Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus
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DER SINN DES GROSSEN ZAPFENSTREICHS
Die politisch Verantwortlichen sind noch viel weniger zimperlich.
Ihnen reicht gegenwärtig die anerkannte Notwendigkeit unserer
Friedenstruppe keineswegs aus. Mit den öffentlichen Vereidigungen
zum 25jährigen Jubiläum der Bundeswehr präsentierten sie das Mi-
litär als eine demokratische Institution, also mit dem Anspruch
auf alle Feierlichkeit, auf alle Wertschätzung, ja Ergriffenheit,
die bei Staatsfeiern erwartet und gepflegt werden. Alle hierzu-
lande angeblich so umstrittenen Traditionen, die zum schönen und
erhabenen Präsentieren der geschätzten Truppe gehören, wurden be-
wußt vor aller Augen zelebriert: Der alten Wehrmacht wurde end-
lich der Münchner Königsplatz entrissen und mit den alten Vorbil-
dern um die gekonnteste Inszenierung einer militärischen Feier
gewetteifert.
Mit klingendem Spiel vor das Volk
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Die Choreographie von Reih und Glied, zackigen Kommandos und Mi-
litärmusik bei Fackelschein ist eben das Mittel, mit dem die Tu-
genden jeder Truppe in jedem Staat schön zur Anschauung gebracht
werden. Der Bürger in Uniform trat seiner Öffentlichkeit in der
Idealisierung entgegen, die dem Soldatenstand entspricht und kri-
tisierte damit die bisher so beliebten und propagierten
'zivilistischen' Formen der Selbstdarstellung nach außen. Die
staatstragende Institution, die Armee, stellte sich als eben dies
dar und demonstrierte, daß sie nicht nur ein notwendiger Dienst
neben dem sonstigen zivilen Staats- und Bürgerleben ist, den man
hinter sich bringt, sondern eine besondere Ehre und Verpflich-
tung, die den Staatsbürger auszeichnet. Die historische Besonder-
heit eines Militärs ohne die offiziell zur Schau gestellte mili-
tärische Wertschätzung wurde also beseitigt - und das gleich so
gründlich, daß ein zukunftsweisender Fortschritt erzielt wurde.
Und um diesen Fortschritt ging es. Denn ebensowenig wie in den
letzten 25 Jahren die Bundeswehr und ihre Vorgesetzten Probleme
mit ihr oder der allgemeinen Zustimmung zu ihr gehabt hätten,
ebensowenig sind die militärischen Staatsfeiern, die das glau-
bensgewisse und daher berechnend leutselige Papstspektakel an
Würde und Andacht in den Schatten stellen, hierzulande einfach
gewohnheitsmäßiger und normal zur Kenntnis genommener militäri-
scher Aufzug mit alten Märschen und Zeremonien. Der in den er-
leuchteten Abendhimmel gesprochene Eid ist mehr als die selbst-
verständliche Verpflichtung zu dieser Sorte Dienst. Hier steht
die Mannschaft nicht nur so da und für das ein, was die Politiker
erst noch mühsam herzustellen behaupten: das 'Recht' der Bundes-
wehr, sich auch öffentlich zu präsentieren. Die Feier der demo-
kratischen Armee taugt gerade dadurch, daß sie bisher nicht in
d i e s e r Weise für normal erklärt wurde, für mehr als die
Durchsetzung eines Rechts, das längst verwirklicht und akzeptiert
ist. Was hier einer in ihrer Mehrheit ganz und gar nicht kriti-
schen Öffentlichkeit nach der von obenangeleierten und angeleite-
ten 'bedrohten Weltlage'-Debatte ins Bewußtsein gehoben wird, ist
die unbedingte Wichtigkeit und Wertschätzung des Heeres gerade
zum gegenwärtigen Zeitpunkt, also die planmäßige Stärkung der öf-
fentlichen 'Wehrbereitschaft' in einer Situation, wo ganz andere
Sachen zur Debatte stehen als 'Armee pro und contra'. Der Klar-
stellung, daß die Bundeswehr eine öffentliche Institution ist,
hätte es wirklich nicht bedurft, wenn es nicht auf mehr angekom-
men wäre. Das Fehlen einer unbestrittenen nationalen Armeetradi-
tion, der Ersatz durch die Ideologie vom 'Bürger in Uniform' ist
ja erst dann ein Mangel, wenn das Militär wegen der neuen politi-
schen Kalkulationen mit Blick auf den Ernstfall mit seinem wahren
Zweck und seinen wahren Tugenden ins Gespräch gebracht, werden
soll; und dieser Mangel wird eben dadurch behoben, daß man es so
ins Gespräch bringt und vorzeigt, wie es diesen Kalkulationen
entspricht. Bezüglich des Kriegs- und Friedensinstruments bedeu-
tet das die in wieder ausdrücklich militärischen Aufmärschen und
Feiern sinnfällig gemachte Forderung nach Ehrfurcht und Hochach-
tung - und die dabei durchgesetzte Gewöhnung an das Verbot jedwe-
der Kritik, die nicht von der umstandslosen Sorge um unser aller
'Wehrbereitschaft' getragen ist. Solche Kritik gilt ab sofort als
'Wehrkraftzersetzung' und wird auch so behandelt, nämlich mit der
Streichung gewisser Formen der freien Meinungsäußerung. Die neue
Gemeinsamkeit aller wehrhaften Demokraten, die etwas zu sagen ha-
ben, schafft mit den öffentlichen Auftritten ihrer nun erklärten
Lieblingsbrüder einerseits Klarheit, andererseits aber sich sel-
ber die Gelegenheit, jede noch so friedfertige Kritik an diesen
Auftritten zum ungeheuerlichen Angriff auf sich zu erklären und
das Volk auf ein vertrauensvolles Ja zu all den Maßnahmen einzu-
stimmen, für die und um deretwillen das Militär nicht nur gehal-
ten wird.
***
München Königsplatz. Die Uniformität des Schauspiels in Uniform
ist unübersehbar. Wo Feierlichkeit und Ästhetik auf der Vorfüh-
rung des Drills, auf der in Reih und Glied, 'Schwenk-Marsch!' und
Uniform sinnfällig gemachten Aufgabe der Individualität beruht,
demonstrieren Faschismus und Demokratie an ihren besten Kräften
das gleiche: die Ehre und Schönheit der Vaterlandsverteidigung.
Respekt dem Bundesverteidigungsministerium das bei einem in In-
halt und Form unveränderlichem Ritual doch noch ein paar eigene
Akzente zu setzen wußte. Vorschläge in der Öffentlichkeit, Erin-
nerungen an die jüngste Vergangenheit zu vermeiden, gehen aller-
dings an den Intentionen der Veranstalter vorbei: Ihr Schauspiel
diente ja gerade der Traditionspflege, Identifikationen waren
also beabsichtigt.
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