Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles


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       Wer will, wem fehlt eigentlich die Wiedervereinigung?
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       Kein Interessensverband  oder Verein in der BRD ist jemals darauf
       gestoßen, daß  er ohne die Einheit mit denen drüben gar nicht zu-
       rechtkommt -  weder die Gewerkschaften noch der Einzelhändlerver-
       band oder  die Bauern.  Die westdeutschen  Unternehmen, sonst für
       imperialistische Frechheiten immer aufgeschlossen, haben in prak-
       tischer Hinsicht auch andere Anliegen; außerdem steht ihnen mitt-
       lerweile ziemlich  die ganze  Welt offen,  einschließlich schöner
       Möglichkeiten in  der DDR. Sie machen sich garantiert mehr Gedan-
       ken über  den Dollar als über die Beseitigung von Honecker. Nicht
       einmal die  Mitglieder der  Vertriebenenverbände werden aus ihren
       unmittelbaren Bedürfnissen und Interessen heraus darauf gestoßen,
       daß ihre  Heimat eigentlich  woanders ist; und ob sie wirklich so
       gern als  Grubenarbeiter wieder in Schlesien antreten würden oder
       als Landarbeiter in Pommern, ist keine ernsthafte Frage mehr.
       Schier unerträglich  ist die  deutsche Teilung ausschließlich für
       westdeutsche  P o l i t i k e r.
       Keiner der europäischen Nachbarstaaten, weder die USA noch andere
       Weltordnungsmächte haben  jemals das  ganze Deutschland vermißt -
       auch wenn  der Bundespräsident immer wieder in seiner höchst sal-
       bungsvollen Diktion  wiederholt, daß Europa ein saturierter deut-
       scher Nationalismus  furchtbar abgeht.  Eher schon betrachten die
       NATO-Partner und Konkurrenten das deutsche Programm mit einer ge-
       wissen Skepsis.  Soweit sie  nicht umhin können, der Wirtschafts-
       und Bündnismacht  BRD die diplomatische Ehre zu erweisen, schlie-
       ßen sie auch die Symbole für das deutsche Sonderprogramm mit ein.
       Per NATO-Vertrag  unterschrieben ist  es deshalb  aber noch lange
       nicht.
       Das Bedürfnis  nach Beseitigung  der "innerdeutschen"  Grenze ist
       ausschließlich eines der  w e s t d e u t s c h e n  Politiker.
       Daß "Wiedervereinigung"  ausschließlich westdeutsche  Staatssache
       ist, ist  allerdings kein  "bloß". Und auch der Umstand macht die
       Sache nicht  harmlos und ungefährlich, daß selbst die zuständigen
       Politiker hauptsächlich  Wichtigeres zu  tun haben, als die deut-
       sche Frage  offenzuhalten - Steuern reformieren, Krankheitskosten
       dämpfen  oder   Kampfflugzeuge  bestellen   z.B.  Denn   das  hat
       j e d e s  K r i e g s programm so an sich: Mit den "zivilen" In-
       teressen der  Menschheit hat  es weiter gar nichts zu tun, bis es
       dann auf die Tagesordnung kommt.
       Seine Zielsetzung ist national und geht andere Staaten nichts an,
       bis sie  es zu  spüren kriegen,  weil es losgeht. Im Frieden wird
       seine Vorbereitung arbeitsteilig erledigt, bis der nationale Not-
       stand dann ausgerufen wird und Politik bloß noch den einen Inhalt
       hat.
       V o r h e r   haben nationale  Zielsetzungen der kriegsträchtigen
       Art allemal  etwas  I d e a l i s t i s c h e s  an sich, weil es
       unter "gemäßigten"  Politikern und in einer liberalen Öffentlich-
       keit in  normalen Zeiten  einfach nicht  Brauch ist,  sich zu dem
       Mittel des  militärischen Gewalteinsatzes  zu bekennen,  von  dem
       doch jeder weiß, daß es das einzig  r e a l i s t i s c h e  Mit-
       tel ist. Das ändert sich sofort, wenn "die Lage" es erlaubt. Dann
       gebietet die  nämlich, was  sich keiner  als  p o l i t i s c h e
       A b s i c h t   will vorstellen können - obwohl dann wunderbarer-
       weise alles  Nötige parat  ist an  Kriegszielen, Strategie, Mann-
       schaften, Moral und Waffen.
       Die Herbeiführung  der entsprechenden "Lage" braucht auch diesmal
       ihre Zeit.  Aber an  ihr wird  gearbeitet; von  den USA  im  ganz
       großen Maßstab.  Und die  westdeutschen Politiker  arbeiten daran
       mit. Denn  dieser Berufsstand,  wenn auch  sonst niemand,  hat es
       wirklich: das Bedürfnis, ein größeres Deutschland zu regieren.
       

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