Quelle: Archiv MG - BRD AUSSENPOLITIK OSTPOLITIK - Deutschland über alles
zurück Bremer Hochschulzeitung Nr. 43, 16.11.1981 Teach In Breschnew auf StaatsbesuchERFOLGE BONNER KRIEGSDIPLOMATIE
1. Wenn im gewöhnlichen Leben ein Individuum einem anderen Gewalt androht, für den Fall, daß jener Partner sich nicht fügt, so heißt das E r p r e s s u n g. Wenn dasselbe in der internatio- nalen Politik geschieht, so heißt das D i p l o m a t i e. Auf diesem Felde ist die Androhung von Gewalt und die Anhäufung der Mittel legitim, mit dem ein Souverän dem anderen die Handlungs- freiheit bestreitet. Das Argument lautet "unsere Interessen" und gilt als selbstverständlich. 2. Wenn Staaten miteinander verhandeln, zu welchen Preisen sie den Austausch welcher Waren vornehmen; unter welchen Bedingungen sie ihren Markt öffnen oder zumachen; wie sie ihre Stahl-, Automobil- oder Elektronik-Industrie protegieren oder der Konkurrenz ausset- zen - so geht es ums nationale Geschäft. Verhandlungen heißen Eu- ropäischer- oder Weltwirtschaftsgipfel, und sie entscheiden über die Konjunkturen des Weltmarkts mit seinem merkwürdigen Nebenein- ander von Arm und Reich. 3. Wenn Not und Überfluß nicht nur wie üblich auf die "beiden er- sten" und auf die "Dritte Welt" verteilt werden und zwar so, daß sich der glückliche Besitzer eines Arbeitsplatzes in den USA und Westdeutschland reich vorkommt, wenn er sich nach landesüblicher Sitte mit den Hungernden in anderen Breiten vergleicht, wenn der Überfluß im freien Westen bevorzugt in Gestalt von Panzern und Raketen auftritt und die Bevölkerung mit einem Sparprogramm be- dacht wird, dann steht die K o n k u r r e n z d e r W a f f e n auf der Tagesordnung. 4. Wenn Fragen der R ü s t u n g die Außenpolitik bestimmen, dann sind die Staaten des freien Westens nur noch Partner; und das Wirtschaftswachstum, um das sich sonst die Nationen streiten, dient in jeder einzelnen dem Bündnis, das NATO heißt. Der Konkur- rent heißt Sowjetunion oder Warschauer Pakt, und die Waffen des Westens sollen diesen Gegner davon überzeugen, daß die Weltwirt- schaft, also auch der weltpolitische Einfluß, seine Sache nicht ist. 5. Wenn der Sowjetunion vorgerechnet wird, sie verfüge nach westli- chem Geschmack über zuviel Waffen, müsse also einiges von ihren Gewaltmitteln verschrotten, so heißt du "K r i e g s g e- f a h r". Immerhin beschränkt sie mit ihren Raketen die Freiheit des Westens, überall und jederzeit zu bestimmen, was in der Staatenwelt erlaubt und verboten ist. Deshalb wird der SU auch in Rüstungskontrollverhandlungen klargemacht, daß nur i h r e N a c h g i e b i g k e i t d e n F r i e d e n s i c h e r n k a n n. 6. Wenn der freie Westen a u f r ü s t e t, und über die sowjeti- sche Abrüstung verhandeln will, so v e r t e i d i g t e r s e i n e I n t e r e s s e n, die auf der ganzen Welt zuhause sind. Wenn die Sowjetunion sich Waffen hinstellen kann, mit denen sie der NATO gewachsen ist, und dem freien Westen das letzte Mit- tel seiner Freiheit bestreitet, so ist das u n t r a g b a r. Ihre militärische Drohung ist "mehr als zur Verteidigung nötig ist" - und muß unwirksam gemacht werden. 7. Wenn nach jahrelangem Zählen von Raketen, nach öffentlicher Be- sichtigung der strategischen Möglichkeiten der NATO einerseits ein auf Jahre hinaus kalkuliertes A u f r ü s t u n g s programm beschlossen wird, andererseits der Ruf nach V e r h a n d- l u n g e n ertönt, dann ist der Inhalt dieser Verhandlungen kein Geheimnis. Die Russen werden gefragt, ob ihnen die neuen Waffen des Westens einleuchten als Argument, und ihre Bereitschaft zur Abrüstung gilt als ihr Verhandlungswille. 8. Wenn das Angebot der NATO an die Sowjetunion, diese könnte doch nachgeben, auf d e u t s c h vorgetragen wird, so heißt das nicht "Totrüsten" sondern F r i e d e n s p o l i t i k. 9. Und weil die strategischen Erpressungen gegenüber den Russen gar nicht auf ihre Erfüllung berechnet sind, sichern einzig d i e Mittel den Frieden, mit denen sich eine sowjetische Kapitulation e r z w i n g e n läßt. Den Anlaß definiert der freie Westen, aus dessen Interesse ja auch hervorgeht, was Gleichgewicht ist. 10. Wenn die NATO 35 Jahre lang den Krieg kalkuliert hat, so war das eben keine Friedenssicherung. zurück