auftrag vor, es zu achten und zu lieben. Außer
um das Ansehen deutscher Soldaten darf man sich höchstens noch
Sorgen um die Ehre deutscher Gerichte machen: "Kritische" Stimmen
mahnen zu mehr Respekt vor dem deutschen Richterstand, denn er-
stens ist auch im Frankfurter Urteil ausdrücklich die Soldaten-
ehre verteidigt worden und zweitens sind Richter auf geltende Ge-
setze angewiesen, weshalb der Gesetzgeber die Rechtslage ändern
müsse, statt unqualifizierte Urteilsschelte zu üben.
So hat das "Skandal"-Urteil durchaus seine guten Seiten: Der
Wehrwille wird bestärkt, die Rechtssprechung dahingehend
"sensibilisiert" und der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen.
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