Quelle: Archiv MG - BRD BUNDESWEHR ALLGEMEIN - Vom deutschen Militarismus


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       Bundeswehrtagung in Bonn
       

DÖNITZ ODER KLINKE?

Nach Mitteilung der "Zeit" vom 24.4.81 soll im Mai 1980 irgendwo in Bremen im Zusammenhang mit der Traditionsdebatte der Bundes- wehr ein Kind in den Brunnen gefallen sein. Wer daran glaubt und daran, daß es sich bei dem Bonner Auftrieb zu der zweitägigen "Anhörung" zum Thema "Bundeswehr und Gesell- schaft" um ein defensives "Aufholen jahrelanger Versäumnisse" un- ter dem Druck der "Krawalle in Bremen, Bonn und anderswo" bei öf- fentlichen Gelöbnissen gehandelt habe, der muß, mit Verlaub, ziemlich bescheuert sein. So bescheuert, daß er an der Dummheit, mit der bei dieser Gele- genheit über Notwendigkeit und Herkunft der Bundeswehrtraditionen geredet wurde, "Der Mensch ist nicht nur homo rationalis oder oeconomicus... Er braucht zu seinem Leben Liebe, Zuneigung, Freundschaft. Ein Leben ohne Gefühle ist unmenschlich. Aus diesem Blickwinkel erklärt sich für mich" (die Bundeswehr ist schließlich auch nur ein Mensch!)", daß die Bundeswehr ebensowenig wie die Kirchen... ohne Tradition leben kann." (Apel), die entschiedene Frechheit nicht mehr bemerkt, mit der den Bür- gern in und außerhalb der Armee mitgeteilt wird, daß sie auf ei- niges in der militärischen Vergangenheit ihres Staatswesens mit Recht stolz zu sein hat. Im übrigen kann man "Traditionen nicht auf dem Verordnungswege befehlen und planen. Sie müssen von selber wachsen, veralten, sterben," (Zeit) Deswegen hatte sich das Verteidigungsministerium 1965 unter Kai- Uwe v. Hassel im eigenen Mistbeet eigens einen Traditionserlaß gezogen, "der regelte, ob - und wenn ja: welche - Symbole, Vorbilder und Wertvorstellungen aus Kaiser-, Reichswehr- und Wehrmachtszeiten für die Bundeswehr Bestand haben können. In ihm wird unter an- derem festgelegt, daß Verbände, Schiffe und Unterkünfte der Bun- deswehr nach Persönlichkeiten benannt werden können, die in Hal- tung und Leistung beispielhaft waren." (Süddeutsche Zeitung) Als deutscher Troupier ist man allerdings schon immer der Mei- nung, daß "die deutsche Wehrgeschichte in Frieden und Krieg zahllose solda- tische Leistungen und menschliche Bewährungen umfaßt, die über- liefert zu werden verdienen." (Traditionserlaß von 1965) Deshalb wurde auch von diesen Leuten, als bei der Bonner Veran- staltung das Sortieren der diversen Traditionen anging, konse- quent der Standpunkt vertreten, "daß die militärische Leistung eines Soldaten, der seinem Fahnen- eid getreu, vorbildlich seinen Dienst versieht, ein Wert an sich sei" (Niemack, Generalmajor a.D.) Es soll also nur darauf ankommen, daß ein Soldat den Feind nach den Regeln der Militärkunst umnietet und dabei um die Gefährdung der eigenen Haut kein Aufhebens macht, zumal er ohnehin in aller Regel nicht in der Lage ist, "die moralische Berechtigung seines Tuns zu beurteilen" (derselbe). Das handwerklich saubere Umlegen von Iwan, Tommy oder Franzmann mochte aber die Mehrheit der Bonner Diskutanten nicht umstandslos als Überlieferungswert für unsere saubere Truppe gelten lassen: Dieses begehrte Prädikat soll einer "soldatischen Leistung" erst zugebilligt werden, wenn der Vorgang auch funktionell entweder gleich für den heutigen Staat abgewickelt wird, zumindest aber nicht einfach so als verhinderter Wert an sich in der Militärhi- storie herumsteht, sondern schon den überzeitlichen "Maßstab von Geist und Toleranz des Grundgesetzes" (Frankfurter Rundschau) ahnen läßt. In die Traditionspflege der Bundeswehr kann daher auch die Wehr- macht eingehen, insofern sie ja keine Mörderbande war, sondern - man denke nur an den Oberleutnant Helmut Schmidt - von der Sehn- sucht nach dem G r u n d g e s e t z bestimmt war. Mit ihrem Widerstand gegen Hitler braucht man sich also hinfort bei der Bundeswehr nicht mehr politisch zu legitimieren. Im Ernstfall bringt sie eben Feinde um, die dann immer welche "unserer Frei- heit" sind. So ist ihre "höchste Aufgabe die Pflicht zum Frieden" und ihr "sinnstiftender Einsatz bei Naturkatastrophen", (Baudissin), für welche Hauptaufgabe sie auch die vielen Panzer und Raketen benötigt (man erinnere sich nur an die erfolgreiche Beschießung des süditalienischen Erdbebens durch deutsche Leos). Kurz: Es sprach in Bonn alles dafür, daß die Bundeswehr "ihre soldatische Tradition allein in der Geschichte der Bundes- wehr selbst begründen solle." (Die Welt) Mit dem ständigen "Hinweis auf die Friedenssicherung als Existenzgrund der bewaff- neten Macht" (Apel) wurde deshalb auch der alte Traditionserlaß in aller Form als Er- gebnis der Tagung zu den Akten gelegt. So führen Politiker zusammen mit den Kameraden von Kirche, DGB und anderen Jugendverderbern eine geschmäcklerische Diskussion über die B e n e n n u n g all der schönen Sachen und die Pflege ihrer Tradition: "Lütjens" und "Dönitz" sollte eigentlich nicht sein; "Hindenburg", naja; "Florian Geyer"? chic!; vergeßt uns den Gefreiten Klinke nicht! - na den von den Düppeler Schan- zen usw. Wenn diesen Typen solcher Luxus ohne weiteres erlaubt ist, ist es auch kein Wunder, wenn sie die Gelegenheit auch gleich wahrnehmen und zum Angriff übergehen: Dem deutschen Volk, das mit Lohnverlusten, Duldung von Kürzungen im Sozialbereich und Steuererhöhungen solidarisch das staatliche Programm unterstützt, wird ein "bedenklicher Mangel an Solidarität, d.h. Verzicht auf eigene In- teressen" (Kalinna, Oberkirchenrat) vorgeworfen; ebenso, daß es "die Bundeswehr als Institution in der BRD zwar akzeptiert, ihren Auftrag dagegen allenfalls hinnimmt, meist sogar verdrängt oder ablehnt." (Th. Ellwein, Politologe) Die Jugend bekommt zu hören, daß sie erstens zu blöde ist, die Notwendigkeiten einzusehen - "...keine Erfahrung mit den Russen..., Fehleinschätzung der Ent- spannungspolitik: das war eine Runderneuerung der Bundeswehr und ohne diese gar nicht denkbar..., ...überschätzen den Spielraum der BRD." (Apel) - und zweitens zu schlappschwänzig - "...nur die Hälfte ist überhaupt bereit, sich im Falle eines mi- litärischen Angriffes zu verteidigen." (J. Brandt, Generalinspek- teur der Bundeswehr) und' überhaupt, insbesondere soweit akademisch, einigermaßen mo- ralisch verkommen - "...die künftigen Eliten nehmen die Leistungen anderer - Bafög usw. - an,... Gefühl für Sinn und Notwendigkeit eines zeitlich begrenzten (?) Opfers schwindet bereits'" (Welt) Wenn dann noch von den hochbezahlten kommunistischen Agitatoren im öffentlichen Dienst, v.a. an den Schulen "Revolutionsgesinnung als vorbildlich hingestellt wird..." (FAZ), braucht man sich nicht zu wundern, wenn die BRD in der Diagnose eines Konfliktforschers unwidersprochen als eine Gesellschaft vorkommt, "die ihren Selbstbehauptungswillen immer stärker in Frage stellt." (Jacobsen) Mit all diesen frei erfundenen Defensiven des Wehrgedankens in der BRD wird den Bürgern mitgeteilt, daß sie sich noch auf eini- ges mehr gefaßt zu machen haben, daß sie im Vergleich zu dem, was eigentlich nottäte, noch gar nicht richtig rangenommen wurden, daß das, was sie sich jetzt noch herausnehmen, gegenüber dem Ge- bot der Stunde, eigentlich eine ziemliche Frechheit ist, weshalb auch künftig in Schule und Arbeitswelt "mehr über die Grundlagen und Erfordernisse der Sicherheitspoli- tik geredet werden muß." (Apel) Dieser etwas einseitige Dialog ist nötig, da einerseits die "Grundhaltungen, auf die es für die Soldaten ankommt: Wahrhaftig- keit und Gerechtigkeit, Achtung vor der Würde des Menschen, Groß- herzigkeit und Ritterlichkeit, Kameradschaft und Fürsorge, Mut zum Eintreten für das Recht, Tapferkeit und Hingabe, Gelassenheit und Würde in Unglück und Erfolg, Zurückhaltung in Auftreten und Lebensstil, Zucht des Geistes, der Sprache und des Leibes, Tole- ranz, Gewissenstreue und Gottesfurcht." (Traditionserlaß) manchen Bürgern mit und ohne Uniform angeblich "in einigen F o r m u l i e r u n g e n nichts mehr sagen", andererseits aber gerade diese soldatischen Tugenden für die Bür- ger mit und ohne Uniform zum Aushalten dessen, was auf sie zu- kommt, für sehr nützlich gehalten werden. Apel hat auch schon einen Vorschlag, wie man die Ideale der einen militärischen Bru- talität, daß der einzelne sich im Rahmen einer übergeordneten Un- ternehmung bedingungslos und mit a l l e n Konsequenzen hintan- zustellen habe, wirksam an den Mann bringen könnte, auf den es ankommt, den deutschen Proleten nämlich: "Wir überlegen, ob wir nicht einmal mit einem Gelöbnis in einen Industriebetrieb gehen sollten, um unsre Verbindung zu den arbei- tenden Menschen zu unterstreichen." Man sieht, die Integration der Gesellschaft in die Bundeswehr kommt voran: Die unerfreuliche Erinnerung an die Verquickung sol- datischer Tugenden mit dem faschistischen Un-Staat ist durch eine offiziell eingerichtete U n b e f a n g e n h e i t ersetzt. Auf die lächerliche Idee, die demokratische BRD mit dem Faschis- mus vergleichen zu wollen und sich dafür an dem damals wie heute geforderten bedingungslosen Gebrauch der Wehrmacht/Bundeswehr festzumachen, kann und darf niemand mehr kommen. Da somit ein für allemal klargestellt ist, daß das Militär guten Zwecken dient, es sich also seine faschistische Vergangenheit deswegen nicht länger vorzuhalten lassen braucht, weil sein jetziger Staat per Beschluß nicht mehr im geringsten mit dem damaligen in Verbindung gebracht werden kann, ist es durchaus auch wieder erlaubt und erwünscht, beim Illustrieren soldatischer Tugenden ganz zufällig und unter anderem die - selbstverständlich unpolitischen - Helden des 2. Weltkrieges an ihren Orden aus der Rumpelkiste zu zerren. Diese Gelegenheit läßt man sich natürlich nicht entgehen. *** Berufsschule der Nation ----------------------- "Sachverstand und Schulbildung, erworben bei der Bundeswehr, le- gen den Grundstein für solide Zivilberufe. Übrigens: Nicht nur Jugendträume werden auf diesem Wege Wirklich- keit. Auch manche Jugendtorheit, ein Webfehler im Lebenslauf, ein früher Mißgriff bei der Berufswahl, eine abgebrochene Schullauf- bahn, ein versäumter oder nicht geschaffter Übertritt lassen sich mit dem Angebot, das die Bundeswehr ihren Zeitsoldaten macht, nachträglich korrigieren. Aber Leistungswille, Ausdauer und Fleiß muß jeder selbst mitbringen." (Schule und wir, hsg, vom Bayer. Kultusministeriuim, 1/81) Zu danken ist der Bundeswehr schon, der das teuerste am techni- schen Gerät gerade gut genug ist, daß sie die Ideologie, nur der Intelligente bringt es zu etwas und die restlichen Dummen verdie- nen auch ihre Arbeitsplätze, ganz praktisch widerlegt. Mit Fleiß kann jeder Blödel, sprich Schulabgänger etwas werden - aber nur bei der Bundeswehr. Und so widerlegt sie gleich noch eine zweite Ideologie, daß man es nämlich mit Fleiß im Leben zu etwas bringt. Zur Bundeswehr muß man da schon gehen. Merke: Wenn schon ins Gras gebissen, dann mit einer ordentlichen Berufsausbildung! zurück