Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
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Marxistische Gruppe, Juni 1983
Argumente zum 17. Juni
Der 17. Juni
EIN NATIONALER KAMPFAUFTRAG WIRD GEFEIERT
Das deutsche Volk, dem keine Stunde Arbeitszeit erlassen wird,
bekommt zum 17. Juni einen ganzen freien Tag geschenkt. Gemeinsam
mit den politischen Verwaltern eines rücksichtslosen sozialen
Friedens, von Ruhe und Ordnung, Fleiß und Bescheidenheit, soll es
sich an diesem Tag eines Arbeiteraufstandes erinnern; soll es als
freudiges nationales Ereignis hier die Störung des sozialen Frie-
dens, von Ruhe und Ordnung, Fleiß und Bescheidenheit feiern -
"drüben", "im andern Teil Deutschlands" nämlich. Am Nationalfei-
ertag präsentiert sich die Bundesrepublik als politischer Erbe
und Anwalt und mächtiger Fürsprecher von Aufruhr in der DDR. Das
"bessere Deutschland" stellt an diesem Tag nicht, wie andere Na-
tionen zufrieden den Bestand seiner Herrschaft, seine Geschichte
und Erfolge zur Schau, die das Volk so teuer zu stehen kommen.
Die Unzufriedenheit mit dem erreichten Stand der Nation wird ge-
feiert, ein kämpferischer Anspruch auf "das ganze Deutschland",
der sich gegen die Herrschaft jenseits der Mauer richtet. Für
einen verfassungsmäßigen Auftrag darf das Volk an diesem Tag ins
Grüne fahren und Hetzreden seiner Politiker anhören; für ein
Staatsprogramm, das kurz und anspruchsvoll "Wiedervereinigung in
Freiheit" heißt.
"Wiedervereinigung":
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das heißt, man soll als guter Deutscher die "Brüder und Schwe-
stern jenseits des Eisernen Vorhangs" nicht vergessen und sich
wie der Bürger eines größeren, bis an die Memel reichenden Volkes
fühlen. Nicht unter den täglichen Sorgen, die einem die eigene
Politikermannschaft und die freie Marktwirtschaft aufbürden, soll
man "leiden", sondern unter der Tatsache daß ein Teil des ehema-
ligen großdeutschen Reiches eine eigene Regierung hat, einem an-
deren Staat untersteht. D e r s t ö r t - nicht dich und mich,
sondern die Herrschaft hierzulande, der man zu dienen hat, wenn
sie die Welt für sich in Ordnung bringt.
"in Freiheit":
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das soll man sich als einen einzigen Segen vorstellen, den das
arme Volk drüben nicht genießt. Zwar gibt es genügend Staaten,
auf die der Vorwurf des "Völkergefängnisses" viel eher zutrifft
als auf die Reisebeschränkungen, politischen Reglementierungen
und Arbeitsvorschriften der DDR. Aber das sind unsere Verbündete.
Zwar heißt die Kampfparole der Politik in der BRD für die 80er
Jahre schlicht "Opfer" - aber die können als "Preis der Freiheit"
nie hoch genug sein. "Freiheit" - das heißt eben: Freiheit für
die eigenen Herren, sich auch für das Volk drüben zuständig zu
machen und die Nation wieder groß. Kultur und Sprache, Familie
und Heimat, d i e "Werte deutscher Nation", sind zwar auch in
der DDR reichlich zu haben. Aber dort dienen sie nicht der BRD -
und das beweist schon zur Genüge ihren M i ß brauch. Die Rede
von der e i n e n N a t i o n ist nämlich keine hilflose Be-
schwerde von Menschen, die nicht zusammenkommen können, sondern
der Richterspruch eines Staates über einen Feind. Das westdeut-
sche Volk darf für dieses Kampfprogramm einstehen - gegen die
"Brüder und Schwestern drüben", die als ebensogute Deutsche ihres
Staates dann die Feinde sind, die es zu besiegen gilt. Das Geden-
ken an die gefallenen Helden der deutschen Einheit ist für hin-
terher vorgesehen!
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