Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus


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       Die einzig realistische Null-Lösung:
       

BEDINGUNGSLOSER ABBAU DIESER SPRENGKÖPFE!

(Bild der Köpfe von Mitterand, Thatcher, Reagan und Kohl) Ohne Kontrollen vor Ort verifizierbar! Garantiert endlich Sicherheit! Am liebsten wäre den Bonner Machern, der Abrüstungspoker wäre wieder in die gemütlichen Zeiten vor Reykjavik zurückzubringen als die heile Welt der westlichen Rüstungsdiplomatie, in der die Verhandlungen im Austausch des bekundeten Willens, noch am Ver- handlungstisch zu sitzen, sich erschöpften, noch nicht durch die Absicht Gorbatschows nach einer westlichen Entscheidung: Abrü- stung ja oder nein? durchkreuzt wurde. Die entschiedene Haltung Bonns zur Ablehnung und Obstruktion eines Abrüstungsabkommens wird in Bonn deshalb als Hinhalten und Abwarten ausgedrückt - von wegen "mangelnde Entscheidungskompetenz" des Kanzlers! Ein "Wandel" Reagans? --------------------- Diese Haltung stimmt durchaus mit Washington überein. Es ist ja nicht so, daß Reagan eine Kehrtwendung um 180 Grad gemacht und den Deal mit den Russen schon abgeschlossen hätte. Shultz hatte bei seinem Moskauer Besuch erst einmal nichts weiter im Gepäck als eine Einladung Gorbatschows nach Washington, die der Ein- geladene richtig als Unterhaltungsreise in die USA kennzeichnete, für die er weder Zeit noch Lust hätte. Ansonsten stand auf dem amerikanischen Besuchsprogramm eine Spionageaffäre, die die USA - wie schon bei dem letzten Gipfeltreffen - kurzfristig vorher ent- deckt hatten, Afghanistan und verletzte Menschenrechte. Es war wieder einmal die Aufgabe der Sowjetunion, ihren amerikanischen Verhandlungspartner durch neue Abrüstungsvorschläge samt neuerli- chen Vorleistungen in "Verwirrung zu bringen". Entschieden ist bei den Vorschlägen zur Abrüstung der Mittel- und Kurzstreckenraketen auf europäischem Boden, die jetzt in Genf vorliegen, erst recht noch nichts. Die USA sind jedenfalls nicht auf schnelle Entscheidungen aus - und Gründe, die die Schuld für ein vorausgesehenes Scheitern der UdSSR zuschreiben, werden von Washington täglich geliefert. Da ist einmal die schwierige "Verifikation" - lustigerweise geht da heute der westliche Vor- wurf dahin, daß die Russen mit ihren Kontrollvorschlägen glatt zu weit gingen -, nämlich bis hin in die private Rüstungsproduktion. Auf die Bündnispartner müsse Reagan hören - als bestünde ein Zweifel an deren Nein. Und überhaupt und immer wieder stellt sich die Frage nach der "Vertrauenswürdigkeit" der Sowjetunion: die Juden in Rußland, deren militanten "Refusenik"-Kern Shultz in Moskau offiziell mit seinem Besuch beehrt hat; die von der "Breschnew-Doktrin geknebelten" Staaten des Warschauer Pakts; die vom Westen geschürten "Krisenherde" Naher Osten, Nicaragua, Afghanistan - da sollte es Reagan schwer fallen, die Abrüstungs- verhandlungen an der Unglaubwürdigkeit des Verhandlungsgegners scheitern zu lassen, wenn er will? Die amerikanische Administra- tion macht auch kein Geheimnis daraus, daß ihre Vorstellungen von gelungener Abrüstung etwas anders aussehen als der Wunsch Gor- batschows nach Verschrottung einiger Waffen und vielmehr auf eine Umrüstung hinauslaufen. Wenn Cruise Missiles wieder von europäi- schem Boden weg sollen, dann sind sie immer noch gut aufgehoben auf amerikanischen U-Booten, die vor Europas Küste kreuzen. Die Pershings verlieren mit ihrem Mittelstreckencharakter auch schon gleich ihre Gefährlichkeit, wenn sie um eine Triebwerkstufe kür- zer gemacht werden. Bei den Kurzstreckenraketen wäre es sowieso das beste, sich auf gemeinsame Obergrenzen zu einigen, mit denen die USA das Recht und die Pflicht gewinnen würden, hier einiges an Nachrüstung zu verwirklichen. Das glaubt sowieso kein aufge- klärter Bürger des Freien Westens, daß dessen Führungsmacht frei- willig und wegen der Ziele dieser Politik etwas für Frieden übrig hat und irgendeine Waffe wegwirft. Da muß schon eine "innenpolitische Schwäche", ein "angeschlagener Präsident" her, um zu erklären, wie aus dem Falken Reagan jetzt auf einmal eine Friedenstaube geworden sein soll. Die Aufregung der europäischen Verbündeten, vor allem der BRD, über eine angebliche Mißachtung europäischer Sicherheitsinteres- sen hat Reagan mit einer Abfertigung der darin enthaltenen Heu- chelei gekontert: Schließlich blieben doch nach Abzug der Pers- hings noch einige tausend amerikanischer Atomwaffen vor Ort, die den Ostblock von Europa aus unter Feuer nehmen können. Also wozu das Geschrei von einem fürchterlichen Schaden, den die westliche Kriegsvorbereitung dadurch erleiden würde, daß für den Abzug der Pershings ja die Russen auf ein weit größeres Kampfpotential ver- zichten müßten? Eins bleibt allerdings bestehen; und das Bedenken dagegen hat der US-Präsident gar nicht ausgeräumt: Von der amerikanischen Seite sieht das strategische Gewicht der speziell europäischen Front etwas anders aus, als es sich europäische Politiker, die darin ihre weltpolitische Aufwertung sehen, wünschen. Für die USA ist E u r o p a ein v o r g e s c h o b e n e s K a m p f f e l d in einer Auseinandersetzung, die sich vor allem zwischen Amerika und der Sowjetunion abspielt. Diesen Widerspruch im NATO-Bündnis gibt es seit eh und je, geschadet hat er der gemeinsamen Gegner- schaft gegen den Osten nie; umgekehrt haben sich "Atlantiker" und "Isolationisten", die hüben wie drüben sitzen, immer gegenseitig aufgeschaukelt, um aus dem Bündnis die Bedrohung der UdSSR zu ma- chen, die es heute ist. Unter dem Namen SDI hat Reagan sein Rü- stungsprogramm strategisch ein Stück mehr auf die unmittelbare Konfrontation mit der Sowjetunion angelegt. Der Streit unter den amerikanischen Politikern, den Gorbatschow mit seinem Abrüstungsvorschlag verursacht hat, geht erst einmal nur darum, daß einige von ihnen der Meinung sind, ein Verzicht auf irgendwelche westlichen Waffen könne mit keinem amerikani- schen Interesse zusammengehen. Das vermischt sich dann schon mit der Vorbereitung des kommenden Wahlkampfs, bei der die amerikani- sche Bevölkerung - wie auch die hiesige - mit dem starken Angebot beeindruckt werden soll: Wer von den nationalen Politikern schlägt die härtere Gangart gegen den Hauptfeind ein: Ansonsten sind sich Gegner und Befürworter des "Verhandlungswillens" Rea- gans in einem sehr einig: Die Europäer müssen auf alle Fälle mehr für ihre eigene "Sicherheit" tun - und das stößt ja auch auf keine tauben Ohren. Die Offensive Gorbatschows -------------------------- Mit wem er es als Verhandlungsgegner zu tun hat, ist dem Mann aus Moskau klar: "Die herrschenden NATO- Kreise sind jedoch wieder einmal, wie schon nach Reykjavik, in großer Aufregung. Aller Art Erfindungen werden ausgestreut und neue Ängste geschürt. Man verstrickt sich selbst und die Öffentlichkeit wiederum in Verdächtigungen: Was führt Moskau im Schilde? Wie kommt es zu so kühnen Schritten? Verbirgt sich nicht dahinter eine List, ein Betrug, bei dem es darum geht, einige einzulullen, alle zu entzweien und danach Westeuropa niederzuzwingen? Selbst die Idee der Befreiung Europas von nuklearen Arsenalen wird für schädlich erklärt... Die Verei- nigten Staaten beschäftigen sich nicht nur mit SDI. Sie forcieren die Produktion und Erprobung von Raketen, Flugzeugen und neuen Gefechtsköpfen, die eben dazu bestimmt sind, durch die Verteidi- gung zu dringen. Und für sie werden übrigens weitaus mehr Mittel als für SDI ausgegeben." (Rede zum Besuch des syrischen Präsiden- ten Assad, 24.4.) So bestimmt sich die sowjetische Abrüstungsoffensive auch nicht aus den nebenher verkündeten Idealen und deren naturgesetzlicher Notwendigkeit - "Die Sicherung des Überlebens der Menschheit im Frieden ist das Gesetz der heutigen historischen Phase" -, son- dern realitätsbewußter aus dem Wunsch nach "Interessenbalance" und der "Gleichheit" der gegenseitigen Bedrohungsmöglichkeit. Bei allen Abrüstungsangeboten der letzten Zeit ist im Westen ja auch nicht die "Hoffnung" aufgekommen, damit wolle sich der Hauptfeind ein Stück weit wehrlos machen. Gorbatschow nimmt die diplomati- sche Einkleidung der westlichen Aufrüstungsschritte, mit denen diese zu friedenspolitischen Taten erklärt werden, beim Wort und legt seine Verhandlungspartner darauf fest. 'Die Null-Lösung bei Mittelstreckenraketen ist doch euer Vorschlag - von dem wollt ihr jetzt abrücken? Ihr habt Furcht vor den verbliebenen Kurzstrec- kenraketen? - Machen wir doch ein einziges Abrüstungsabkommen für den ganzen Komplex! Ihr meint, wir seien konventionell überlegen? Wir stehen zu Verhandlungen bereit.' E i n e n Erfolg kann sich Gorbatschow dabei auf alle Fälle zu- rechnen: Seit Reykjavik heißt das Verhandlungsthema nicht mehr überhaupt nur: verhandeln, sondern A b r ü s t u n g s schritte vereinbaren. Diese Position will er sich auch nicht abhandeln lassen: Abkommen gibt es mit der Sowjetunion nur, wenn wirklich ein Weniger an Waffen dabei herauskommt: "Wir sind dafür, die Sache auf eine radikale Reduzierung und letzten Endes vollständige Liquidierung der operativ-taktischen Raketen in Europa hinauslaufen zu lassen, und halten es für un- nütz, in einer künftigen Vereinbarung allerlei 'Toleranzen' für ihre weitere Verstärkung und Perfektionierung vorzuprogrammie- ren." (Prager Rede, 10.4.) Die Stoßrichtung des sowjetischen Abrüstungswillens zielt auf die Waffenansammlung, die in Europa aufgehäuft ist. Auch hier steht der Wunsch nach einem "gesamteuropäischen Haus" und seine gei- stige Begründung - "Unsere Völker leben auf diesem Kontinent, sind zusammen mit an- deren Völkern legitime Erben der hier entstandenen Zivilisation und leisten ihren unabdingbaren Beitrag zu ihrer Entwicklung." (Prager Rede, 10.4.) für ein handfestes Anliegen, das selbst der "Spiegel" gemerkt hat: "Mit diesen strategisch entbehrlichen Waffen schafft sich die So- wjetführung - durch Abzug der US-Raketen - aber zugleich eine Be- drohung vom Hals, die ihr seit Beginn der Auseinandersetzung um die NATO-Nachrüstung viel gefährlicher war, als der Westen wahr- haben wollte." (18/87) Das letzte ist freilich wieder einmal gelogen. Genau mit dieser Wucht und Absicht, die Moskau daran erkannt hat, sind die Pers- hings in Europa aufgestellt worden: als Ausbau der europäischen Kampffront zu einer selbständigen Atombastion, die die UdSSR noch einmal extra ins Visier nimmt. zurück