Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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NULL-LÖSUNG: DAS OPPOSITIONELLE ECHO
Wenn die Sprachregelungen der Regierung durcheinandergeraten,
dann schlägt in der Demokratie die Sternstunde der Opposition -
sollte man denken. Aber das stimmt nicht ganz. Gerade in einer
Lage, die für die imperialistische Standortbestimmung der Nation
so prekär und entscheidend ist, kennt der demokratische Wider-
spruchsgeist seine Aufgabe: Er begleitet die amtlichen Entschei-
dungen mit den Oberstimmen eines weltgeschichtlichen nationalen
Gewissens.
Die SPD
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meldet sich mit Phrasen über die einzigartige historische Chance,
die man nicht verpassen dürfe, und mit dem bedeutungsschwangeren
Imperativ, das deutsche National- und europäische Gesamtinteresse
müsse für die Regierung unbedingten Vorrang haben vor allen Ab-
und Rüstungsvorstellungen der amerikanischen Führungsmacht. Sie
unterstreicht mit geschichtsweisheitsgesättigtem Gestus jede Gen-
scher-Bemerkung, man solle dem sowjetischen Abrüstungswillen nur
kräftig auf den Zahn fühlen. Den Scherz mit dem "Mantel der Ge-
schichte" oder so ähnlich können Brandt und Vogel mit um so ehr-
licherem Augenaufschlag aufsagen, als ihre Partei ja nicht in der
Verlegenheit ist, gleichzeitig als Regierungspartei der Fortent-
wicklung der nationalen Wehrmacht vorstehen und den Interessenab-
gleich im Bündnis und mit den Amis durchziehen zu dürfen. Eben
deswegen ist allerdings dieser vorgestellte "Zugewinn an Glaub-
würdigkeit" doch wieder nichts wert. Denn bei der faszinierenden
Aufgabe, die Erfordernisse einer möglichst unabhängigen nationa-
len Kriegstüchtigkeit und einer militärisch abgesicherten natio-
nalen Unabhängigkeit verbindlich zu formulieren, hat die SPD
nichts mitzureden. Um so moraltriefender und geschichtsphiloso-
phischer fallen ihre ungemein ernsthaften Diskussionsbeiträge aus
- das darf das Publikum zum wenigsten von einer unverbindlichen
Oppositionsmeinung erwarten.
Die Friedensbewegung
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- oder was davon bei den Ostermärschen dieses Jahres noch einen
Existenzbeweis für diese Bewegung angetreten hat - sieht sich
beinahe am Ziel ihres Wunsches, in dem sie ihre Kriegs- und Rü-
stungs-"Kritik" zusammengefaßt hatte: Jeder westliche Militarist
gibt zu Protokoll, daß seinetwegen die Null-Lösung nicht schei-
tern müßte und die Pershing II durchaus eventuell wieder abgezo-
gen werden sollte; und allenthalben wird so getan, als lägen auf
einmal die Friedensbewegten hier und ihr alter Intimfeind, der
US-Präsident Reagan, fast auf einer Linie. Dabei lassen die froh
und hoffnungsvoll gestimmten Rüstungskritiker allerdings eine
Kleinigkeit weg. Die Regierungen, die über die Entbehrlichkeit
einer Waffengattung diskutieren, wissen G r u n d u n d
Z w e c k ihrer Feindschaft gegen die Sowjetunion und d i e
M i t t e l ihrer entsprechenden - Sicherheitspolitik voneinan-
der zu unterscheiden. Und das sagen sie auch klar und deutlich:
Ihr Gegensatz zur anderen Weltmacht ist politischer Natur und
s o l l überhaupt nicht dadurch relativiert werden, daß die NATO
sich überlegt, ob sie sich eine Modifikation ihrer Strategie will
leisten können. Damit ist immerhin klargestellt, daß pazifisti-
scher Abscheu gegen Kriegsgerät... vornehm gesagt: zu kurz
greift. Abrüstungsforderungen blamieren sich als idealistisches
Wünschen, wenn sie gar nichts von den Gründen wissen wollen, aus
denen NATO-Regierungen sich und ihrem Bündnis eine dauernd wach-
sende Militärmacht schuldig sind. Wie a n t i k r i t i s c h
solches Wünschen ist, könnte sogar den Friedensbewegten jetzt
auffallen, wo sie sich mit der Diplomatie der Shultz und Genscher
in einem scheinbaren Einklang finden. Es sieht jedoch so aus, als
hätten sie es genau auf ein solches Erfolgserlebnis abgesehen.
Nicht weniger albern ist es übrigens, wenn die Pershing-Gegner
hierzulande bei Gelegenheit den Chef der Sowjetmacht als ihren
"Gorbi" hochleben lassen und ihren Regierungen zur Nachahmung
empfehlen. Der Unterschied zwischen östlicher und westlicher Rü-
stungsdiplomatie stellt sich jetzt zwar so dar, daß die So-
wjetunion es ehrlich meint mit dem Waffen-Wegwerfen und die NATO
nicht so sehr. Die Wahrheit über den Interes-
sens g e g e n s a t z beider Seiten, welcher a u c h rü-
stungsdiplomatisch ausgetragen wird ist das aber nicht. Politik
geht anders als der moralische Vers, den sich die Betroffenen
darauf machen. Deswegen ist ihr ja auch nicht durch fromme Wün-
sche und die Drohung eines Glaubwürdigkeitsverlustes das kriegs-
trächtige Handwerk zu legen.
Die Partei der Grünen,
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die in der Friedensbewegung mittlerweile ihren verlängerten au-
ßerparlamentarischen Arm zu besitzen glaubt, schätzt erst recht
den Schein einer Übereinstimmung alter "Pershing-weg!"-Parolen
mit den regierungsoffiziellen Verlautbarungen der Reagan-Admini-
stration in Sachen Null-Lösung. Ob ihr frisch in den Bundestag
gewählter Alternativ-Stratege Mechtersheimer an diese Überein-
stimmung glaubt, mag dahingestellt sein. Er schöpft daraus jeden-
falls ein Argument gegen Kohls Regierungslinie, das parlamentari-
sche Reife beweist: Zu der Aussicht, daß in Genf gegen die Bonner
Präferenzen eine Null-Lösung vereinbart werden könnte, fällt ihm
ein kritischer Gesichtspunkt ein, unter dem er die Regierung
gerne b l a m i e r e n möchte in diesem Zusammenhang. Und das
ist keineswegs der Standpunkt einer konsequenten Abrüstung oder
ähnliches, sondern derjenige der deutsch-nationalen Selbständig-
keit gegenüber den USA:
"Offenkundig fürchtet die Bundesregierung eine Zustimmung der
USA-Administration zu einem Mittelstreckenabkommen. Und da zeigt
sich, daß die Unterwürfigkeit dieser Regierung gegen Washington
noch größer ist als ihre Atomwaffenbesessenheit. Da verzichten
Sie lieber auf eine Waffenkategorie, als daß Sie in Widerspruch
zur US-Regierung geraten." (Zur Regierungserklärung Kohls,
"Süddeutsche Zeitung" vom 21.3.)
Welche Einwände fallen diesem Meisterkritiker der Grünen-Fraktion
wohl ein, wenn sich am Ende doch das Bündnis von dem bundesdeut-
schen Regierungsstandpunkt zur "Gefahr" einer "Entnuklearisierung
Europas" überzeugen läßt? Irgendwas wird ihm sicher auch dann
wieder - n i c h t n a t i o n a l g e n u g sein!
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